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... Im gegenwärtigen Augenblick beschäftigt uns am meisten die seit dem ersten d. M. hier wirklich angekommene Cholera: Auf der Frankfurter Journalière erwartet und auf die Kontumazanstalt verwiesen, hat sie einen anderen Weg genommen, durch den Finowkanal. Die näheren Umstände des ersten Cholerafalles sind in der Tat tragikomisch, der Schluß fast balladenartig. An die Möglichkeit, daß die Cholera nach Charlottenburg (eine halbe Meile von Berlin) käme, hatte man nicht gedacht, der Hof hatte sich im dortigen Schlosse absperren wollen und eine Anzahl Proviantwagen war schon dahin abgegangen. Da erscholl plötzlich von dorther die Kunde von einem an der Cholera gestorbenen Schiffer. Polizeibeamte und die wachslinnenen, steifen Harnischmänner, die zur Wartung der Cholerakranken eigens errichtete Garde, eilen hinaus und in dem stolzen Bewußtsein, im Kampfe die ersten zu sein, tun sie sich ein wenig zu Gute. Der Tote wird eingesargt, und des Nachts sollen ihn die Wärter auf einem Kahne vom Schiffe abholen; doch am andern Morgen erfuhr man, daß bis auf einen ans Ufer getriebenen Mann alle untergegangen, und die Fischer bei Spandau einen Sarg im Netze gefangen hatten. Da nun dieser mit der Spree in Berührung gekommen ist, will man weder Fische noch Krebse essen. Jene Proviantwagen sind auch wieder zurückgekehrt, und soviel man weiß, wird sich der König auf die Pfaueninsel bei Potsdam begeben.
Der erste Erkrankungsfall in Berlin selbst war der eines Schiffers, gerade in der Mitte der Stadt. Bis jetzt sollen 29 erkrankt und 21 gestorben sein. Man klagt über die Mutlosigkeit und Unbeholfenheit der hiesigen Ärzte: Wir hatten gehofft, erfahrene Männer aus den infizierten Gegenden hieher gezogen zu sehen; doch ist von einer solchen Sorgfalt noch nichts bekannt geworden. Die öffentliche Stimmung ist bis jetzt noch so ziemlich gemäßigt, doch sind Vergnügungsörter gegenwärtig weniger besucht, und das Raffen nach Präservativen, Leibbinden, Harzpflastern ist allgemein; Dienstboten werden entlassen, manche Nahrungszweige stocken gänzlich. Es lassen sich die Folgen des kommenden Elends noch nicht berechnen.