Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++
Der Unsichtbare siehet das Fundament eines Gebäus / darauff ihm Hörner gesetzt werden solten.
DJe Beschliesserin gieng zu meinem Weib in ihr Cabinet / und ich schraubte mich nach ihr hinein: Jhr gab diese ein verschlossen Brieffgen / mit Befehl / solches Morgen frühe mit sampt dem Tag ihrem Vetter Apothecker zubringen / und zu vernehmen / wann sie die im Schreiben bestellte Wahren abholen solte: Sie nam beydes das Schreiben / und den Befehl ihrer Schuldigkeit nach gehorsamlich auff / verzögerte aber damit / so gleich fortzufahren / weßwegen mein Weib sie solches zu thun hiesse: aber sie wegert sichs und sagte / Hertzliebe Frau Baas / sie vergebe mir / wann ich ihr jetzunder unterthänig zu folgen / wegen Beobachtung meiner Ehr / Bedenckens habe: dann unser Fritz (so hiesse mein mittler Gadendiener) hat mir allererst unterwegs / als ich schlaffen gehen wolte / vorgewartet / und mir mit seltzamer betrohung / sich selbst umbzubringen / wann ich ihm nicht folgte / solche Sachen zugemuthet / die weder mir noch ihme zu vollbringen / zustehen: Jch glaub auch / daß unser Herr Gott der Frau Baas in Sinn geben habe / mir hieher zu leiten / ich wüste sonst nicht / was vielleicht vor ein Unglück geschehen wäre: Mein vorwitzig Weib wolte daraufhin den gantzen Verlauff ordentlich wissen / den ihr auch die Beschliesserin gantz offenhertzig erzehlte: sie hingegen antwortet darauff / es ist nicht ohn / daß kein Mensch glauben kan / wie jämmerlich einen die Liebe peinigt / der es selbst noch nicht erfahren / aber gleichwol solte der lose Lecker besser an sich halten / und in einem Hauß / wohinein er auß Barmhertzigkeit aufgenommen worden / gegen einer Baasen solches so freventlich zu unterstehen / sich besser bedencken: Jch muß bekennen / liebs Bäßgen / daß ich auch biß auff den Tod verliebt bin / und solchen Liebes-Schmertzen bey dieser Abwesenheit meines Manns bey nahe nicht zu ertragen weiß. Mit Endung dieser Wort fienge sie darauff abermahl an zu weynen / daß es / wo nicht der Beschliesserin Hertz / doch einen harten Stein erweichen mögen / sich der Verliebten zu erbarmen. Jndessen sahe ich das Concept deß Schreibens an den Apothecker auff meines Weibs Tische ligen / das lautet von Wort zu Wort also:
Vielgeehrter / in Gebühr von Hertzen geliebter Herr Vetter / etc.
Derselbe weiß ohne mein ferners Erinnern / in was vor einer jämmerlichen melancholey mein allerliebster Haußwirth / seyt wir unser Gelt verloren / dahin lebt: welches mich / als seine zum allernächsten Verwandte / ja als seines Leibs allergetreueste Rippe dermassen schmirzet / daß ichs in die Länge nicht zu ertragen getraue: weßwegen ich dann an statt deß Schlaffs mich mit Nachsinnungen seyther gequälet / ob keine expediens zu finden / diesem seinem Ubel abzuhelfen: da mir dann eingefallen / es würde das beste Mittel seyn / wann mir der Herr Vetter neben einem guten Marzapan ein paar dutzet Macronen / etwas von Citrinat / und andern dergleichen Hertzstärckenden Dingen zurichtete / und selbige mit so beschaffenen kräftigen Sachen vermischte / die nicht allein die schädliche melancholische Feuchtigkeiten zertheilen / und das verderbte Geblüt reinigen / sondern eine natürliche Begierde erwecken: wie mich dann der Herr Vetter wol verstehen wird: Jch wolte ihme alsdann solches Confect, so er ohne das liebet / beibringen / und durch Freundlichkeit erstlich seine zerstreuete Gedancken von seinem verlohrnen Gelt auff mich: und also fürderlichst ihne wieder zu rechter Vernunfft bringen / daß er nach und nach / wie hiebevor / sich wiederumb auff seinen Handel legte / und deß Verlohrnen allgemach vergesse; doch wird deß Herrn Vettern Rath / dem ich diß Orts nicht auß Handen gehen: sondern seiner dexterität vertrauen werde / am besten seyn; Uns damit allerseyts / etc.
Alldieweilen ich dieses gelesen / sagte die Beschliesserin zu meinem Weib / umb sie zu trösten: Ach Frau Baas / was hat sie vor Ursach zu weynen? kan sie dann ihres Eheliebsten diese heintige Nacht nicht entbehren? Was? sagte mein Weib darauff / diese eintzige Nacht? Glaub mir sicherlich / daß er mich allbereit länger als in vier Wochen kaum angerührt hat! Er ligt ein gantze Nacht / und kan nichts anders / als umb sein verloren Gelt seufftzen / worauß ich abnehmen muß / daß er solches lieber hat als mich; Er krämet sich ab / und schwächet seine Natur dermassen / daß er sich ins künfftig vor einen Mann zu bestehen / gantz untüchtig macht; Was meynestu wol / liebs Bäßgen / was vor eine Freud ich armes Weib bey einem solchen höltzernen Herget habe? die Beschliesserin antwortet / ich weiß der Frau Baasen / als eine die noch nichts von Mannen weiß / hierauff zwar nichts zu widersprechen / allein dunckt mich / der Herr Vetter sey ein solcher rechtschaffener / ansehenlicher und freundlicher Herr / daß / wann mir so einer beschehrt wäre / ich keinen andern in der gantzen Welt darvor eintauschen / geschweige wünschen wolte; Ja liebs Bäßgen / sagte darauff mein Weib / ich habe ehemahlen / wie ich noch in deinem Stand war / ebenmässig vermeynet wie du! aber da war mein Mann ein anderer Kerl als jetzt! damahl liebte er mich über alle Schätz der gantzen Welt / jetzt aber seufftzet er nur nach seinem verlohrnen Gelt / das doch damit nicht wieder zu bringen ist / und läst sein Weib ein gut Jahr haben; umb den Fritzen bekümmer dich nur nicht / und lasse dirs ein Fabel seyn / wann er sagt / er wolle sich selbst umbbringen / so fern du dich nicht nach seinen Begierden accommodirest; Es ist deß rechten Krauts / und gar nichts neues / wann sich die lose Vögel so stellen / uns arme blöde und einfältige Weibsbilder erstlich zu einer mitleidenlichen Forcht: und endlich umb unser Kräntzlein zu bringen / wie leyder schon manche / die sich solcher massen zur Erbärmd treiben lassen / mit ihrem unwiderbringlichen Schaden / und Verlust ihres allerbesten Kleinods / nemlich der Jungfrauschafft / erfahren; dencke nur nicht anderst / als daß der Vogel jetzt wieder (ohne daß er sich einigs Leyd angethan / oder solches zu thun sich nur in Sinn genommen haben solte) in seinem Bette ligt / und neue Netz zu legen ersinnet / damit er das Wildbret / so ihm vor dißmal unverhofft entgangen / ins künfftig berücken möge; und wanns gleich einem solchen gailen Hengst Ernst wäre / wie er sich stellet / so / daß er würcklich vollbrächte was er drohete / so wäre es doch einer Jungfrauen besser und verantwortlicher / sie liesse einen solchen Narren / wann er ja nicht anders wolte / alleinig zum Teufel hinfahren / als daß sie in den Weg trette / darauff sie (geschweige der Schand / so sie vielleicht hier zeitlich deßwegen zu gewarten) ihme eine Mitgefärtin abgeben könte.
Man sagt von den Holländischen Weibern / sie seyen (sonderlich in den Handelschafften der Kauffleute) viel schlauer / klüger und abgeführter / als an vielen Orten die Männer! aber ich versichere / daß ich mein Weib viel spitzfündiger und arglistiger gefunden habe / als die Holländische Weiber immer seyn mögen; Höret nur / wie das boßhafftige Thier ihr Spiel so artlich ankartet! sie hatte ein zubereit Bett eben blößlich vor zwo Personen in ihrem Cabinet stehen / auff dem sie offt unter Tags zu faulentzen pflag / auch in demselben deß Nachts schliefe / wann ich nicht zu Hauß war; Jn dasselbe hiesse sie die Beschliesserin ligen / ob sie gleich sagte / daß sie vor gewiß darvor hielte / sie hätte sich dieselbe Nacht vor dem Fritzen unter Wegs nichts mehr zu besorgen; und darauff fienge sie erst recht an / von der grausamen und unerträglichen Passion der Liebe mit ihr zu discuriren / und ihro dieselbe so artlich abzumahlen / daß es schiene / als wann sie ihr Lebtag sonst nichts gethan / als hierauff studirt hätte: und nachdem sie vermeynet / daß sie nunmehr die Beschliesserin durch weitläufftige Umbschweiffung / und vernünfftige Gründe zu ihrem Zweck bequem genug gemacht / berichtet sie ihr auch / was massen sie nun eine lange Zeit hero in einen Studiosum verliebt gewesen / welcher erst vergangene Woch den Gradum eines Doctors der Medicin angenommen ( ô mirum! wie war mir damahl umbs Hertz?) welchen sie auch nimmermehr auß ihrem Gemüth schlagen könte / und solte sie gleich sein Angedencken mit sich ins Grab hinunder nehmen: thät ihr auch darauff mit bitten / weynen und seufftzen unglaubliche Verheissungen / wann sie reinen Mund von dieser ihrer Liebe halten: und ihr verhülfflich seyn wolte / daß sie deß geliebten Doctors geniessen könte;
Jch muß bekennen / daß die Beschliesserin lang anstunde / ehe sie sich hierzu gebrauchen zu lassen / resolviren konte / biß sie endlich beydes durch Flehen und Verheissungen gewonnen ward / und sich überreden liesse / zu versprechen / ihr in diesem Geschäfft willfährig und getreu zu seyn; darauff sagte sie ihr / daß sie in dem Schreiben an den Apothecker etlich Confect bestellet / so sie Morgen dem Doctor, weil es sein Namens-Tag wäre / überbringen / und ihn damit in ihrem Namen anbinden solte; auch solte sie Morgen frühe ein paar feister Genffer Cappaunen abnehmen / und auß dem einen eine Tarte mit Rosenwasser / kleinen Rossinen / und anderer Specerey durch die Köchin machen / den andern aber füllen und braten lassen; hernach schriebe sie ein kleines Brieffgen folgenden Jnhalts an den Doctor:
Hochgeehrter Herr Doctor, von gantzem Hertzen noch höher geliebter Freund.
Die stetige Anmahnung meiner Hoffnung / so ich zu dessen hohen Verstand und Vortrefflichkeit gefast / seiner berühmten Erfahrenheit in der Medicin künfftig zu geniessen / hat mich erinnert / daß der heutige Tag seinem liebreichen Namen gewidmet; an welchen Tägen je ein Freund dem andern mit einer Gab seine Freundschafft zu bezeugen / und ihm noch viel solcher Täg glücklich zu erleben / hertzlich anzuwünschen pfleget; Welche Gewohnheit ich auch nach dessen Meriten observiren: und solches als meine Schuldigkeit hiemit von Grund meines Hertzens verrichten wollen; mit dienstlicher Bitt / beykommende Collation mit solchem Gemüth anzunehmen / wie es von einem geschickt wird / und also von meinetwegen zu geniessen: Ob nun gleich mein Ehewirth nicht zu Hauß / und mir deßhalber nicht gebühren will / frembde Mannsbilder in meine Behausung einzuladen: so erfordert jedoch meine jetzige indisposition eine solche Cur / zu deren ich meines von Hertzen geliebten Doctors Hülff und Mittel nicht zu entberen getraue: derowegen auffs allerfreundlichst bittend / er wolle belieben / sich nach der Abend-Demmerung ohnschwer zu mir zu verfügen / in Erwartung dessen erfreulichen Ankunfft beständig verbleibend
Meines von Hertzen geliebten Herrn
Getreu Ergebene
Datum, den 25. Aug. etc.
N. N.
Ob nun gleich in diesem Schreiben mein gailes Weib nicht außführlich gemeldet / an welchem Ort sie der Schuh eygentlich truckte / so hatte jedoch der Doctor, so fern ihm anders das Schreiben zukommen wäre / leicht solches fassen könten / er wäre dann ein Stockfisch / oder gar ein Narr / und kein Doctor gewesen; nach Verfertig- und Beschliessung dessen / legte sie sich auch zu der Beschliesserin / und instruirte sie ferners / wie sie sich Morgen bey ihrer Ambassade zu verhalten hätte; und zum Beschluß name sie selbige in Arm / truckte sie und sagte: Morgen umb diese Zeit hoffe ich / wann anders mein Mann nicht heim kompt / den Doctor so in meinen Armen zu haben! Jch aber gedachte / harre nur biß dorthin / so will ich dir den Pfeffer schon versaltzen. Setzte mich auch darauff in meinen Sessel / in welchem ich Sommerszeit etwan ein Stund nach dem Essen sitzend / zu schlaffen gewohnet war / und spindisirte daselbst die gantze Nacht / wie ich mit meines Weibs höchster Beschimpffung (doch daß kein Geschrey darvon würde) diese neue angehende Liebe in ihrer ersten Glut / und ehe die unaußlöschliche Flammen gar außbrechen / zerstören und außlöschen möchte: und solches war mir auch vonnöthen / dann ich hatte es mit einem jungen Liebwürdigen Doctor, und mit dem allerarglistigsten und schlauesten Weib auff dem gantzen Erdboden zu thun / bey denen es Kunst braucht / beyde zu betrügen.