Hans Jacob Christoffel von Grimmelshausen
Das wunderbarliche Vogel-Nest
Hans Jacob Christoffel von Grimmelshausen

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DEr seltzame Springinsfeld erzehlet in seiner Lebens-Beschreibung / welcher Gestalt seine Leyrerin diß Vogel-Nest / davon ich jetzt zu reden vorgenommen / von einem Baum erhoben / dardurch unsichtbar worden / allerley possirliche Händel angestellt / und endlich umb Leib und Leben kommen; Jtem / daß bey ihrer Auffopfferung der jenig / so sich nach einem Nastüchlein gebuckt / das sie in ihrem sterben auß der Hand fallen lassen / mit Leib und Seel / Haut und Haaren / Kleidern und allem hinweg kommen / daß seither niemand erfahren / wohin er geflogen oder gestoben sey.

Dieser verschwundene Kerl nun werther Leser / bin ich / und in dem Nastüchlein stack das gemeldte Vogel-Nest / welches ich im Fallen aufffing / in Hoffnung etwas von Geld oder dergleichen darinn zu erschnappen; hätte ichs aber nicht im Lufft erwischt / sondern gar auff die Erden kommen lassen / so wäre es mir nimmermehr zu theil worden: sintemalen ich alsdann weder das Schnupfftüchlein noch das Nest selbst nicht sehen können; da ichs aber hatte und nunmehr auß meiner Cammeraden der anderen Hellebardierer (welche mit mir außgeschickt worden / das Gespenst oder die Zauberische Jungfrau oder verfluchte Mörfein / zu fangen) Thun und Reden merckte / daß mich niemand sahe / hätte ich diß geringe und kleine Zwissel-Nestlein nicht mehr mit dem König in Engeland umb alle seine Königreich und Provintzien vertauscht / dann ich machte allbereit viel höhere Gedancken als Gyges über seinem Ring / da er sich an deß Königs in Lydiæ Hof begab.

Jch sorgte weder umb Essen noch Trincken mehr / noch wie ich mich ins künfftig kleiden / oder wo ich sicher ruhen und schlaffen wolte; sondern bildet mir hingegen ein / so einem grossen Hauffen großmächtiger Glückseeligkeiten / die ich durch Krafft und Würckung dieses Nestleins zu erobern gedacht / daß ich mich selbst über mein Fortun verwundert und vor meiner Macht entsetzte; Ohnangesehen ich den jämmerlichen Außgang und das elende Lebens Ende der Weibs-Person vor meinen Augen sahe / die solches vor mir gehabt und gebraucht hatte / wie ich dasselbe zugebrauchen im Sinn nahm.

Jch führte wenig zu Gemüt / daß der jenige / welcher das alte Fabelbuch vom Fortunato seinem Seckel und Wünschhütlein geschrieben / nichts anders sagen thun / und damit vormahlen wollen / als der gantzen Welt zu weisen / daß dergleichen verwunderliche Stück / dardurch unsere vorwitzige Begierden an Statt völliger Befriedigung umb etwas aufgehalten: und die Gemüter mit eiteln Träumen angefüllt / mit nichten aber genugsam contentirt worden / endlich sonst nichts als alles Unglück auf dem Rucken mit sich bringen; und ist nichts daran gelegen / solche seltene ungewöhnliche extraordinari Glücks Stücke (wie man sie nennen möchte) hätten gleich ihrem Ursprung und ihre Würckungen auß dem überreichen: aber gleichwol annoch vielen verborgenen Schätzen und Geheimnussen der Natur / oder seyen vom Schaden froh / dem Verderber und Ertzfeind deß menschlichen Geschlechts selbst an die Hand gegeben worden; Wie man dann auß der Erfahrung weiß / daß viele an Statt Fortunatischen Glückseckels sich der Galgen-Männlein / Diebs-Daumen / und dergleichen / und an Statt deß Wünschhütleins der Böck / oder vielmehr deß Teufels selbst gebrauchen / der einen und anderen ihrem Wunsch nach von einem Ort zum andern trägt; solches alles aber setze ich anjetzo beyseits / damit ich allein von meinem Vogel-Nest desto unverwirrter reden / und erzehlen möge / wie mir dessen Besitz bekommen / gleichwie ich auch bey desselbigen Empfang nicht nachgedacht / ob mirs zum Nutzen oder Schaden gereichen möchte.

Als ich mich nun versichert befande / daß mich niemand sahe / verblieb ich bey denen mit welchen ich hinkommen war / das jenige zu verrichten / was wir damals ins Werck gesetzt; gieng auch mit ins Wirthshause / worinn ihnen der Abgeordnete von dem Herrn / dessen Liebsten die Kleidungen und Kleinodien zuständig gewesen / welche das erdödte Weib angehabt / ein Frühstück zurichten und geben lassen; da hörete ich ihre Verwunderungen wegen meiner Verschwindung / und ihr unterschiedlich Red und Meynungen / wohin ich doch kommen seyn möchte? Woraus ich lernete / daß die Verwunderungen auß der Unwissenheit entstehe / und daß man auß der Muck einen Elephanten macht / ehe man weiß / daß der Berg nur eine Maus gebären werde.

Jch hatte sowol als meine Cameraden einen Appetit zum Essen und Trincken / derowegen erwischte ich unvermerckt einen Löffel / und halff die Suppe verschlingen / und als wir damit fertig waren / erdappt ich auch ein Stück Fleisch / welches ihnen auß den Augen und auß der Schüssel verschwand / und nachdem ich meinen Partickul herunter geschnitten / wieder in der Schüssel erschiene / worüber sich alle entsetzten / und in der Wahl stunden / ob sie mehr essen wolten oder nicht? Jch aber ermaß daraus / daß ich behutsamer seyn müste / wann ich irgendswo meine Gegenwart gantz unvermerckt haben wolte; Jndessen durstet mich / und auf daß meinen / ohne das allbereit bestürtzten Cameraden nit auch die Kande oder das Glas / daraus ich trincken würde / verschwunde / dahero sie noch schelliger worden / oder sich vielleicht resolvieren mögten mit ihren Helleparten im Zimmer herumb zu fechten / umb mich auch wie Eingangs gedachtes Weibsbild hinzurichten; So thät ich auß deß Wirths grosser Schenck-Gelte einen trefflichen Zug / welches sich gar artlich vor mich schickte / packte aus dem darbey stehenden Korb etliche Weisbrod an / damit ich meine Hosen-Säck auf eine Vorsorge spickte / und mich also den Abschied zu nehmen fertig machte; die Stubthür aber selbst aufzumachen trug ich Bedenckens / liesse derowegen einen starcken Leibs-Dunst / den ich zu allem Glück in Vorrath hatte / fein sachte fortschleichen / davon ich die Lufft dermassen verfälschte / daß meine Cameraden selbst die Thür Angel-weit aufsperrten / und alle Hund / denen sie die Schuld gaben / hinaus jagten / mit welchen ich fort passirete / mein bessere Fortun in der Welt zu suchen.

Es war schon Nachmittag / als ich durch einen Wald gieng / darinnen ich unweit der Strassen einen Edelmann sammt seinem Knecht sahe unter einem Baum stehen / die ihre Pferde angebunden / und ein ernstlich Gespräch miteinander hatten; ich schliche hin / umb zu vernehmen / was sie miteinander zu tractiren haben mögten / der Knecht stäupte dem Junckern die Stiefel ab / der Juncker aber kampelte seine Parüque / und instruirte mithin den Knecht / wessen er sich zu verhalten hätte / wann sie miteinander in das Schloß kämen; ja Hanns / sagte er zu ihm / es ist par dieu jetzt viel an dir gelegen / und du kanst das meinste darbey thun / damit ich das Jawort und die Jungfer hinweg kriege; schaue nur fleissig zu / daß du mein Vermögen in allweg zehenmal grösser machest / als es an ihm selber ist; dann die verhoffende künfftige Schwiegermutter ist eine hauptreiche Wittib / welche viel gelbe Batzen hat / und dannenhero mit ihre Jungfer Tochter nicht geben werde / wann ihr meine Bedürfftigkeit im geringsten bekannt seyn solte.

Und botz noch eins / wann es vielleicht auf die Nacht einen Rausch setzet / so / daß ich meiner Gewohnheit nach im Schlaff jälen und schreyen mögte / daß man mich hörete / und dich deßwegen fragte / so gib nur zur Antwort / mir träume ohn allen Zweifel / daß ich in meinen Waldungen / deren ich gar viel hätte / auf der Jagt wäre / welches mir zu Zeiten zu widerfahren pflegte / wann ich etliche Tage nacheinander auf der Jagt gewesen / im übrigen laß mich sorgen / ich wills mit einem Kopffstück oder zwey bey der Bett-Magd schon richtig machen; Sey nur vorsichtig in allen deinen Reden / damit du dich nicht verschnappest; Wanns wohl abgehet / so will ich dir meinen gestriffelten Rock den ich erst vor 2. Jahren hab machen lassen / zum Brautstuck schencken / darmit du bey der Hochzeit wie einer vom Adel auffziehen und prangen kanst.

Er gab ihm sonst noch viel Unterrichtungen / und der Knecht versprach seinen allerbesten Fleiß anzulegen / welcher noch immerhin an seinem Junckern butzte / dem ich hingegen einen Bossen zu reissen gedachte; welches mir auch trefflich angieng / dann als er seine Barüque puderte / lösete ich gantz unvermerckt sein Pferd ab / setzte mich darauf / und ritte dem Schloß zu / allwo der Juncker zu freyen willens war / umb zugleich zu probiren / ob das Pferd sowol als ich / wann ich darauf sässe / unsichtbar seyn würde; aber der Juncker schrie gleich potz Raschparment Hanns mein Pferd ist ledig / gehe fangs; Der Knecht wolte sich dem Pferd nähern / ich aber voppete ihn mit hin und herreiten / daß ers nicht fangen konte / das trieb ich so lang / biß der Juncker auf des Knechts Pferd sasse / das seinige zu fangen; darauf gieng ich im völligen Calopp gegen dem Schloß zu / und liesse den nachfolgenden Junckern sein unschuldig Pferd mit Halß und Bein brechen segnen / so lang er wolte; Jch stieg auch nicht ehender ab / als biß ich mitten im Schloß-Hof war / dann das Thor stund eben offen.

Was solte nun der gute Juncker thun? Er muste halt hernach / wiewol er weder Huth / Mantel noch Degen auf- umb- und an sich hatte; der Siegel an diesem Brieff aber / so den Schimpff bekräfftigt oder vielmehr vergrösserte / war / daß der gute Herr auch in der Eil seine Barüque nicht aufgesetzt / da er aufs Knechts Pferd gesessen / und derenthalben mit einem erst neulich beschornen Kopff erscheinen muste. Jch konte das Lachen schwerlich verbeissen / daß man mich nicht hörete; Als das Schloß-Gesind auß allen Winckeln herzu lieffe / das schöne Specktàcul zu sehen; Was wird immermehr der Juncker / gedachte ich / vor eine Außred vorbringen / daß er von seinem auff deß Knechts Pferd: und noch darzu im übrigen so visirlich aufgezogen kommen? Er konte es aber viel meisterlicher als ich mir eingebildet / dann er satzte sich geschwind wieder auff sein Pferd und nahm deß Knechts an die Hand / damit ihn weder Mutter noch Tochter sahe / weil er keinen Hut auf hatte / solchen vor ihnen abzuziehen / und gewöhnliche / zierliche Baßlesmanes zu machen.

Darauf packte er sich wieder in aller Eil zum Schloß hinaus seinem Knecht entgegen; Er war kaum fort / als die Schloßfrau samt ihrer Tochter daher kamen / und fragten / was da geschehen wäre / denen das Gesind alles erzehlete / was sie gesehen hatten; Die Alte schüttelte den Kopf drüber / weil sie sich nicht darein richten konte / und befahl die Fallbrück aufzuziehen / und das Thor zu beschliessen / dann / sagte sie / es mögten vielleicht rauberische Maußköpffe in der gegend seyn / die / wer weiß was vor einen Anschlag hätten / es sey bey so bestellter Sach nicht zu trauen.

Jch zoge meine Schuh aus / henckte sie an Gürtel / und fieng an überall im Hause herumb zu schleichen / ob ich vielleicht die viele vorhandene: von dem Junckern gerühmte gelbe Batzen der Alten finden mögte; aber ich trasch leer Stroh / dann ich dorffte / damit man mich nicht hörete / weder Kisten noch Kasten aufbrechen / viel weniger einige Thür aufmachen; so konte ich auch die Schlüssel nicht beym Kopf kriegen / als welche die Alte selbst sehr fleissig an der Seiten trug / welches mich übel verdrosse; ich bildete mir ein / sie müste viel Geld zusammen gekratzt haben / weil es sonst an allen Orten im Hauß sehr kahl und haushalterisch bestellt war / wie es bey den Geitzhälsen zu seyn pflegt / da man nur alles Dichten und Trachten auffs Geld legt.

Die Alte selbst sasse in einem Zimmer und spanne samt ihrer Tochter so eiferig und fleissig daher / als wann sie es miteinander verdingt gehabt hätten / diese erschiene von Angesicht und Geberden viel schöner und adelicher als von Kleidungen / als mit welchen Gaben sich die Natur viel freygebiger gegen ihr erzeigt hatte / dann daß mißgünstige Glück mit den seinigen; Sie hatte noch nasse Augen / wie ich zu ihnen ins Zimmer schliche / nicht weiß ich / warumb sie geweinet; Aber die Mutter sagte zu ihr: Es ist einmal nicht anders / liebs Kind! wann wir unserm Herkommen und Stand gemäß hinaus langen wollen / so ist vonnöthen / daß wir das wenig / so wir haben / genau zusammen halten / und sich zu Kleidung und Nahrung mit dem jenigen behelffen / so unsere Güter ertragen / und über das aus demselbigen und unserer eignen Hand Arbeit so viel erübrigen und erkargen / daß wir davon zurück legen könten / geschweige daß ich jetzt ein silbernen Tischbecher verkaufen: und das gantze dutzet dardurch trennen und schänden solte; Es ist noch umb drey Wochen zu thun / so ist unser Flachs auffgesponnen / so löse ich aufs wenigst aus dem Garn 12 Reichsthaler / das gibt dir dann wiederumb ein fein Kleid auf die neue Mode / darinn du dich bey Vettern Fritzen Hochzeit gar nicht wirst schämen dörffen.

Die gute Jungfrau liesse noch mithin unter dieser ihrer Mutter Rede etliche Thränen fallen / welches mich dermassen zum Mittleyden bewegte / daß ich in selbigem Schloß nichts gestohlen hätte / wann ich gleich / 1000. nagelneue Ducaten in specie darinnen gefunden; Jch hätte hingegen lieber noch mehr von der Alten gehöret / und sie war auch fertig gern ein mehres zu sagen / weil sie sich in einem so richtigen Glaiß befand / aber ein schmutziger Stall-Ratz zerstörte ihren Discurs, welcher daher lieff / und sagte: Euer Gnaden / den Pferden nach ist der Kerl wieder draussen vorm Thor / der vor einer halben Stund im Schloß war / er redet mit dem Meyer / thut sich vor Euer Gn. Vettern aus / und begehret mit E. G. zu sprechen; Darauf gickelt die Alte in einem Ercker durchs Glaß-Fenster / wante sich geschwind umb / hiesse ihren Stall-Jungen fortgehen / zu ihm sagende: Der Meyer würde ihn schon bey ihr anmelden; aber zu der Jungfer sagte sie: Potz Krisement Tochter! Es ist der Herr von Drffgkt / geschwind die Spinnräder mit dem Haspel aus der Stub: und dein Plümerant Kleid angethan / auffgeraumbt / ein Rauch in die Stuben gemacht / etc.

Sie selbst aber warff einen andern Rock über sich / und thät einen Nacht-Mantel umb den Hals / und ehe sie gar fertig war / kam der Meyer und sagte: E. Gn. der Herr von Drffgkt ist vor dem Thor / begehrt herein / E. Gn. aufzuwarten; Gehet / antwortet sie / und lasset ihn herein / iedoch nicht gar geschwind / damit sich mein Fräulein Tochter auch ein wenig ankleiden könne; aber ehe sie sichs versahe / war die Jungfer gebutzt und gemutzt / derowegen lieffe sie selbsten in Hof / und gab dem Meyer mit harten Worten / daß es der Juncker vorm Thor wol hören konte / einen groben Filtz / umb willen er den rechtschaffenen Cavallier so lange warten liesse; mit den Augen aber gab sie ihm zu verstehen / daß er sich an ihr Wort nicht kehren solte.

Darauf wurd er eingelassen / und von der Schloß-Frauen freundlich bewillkommt / gegen deren er ziemliche Complimenten zu machen wuste. Sie führete ihn in ein Zimmer / und ich schliche mit / als wenn ich zu ihnen gehöret oder dabey hätte seyn müssen / nur zu hören wie doch der Juncker seinen ersten Auffzug ins Schloß bemänteln würde / dann die Schloß-Frau sagte zu ihm / es wäre auch kurtz zuvor ein Cavallier: aber ohne Hut und Degen in ihrem Schloß-Hof gewesen / der er gewest seyn müste den Pferden nach / und wie ihr ihn ihr Gesind im übrigen beschrieben; sie träge derowegen groß Verlangen zu vernehmen / durch was vor eine Abentheur er darzu kommen wäre? Freylich war ichs / antwortet er / aber die Tag meines Lebens / Frau Baß / ist mir kein solcher Poß widerfahren wie heut; und diß soll mir wol eine Witzung seyn / daß ich nimmermehr mit einem eintzigen Diener allein über Feld reite; der schlimme Hund fiele mir im nechsten Wald unversehens übers Pferd herunder / nicht weiß ich in eine Ohnmacht / oder er hat auf dem Pferd geschlafen / oder gestern zu viel gesoffen; einmal er lag dort als wann er todt wäre / derowegen ich wol selbst auch absteigen und nach ihm sehen muste; in solchem gählingen Absprung verblieb mir Hut und Barüque an einem Ast deß Baums bangen / darunter mein Knecht in diesen Zustand geriethe; Jch fande ihn mit verkehrten Augen / und schüttelt ihn / biß ich ihn wieder zu ihm selbst brachte / aber ehe er sich wieder recht besinnen konte / wo er war / gieng mein Pferd durch / wolte ichs nun wieder haben / so muste ich wol auff meines Knechts sitzen / selbiges selbst zu fangen / weil mein Knecht nichts nutz darzu war; Also nun Hochgeehrte Frau Baß bin ich herkommen / und gleich wieder zurück geritten / nicht nur nach dem Knecht / sondern vielmehr nach meinem Hut zu sehen;

Wann ich eigentlich wüste / daß der Bernhäuter auf dem Pferd geschlafen / ich wolte ihn prügeln wie einen Tantz-Beeren. Ach Herr Sohn / sagte die Alte / es ist vielleicht ein Anfang zu der hinfallenden Kranckheit; wann ihm nun der Diener getreu und deßwegen auch lieb ist / so will ich ihm schon ein Mittel geben / daß er inskünfftig davor gefreyt seyn soll; vornemlich wann ers braucht ehe 24. Stund nach dem Fall vorüber lauffen; Was wolte sich die Frau Baß / antwortet der Juncker / seinetwegen so viel bemühen? Jsts dieser nicht / so ists ein andrer; ich kan Diener genug bekommen / wann ich sie gleich alle Tag prügelte und von mir jagte / weil sie wissen / daß Speiß / Tranck und Kleidung bey mir gut / und der Lohn gewiß ist. Nicht so / nicht so / Herr Vetter / sagt die Alte / sie sind gleichwol auch Menschen / und uns wil gebühren / wann sie in unsern Diensten in dergleichen Zustände gerathen / daß wir ihnen mit Rath und Hülff beyspringen / solches thät sie aber nicht darumb allein / gegen dem Knecht ihre Treuhertzigkeit zu bezeugen / sondern auch dem Monsieur ihrer Tochter Geschickligkeit zu weisen.

Dann als sie mit einem Glöcklein ein Zeichen gegeben / tratt der Stall-Jung / aber nicht mehr wie das erste mal so schmutzig / sondern in einem saubern Liberey-Kleid herein / und fragte mit tieffer Reverentz / was ihrer Gnaden beliebte zu befehlen? Die Alte antwortet / gehe / sag zur Fräulein / sie solle den Schlüssel zur Hauß-Apothecken herbringen; zum Junckern aber sprach sie / wir müssen diesen Kerl bey Leibe nicht verabsaumen; Jndem sie nun noch davon redete / kam die Tochter gar fein auffgezoffet in ihrem Plümerant Rock daher / welche Verkleidung beydes deß Stall-Jungen und der Fräulein mich natürlich ermahnete / als wann man eine Comödi agirt.

Die Mutter befahl gleich (nach dem der Monsieur Freyer seine Complimenten gegen seiner Liebsten doll genug abgelegt) ihre Tochter solte vor ihres Herrn Vettern deß Herrn von der Drfftgkt Diener das Recept Num. 17. verfertigen / und daran seyn / daß ers je ehender je besser einneme; indeßen wolte sie mit der Köchin reden / was man zum Nachtessen fertig machen solte / nam darauff mit einem Höflichen Bückling von Monsieur Erlaubtnus / mit Bitt sich ein kleine Zeit biß zu ihrer Wiederkunfft zu gedulden; deren er mit gleicher Höfligkeit begegnete / und zur Antwort gab / mein hochgeehrte Frau Baß hat mir / ihren gehorsamen Diener in allweg zu befehlen.

So bald sie nun den Rucken verwendet / tratte er der Tochter nach vor die Hauß-Apotheck / welches ein grosser Kasten war / mit allerhand Materialien von Würtzeln / Säfften / Latwergen / Kräutern / Pulvern / Oliten / gebrandten Wassern / Pflastern / Salben und dergleichen Bixen / Schachteln / Gläsern / Säcklein / etc. bestehend / angefüllt; also daß ich sie gar wol vor ein Muster einer vortrefflichen Hauß-Apotheck passiren lassen kan / wann anders dasjenig in den Geschiren befindlich / was die angekleibte Zettul vorgeben / daselbst erneuerte oder wiederholte der verliebte Herr von der Drfftgkt seine vorige Complimenten / und druckte deutlich genug aus / zu was vor einem Ende er vorhanden wäre.

Tapffere ansehenliche Dame / sagte er zu ihr / der Ruhm ihrer unvergleichlichen Schönheit und Tugenden / der sich im gantzen Land ausbreitet / ist auch vor meinen unwürdigen Ohren erschollen / mich zu ihrem unterthänigsten Sclaven zu machen! solcher hohe Ruhm hat auch eine solch brennende Begierde in mir erweckt / ihre Person selbst zu sehen / daß ich zu keiner Zeit Ruhe haben mögen / sondern erkennen müssen / ihrer Frau Mutter / meiner Hochgeehrten Frau Basen gehorsamlich auffzuwarten / ob mir vielleicht das Glück widerfahren mögte / sie zu sehen und ihr Englische Gestalt anzubeten; weil mir dann nun solches erwünschte Glück in diesem Augenblick zu stehet / so kan ich nicht unterlassen ihro unverholen zubekennen / daß ich ihren als meines Hertzens Bezwingerin alle meine Freyheit geschenckt / und nun mehr nichts höhers wünsche als die grosse Ehr / daß ich in ihrer holtseeligen Gegenwart von nun an biß in all Ewigkeit unaußsetzlich verharren: und mich durch allerley getreue Dienstleistungen / als ihren unterthänigsten Sclaven erzeigen möchte.

Noch viel mehr dergleichen Unsinnigkeiten brachte er vor / welche die Jungfrau wolständig genug beantwortete; Jch aber gedachte / der Kerl wendet vor der Jungfer Diener zu seyn / da er doch vornemlich sucht / ein Herr über ihrer Mutter Ducaten zu werden / wann sie deren nur viel hätte.

Mochte derowegen seiner Pralerey nicht länger zuhören / sondern schlich hin nach der Alten / zuvernemmen / was sie guts auff die Nacht würde zurichten lassen / als von welchem Jmbs ich auch meinen Part zuerschnappen gedachte; Jch kam eben darzu / als sie ihrer Viertels-Köchin (dann sie brachte kaum die vierte Stund ihres Diensts in der Küche zu / weil sie die zwey übrige wol anders zu schaffen) an dictirte und Ordre gab / was sie vor Dauben abwürgen: und an Hünern und Koppen neben einem Spanferckel abstechen solte; ein Kalb und junges Böckel hieng allbereit dorten / die Haar gelassen hatten / damit man kein Geld in die Metzig zu schicken bedörffte; so lag auch schon ein alter rostiger Schuncken mit einem paar dörren Bradwürsten im Wasser / selbige dem Salat beyzusetzen; das eingebeitzte Wiltpret / wolte die Frau selbst auß dem Keller holen / warüber mir das Hertz im Leib lachte / aber der Alten ihr sichs krämete; dann als ich mit ihr in Keller schliche / einen hertzhafften Trunck zu thun / und sie sich allein zu seyn vermeinte / klagte sie ihr Anliegen ihr selbsten mit einem grossen Scheufftzen; Ach GOTT! sagte sie / ich wolte / daß der Schinder holte (da sie doch eben ein Stück stinckent Wildpret auß einem Fäßlein langete / welches sie mehr daurete / als die verschwenderische Cleopatra ihr unschätzbarliche Perl) daß ich nun abermal auff einen Jmbs so viel verthun muß / als ich sonst in acht Tagen nicht gebraucht hätte / ich werde / wann ichs wieder durch Gesparsamkeit erkargen und einbringen wil / ein Woche drey oder vier zu darben haben; Sie brumelte noch mehr darzu / welches ich aber nicht alles verstehen konte / noch zu hören begehrte / sondern sie ungeirret die Stegen hinauf gehen: und mich in den Keller sperren liesse / meinen heißbrennenden Durst zu löschen.

Das thäte ich wegen Mangel eines bequemen Trinckgeschiers auß meinem Hut desto vollkommener / und fande zwar den Wein in geringer quantität / aber seinen Kräfften: und dem Geschmack noch weit vortrefflicher umbsonst zu trincken / als er in den Wirtshäusern umbs Geld zu seyn pflegt.

Ein gantze Stund muste ich gefangen sitzen / ehe die Köchin kam / und den vorhandenen Traufwein zum Kochen abholete; Sie thät zwar einen starcken Zug vom besten Jochem / war aber dannoch so bescheiden / daß sie ihr Portz-Kändigen nur mit Bier füllete / und mit sich nahm: mit dieser wanderte ich auß meiner Gefangenschafft / weil mich der Durst nicht mehr plagte / und kam eben darzu / als Mutter und Tochter deß Monsieurs Knecht mit guten Worten: sein Herr aber mit Bedrohungen nöthigte / die zugerichte Artzney / die er so wenig als der Wagen deß fünfften Rads bedörfftig / einzunemmen; Jch muste mich in die Zunge beissen / das Lachen zu verhalten! Als ich diese überzwerge Thorheit sahe / und wie kotzerliche Minen der arme Tropff machte / biß er dieses unnöhtige Artzney Träncklein in sich schüttet.

Mithin nähert sich die Zeit deß Nacht-Essens / darumb wurd der Tisch gedeckt / und darauff gethan was darauf gehöret; Jch stellte mich zu dem Tisch / zuvernemmen / was es vor lustige Discurse setzen wurde / es waren aber nur Complimenten / Auffschneidereyen und solche Sprüch / darauß man ihre beiderseits habende treffliche Mittel abzunemmen; weil nun nicht auch vor mich aufgedeckt worden / und ich etwas vom Tisch hinweg zu nemmen Bedenckens trug / kriegte ich eine geräucherte Bratwurst beym Zieffel / und schlug selbige auff Abschlag zu faden / biß ich auch ein Stück vom Schuncken darzu in Magen logirn möchte; aber derselbe wurde nicht allein nicht angeschnitten / sondern nach dem Essen (als dem Juncker durch seinen Diener schlaffen zu ligen die Stiffel ausgezogen wurden) in einen Kasten gesperret / und wegen der verlornen Bratwurst / welche der Hund gefressen haben muste / ein solcher Lermen angefangen / als wann durch das liederlich Gesind nicht nur Candia / sonder auch Venedig selbst verwarlost worden und in deß Türcken Gewalt kommen wäre.

Nach dem nun der Juncker mit gutem Verstand schlaffen gelegen / dann niemand vorhanden gewesen (der ihm einen dichten Rausch auff alt Teutsche Manier angehenckt) sprach man erst dem Diener zu; der aber / wie die Alte vorgab / auff die eingenommene Artzney sich nicht rechtschaffen bierschellig sauffen: und ohne das keinen Wein trincken dorffte / damit nicht übel ärger gemacht würde; nichts desto weniger unterliesse er nicht habender Instruction gemäß von seines Herrn grossen Reichthumben ein langes und ein breites auffzuschneiden / welchem beydes die Alte und Junge mit Lust und Andacht zuhöreten / er konte auch der Sach ein bessere Gestalt geben / als ich dem Dölpel anfänglich zugetraut; Aber als sein Juncker im Schlaff zu schreyen und jölen anfieng / setzte er den Fleck heßlich neben das Loch; nicht weiß ich hatte er seines Junckern guten Unterricht vergessen / oder war er sonst müth und überdrüssig zu liegen? Einmal als in die Schloß-Frau fragte / was solch Geschrey bedeute / gab er unverholen zur Antwort; Wann sein Herr so zu schreyen beginne / so pflege er gemeiniglich bald hernach ins Bett zu scheissen (mit gunst) warüber die Jungfer dermassen erschrack / daß sie sich im Angesicht entfärbte wie ein glüende Kohl.

Die Alte nahm solches gleich in acht / und besorgte / ihre Tochter möchte vielleicht deßwegen unlustig werden / und der bevorstehende ansehenliche Heyrath zuruck gehen / lächelte derwegen ein wenig gegen besagter ihrer Fräulin Tochter / und sagte: Jhr müst so eckel nicht seyn / es ist noch gut das er warnet / ehe er Feuer gibt / dann so kan man ihm ja noch wol auß dem Schuß entweichen / oder sich gar auß dem Bette retteriren / biß die Salve verüber; ihr müst deßwegen nicht so hart erschrecken! Ja! Frau Mutter / antwortet die Jungfer / es ist mir nicht darumb zuthun / wie ihr vermeinet / sonder umb die Leylachen / die seynd leyder entlehnet / solche morgen wieder zu geben.

Hierüber erschrack die Mutter mehr als die Tochter über des Knechts Advisen erschrocken war / weil derselbe gehöret daß sie die Leylachen entlehnen müsten; wolte es derowegen wieder verzwicken und einbringen / was die Tochter verschnappt hatte / und sagte zu ihr: Ey du fauler Schleppsack / warumb hast du mirs nicht gesagt / so hätte ich dir ja ein paar aus dem Kasten thun können? Die gute Jungfer wolte sich entschuldigen / und sagte: ja wann ich auch gedacht hätte / daß drinnen gewest wären: worüber deß Junckern Knecht die Ohren spitzte / ich aber lachte / daß man mich im gantzen Zimmer hörete / und damit einen solchen grausamen Schrecken erregte / daß alt und jung / Weib und Jungfer / und in summa alles was gehen konte / zur Thür hinaus lieffe; Jch aber erzürnete mich über mich selbsten dermassen / weil ich meiner Person so liederlich vergessen hatte / daß ich in allem Zorn hingieng und der dortstehenden Wein-Kandten einen solchen Druck gab / daß kein Tropffen mehr darin verblieb / folgents schlich ich auch davon / und schraubte mich auff den Stall ins Heu / allwo ich demjenigen nachgedacht / was ich denselben Tag gehöret und gesehen; sonderlich verwundert ich mich höchlich / daß diese Leute / die einander doch heyrathen und zusammen in eine so nahe Blutfreundschafft tretten wollen / einander mit dergleichen gleißnerischen Falschheit / lügerhaffter Betrügerey und pralerischen Auffzügen hinters Liecht zu führen sich nicht scheueten; Hoho! gedachte ich / thun sie das sich selbst untereinander / wann sie eine unzertrennliche Freundschafft zwischen ihnen stifften wollen? wie werden sie dann erst diejenige tractiren / so mit ihnen zu thun haben / die sie gleichwol ihrer Verwandschafft nicht würdig achten? Jn solchen Gedancken brachte ich ein paar Stund zu / biß ich endlich darüber entschlieff.

Den folgenden Morgen trieb mich mein Durst wiederumb ins Wonhaus / zu sehen / ob ich ihn etwan mit einem Trunck Wermuth-Wein löschen könte; dann ich hatte den Tag zuvor im Keller gesehen daß die Schloß-Frau / als ein verständige Haußhalterin / dergleichen gesunde Kräuter-Wein in kleinen unterschiedlichen Fäßlein im Vorrath hatte; Es gelunge mir auch glücklich / dann als die Köchin kam (welche zugleich auch die Stell einer Kellerin und Beschliesserin vertretten muste) etwas / ich weiß nicht mehr was / aus dem Keller zum Frühstück zu holen / wischte ich mit hinunter / liesse mich von ihr hinein sperren / und als sie mich beschlossen / werckte ich einen halben Nieren-Braten auf / der vorigen Abend auff dem Tisch gewesen: und entweder aus Kargheit von der Mutter / oder aus Bescheidenheit vom verhoffenden künfftigen Tochtermann nicht angewendet worden war; das schmeckte mir trefflich und machte mir nicht allein kein Gewissen / daß ich kühner war als Edelleute / ein so angenehmes Bißlein anzugreifen / sondern muntert mich noch darzu auff / mehr als zweimal soviel zu trincken / als ich im Sinn gehabt / oder mein Durst erfordert; Noch glücklicher aber war ich / indeme / daß die Köchin bald wieder kame / nicht zwar / mich wiederumb heraus zu lassen / (dann sie wuste ja nichts von mir) sondern mehr Victualien herauff zu holen / damit schlich ich durch / und hörte noch zu guter Letze / daß die Köchin zu dem allerdings geschändeten Braten sagte / daß dich der Ritt schitt / wer ist über dir gewest? die Katzen haben ja kein Messer! ach wie wird unser Frau thun? Aber darumb bekümmerte ich mich kein Haar / auch darumb nicht / ob der Heirath zwischen dem Junckern und der Damoisecken möchte fortgehen oder nicht / sondern zog meine Schuh wieder an / und wanderte zum Tempel hinaus / deß willens mich in eine grosse Stadt zu machen / wo es reiche Kauff- und Wechselherren gibt / ob mir vielleicht eine Gelegenheit anstunde / mit einem solchen sein überflüssig Geld zu theilen.


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