Hans Jacob Christoffel von Grimmelshausen
Das wunderbarliche Vogel-Nest
Hans Jacob Christoffel von Grimmelshausen

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VORREDE AN DEN GENEIGTEN LESER.

GLeich wie der Simplicianische Autor in dem Ersten Theil seines wunderbarlichen Vogel-Nests nichts anderst gesucht / als die Menschen zu erinnern / daß sie jederzeit in allem ihrem Thun und Lassen / Handel und Wandel die Göttliche Gegenwart vor Augen haben / und solche kein Augenblick ohnbetrachtet oder ausser Acht lassen sollen; Also will er sie in diesem Zweyten vor der Kund- und Gemeinschafft mit dem bösen Geist getreulich warnen / in welche / ja gar in eine armselige Verbündnus mit ihme / und also in die Ewige Verdammnus mancher gar leichtlich und ohnvermerckt / ehe ers selbsten vermeynt / oder ihm einbilden mag / gerathen könne / nicht nur / wann er selbsten vorwitzige und verbottene Künste braucht / oder dergleichen zu lernen sucht / sondern auch / wann er bey seinen Dienern und Dienerinnen den so genannten weisen Männern und Weibern / oder (sie mit ihrem rechten Namen zu nennen) Teufelsbannern / Segensprechern / alten Hexen und Gabel-Reuterinnen Hülff und Rath suchet / mit denenselben nur umbgehet / oder die geringste Vertraulichkeit mit ihnen pflegt. Was nun bemeldter Autor in gedachtem Ersten Theil seines angeregten Vogel-Nests zu thun vermeynt / das hat vor ihm / und zwar mehr als vor 2000. Jahren der weise Mann gethan / nemlich die Menschen zu lehren / wie sie sich gar leichtlich vor Sünden hüten könten / wann er mit kurtzen Worten sagt: Jn allen deinen Wercken gedencke deiner letzten Ding / so wirstu Ewiglich nicht sündigen; Aber mehr-besagter unser Autor unterstehst solches viel kürtzer und kräfftiger zu thun / dann umb wie viel mehr wird der Mensch das freventlich sündigen unterlassen / wann er weiß und bedenckt / daß ihm allenthalben die unfehlbare Gegenwart deß jenigen beywohnet und zusiehet / der ihn künfftig umb sein Thun und Lassen eygentlich straffen oder belohnen wird? Wann sich der Mensch scheuet in eines andern Menschen beysein (der gleichwol nur seines gleichen / auch ein Sünder / und vielleicht viel Gottloser als er ist) ein schandliche Laster-That zu begehen / wie viel mehr wird er dergleichen / oder auch wol die geringste Sünde zu thun unterlassen / so er thut / was ihn das Vogel-Nest lehret / nemlich diß / daß er gedencke / was massen ihm der Allerheiligste / so die Sünde hasset / der Aller-Gerechteste / so weder das Gute unbelohnt / noch das Böse ungestrafft läst / der Allermächtigste / dessen Hand und Göttlichem Gewalt niemand entrinnen kan / überall zuschauet? Dieser Autor hat zwar in dieser ernstlichen Sach seinen gewöhnlichen lustigen Stylum gebraucht / und viel lächerliche Schwänck mit eingebracht / wie er in deß Abentheuerlichen Simplicissimi Lebens-Beschreibung auch gethan / so / daß unter 17. Lesern kaum einer ist / der da findet / was er ihn unterrichten will / sondern die mehriste glauben / er hab ihnen seine Schrifften nur zur Zeit-Verkürtzung verfertigt / aber das läst er sich nicht irren / immerhin im angefangenen Glaiß fortzufahren; Verständige Leut / denen es gedeyet / werden den Kern schon zu finden / und ihnen zu Nutz zu machen wissen; Man weiß wol / wie ungern die Patienten die bittere / ob gleich heylsame Pillulen verschlucken / dahingegen aber die übergüldte oder verzuckerte leicht zu sich nehmen / deßwegen hat er auch den vorsichtigen Aertzten nachgeöhmt / und seiner straffenden Schrifften scharpffe Bitterkeit dergestalt versüsset / daß sie etliche unbolirte bey nahe vor keine heylsame Artzney / sondern vielmehr vor ungesund Schleckwerck geniessen; unangesehen nun eines solchen auch der neidigen Saturnisten und Maulhenckolischen Köpffe Schmälerey und Mißgunst / die alles ausser ihrem eygenen gemächt / vor Salbaderey halten und außschreyen wollen / ist er bey seiner vorigen Art geblieben / die unbehutsame Menschen (auch mit Exempeln) unter dem Schein kurtzweiliger Geschichte / vor dem jenigen treulich zu warnen / was sie / wie gemeldt / gar leicht vom höchsten Gut absondern / hingegen in deß leidigen Teufels Gewalt / und wann der liebe Gott auß sonderbarer Barmhertzigkeit nicht hilfft / ohn Zweifel in die Ewige Verdammnus bringen mag / worzu er vornehmlich bewogen worden / als er gesehen / wie unzehlbar viele sich in jetzigen elenden / vielleicht letzten Zeiten mit allerhand liederlichen Künsten schleppen / ohne daß sich der ein oder ander Mensch ein Gewissen darumb mache / noch mercke / daß er allbereit dem Höllischen Schlund begune im Rachen zu stecken. Sonsten wäre dieses billich das zehende Theil oder Buch deß Abentheuerlichen Simplicissimi Lebens-Beschreibung / wann nemlich die Courage vor das siebende / der Spring ins Feld vor das achte / und das erste part deß wunderbarlichen Vogel-Nests vor das neundte Buch genommen würde / sintemahl alles von diesen Simplicianischen Schrifften aneinander hängt / und weder der gantze Simplicissimus, noch eines auß den obengemeldten letzten Tractätlein allein ohne solche Zusammenfügung genugsam verstanden werden mag. So zur freundl. Nachricht der Autor hiemit vermelden wollen / und dem Leser alles Wolergehen hertzlich wünschet.

 
REGISTER DER CAPITEL.

I. Würckung deß Gelts / beydes wann man dessen viel besitzt und verlustigt wird.
II. Abbildung deß Zauberers.
III. Was vor den verlohrnen Schatz eingetauscht worden.
IV. Gar ein ernstliche Leffeley / zwar schier zwo.
V. Der Unsichtbare siehet das Fundament eines Gebäus / darauff ihm Hörner gesetzt werden solten.
VI. Wurst wieder Wurst / und der Magd ein Trinck-Gelt.
VII. Wie man den vernaschten Weibern ein Abscheuen vorm Wildbret macht.
VIII. Künstlich Vor-Gebäu / damit einem kein frembder Stier in Stall steigt / noch der Guckuck Eyer ins Nest legt.
IX. Ein Huren-Bub betreugt den andern / und der unschuldigst muß das Bad außtragen.
X. Räis in die Leipziger Michaeli Meß / und von dannen nach Amsterdam.
XI. Was ists sich nun zu versehen? Kompt Krieg oder bleibts Fried?
XII. Das beste Mittel vor die Kriegs-Läuffe wird gesucht und gefunden / das schlimmste aber erwehlet.
XIII. Was die Juden vom Propheten Elias halten / und von ihrem künfftig verhoffenden Messias glauben.
XIV. Der Prophet Elias isset zu Gast / und der Engel Uriel verkündet deß Jüdischen Messiæ Ankunfft / so geschehen auch sonst grosse Wunderzeichen.
XV. Moschiach wird vom Elias angezettelt / von der Esther außgewebet / und endlich von dem grossen Gebürg nur eine kleine lächerliche Mauß geboren.
XVI. Wie sich Eraßmus verhielte / und was gestalten er auß seinen schweren Anfechtungen erlöst wurde.
XVII. Wer dieses Capitels Jnhalt wissen will / muß es entweder selbst lesen / oder ihm lesen lassen / es sey dann / daß ihms einer sonst erzehle.
XVIII. Ein güldener Fischzug mit einem höltzernen Angel / auch andere Quinten mehr.
XIX. Kuh und Kalb wird miteinander verstellt.
XX. Wie es weiters vor-bey und nach der Hochzeit ablieff.
XXI. Was der Verzweifelte ferners begonnen.
XXII. Wie es ferners ergieng / und was auß diesem Gesicht zu lernen.
XXIII. Wie der Feldzug angieng und ablieff.
XXIV. Wie der elende Tropff auß seinem jämmerlichen Zustand erlöst / und wieder zu recht gebracht worden.
XXV. Was es eygentlich mit den Festigkeiten sey.
XXVI. Continuation voriger Materi, und ander dergleichen Sachen mehr.
XXVII. Heim-Räis / sampt dem Beschluß dieses Tractätleins.

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