Hans Jacob Christoffel von Grimmelshausen
Das wunderbarliche Vogel-Nest
Hans Jacob Christoffel von Grimmelshausen

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Bey Untergang der Sonnen erweckte mich ein Geschrey / derowegen stunde ich auff / zu sehen was da zuthun seyn möchte / da war es ein Bott mit zweyen Soldaten / welche meinem Haußwirth / der eben mit Weib und Kindern (deren er grad acht kleine unerzogene beieinander hatte) von seiner Arbeit heimkommen war / seine Geiß genommen / und solche hinweg führten / umb willen er 14. Batzen Herren-Gelder / wie sie es nannten schuldig war; das Weib schlug die Hände überm Kopff zusammen und schrie immer und ohne Unterlaß / Ach daß GOtt im Himmel erbarm / womit soll ich nun meine arme kleine Kinder ernähren? Die Kinder aber schrieben alle zusammen / ach unser Hetel! ach unser Hetel! unser Hetel! der Mann aber bat die Exequirer vor GOtt und nach GOtt; umb seines Leydens: umb aller seiner Heiligen und umb deß Jüngsten Gerichts willen / nur noch umb acht Tag Gedult / aber vergebens; Er beschwur sie noch höher aber umbsonst! Sie passirten einmal mit der Geiß fort und liessen den armen Mann sampt Weib und Kindern lamentirn so lang sie wolten; derselbe wande die Hände zusammen / verfügte sich in die Stub seiner elenden Herberg / ihm folgt Weib und Kind mit einem jämmerlichen Heulen und Geschrey / und ich gieng hernach mit hertzlichen Mitleyden; Ach sagte er / es wäre kein Wunder es thäte einer was ihn GOtt niemal geheissen! Jch hab kein Heller Geld nur das liebe Saltz zukauffen! ich hab kein Schmaltz nur an eine Wassersuppe! Von aller meiner sauren Mühe und Arbeit bleibt mir kaum so viel wegen der unerträglichen Presserey meine arme Kinder nur mit dem lieben trucknen Brod zuernährn! und über diß alles kommen noch diese Schinder und nehmen mir das beste auß dem Hauß; was soll ich nun anfangen / wann ihr nunmehr beedes deß Schmaltzes und der Milch beraubt seyn sollet?

Dergleichen mehr klägliche Wort beutete er gleichsam in einem Paß daher / sein Weib schrie einen erbärmlichen Tenor darunter / und die unterschiedliche Kinder (so ohne das ihrer unterschiedlichen Grösse nach die Orgelpfeiffen repræsentirten) hielten den Altum und Discant, also daß es die Harmoniam der jämmerlichsten Music abgab; Welches mich nicht unbillich zur Erbärmde und einem Christlichen Mitleyden bewögete / und erinnerte / zubedencken / was für ein Unterscheid zwischen diesem elenden Leben und dem jenigen seye / das ich den verwichnen Tag gesehen; Jch gedachte heut warest du bey dem reichen Mann / jetzt bist du beym armen Lazaro; dannoch erfreuete mich noch ein Ding / nemlich daß Mann / Weib und Kinder alle frisch und gesund waren / so bey dem Lazaro nicht gewesen.

Wie ich nun also in die nechst verstrichene Mittags-Mahlzeit gedacht / erinnerte ich mich auch der zweyen gulden Thaler die ich dabey erbeutet hatte / zog derowegen einen darvor herfür / und schlug ihn auff den Tisch daß er kläpperte: beyde arme Eheleute erschracken zwar / aber sie erholten sich bald wiederumb und sagten zusammen / diß hat uns GOtt bescheret / unser Hetel damit außzulösen.

Der arme Mann lieffe auch alsobalden mit dem gulden Thaler hin seine Geiß zu ranzionirn, wiewol es schon zimlich düster war; das Weib und ihre Kinder aber befanden sich wol getröst / und dancken GOtt umb das empfangne Geld / Mithin schnitte sie die Supp ein / und wartete mit Verlangen biß die Geiß käme / damit sie deren Milch sieden und die verhoffende Supp anrichten könnte / machte auch zu solchem Ende ein Feuer auff den Herd / in welchem die Kinder unterdessen gelbe Rüben briethen ihren Hunger zustillen / etliche aber auß ihnen zwackten der Mutter heimlich etliche Suppenschnitten hinweg; und assen sie so verstohlens / daß sie auch die Lefftzen nicht drüber bewegten / sondern das Brod nur im Maul zerschmeltzen liessen / und folgends hinunter schluckten.

Jndessen kam der Mann mit der Geiß wiederumb / und berichtet / daß sie die Presser oder Hexengierer nicht allein außgemolcken / sondern auch ihme am gulden Thaler den übrigen Batzen / vor welchen er Saltz mitbringen sollen / vor ihren Lohn einbehalten / welches abermal eine neue Klag unter Weib und Kindern verursachte / dann nunmehr wuste sie vor dißmal keine Suppe zukochen / weil Saltz / Schmaltz und Milch mangelte.

Damit aber die Kinder gleichwol etwas warmes in Leib kriegen möchten / nahm die Mutter ein Ey (dann diese Haußhaltung vermochte auch eine Henne) rührte selbiges unter Wasser / liesse es sieden / und schüttelte die äusserste Stäublein auß dem Saltzsäcklin über die Brocken / und als diese magere Suppen aufgetragen war / setzte sich klein und groß nach gesprochnem Gebett darumb her / und attaquirten sie mit ihren höltzernen Löffeln / daß kein Tropffe mehr darin bliebe; Ach hatten diese Leut nicht ein Appetit gegen den heutigen im Garten? der Tisch (den ich der Kunst nach ansahe / daß ihn der Haußvatter selbst gemacht hatte) war zwar so wol mit außgehungerten: und an Kleidungen überall zerlumpten Kinder besetzt / daß niemand mehr daran sitzen konte / doch vermochte ich gar wol über sie hinein zureichen; und weil ich das miserabl Ellend betaurete / zumalen ohne meinen Hasen und Reheziemer dem Rantzen und die Hosensäck mit allerhand Stückern Fleisch / gebratene / weiß Brod und dergleichen Waar angefüllt: auch wahr genommen hatte / daß beyde Eheleute das Geld als ein sonderbare Wunderbarlich bescherte Gabe Gottes angenommen; Als thät ich meine milde Hand ferner auff / und fieng an den Kindern auß meinen Hosensäcken nacheinander vorzulegen / dann nach der Supp wolt ihnen der Vatter kein Stücklein Brod schneiden / wie ers und sein Weib auch selbst zimlich sparten;

Jch konte eben auß denselben (so wol den alten als den jungen) einem jeden einen zimlichen Particul mittheilen ehe ich sie gar außlehrte / welches die alte mit Erstaunen und höchster Verwunderung: die arme Kinder aber mit zusammen schlagenden Händen und höchsten Freuden annahmen / GOTT danckten und das Christkindlein lobten / daß es ihnen einmal genug zu essen bescherte; Sie hieben auch so gewaltig darauff zu / daß es mir selbst wol schmeckte und als ich sahe / daß es so wol angelegt war / lehrete ich auch meinen Rantzen mitten auff den Tisch auß / darvon ihrer aller Freud verdoppelt wurde; hingegen steckte ich den Hasen und Reheziemer hinein / solches vor mich zubehalten; und demnach es von den Spänen so diese Leut an statt deß Lichts brannten / zimlich warm und raucherig in dem ohne das engen Stüblein wurde / konte ich das Ende der Mahlzeit nicht erwarten; sondern verfügte mich wieder hinauß auff das Geiß-Futter / auff welchem ich schlieffe biß an den lieben hellen Morgen;

Als ich nun lang nach Auffgang der Sonnen erwachte / sahe ich daß mein Haußwirth Körbe flochte / das Weib und die zwey grösten Kinder aber dortsassen und ein grob küdernes Garn zu Sack-Daffent spannen / welche Handthirung mich je zu gering seyn dunckte / auß ihrem Ertrag zehen Mäuler erfüttern / geschweige noch darzu Geld vor die Obrigkeit vorzuschlagen: Das Weib hatte ihres Manns Wüllen-Hembt an / welches er im Winter zu tragen pflegt / er selbst ein paar Zwilchener / überall mit Spättern besetzte Hosen / und die Kinder giengen alle so zerrissen daher / daß ich an denen umb sich habenden Lumpen nicht erkennen konten / welches Mägdlein oder Büblein gewesen; Mit welchen Kleidungen sie sich auch deß Nachts bedeckten / dann ich sahe in der Stube die jüngste noch in ihrem Laub und Moß zugerichtem Nest also mit ihren Kleidern zugedeckt schlaffen / der alten Bett war scheinbarlicher von Stroh gemacht / so doch auch schon zimlich zermahlen war; die Bettlade sampt Tisch / Stühl und Bäncken waren alle deß Manns eigne Arbeit / und wie mich bedunckten so war er auch selbst der Zimmermann / Maurer und Decker zum gantzen Hauß gewesen; die Fenster waren von Papier / und der Stuben Ofen von gebachenen Steinen und Holziglen zusammen gesticket; Jn Summa Summarum / es war überall sonst nichts als die Armut zu sehen / derowegen suchte ich meinen übrigen Gulden Thaler vollends hervor / legte ihn vor das Schlaffgeld auff den Tisch / und gieng hin ein angenehmer Ort vor mich zu suchen.

Unterwegs und dieweil ich so gar allein gieng / betrachtete ich wie unterschiedlich wir Menschen auff dieser Welt untereinander lebten! und konte doch die Herkunfft und Ursach eines so grossen Unterscheids nicht ersinnen; Als ich aber bedachte / daß die Reiche eben so hefftig wider die Hoffart und allerhand leibliche Wollüste: als die Arme wieder die Ungedult und Begierd / auch etwas zu haben / zu streiten Ursach hätten; hielte ich darvor / GOTT schicke es also / damit Er den Reichen umb seiner Demut und Gutthätigkeit: den Armen aber umb seiner Gedult und Zufriedenheit willen krönen möchte; dafern sich aber beyde Theil dessen in diesem zeitlichen Leben würdig gemacht hätten: So muste ich mich auch darüber verwundern / daß ich den vorigen Tag die reiche Dame erschröckt und geänstigt: die arme Leut aber erfreuet und getröstet: da mich jene ohn Zweiffel für einen bösen Geist: diese aber vor einen H. Engel gehalten / ich grübelte der Ursach nach warumb doch die Menschliche Urtheil gemeiniglich so betrüglich wären? und hielte darvor / daß weil die blinde Urtheil oder der Menschen Wahn / nach der Beschaffenheit deß innerlichen Gemüths passionirten Affecten geschöpfft würden / daß sie deßwegen selten eintreffen könnten; dann jener Damen hat ohn Zweiffel ihr Wissen und Gewissen gesagt / daß sie eine sündhaffte Thorheit vorm Spiegel begangen / als sie ungefehr meine Gestalt darinn gesehen / was hat sie ihr dann viel guts von solcher Erscheinung einbilden können? O das arme Haußgefäß hingegen seufftzete zu GOtt und klagt ihm seine Noth / als sie Trost und Hülff durch den unversehens herkommenen Thaler empfingen; Weme solten sie denn solche Darsendung sonst zugeschrieben haben / als dem jenigen dem sie ihre Noth geklagt? Ob nun gleich beyde Theil von mir so unterschiedlich geurtheilt / daß sie auch nicht unterschiedlicher hätten urthlen kennen / so hat doch der Wahn alle beyde betrogen / und mich gelernet / wie wenig unserm eignen Beduncken zutrauen und zu glauben sey.

 

Gibt mich dannoch nicht Wunder / daß der alte Simplicissimus in alle Kupfferstück so sich in seiner Lebens-Beschreibung befinden / gesetzt hat: Der Wahn betreugt! vornemlich wann ich mich erinnere / daß ich auff dieser Räise einmals seinen Sohn beym Leben erhalten (weßwegen er dann diesen Spruch vielleicht so offt andet und vor sein Symbolum erwehlet hat) als nemlich ein Eyfersüchtiger Hanrey ihn und sein eigen Weib Ehebruchs halben anklagte; welche Histori dann / wie unten folgen wird / meine obige Meinung von Ursach der Menschlichen Urtheil Betrug bezeugen wird.

 

Jn solchen Gedancken gieng ich wol zwo Stund / ehe ich sie gar erördert / und als ich durch ein Wäldlein passirt war / darvor ein schönes ebnes Feld lag / sahe ich einen Kerl mit einer Kuh am Strick neben dem Wald herkommen / welcher sich zu mir in die Landstrasse verfügte / die uns nach E. einer so genannten Stadt trug / dahin wir auch noch ungefehr eine Stund zu gehen hatten; Ehe wir nun gar eine halbe Stund lang an solchem Weg hintersich gelegt hatten / erlangte uns gar leicht ein Reitender / weil wir sachte giengen / derselbe bote dem mit der Kuh einen guten Tag / und fragte ihn woher er mit dieser Kuh käme und wohinauß er damit wolte? Jhme antwortet er wäre von C. und seye Willens diese Kuh / die er selbst erzogen hinein nach E. zu Marck zutreiben / und daselbst wegen seiner höchst angelegnen Nothdurfft zuverkauffen; bey mein Ayd / sagte der Reitende / wann ich heut nicht selbst gesehen hätte / daß meine Magd das Vieh in meinem Stall gemolcken und vor den Hirten getrieben / so dörffte ich schweren diese Kuh wäre mein / so natürlich gleichet sie einer von den Meinigen; das glaub ich gern / antwortet der ander / dann es gibt mehr denn nur ein weisse Gans; das ist wahr / sagt der Reitend; aber guter Freund wie wolt ihr sie auffs nechste lassen? unter zwölff Gulden nicht antwortet jener / dann sie ist an der Milch so trefflich gut / daß heut Weib und Kind umb sie geweinet / als ich sie weggetrieben / und wann mich die Noth jetzmals so hart nicht trängte / würde sie mir wol umb vierzehen Gulden nit feil seyn; Das ist zuviel antwortet der ander / ich getraue jetziger Zeit viel ein schöner Stuck umb 10. Gulden zukauffen / wann ich Vieh bedörffte; so fern ich sie euch aber abhandelte / so geschehe es nur darumb / damit ich zwo durchauß einander so ähnliche Kühe zusammen brächte; Nach vielem Wortwechslen wurde der Kauff endlich umb sechs Reichsthaler und vier Maß Wein geschlossen / ehe wir gar zum Stadt-thor kamen.

Der Reitende kehrte nicht im Wirtshauß ein / sondern bey einem seiner Bekannten / da sie auch beydes Roß und Kuh einstellten; und die erste Maß von dem Weinkauff holen liessen; Jch machte mich auch darzu / dann ich war ja auch beym Kauff gewest /und muthmasste an dem daß der Reitende so willkommen war / es dörffte einen zimlichen Schmauß da setzen / vornemlich weil sie schon vier Maß Weinkauff zum besten hatten / darvon ich ohne das meinen gebührenden Theil / weil ich auch beym Kauff gewesen / nicht dahinden zu lassen gedachte; Nun es gieng an wie ich mir eingebildet / aber es endet sich nicht wie ich vermeint gehabt; dann der Tisch wurde zwar gedeckt und auffgetragen / auch Wein herbey geschafft / und der Verkauffer nach dem er seine sechs Thaler vor die Kuh empfangen / zum Nieder sitzen genöthigt / aber er erzeigte sich so discret und erkanntlich / daß ers nicht thun wolte / er wiste dann auch was vor sein Theil an dem Essen beitragen solte; zuletzt wurde ihm auff sein freiwilliges Anerbieten und höfliges Bitten verwilligt / daß er zu diesem Jmbs eine gute Pastet holen mögte / worzu ihm dann der Haußvatter eine zinnerne Platte hergab; da gedachte ich nun bey mir selber / ach wann du dich nur auch dörfftest sehen lassen / wie gern wolltest du dein gebraten Wildpret hergeben / und dich mit diesen Leuthen rechtschaffen lustig machen; der Verkäuffer war aber kaum mit seiner Platten oder Schüssel unter die Thür kommen / als er sich anders besonne; dann er kam wieder und sagte / botz Stern es ist schier eine Schand / daß ich so mit der Platten und auch hernach mit der Pastet über die Gasse gehen solle; der Käuffer und Haußwirth billichten seine Rede und der letztgemeldte liehe ihm seinen Mantel / desto reputirlicher hinzuwandern; das thät er / kam aber drumb nicht wieder / und demnach sie sehr nahe bey einer halben Stund auff ihn gewartet / fieng ihnen erst an zu schwanen es mögte nicht recht hergehen; Wie sie gedachten so wars auch; sie fanden sich in ihrem Wahn nicht betrogen / wie oben gemeldte Dame und arme Leut / sondern wurden (aber zu spat und mit ihrem Schaden) gewahr / daß dieser Maußkopff den Käuffer die Kuhe von der Weid hinweg gestohlen: und auch den Mantel samt der Schüssel so meisterlicher Weise dahin hatte.

Jch sahe wol daß weder dem Käuffer noch Haußwirth hierauff Essen oder Trincken mehr schmecken wolte; derowegen machte ich mich auch darvon; gieng auff den Marckt; fischte auch daselbst einem Becken zwey Kreutzer Brod ab / und asse fein öffentlich unterm freyen Himmel zu Mittag / darzu mir ein zimlicher Schmarren vom Reheziemer nicht übel schmeckte; Niemand rechtfertigt mich deßwegen als der Durst / den ich aber in eines Weinschencken oder Gassen-Wirths Keller befriedigte / als das Mensch so vorm Zapffen sitzen solte / sich anderwerts vergaffte / neue Mähren von ihres gleichen Pappeltäschen zu vernehmen.

Nunmehr mangelte mir vor dißmal nichts anders als Gelegenheit / die edle Zeit / welche man die lange Weil nennet / zu vertreiben / sintemal ich zu faul war / selbigen Tag auß der Stadt weiters zu gehen; derowegen verfügte ich mich eine Gasse hinauß in ein Wirthshaus / worinn ich ein Gedöß hörete / welches mich hinein lockte; darinnen fande ich unterschiedliche Tische / mit auch unterschiedlichen Standsleuten besetzt / doch alle vom gemeinem Volck; Etliche hatten halbe Räusch / andere waren gantz voll / und die dritte fiengen erst an zu zechen; einer redte diß / der ander jenes; wol dahinden sasse eben der jenige / mit noch einem Gespanen / der denselben Tag das Kühlein verkauft hatte; allein war er barbirt / anders verkleitet und dermassen verstellt / daß ich ihn bey nahe nicht gekannt hätte / wann ich nicht eben denselben Tag mit ihm ein Stück Wegs geräiset wäre; nach dem ich sie aber genauer betrachtet / erkannte ich sie eben vor die zween / so neulich beyde Studiosi ermorden wollen.

Der enge Rath den sie miteinander hielten / ihre Fuchs-Augen die sie herumb schiessen liessen wie andere Dockmäuser / und dann daß ich schon erfahren / ja selbst gesehen hatte / daß der Kühehändler ein Ertzfunck war; machten daß ich mich zu den ehrlichen Gesellen setzte / zu hören / was sie miteinander tractirten; Zudem war ich allbereit ohne diß ungläublich curios worden / anderer Leute heimliche Conversationes und Anhänge / so unsichtbarer Weise zu vernehmen / umb mich damit zu delectiren / weil ich ausser dessen sonst kein Kurtzweil und Zeitvertreibung haben / oder eines andern Spasses fähig seyn könte.

Jhr Vorhaben war diß / daß sie die morntrige Nacht einem reichen Kautzen einfahren und den Stein schneiden / das ist auff teutsch so viel / daß sie einem wolhabigen Mann diebischer Weis einbrechen / und ihm sein Hauß bestehlen wolten; Jch gedachte / holla! du must auch darbey seyn; nicht daß ich hätte Part an ihrem Diebstal haben mögen / sondern ihnen den Compaß zu verrucken; sintemal mich ihr Anschlag / wie sie ihn vor sich hatten / gar zu weit aus der Diebs-Zunfft / (derer Mitglied / so viel das Maul-Futter anbelangt / ich damals auch eins war) zu der Mörder-Gesellschaft geschritten zu seyn bedunckte / dann sie sagten / der Herr selbst ligt am Podagram; seine Frau muß morgen zu ihrer Schwester Hochzeit; sie bleibt auß auffs wenigst biß umb Mitternacht; der Gaden-Diener oder die Magd / eins von diesen beyden / muß ihr die Latern bringen; also bleibt nur noch eine Person neben dem krancken Cyprianer im Hauß; solten nun eins oder gesetzt alle beyde über unsere Arbeit wach werden / wie gering seyn sie erwürgt? derowegen verbliebe ich bey diesen zweyen Gesellen / der Meinung nicht von ihren Fußtritten zu weichen / ich hätte dann zuvor ihren Anschlag zu Wasser gemacht; ob ich gleich bey ihnen wider meines Hertzens Willen Durst leiden muste / oder (damit ich mehr überflüssige Wort brauche) keinen Tropffen Wein zu trincken bekommen konte; Zuletzt nannte einer das Hauß das sie bestehlen wolten / nach dem Schild der daran hieng / darumb gieng ich von ihnen dasselbe zu suchen und vor ihrem Beginnen zu Salvaquartirn.

Wie ichs fande / gieng ich hinein / und sahe es von allem dem jenigen was in ein wolhabigs Hauß gehöret / genugsam gespickt und versehen; der Gaden bestund in allerhand Waaren mit solchem Uberfluß / daß man deß Jnnhabers Reichthum genugsam daraus abmessen konte / in einem Neben-Gewölb fande ich den edlen Tranck Peter Simon / darauß ich zapffte / dieweil der Gaden-Diener anderwerts zu thun / und einigen Käuffern etliche Waaren hinzugeben hatte / wormit ich mich hertzlich erquickte / und ihn gar nicht zu sparen: hingegen aber auch denselbigen auff die bestimmte Nacht wiederumb redlich zu verdienen gedachte; er schmeckte mir auch so wol / daß ich ein Flaschen-Glas nam / solches / weil ich Zeit genug darzu hatte / voll füllete / und mit mir hinauff ins Hauß auff den Kasten trug / allwo ich von meinem Wildpret stattlich zu Nacht asse / und mich auff etliche daselbst liegende Plauen mit einem ziemlichen Rausch zur Ruhe bequemte.

Den folgenden Morgen erwachte ich nicht ehender / als ungefähr umb acht Uhr / und weil ich noch etwas von Peter Simon übrig hatte / zumalen einen Appetit empfand / frühestückte ich vor allen Dingen; schliche darauff im Hauß herumb und kam in die obere Stub / worinn der Haußherr am Podagram lag / dessen Frau aber / ein schönes junges Weib / vorm Spiegel stunde / und sich zur Hochzeit mutzte; Sie hatte stattliche Kleider und war mit Gürteln / Ringen / Perlen und dergleichen Geschmeiß auch nicht übel versehen und gezieret; Weßwegen dann ihr Herr unangesehen seines Podagræ / mit solchen häfftigen Begierden entzündet wurde / daß er begehrte / sie wolte in solchem ihren Schmuck einen Gang mit ihm wagen / so wolte er hingegen ihr wiederumb willfahren / sie mögte auch an ihm begehren was sie immer wolte; das Weib sperrte sich nicht lang / sondern damit sie ihrem Mann mit Ablegungen dieser so angenehmen Schuldigkeit desto sicherer willfahren und gehorsamen mögte / schlosse sie die Stubthür zu / also daß ich wider meinen Willen im Zimmer bleiben / und zusehen muste / was der Potagramer konte; Ach! gedachte ich / ihr liebe Leut / wann ihr wüstet was euch vor eine Lauge gegossen und übergehengt worden / so solte euch der Kützel wol vergehen; nach verrichtem Werck legte das Weib die Falten wieder ein wenig zu recht / thät ein ander Größ umb / und machte sich gefast zur Hochzeit zu gehen; der Mann aber der nunmehr nach Genügen sein Contentament empfangen / begehrte von seinem Weib zu vernehmen / was sie vor einen Recompens vor ihre Willfährigkeit prätentirte / er wolle sein Versprechen halten und sie alsobalden zu frieden stellen; Es bleib darbey / antwortet das Weib; mein Begehren ist / daß ihr mirs noch einmal thun solt / dieweil die Thür noch zu ist; Ja / sagte der Mann / das ist mir jetzt ungelegen; Haha! antwortet das Weib / so sehe ich wol / ihr seyd auch einer von den Männern / die mehr versprechen als sie zu halten gedencken; Es war mir auch ungelegen / und dannoch willigte ich in euer Begehren; aber hinfort weiß ich; wie weit ich mich auff euer Versprechen zu verlassen habe; Endlich lieffe alles auff freundliches Schertzen hinaus / und als die Frau die Thür wieder öffnete / und zur Hochzeit gieng / machte ich mich auch fort den Kirchgang und andere hochzeitliche Ceremonien zu sehen.

Solches thät ich nicht allein / sondern ich gieng auch mit in das Hauß worinn die Hochzeit-Gäste gespeiset wurden / sintemal mein Mage etwas Warms von mir præetendirte / so ich ihm daselbst in der Kuchel verschaffte; hernach spatzierte ich ein Weil auff dem Marckt herumber / zu vernehmen / was man guts neues sagte / und hörete von den Leuten nicht allein was sich mit der Kuhe / Mantel und zinnen Schüssel zugetragen / sondern daß auch diselbe Nacht etlichen Meißnern ein Balle wüllen Tuch entfremdet worden wäre / worauß ich muthmassete / daß der Kühe-Dieb denselben auch hätte stehlen helffen.

Als nun gegen Nacht Essens-Zeit war / begab ich mich wieder in mein voriges Quartier / und fande den Gaden-Diener das Journal extrahirn / die Magd aber dem Herrn sein Nacht-Jmbs anrichten; so da war ein Salätgen: ein Perlegerstsüppgen: ein grün Kräutigen von Spinat; ein mit Butter / Sparglen und Citronen Eingemachtes: und ein gebratnes junges Hänngen; ich gieng mit in die obere Stub / und sahe daß er in eben demselben Bett sitzend speisete / worinn er sich den Vormittag liegend so munter gehalten hatte; sein Trunck war ein abgelegenes Striger Mertzen-Bier / welches gar gesund seyn soll; Jch mogte aber gleichwol mit ihme nicht schmarotzen / sondern gedachte an den Signor Peter Simon / der mich vortrefflicher zu seyn bedunckte / als Madam Ptisina; derowegen gieng ich wieder hinunter in das Hauß / zu sehen ob ich bey gedachtem Herrn zur Audientz gelassen würde / das widerfuhr mir gar leicht / als indessen die Magd oder Köchin samt dem Gaden-Diener ebenmässig einen Salat / ein dörre Rinds-Zung / ein Stuck Sulper-Fleisch und ein Mäßgen alten Wein / neben einer Portion Holländischen Käs und Butter expedirten.

Diese zwey waren denselben Abend freundlicher miteinander / als meines Bedunckens Herr und Frau denselben Morgen gewesen; wie sie mich dann ein Stückgen ihrer Kunst sehen liessen / gleich als wann ich darüber hätte urtheilen sollen / ob sie oder ihre Obern die Sach am besten könten / und ich glaub wann ich deßwegen gefragt worden wäre / daß ich den Preis nicht dem Herrn sondern dem Diener gegeben hätte.

Als nun der Herr sein Liecht ausgelöscht hatte / der Diener auch ins Bette: und die Magd mit einer Laternen nach ihrer Frauen gegangen war / hielte ich meines Bedunckens mitten im Hause und zwar gerad vor deß Herrn Stub die Wacht / desto besser zu hören / und geschwind nahe darbey zu seyn / die Dieb mögten gleich einbrechen wo sie wolten; Jch bedorfft auch nicht lang zu warten; dann als es umb die Zeit deß ersten Schlaffs: zumaln auch bald an dem war / daß Frau und Magd wieder heim kommen solten / hörete ich hinden am Hause wo es an den Garten und Hof stiesse / ein Genüstel / allwo die Mauser eine kurtze Leiter auf einen Stoß Brennholtz gesetzt und an ein sonst vom Erdboden hohes Fenster angelehnet hatten: dardurch sie so ordentlich hinein passirten / als wann es ihr alltäglicher gewohnter Weg gewest wäre: sie hatten auch alles so fleissig ausgesonnen / und wie sie es machen wolten / zuvor berathschlagt / daß ich mich über ihre Spitzfindigkeit verwunderte; dann indessen der eine einen Hauffen dorthin hoffirte / gieng der ander hinunter ins Hauß und öffnete die Thür / damit wann etwan jemand im Hauß wider ihr Verhoffen alert würde / sie sich bey Zeiten dahinaus retirirn könnten; derselbe brachte / ich weiß nicht woher / ein Liecht mit sich / und als er damit wieder die Stege hinauff zu seinem Kammerrathen kam (welchem ich mich fleissig an die Seite gestellt) und sein Zauberwerck herfür suchte / die Leute im Hauß zu bezaubern / daß keins vom Schlaff erwachen könnte / liesse ich solches zwar geschehen / und dasselbe Ding anzünden / aber ich gab ihm gleich hernach einen solchen Stoß / daß er die Stege hinunter rumpelte und ein solches Gebolder machte / daß ich gedachte / er würde Halß und Bein zerbrochen haben; Sein Kammerrath gieng darauff näher zur Stegen / ohne Zweifel zu fragen wie ihm geschehen wäre; er hätte aber solcher Frag nicht bedörfft / dann ich wiese ihm gleich auch denselben Sprung den jener gethan / also daß dißfalls ohngefragt er so viel wuste als sein Gesell / ohne daß jener ein Bein samt dem Ruckgrad zerbrochen / dieser aber nichts entzwey gefallen hatte: Es war artlich zu hören / als je einer zum andern sagte / Ach Bruder was ist das?

Der Gesunde oder ganghailige stund gleich wieder auff / und vermahnet den Krancken zu folgen / damit sie das vorgenommen Werck enden mögten; der Will bey selbigem war gut / aber die Folge unmöglich / dann so bald er sich nur ein wenig bewögte / schriehe er wieder aller Diebe Gewonheit überlaut / daß ihm sein Kammerrath deßwegen ich weiß als nicht was vor ein Hauffen gut Dings in den Hals wünschte; Er hätte ihn gern hinweg getragen oder geschleppt / aber der Krancke konnte deren keines vor hefftigen Schmertzen erleyden; derowegen sagte der ander zu ihm / Bruder ich sehe wol was es abgeben wird / du wilst hier liegen bleiben und mich und dich auffs Rath bringen; Nein antwortet jener / ich weiß wol zu schweigen / laß mich nur liegen; du Hundsfutt sagt dieser / kanst du doch das Maul nicht halten / wann ich dich in deine Freyheit tragen und das Leben erhalten wil / was würdest du erst thun / wann du dich gefangen sehest und mit der Folter umb unsere Händel gefragt würdest; darauff fasset er ihn geschwind bey der Gurgel / daß er nicht weiters schreien konte / und gab ihm mit einem Dolchen wol zwantzig Stich nacheinander in die Brust / so ich gern verhindert hätte / wann ich zukommen mögen; und da Er mit ihm fertig war / stiege er wieder gegen mir die Stege hinauff / nicht weis ich wolte er das angezünte Zauberwerck holen / oder der ersten Jntention nach das Hauß bestehlen; aber so bald er sich mir näherte / stiesse ich ihn wieder rücklings hinunter / daß ich nicht anders glauben konte / als daß er bey seinem Kammerraten liegen bleiben: und ihme wie im Leben: also auch im Todt Gesellschaft leisten müssen / aber er hatte Katzenart / welche / wann man sie gleich hoch herab wirfft / dannoch ohne Schaden wieder auffstehen; dann er stunde wieder auff von seines Gesellen todten Cörper / und sagte zu sich selbst / ich will hinauff und solte der Teufel und seine Großmutter darwider seyn; darauff antwortete ich ihm / und kommst du mir wieder unter die Hände / so wil ich dir den Hals brechen; darvon der Kerl dermassen erschrack / sonderlich weil er niemand sahe / und doch meine bedrohenliche Stimme so nahe bey sich hörete / daß ihm das Stegen steigen vor dißmal gantz verleidete / dann er verliesse seine zauberische Flamme / die noch oben im Hauß bey mir brannte / und lieffe zur Haußthür hinauß als wann ihn der Teufel gejagt hatte.

Dieselbe schlug ich nach ihm wider zu / stiege wiederumb zu öberst ins Hauß hinauff / und legte mich auff meine Plauen / worauff ich die vorige Nacht so trefflich wol geruhet hatte; Jch konte aber drumb nicht schlaffen / dann mein Gewissen quelete mich / daß ich ein Ursach gewesen / daß ein Mensch ohne Bereuung seiner Sünden sterben: und also besorglich in die ewige Verdamnuß gehen müssen; doch tröstet mich dargegen umb etwas / daß hierdurch der Hauß-Herr und Gadenknecht erhalten worden / welche vielleicht diese zween Unmenschen im Schlaff und vielleicht die Frau und Magd darzu / wann sie zeitlich genug heimkommen wären / ermordet haben möchten:

Es war bereits nach Mitternacht als gemelte Frau von etlichen ihren Verwandten von der Hochzeit nach Hauß begleitet wurde; die Magd schlosse indessen die Thür auff / als der Frauen Freunde ihre Abschieds-Complimenten machten / sie versperre sie auch wieder / nachdem jene hinweg und ihre Frau im Hauß war / nachdem sie aber zu deß ermordten Mörders Cörper kam / und selbigen im Blut todt liegen sahe / liesse sie einen lauten Schrey! wie sehr aber die Frau selbst erschrocken / kan ich nicht sagen / dann ich lag damals auff der obern Bühne / und hörte daß die Thür wieder geöffnet / und die Geleits-Leute zuruck geruffen wurden; die sahen nun gleichfalls das Specktacul mit Erstaunen / und als sie die Stege hinauff kamen / die blaue zauberische Schlaffflamme mit Verwunderung an; Frau und Freunde giengen in alle Winckel deß Hauses / und fanden alles ordentlich und unverruckt; sie visitirten auch so gar oben wo ich lag und noch höher droben / so wol als unten im Keller und allen Gewölbern; der Mann und Gadendiener konnten von ihrem Schlaff nicht erweckt werden / ohnangesehen sie die Augen öffneten / und etliche Fabelhaffte Ding redeten wie theils Träumende zuthun pflegen; Endlich wurde vor gut befunden / nach der Obrigkeit zu schicken / da wurde diß und das und jenes gerathen / und doch nirgends nichts getroffen; zween Schürgen oder Büttel musten den Cörper auß dem Weg raumen / da hörete man die Diebs-Schlüssel (die neben verborgenen Gewehr von grossen scharfen Messern bey ihm gefunden worden) klingeln.

Derowegen ward nach dem Scharf-Richter geschickt / der seine Kleider durchsuchte und unterschiedliche Stuck bey ihm fande / die deß entleibten Boßheit bezeugten / derselbe erkannte auch die zauberische Schlaff-Flamme / welche bißher noch niemand anzurühren erkühnen dörffen; so bald er dieselbe löschte / erwachten beydes der Herr und sein Diener / welche sich verwunderten / daß so ein hauffen Leute / sonderlich die Obrigkeit mit Henckern und Stadtknechten im Hause versamlet waren; Weilen dann auch die angesetzte Leiter gefunden wurde / und alle Anzeigungen bezeugten / daß der Entleibte (GOtt geb wer ihn auch umbbracht haben möcht) ein Ertz-Dieb gewest seyn müste / so wurde dem Hencker der Cörper zuerkannt / solchen hinweg zuthun und den folgenden Tag unter dem Galgen zubegraben / unter allen diesen seltzamen Händeln gienge ich mitten unter den anwesenden Leuten herumb / und hätte ihnen am besten auß dem Traum helffen können / daß sie dieser Geschichte halber die Köpffe mit Nachsinnungen nicht so sehr zerbrechen dörffen; aber ich schwieg wie ein Weiser / weil mich die Haut nicht juckte; ich gedachte halt / du hast das deinig gethan / und nicht allein den getruncknen Peter-Simon: sondern auch noch wol ein mehrers verdienet / aber was schierst du dich umb eine Verehrung / die dir zwar billich gebührte / du aber mit Gefahr fordern müßtest? würdest du dich offenbaren / so würde man glauben du seyest deß Ertödten Gesell im stehlen / und auch deines Kammerrathen Mörder gewesen; mithin finge es schon an zutagen / derowegen ersahe ich meinen Vortel und kam noch einmal über das Faß meines so hoch geliebten Geträncks / nahm dessen an statt eines Branteweins so viel zu mir / als ich mit guter Vernunfft zuertragen getraute / ohne daß ich auch Hamburger Zwibachens hinein hätte weichen sollen / und gieng damit auß dem Hauß und noch denselbigen Morgen gar auß der Stadt.


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