Johann Wolfgang von Goethe
Gedichte
Johann Wolfgang von Goethe

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Drei Palinodien.

1.

                                              Weihrauch ist nur ein Tribut für Götter
und für die Sterblichen ein Gift.
      Soll denn dein Opferrauch
Die Götter kränken?
Du hältst die Nase zu –
Was soll ich denken?
Den Weihrauch schätzet man
Vor allen Dingen;
Wer ihn nicht riechen kann,
Soll ihn nicht bringen.

Mit starrem Angesicht
Verehrst du Puppen,
Und riecht der Priester nicht,
So hat Gott den Schnuppen.


2.
Geist und Schönheit im Streit.

        Herr Geist, der allen Respekt verdient,
Und dessen Gunst wir höchlich schätzen,
Vernimmt, man habe sich erkühnt,
Die Schönheit über ihn zu setzen;
Er macht daraus ein großes Wesen.
Da kommt Herr Hauch, uns längst bekannt
Als würdiger Geistesrepräsentant,
Fängt an, doch leider nicht galant,
Dem Luderchen den Text zu lesen.
Das rührt den Leichtsinn nicht einmal,
Sie läuft gleich zu dem Principal:
Ihr seid ja sonst gewandt und klug,
Ist denn die Welt nicht groß genug!
Ich lass' euch, wenn ihr trutzt, im Stich;
Doch seid ihr weise, so liebt ihr mich.
Seid versichert, im ganzen Jahr
Giebt's nicht wieder so ein hübsches Paar.

Ἄλλως.

Die Schönheit hatte schöne Töchter,
Der Geist erzeugte dumme Söhne:
So war für einige Geschlechter
Der Geist nicht ewig, doch das Schöne.
Der Geist ist immer Autochthone.
So kam er wieder, wirkte, strebte,
Und fand, zu seinem höchsten Lohne,
Die Schönheit, die ihn frisch belebte.

3.
Regen und Regenbogen.

          Auf schweres Gewitter und Regenguß
Blickt' ein Philister, zum Beschluß,
In's weiterziehende Grause nach,
Und so zu seines Gleichen sprach:
Der Donner hat uns sehr erschreckt,
Der Blitz die Scheunen angesteckt,
Und das war unsrer Sünden Theil!
Dagegen hat, zu frischem Heil,
Der Regen fruchtbar uns erquickt
Und für den nächsten Herbst beglückt.
Was kommt nun aber der Regenbogen
An grauer Wand herangezogen?
Der mag wohl zu entbehren sein.
Der bunte Trug! Der leere Schein!

Frau Iris aber dagegen sprach:
Erkühnst du dich zu meiner Schmach?
Doch bin ich hier in's All gestellt
Als Zeugniß einer bessern Welt,
Für Augen, die vom Erdenlauf
Getrost sich wenden zum Himmel auf,
Und in der Dünste trübem Netz
Erkennen Gott und sein Gesetz.
Drum wühle du, ein andres Schwein,
Nur immer den Rüssel in den Boden hinein,
Und gönne dem verklärten Blick
An meiner Herrlichkeit sein Glück.

 


 


 << zurück weiter >>