August Neidhardt von Gneisenau
1813 - Briefe
August Neidhardt von Gneisenau

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22. An Hardenberg

Kamenz, den 11. Mai 1813.

Das Glück ist uns nicht hold, vermutlich weil wir in der Einleitung gefehlt haben. Es zeigt sich solches uns abermals ungünstig, wie Ew. Exzellenz die Ihnen heut bekanntgewordene Dienstentsetzung des Generals Thielmann gezeigt haben wird. Wir dürfen uns indessen nicht niederschlagen lassen, sondern der steigenden Gefahr müssen wir verdoppelte Anstrengung entgegensetzen. Geben daher Ew. Exzellenz nicht zu, daß man den Mut sinken lasse oder wohl gar verzweifle. Wir kommen ganz gewiß glücklich durch diesen Kampf, wofern wir ihn nur mit Ernst und Würde bestehen wollen.

Das größte Übel, worunter wir leiden, ist die Befehlführung der Armee. Graf Wittgenstein ist selbiger nicht gewachsen, und das Vertrauen, welches er ehedem in den General Diebitsch setzte, ist verschwunden. Dieser hinwiederum hat den Kopf verloren. Der General d'Auvray. Chef des Generalstabes, ist bequem und indolent. Dreimal bin ich in Borna, am l. Mai, bei diesen Männern gewesen, und dreimal habe ich sie in ihren Betten gefunden; nachmittags, abends, morgens. Aus ihrer Feder erscheinen unzweckmäßige, unverständige, unausführbare Befehle. Wir tun davon, was wir können oder mögen, aber es gibt deren welche, die wir, um uns nicht selbst in Gefahr zu stürzen, befolgen müssen. So mußten wir die Elbe verlassen, bevor uns der Feind dazu nötigte. Wir sind nun in eine Gegend gegangen, aus welcher uns Mangel früher noch als der Feind treiben wird.

Es ist möglich, daß die Schlacht (eine nicht gelungene wollen wir sie nennen) vom 2. Mai und Sachsens Wiedervereinigung mit Frankreich Österreich besorglich machen, wenigstens seine Hilfe verzögern werde. Dies darf uns nicht schrecken. Mit Gewißheit fast sehe ich voraus, daß Graf Wittgenstein nicht, wie er vorgibt, bei Bautzen eine zweite Schlacht annehmen, sondern seinen Rückzug fortsetzen werde. Er mag dies immerhin tun, wenn es nur mit Verstand und Ruhe geschieht. Man muß mit Ordnung zurückweichen und sich nach und nach durch die in Schlesien sich befindlichen Streitkräfte verstarken. Dort haben wir mehrere feste Stellungen. Drei derselben, bei Silberberg, bei Glatz, bei Neiße sind durch starke Festungen geschützt. Werden diese Festungen jede mit Lebensmitteln für 20 000 Mann auf drei Monate versehen, was, wenn es sogleich geschieht, das Werk weniger Tage ist, so mögen Landwehren und Feldtruppen dahin zurückweichen, und der Landsturm unterdessen sein Wesen treiben. Die Russen mögen entweder nach Polen zurück, oder nach Kosel gehen. Sogleich als dies geschehen ist, kommt der Krieg ins Gleichgewicht, Napoleon kann nur mit einem Teil seiner Armee den Russen folgen, während er den andern den Schlesischen Festungen gegenüber lassen muß. Wird er mit diesem diese starken Bollwerke angreifen oder die festen Läger dabei erstürmen? Ich zweifle. Der zurückgelassene Teil wird immer schwächer als unsere Lagerbesatzungen sein. Diese können daher das Entbehrliche ihrer Mannchaft vereinigen und damit offensive Operationen unternehmen. Wer mit einem Armeekorps Silberberg beherrscht, ist auch Herr des Gebirges bis an die sächsische Grenze.

So kann man in Schlesien verfahren. In Pommern übergebe man die Einschließung Stettins vorderhand noch einem Teil der Landwehr. Das Tauentziensche, Bülowsche und Borstellsche Korps können sich vereinigen und an solches sich der Rest der Landwehr anschließen. Diese können, bei einigem Glück, sogar offensiv gehen. Im schlimmsten Falle gehen sie nach dem Lager von Kolberg zurück und erwarten dort, bis die preußische Landwehr ankommt.

Ew. Exzellenz sehen hieraus, daß ich auf die schwedische Hilfe nicht mehr rechne, sondern als für uns neutralisiert betrachte. Daß ich noch gar nicht von dem Barclay de Tollyschen Korps geredet habe, und den Fall annehme, daß Österreich dem Schrecken mehr als einer gesunden Politik gehorche. Ich habe also wirklich die allerschlimmsten Voraussetzungen angenommen. Und dennoch läßt sich auch aus dieser ungünstigsten aller Voraussetzungen ein endlicher guter Erfolg herauskonstruieren, sofern man nur standhaft ist. Also nur Mut. So wie ich Ew. Exzellenz kenne, werden Sie ihn nicht verlieren, aber ich wollte Ihnen nur ein Paar Worte sagen, um ihn bei denen, die dessen ermangeln, zu motivieren.

Haben denn Ew. Exzellenz die von mir an Sie gerichteten Briefe erhalten? Der letzte war aus Meißen datiert.

Gott nehme Ew. Exzellenz in seinen Schutz, und lasse uns bald heitere Tage wiedersehen, sofern wir solche durch Standhaftigkeit verdienen.


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