August Neidhardt von Gneisenau
1813 - Briefe
August Neidhardt von Gneisenau

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4. An Graf Münster

Kolberg, in der Nacht vom 25. bis 26. Febr. 1813.

Ew. Exzellenz benachrichtige ich, daß ich vor wenigen Stunden glücklich hier angekommen bin. Ich bin mit allgemeinen Freudenbezeugungen hier aufgenommen worden. Man hat die Stadt illuminiert, die Bürgerschaft ist mit Musik vor meiner Wohnung aufgezogen und hat mir ein Vivat gebracht. Ew. Exzellenz sehen hieraus, daß ich nicht erst auf den Geist zu wirken brauche, sondern daß er an sich schon vortrefflich ist. Der General Borstell hier hat sich ebenfalls der guten Sache gewidmet. Zwei Tage vorher hat er bereits einen Abgeordneten an mich nach London gesandt, um Waffen und Geld zu verlangen. Dieser Abgeordnete hat Befehl, in meiner Abwesenheit sich direkt an Ew. Exzellenz zu wenden. Ich habe den Kapitän Actam, den Befehlshaber der Schiffe zu Carlskrona, gebeten, die Bewaffnungs- und Ausrüstungsgegenstände, sobald sie in Schweden anlangen, hierher an den General Borstell zu senden und darüber mit letzterem zu kommunizieren, im Fall ich nicht mehr hier sei, denn ich denke, in wenigen Tagen von hier weiterzugehen. Ich bitte auch Ew. Exzellenz, dafür gütigst zu sorgen, daß alle Ausstattungsgegenstände hierher so schnell als möglich gesendet werden. Bei diesen Gegenständen ist es wichtig, die für einige Regimenter Kavallerie nicht zu vergessen.

Der Geist des Volkes ist vortrefflich. Studenten, Referendare, die Söhne der reichsten Familien sind sogleich auf den ersten Ruf der Regierung als gemeine Soldaten unter die Jäger eingetreten. Die Regierung hat alles aufgefordert, was in den Jahren zwischen 17 und 25 ist, unter die Waffen zu treten – und sich doch noch nicht gegen Frankreich erklärt. Alle Anstalten sind auf eine große Anstrengung gerichtet und noch kennt die Nation davon keinen anderen Zweck, als den man sich in die Ohren sagt. H.v.H[ardenberg] hat bereits vor 14 Tagen dem hiesigen Kaufmann Schroeder gesagt, die Partei des Königs sei bereits genommen, nur noch nicht öffentlich kundgemacht, und in diesem Augenblicke ist noch Herr vom Knesebeck im Russischen Hauptquartier zu Kolo an der Warthe, in Polen, wo der Kaiser selbst sein soll, um über die Neutralität Schlesiens zu unterhandeln!

In Berlin allein haben sich, wie man mir hier erzählt, 11 000 Mann junger Leute eingestellt, um dem Ruf der Regierung zu folgen. Selbige haben sich größtenteils nach Schlesien begeben. 200 Kosaken sind in das nördliche Quartier der Stadt am Landsberger Tore gedrungen. Die Franzosen haben sich darauf beschränkt, die Spree zu verteidigen. Der Marschall Augereau befehligt dort. Den 26. dieses (morgen) kommen 4 russische Korps in Niederschlesien und der Neumark, etwa 12-15 Meilen von Berlin an. Hier stehn 17 000 regelmäßige Truppen, 12 Meilen von hier etwa 14 andere Bataillone, Yorck mit 25 000 Mann etwas weiter zurück. Alles ist in Bewegung vorwärts, und ich hoffe, daß die hiesigen Truppen dies ebenfalls tun werden.

Nehmen Ew. Exzellenz die Versicherung meiner Verehrung gütigst auf. Sowie ich mich von meiner Seekrankheit etwas erholt und ich mehr vernommen, werde ich Ew. Exzellenz weitläuftiger schreiben. Jetzt drängt mich das absegelnde Schiff.


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