August Neidhardt von Gneisenau
1813 - Briefe
August Neidhardt von Gneisenau

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16. An Amalie von Beguelin

Dresden, den 31. März 1813.

Verehrte Freundin!

Gerade über das, wessen Sie mich beschuldigen, war ich im Begriff, bei Ihnen, zu geistvolle Freundin, Klage zu führen. Sie, die Sie ein Mosaik aus Montaigne, Kardinal Retz, La Rochefoucauld und La Bruyère zusammengesetzt sind, und jeden Augenblick von geistreichen Bemerkungen übersprudeln, wodurch Sie jeden bescheidenen Ausdruck des Gefühls sofort in das Innere der Brust zurückscheuchen, wollen mir Vorwürfe machen, daß ich zu viel Verstand und zu wenig Gefühl bin; ich, der ich gerade von jenem nur einen so mittel- mäßigen Anteil, von diesem aber so überschwenglich viel habe! Erste Ungerechtigkeit!

Zweite Ungerechtigkeit! Sie beschuldigen mich der Strenge gegen andere, mich, der ich selbst der Nachsicht anderer so viel bedarf! mich, der ich, Gott sei mein Zeuge, die höchste Ursache habe, bescheiden zu sein; der idi nichts weniger als tugendhaft bin und von Schwächen und kleinen Leidenschaften bestürmt werde; der ich alles durch Glück und Umstände, wenig durch reife Überlegung geworden bin. Wie lächerlich würde ich sein, oder wie heuchlerisch, wenn ich andere streng beurteilen sollte. Ersparen Sie mir diese Epitheta und nehmen Sie ihre Beschuldigung zurück.

Wie ganz anders behandelt mich unser edler Freund. Er will mir wohl, trotz meinen Fehlern, und bürdet mir nicht fremde auf. Wäre er nicht, wo wir beide vor ihm vor Gericht stehen, ein parteiischer Richter, wahrlich ich würde Sie verklagen.

Also, verehrte Freundin, seien Sie edel, das heißt gerecht. Denken Sie denn, daß man ein Recht habe, ungerecht zu sein, wenn man liebenswürdig ist? Da stehen Sie in einem falschen Wahn. – Nun muß ich schließen. Der Kurier kommt. Gott nehme Sie in seinen Schutz.


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