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Der Sheriff beabsichtigte zunächst, die beiden Freunde als Zeugen mit in das Städtchen zu nehmen. Dann nahm er jedoch davon wieder Abstand, weil er einsah, daß die beiden doch kein Englisch sprachen. Der Tote war ja auch Zeuge genug. Und außerdem wollten sie bis zum Abend dorthin kommen. Graf Beckdorf begleitete ihn aber, denn das Erlebte hatte ihm für heute die Lust zum Arbeiten genommen. So brachte er die Nachricht in die Stadt.
So ruhig sich dabei die Fremden verhielten, so empört waren die Amerikaner. Wieder hatte man es gewagt, die Hand an einen Bürger der Vereinigten Staaten zu legen! Im Nu lief die Nachricht von Arbeitsplatz zu Arbeitsplatz, und kaum eine Stunde später hatte sich schon ein Trupp junger Männer aufgemacht, um die Leiche herunterzuholen und unten auszustellen. Unter ihnen befand sich ein Mann namens James Cook, der den Ermordeten auf den ersten Blick erkannte. Cook war nämlich vor vierzehn Tagen nach Carltons Flat, einem anderen Minenplatz, gewandert. Dort hatte er einige Zeit mit diesem Unglücklichen zusammen gearbeitet und ging dann wieder zurück ins Paradies. Johns, wie der Ermordete hieß, hatte versprochen, ihm zu folgen. Cook beschrieb ihn als einen ruhigen, aufrichtigen Mann. Er war in Virginia geboren und wohnte später in Missouri. Von dort war er im vergangenen Jahr mit einer Karawane über die Felsengebirge gekommen und hatte durch Fleiß und Sparsamkeit ein kleines Vermögen gesammelt. Er war zwar nicht rauflustig, aber es war auch nicht wahrscheinlich, daß er in einem Kampf unterlegen wäre. Er mußte im Schlaf überwältigt und meuchlings ermordet worden sein, um dann beraubt zu werden. Aber wer hatte das Verbrechen begangen? Die Mehrheit legte es den Mexikanern zur Last, was auch der Sheriff dagegen vorbringen mochte. Noch am selben Abend wurde eine Versammlung der Amerikaner zusammengerufen. Man wollte Schritte beraten, die jetzt getan werden mußten, um Leben und Eigentum der Bürger dieser Staaten vor ähnlichen Angriffen zu schützen. Das vergossene Blut schrie außerdem nach Rache und mußte gesühnt werden.
Die Versammlung selbst fand in Kentons Zelt statt. Wenn den Fremden auch nicht der Eintritt verwehrt wurde, so schien man es auch nicht gern zu sehen, daß sie sich dazu einfanden. Trotzdem waren einige Deutsche und Franzosen anwesend, die die englische Sprache gut verstanden. Alles rief nach dem alten Nolten, um ihn zum Präsidenten zu wählen. Nolten war aber schon seit acht Tagen irgendwo draußen in den Bergen, um einen neuen Platz zu finden. An seiner Stelle wurde Briars gewählt, einer der wildesten Burschen, der immer bereit war, einen Streit anzufangen. Dadurch bekam die Versammlung gleich zu Beginn einen wilden und maßlosen Verlauf. Briars eröffnete sie gleich mit der Aufforderung, die Fremden ohne Unterschied zu entwaffnen und aus diesen Minen zu vertreiben. Von allen Seiten schrien und jauchzten die überdrehten Goldwäscher, meistens Backwoodsmen aus dem Westen Amerikas.
»Was haben wir von den Fremden?« schrie Briars. Durch die Stimmung aufgeregt, sprang er auf den nächsten Tisch und streckte beide Arme in die Luft. »Von England, von Frankreich, Deutschland und Mexiko kommen sie herüber, nur um unsere Minen zu plündern und mit dem Raub, so schnell sie können, wieder in ihre Heimat zurückzukehren. Fügen sie sich unseren Gesetzen, solange sie hier sind? Nein, nein, sag ich! Sie fallen die Bürger der Staaten, die ihnen bis jetzt Schutz gewährt haben, mit Dolchen und Pistolen an. Der Mord straft uns, weil wir nicht schon längst den Arm erhoben haben und sie vom kalifornischen Boden weggefegt haben. Unsere Väter haben ihr Blut für unsere Freiheit vergossen, und wir selber sind jederzeit bereit, unser Blut wieder für unseren Boden, für unsere Flagge...«
»Hipp, hipp, hurra!« schrie die Schar. » Three cheers for the glorious flag!« Mehrere Minuten dauerte das Hurrarufen, so daß der Sprecher abwarten mußte.
»Ja, Boys«, schrie Briars, sowie sich der Lärm etwas gelegt hatte. »Wir sind wieder und jeden Augenblick bereit, unser Blut dafür zu verspritzen. Aber wir wollen uns nicht der Gefahr aussetzen, von Wegelagerern und europäischen Banditen von hinten angeschossen und ermordet zu werden!«
»Das ist die richtige Bezeichnung!« schrie ein langer Kentuckyer, der auf einen anderen Tisch sprang und die Rede des Präsidenten unterbrach. »Europäische Banditen! England hat bis jetzt seine Verbrecher nach Australien in die Kolonien geschickt, aber die Australier wollen sich das nicht mehr gefallen lassen. Jetzt soll Kalifornien der Platz werden, auf den sie ihre Gefängnisse ausschütten. Jungens – das dulden wir nicht! Verdamm mich, wenn nicht erst vorige Woche eine ganze Ladung dieses Gesindels von Botany-Bai herüberkam. Ist die Regierung in San Francisco zu schwach und läßt sie an Land, und wenn sie da Schlafmützen als Richter haben, dann müssen wir uns das in den Minen nicht gefallen lassen. Wir sind freie Männer – unsere Vorväter haben dafür ihr Blut vergossen, daß wir...«
»Hipp – hipp – hurra!« unterbrach ihn wieder die wilde Menge.
»... daß wir unsere Freiheit bewahren sollen«, schrie der Kentuckyer durch das Toben, »und wir wollen doch einmal sehen, ob wir uns das Gesindel, diese mexikanischen, englischen und irischen Verbrecher, nicht vom Halse schaffen können!«
»Bravo, Jim, bravo, mein Junge, give it to them!« jubelten die Leute, die inzwischen auch dem Alkohol kräftig zusprachen.
»Wir wollen ein Komitee wählen und morgen früh die ganze Bande aus den Minen hinausjagen!«
»Gentlemen!« rief da Hale, der bis jetzt ein stiller, aufmerksamer Zeuge gewesen war. »Wollen Sie mir ein Wort erlauben?«
»Jawohl, Hale, stump it, old fellow! Hinauf auf den Tisch, du bist ein richtiger Kerl und aus richtigem amerikanischem Blut!«
»Vielen Dank«, sagte Hale und stieg auf den Tisch, den der letzte Sprecher eben geräumt hatte. Er wollte zur Theke gehen und seine trocken gewordene Kehle anfeuchten. »Wenn ihr mich meine Meinung frei sagen lassen wollt, so kann ich nur sagen, daß ihr hier – ihr Bürger der Vereinigten Staaten – Skandal genug macht, das muß euch der Neid lassen. Aber ihr bellt ganz entschieden unter einem falschen Baum, wie wir bei uns zu Hause sagen.«
»Hallo, Hale, was ist jetzt im Wind?« rief einer aus der Schar.
»Unsinn, Bursche!« antwortete der Sheriff, der sich nicht einschüchtern ließ. »Ihr wollt das Kind mit dem Bad ausschütten und habt dazu weder das Recht noch die Macht. Wir wissen auch noch gar nicht, von wem der Mord eigentlich verübt wurde, von einem Engländer, einem Mexikaner oder sogar von einem Amerikaner selber...«
»Hol's der Teufel, Hale!« schrie da Briars. »Die Amerikaner schneiden sich untereinander nicht die Hälse durch, und Sie sollten gerade der letzte sein, der für die Fremden eintritt. Das Blut, das unsere Vorväter...«
»Hört doch mit der alten Geschichte auf!« unterbrach ihn ungeduldig der Sheriff. »Ich halte soviel von meinem Vaterland wie jeder andere. Aber ich denke, es ist unnötig, immer wieder die alten Taten aufzuwärmen, um uns zu neuen anzuspornen. Wir wissen auch so, was wir zu tun haben. Gebt mir deshalb die Beweise, daß ein Fremder diesen Mord verübt hat, und seht zu, ob ich nicht mein eigenes Leben wage, um den Schuldigen aufzuspüren und an den Strick zu bringen. Bis wir aber nicht wissen, ob wir den Verbrecher nicht unter unseren Landsleuten suchen müssen, dürfen wir den Mord nicht den Fremden anlasten. Wir wären sonst unwürdig, freie Amerikaner zu sein.«
»Was ist mit der Botany-Bai-Gesellschaft, die nach Kalifornien gekommen ist?« rief der Kentuckyer wieder.
»Soll sich hüten, daß wir sie hier auf keinem faulen Pferd erwischen«, entgegnete ruhig der Sheriff. »Sonst würden wir verdammt wenig Umstände mit ihnen machen. Aber erwischen müssen wir sie erst, ehe wir sie bestrafen können. Ich glaube doch nicht, daß einer unter euch ist, der einen Unschuldigen das büßen lassen will, was ein anderer begangen hat!«
»Gentlemen!« rief da eine Stimme aus der Menge. »Wollen Sie mir erlauben, einen vernünftigen Vorschlag zu machen?«
»Wenn es ein vernünftiger ist, natürlich, unvernünftige haben wir bis jetzt genug gehört«, sagte Hale.
»Schön«, sagte Siftly, der gerade gesprochen hatte. Er warf Hut und Poncho über einen Stuhl. »Ich werde Sie nicht lange behelligen. Sie werden zugeben, Gentlemen, daß es ein undankbares Geschäft ist, in diesem Zelt über den Mörder zu rätseln, ob es ein Fremder oder ein Amerikaner war. Die Mehrheit glaubt an einen fremden Täter, und mit den Beweisen, die wir in den Nachbarminen gegen Mexikaner und Botany-Bai-Burschen gesammelt haben, glaube ich auch nicht, daß wir uns irren.«
»Bravo, bravo!«
»Wir befinden uns aber in der unangenehmen Lage, gegen keinen gesetzliche Schritte unternehmen zu können, selbst wenn wir Beweise in der Hand hätten. Es fehlt in dieser Stadt das gesetzliche Oberhaupt, der Friedensrichter oder Alkalde. Deswegen geht mein Vorschlag dahin, Gentlemen, zuerst einmal einen von uns zu wählen, ehe wir weiter in dieser Sache gehen.«
Hale war erstaunt, gerade von diesem Fremden, von dem er seit dem ersten Abend keine besondere Meinung hatte, diesen Vorschlag zu hören. Er hatte etwas ganz anderes von ihm erwartet. Um so freudiger stimmte er ihm jetzt zu. Wenn sie auch in den letzten Wochen ganz gut an ihrem Minenplatz existieren konnten, ohne eine besondere Behörde zu haben, so änderte sich die Sache jetzt, wo sie entscheidende Maßnahmen ergreifen mußten. Die einzige Schwierigkeit bestand nur darin, einen geeigneten Mann zu finden – und daran war die Wahl ja bereits damals gescheitert. So leichtsinnig man wohl auch sonst solche Posten besetzte, so hatte doch das Verhalten des Majors dafür gesorgt, daß man hier vorsichtiger war. Die jungen Amerikaner hatten gleich ihre Vorschläge und nannten ihre Bekannten. Aber solche Kandidaten zeichneten sich meistens dadurch aus, daß sie gut boxen oder schießen konnten, und das schien vielen auch zu genügen. Hale, der davon eine andere Vorstellung hatte, erklärte, daß der Alkalde auch die Gesetze verstehen müßte, sonst könne er ihnen wenig oder gar nichts helfen.
»Gesetze!« rief Briars, der sich von der Versammlung einen ganz anderen Erfolg versprochen hatte. »Was, zum Teufel, sollen die hier nutzen? Können sie uns davor schützen, daß uns die verdammten Fremden meuchlings überfallen, he? Gibt es überhaupt jemand hier, der imstande ist, sie auszuüben und in kraft zu halten? Pah – soviel für eure Gesetze und eure geschriebenen und gedruckten Wische hier im Wald. Sie sind nur als Flintenpfropfen tauglich. Wenn wir einen Alkalden haben sollen, dann gebt uns einen Mann – mehr wollen wir nicht, das andere können wir schon selbst besorgen!«
»Gentlemen!« rief Siftly noch einmal und stieg wieder auf den Stuhl. »Ich bin zwar noch ein Fremder bei euch im Paradies, aber kein Fremder in den Minen, wo ich mich schon seit sechs Monaten aufgehalten habe und mich also auskenne. Ich war auch bei den letzten Verhandlungen in Sonora dabei und gehörte mit zu dem Komitee, das die Fremden entwaffnete. Sie werden mir deshalb glauben, daß ich nicht für halbe Sachen bin. Wenn es aber paßt, daß wir das Gesetz auf unserer Seite haben und zugleich die Zügel der Regierung, die uns Amerikanern zusteht, fest in die Hand nehmen, dann ist das viel besser. Ich stimme deshalb unserem ehrenwerten Sheriff bei. Glücklicherweise befindet sich gerade ein Mann in unserer Mitte, wenn ich ihn hier auch nicht im Zelt sehe, der alle Eigenschaften vereinigt. Er hat einen festen, entschlossenen Charakter, ist geborener Amerikaner, natürlich aus dem Old dominion (= Virginia), und auch ein ausgezeichneter Jurist. Er ist verheiratet und mit seiner Frau zu uns gekommen – ein Beweis, daß wir es mit keinem leichtsinnigen Schwindler zu tun haben. Wenn wir ihn dazu bringen könnten, die Stelle als Alkalde anzunehmen, dann glaube ich, nein, ich bin überzeugt, daß wir allen amerikanischen Parteien gerecht werden und auch allen amerikanischen Wünschen. Ich selbst gebe ihm mit vollem Herzen meine Stimme.«
»Sie meinen Mr. Hetson?« sagte der Sheriff.
»Allerdings«, sagte Siftly. »Wenn er auch erst kurze Zeit hier ist, so glaube ich nicht, daß das ein Hindernis wäre.«
»Mr. Hetson«, rief da Hale, »scheint nach allem, was ich von ihm weiß, ein sehr ehrenwerter, anständiger Mann zu sein. Wenn er wirklich Jurist ist, wie uns dieser Mann versichert, dann soll er meine Stimme gern haben!«
»Aber warum ist er nicht hier?« rief Briars dazwischen. »Zum Henker noch einmal! Bei einer solchen Gelegenheit gehören alle Amerikaner zusammen, und keiner sollte sich ausschließen!«
»Gentlemen!« nahm hier Mr. Smith Hetsons Partei. »Das ist wohl dadurch zu entschuldigen, daß er versucht, sein Zelt für seine Frau und ihr Mädchen noch etwas wohnlicher zu gestalten. Es ist wohl eine andere Sache, wenn wir in die Minen kommen und uns sofort zu Hause fühlen, wenn wir ein Dach gegen Sonne und Regen über uns haben, oder ob ein Mann mit Familie eintrifft, für die er erst einmal sorgen muß.«
Hale sah den Sprecher von der Seite an. Fast bereute er es schon, dem Fremden so schnell seine Stimme gegeben zu haben. In welcher Beziehung stand er zu ihnen? Welchen Nutzen konnten diese beiden Männer, von denen der eine ein bekannter Spieler war und auch der andere dieser Beschäftigung nachzugehen schien, von der Wahl des Fremden erwarten? Jedenfalls beschloß er, ihn genau zu beobachten. Einige der Amerikaner traten jetzt zu einer Beratung zusammen, und die eigentliche Ursache ihrer Zusammenkunft hatten sie für den Augenblick vergessen.
So wild und zügellos die Burschen auch sonst waren – eine Tatsache hatte bei ihnen Gewicht, nämlich daß der vorgeschlagene Kandidat verheiratet war und seine Frau mit in die Minen gebracht hatte. Das verlieh ihm in ihren Augen, so jung er auch war, ein besonderes Ansehen. So bedurfte es nur noch einiger Erklärungen Siftlys, daß er die Engländer mehr als den Teufel hasse, um die Versammlung blitzschnell für ihn zu interessieren. Briars selbst hatte jetzt nichts mehr gegen ihn einzuwenden, und nach schneller Abstimmung war das Ergebnis fast einstimmig ausgefallen.
Der Abend war schon zu weit vorgeschritten, um den neugewählten Alkalden noch heute mit seiner neuen Würde bekannt zu machen und seine Einwilligung dazu zu holen. Man durfte die Frauen so spät nicht mehr stören. Siftly übernahm es, ihm gleich morgen früh die Neuigkeit zu überbringen. Zur Mittagszeit, wenn die Goldwäscher von der Arbeit zurückkamen, sollte dann das übrige besprochen werden. An dem Abend wurde auch keine weitere Resolution verfaßt. Briars versuchte noch einmal, die Leute zu einem Beschluß aufzureizen, um die Fremden gleich morgen aus den Minen zu vertreiben. Man sollte Plakate in französischer und spanischer Sprache schreiben, nach denen sie die ›Diggings‹ sofort zu verlassen hätten. Die Mehrzahl wollte aber davon im Moment nichts mehr wissen, und die ruhigeren der Amerikaner wollten alles von einem vernünftigen Alkalden und vernünftigen Maßregeln erwarten. So sollte alles aufgeschoben werden, bis sie mit einem Friedensrichter einen Beschluß fassen konnten. So wurden die Tische wieder abgeräumt, um den Abend wie gewohnt mit Trinken und Spielen zu verbringen.
Der nächste Morgen brach an, aber keiner der Amerikaner ging an seine gewohnte Arbeit. An diesem Morgen sollte der Ermordete beerdigt werden. Fast alle Amerikaner beteiligten sich dabei, und abwechselnd von sechs Mann wurde der Tote in die ›rote Flat‹ hinausgetragen. An der Grenze des aufgewühlten Bodens sollte er seine letzte Ruhe finden. Nur Siftly hatte sich entschuldigt, um den künftigen Alkalden von seinem Amt zu unterrichten und seine Einwilligung zu erreichen. Das Resultat wollte er dann den Männern, wenn sie von der Beerdigung zurückkamen, in Kentons Zelt mitteilen.
Siftly hatte Hetson seit seiner Ankunft im Minenstädtchen noch nicht gesehen und ihn auch absichtlich vermieden, ohne daß er eigentlich wußte, weshalb. Diese Gelegenheit kam ihm aber doppelt recht, und er zweifelte keinen Augenblick daran, daß Hetson diese Ehre sofort annehmen würde. So ging er nach Sonnenaufgang zu dessen Zelt. Hetson hatte den vergangenen Tag gut genutzt und seine Einrichtung erheblich verbessert. Nicht nur sein Zelt war so wohnlich eingerichtet, wie es hier möglich war, sondern noch ein zweites, kleines Zelt dicht hinter dem großen aufgebaut, das zum Aufbewahren der Vorräte und des Kochgeschirrs diente. Der freie Platz dazwischen diente als Küche und konnte bei Regen mit einem Zeltdach überspannt werden.
Das Hauptzelt wurde in eine größere und zwei kleinere Abteilungen unterteilt. Es bildete so ein gemeinsames Wohn- und zwei Schlafzimmer. Eines war für Manuela eingerichtet, während ihr Vater in dem neu angebauten Zelt schlief. Hier arbeitete das junge Mädchen tagsüber, denn sie hatte sich die Küchenarbeit nicht nehmen lassen. Lebensfroh und heiter war sie jetzt, das schöne Kind des Südens, das ein böses Geschick an diese wilde Küste geworfen hatte. In der Gesellschaft der jungen Frau begann für sie ein neues Leben. Die furchtbare Zeit, in der sie ihr Talent verschwenden mußte und als Lockvogel für unglückliche Opfer diente, lag hinter ihr. Nie mehr mußte sie abends mit Todesangst am stieren Blick des Vater hängen, der wieder einmal alles im Spiel verloren hatte. Wenn sich ihre zarten Hände auch erst an diese Arbeit gewöhnen mußten, so war sie doch dankbar dafür. Auch heute war sie wie immer mit dem Morgengrauen munter geworden, hatte das Feuer angezündet und arbeitete eifrig an dem kleinen Kochofen, um das Frühstück rechtzeitig fertig zu haben. Sie hielt sich für völlig ungestört von dem Betrieb auf der Hauptstraße. Die ›rote Erde‹, an die das Zelt grenzte, wurde seit dem verunglückten Versuch nicht mehr bearbeitet. Ganz mit der Arbeit beschäftigt und ein Lied summend, hatte sie die Kaffeekanne auf die Glut geschoben und sprang auf die Seite des Zeltes, um noch etwas trockenes Holz zu holen. Plötzlich fuhr sie erschrocken zurück und konnte einen Aufschrei nicht unterdrücken. Ein leichtes Frösteln lief ihr dabei über den ganzen Körper. Wie gebannt haftete ihr Blick auf der wie aus dem Boden auftauchenden Gestalt des Mannes, den sie am meisten fürchtete – auf Siftly.
Er hatte sie schon in San Francisco ständig verfolgt, und er war es auch, der ihren Vater immer wieder zum Spiel ermuntert hatte. Jetzt, wo sie glaubte, daß sie ihm entkommen war, wo sie die waldigen Berge segnete, die sie zwischen sich und diesem Mann glaubte, stand er plötzlich wieder vor ihr. Er war sehr bleich und lächelte dabei tückisch. Die kleinen, dunklen Augen waren fest und durchdringend auf sie gerichtet. Um seine Lippen spielte das höhnische Zucken, das mit dem Opfer spielt, um es dann um so sicherer zu vernichten.
Sie wollte fliehen, war aber nicht imstande, auch nur ein Glied zu rühren. Sie wollte die Arme abwehrend vorstrecken – sie hingen ihr wie Blei am Körper. Starr den Blick auf den gefürchteten Mann geheftet, stand sie da und schien ihn zu erwarten.
»Sieh da, mein spanisches Täubchen!« lachte Siftly, der das Entsetzen in ihrem Gesicht nicht zu bemerken schien. »Von San Francisco ausgeflogen, um den Ölzweig in das Paradies zu bringen? Hahaha, das ist herrlich, und ich freue mich wirklich, dich hier wiederzutreffen. Wie geht es dir?« Er streckte dabei dem Mädchen die Hand entgegen. So willenlos war sie durch den plötzlichen Schrecken, daß sie mechanisch ihre Hand hob, die der Amerikaner ergriff. Siftly hatte jetzt aber andere Pläne, als sich hier auf offenem Platz weiter mit dem Mädchen zu unterhalten. Er ließ sie deshalb wieder los und sagte in seinem gebrochenen Spanisch:
»Ist Señor Hetson zu Hause?«
»Ja«, nickte Manuela, noch nicht in der Lage, ein klares Wort über die Lippen zu bringen.
»Bueno, mein Herz«, lachte der Mann. »Dann sei so gut und sag ihm, daß ein alter Freund...«
»Siftly?« rief in diesem Augenblick Hetson, der die Stimme schon lange gehört und erkannt hatte. Er trat aus dem Zelt. »Du hier im Paradies?«
»Das ist doch ein Platz, alter Junge, wo wir früher oder später alle einmal hinkommen wollen«, lachte Siftly. »Je früher wir also da eintreffen, desto besser. Übrigens bringe ich dir eine gute Nachricht.«
»Du mir?« rief Hetson rasch, und das Blut stieg ihm ins Gesicht. »Aber nicht hier«, setzte er dann schnell hinzu. »Komm vorn herum, zu dem vorderen Eingang des Zeltes. Ich mache dir da auf, und sowie ich mich angezogen habe, machen wir einen Spaziergang.«
»Es ist kein Geheimnis«, lachte Siftly. »Aber ich gehe vorn herum, da können wir dann alles besprechen.«
Er nickte Manuela zu und verschwand wieder hinter dem Zelt. Hetson betrat aufgeregt das Hauptzimmer, um seinen Jugendfreund dort zu begrüßen. Hatte er auch von dem wahren Charakter Siftlys keine Ahnung, so war es ihm doch irgendwie unangenehm, hier einen Menschen zu treffen, der ihn kannte. Er hatte gehofft, in diesen wilden, weit von der Zivilisation entfernten Bergen still und unbemerkt eine Zeitlang hausen zu können und dann wieder gekräftigt nach den Sandwichinseln fahren zu können. Vielleicht konnte er dann alles vergessen, was ihn in der letzten Zeit bedrückt hatte. Jetzt bestand die Möglichkeit, daß auch ein anderer ihn hier so leicht finden könnte. Seine ganze Hoffnung auf Sicherheit und Frieden drohte über ihm zusammenzubrechen.
»Guten Morgen, Hetson«, sagte Siftly, als er ihm den Eingang geöffnet hatte. Er war dabei so ruhig und unbefangen, als hätten sie sich erst gestern abend getroffen und wären nicht nach vielen Wochen hier wieder zufällig zusammengetroffen. »Wie geht es dir hier oben? Du siehst immer noch blaß und angegriffen aus. Na, die Bergluft wird dir bald wieder auf die Beine helfen. Herrliche Luft hier und ein gutes Klima in Kalifornien, das muß man ihm lassen. Wir haben da, wenn man noch an das Gold denkt, gar keinen so schlechten Handel mit Mexiko gemacht. Hahaha, die Señores werden jetzt fluchen, daß wir ihnen das Gold so vor der Nase weggefischt haben und sie hier so lange Jahre in dem Nest gesessen haben, ohne auch nur eine Spur davon zu bemerken.«
»Was wolltest du mir sagen, Siftly?«
»Donnerwetter, jetzt hätte ich die Hauptsache beinahe vergessen.«
»Betrifft es – ihn?« flüsterte Hetson leise und faßte krampfhaft den Arm des Mannes.
»Ihn...?« sagte Siftly wie erstaunt. »Ja, so, du meinst deinen...«
»Pst, nicht so laut, hier hört man jedes Wort.«
»Nein, sei unbesorgt, Mann!« lachte der Spieler. »Hör endlich mit deiner Furcht vor diesem Laffen auf. Und wenn er hierherkäme...«
»Du weißt also, wo er ist?« rief hastig, mit unterdrückter Stimme der junge Mann.
»Wo er dir im Moment nichts schaden kann«, sagte Siftly. Er wußte natürlich von Charles Golway genausowenig wie Hetson selbst. Aber es gehörte zu seinem Plan, das Bild des Nebenbuhlers in der Seele des Unglücklichen festzuhalten. »Ich bin jedoch imstande, dir etwas anzubieten, was dir die Macht gibt, ihn sofort unschädlich zu machen, selbst wenn er in diesem Augenblick dein Zelt betreten würde. Ich hätte zu keiner glücklicheren Stunde in die Minen kommen können als gerade jetzt.«
»Was meinst du?«
»Du hast von dem Mord gehört, der vor einigen Tagen hier passiert ist?«
»Ja, allerdings. Die oft gerühmte Sicherheit in den Minen scheint sich nicht zu bestätigen.«
»Ach was«, lachte der Spieler. »In den zivilisierten Städten der Welt kommen solche Dinge vor, warum nicht hier in den Bergen, wo es von Indianern, Mexikanern und freigelassenen englischen Deportierten nur so wimmelt. Es ist ein Wunder, daß so etwas nicht noch öfter passiert und wir in den dünnen Zelten doch so sicher wohnen wie in festverschlossenen Backsteinhäusern. Trotzdem haben die guten Bürger dieser ›Stadt‹ beschlossen, diesem Übel in Zukunft vorzubeugen. Gestern abend hatten wir eine Volksversammlung, an der du eigentlich hättest teilnehmen sollen. Als erster Schritt wurde da ein entschlossener Mann, ein Amerikaner natürlich, zum Alkalden gewählt.«
»Aber was geht mich das an?«
»Was dich das angeht?« lachte Siftly. »Mehr, als du vielleicht glaubst. Die Bürger des Paradieses sind nämlich vernünftig genug gewesen, nicht etwa einen dieser wilden Burschen zu wählen, von denen das Lager voll ist, sondern dich.«
»Mich?« rief Hetson erstaunt und sprang von seinem Stuhl auf. »Du träumst – wer kennt mich hier?«
»Ich kenne dich, alter Freund«, lachte Siftly. »Das war genug. Wer mit solchen Leuten nur etwas umgehen kann, kann sie zu allem bringen, was er möchte, zum Guten wie zum Bösen. Ich habe dich deshalb vorgeschlagen, und du bist einstimmig gewählt worden. Jetzt sind sie draußen, um den Kadaver zu begraben, den sie aus den Bergen heruntergeholt haben. Wenn sie wieder zurückkommen, sollst du deine feierliche Bestätigung erhalten.«
Hetson ging mit untergeschlagenen Armen im Zelt auf und ab. Dann blieb er plötzlich vor Siftly stehen, streckte ihm die Hand entgegen und sagte:
»Bill, ich danke dir für deine Freundschaft. Ich weiß, du hast geglaubt, daß du mir einen Gefallen tust, aber ich kann und werde diese Ehre nicht annehmen.«
»So? Und weshalb?«
»Weil ich... weil ich nicht weiß, wie lange ich hierbleiben werde. Wahrscheinlich werde ich schon in den nächsten Tagen weiterziehen. Ob ich zum Alkalden eines solchen Ortes tauge, ist eine andere Frage, aber die müssen wir nicht erörtern. Du kennst mich noch aus der Heimat. Ich hin seitdem rastloser, ungeduldiger und unsteter geworden. Ein Alkalde muß die gleichen Interessen wie die Leute haben und Freude an der Sache finden. Deshalb glaube ich nicht, daß den Minern mit einem Mann wie mir als Friedensrichter gedient ist.«
»Du willst wieder fort? Und wohin?«
»Ich weiß es selbst noch nicht«, seufzte Hetson. »Ich habe mir das Leben in den Bergen anders, ruhiger gedacht, als es ist. Hier ist das gleiche Drängen und Treiben wie in einer großen Stadt, nur etwas anders, nur auf diesen Punkt konzentriert. Mache ich mich selbst zum Zentrum, um das alles sich dreht und treibt und drängt – wie soll ich da finden, was ich hier gesucht habe?«
»Komm, nimm deinen Hut«, sagte Siftly, der ihm geduldig zugehört hatte. »Was ich dir noch zu sagen habe, erzähle ich besser im Freien. Ich sehe auch, daß euer Tisch schon gedeckt ist, und ich möchte deine Frau nicht gern bei ihrem Frühstück stören. Außerdem«, setzte er flüsternd hinzu, »sind hier die Wände zu dünn. Was ich dir noch zu sagen habe, braucht kein anderer zu hören.«
Hetson sah ihn ängstlich an, nahm dann aber rasch seinen Hut und folgte dem Spieler vor das Zelt. Dort nahm Siftly seinen Arm und führte ihn die Straße hinunter. Nur einzelne Menschen kamen ihnen entgegen, und Siftly fuhr fort:
»Du willst dich also noch weiter in die Berge zurückziehen?«
»Ja«, sagte Hetson nach einigem Zögern. »Wenn ich auch noch nicht weiß, in welche Richtung.«
»Glaubst du nicht, daß du da dem, dem du ausweichen willst, genauso leicht begegnen kannst?«
»So weißt du, wo er ist?« rief Hetson rasch und heftig.
»Pah«, erwiderte der Spieler ruhig. »Wer kann hier schon in den Minen von einem Menschen sagen, wo er sich aufhält. Die ganze Bevölkerung ist ständig auf den Beinen, um sich einen reicheren Arbeitsplatz zu suchen, besonders wenn einer dabei noch etwas anderes im Auge hat. Heute triffst du ihn dort, morgen begegnest du ihm schon wieder, die Decke auf dem Rücken, mitten im Wald, wo er sich vielleicht für kurze Zeit einen neuen Aufenthalt sucht.«
»Und wenn er mich – wenn er Jenny hier findet?«
»So wärst du in die unangenehme Lage versetzt«, entgegnete Siftly weiterhin ruhig, »daß du ihm eine Kugel durch den Kopf schießen mußt. Das könnte, wenn es auch keine ernsten Folgen hätte, doch zu unangenehmen Untersuchungen führen, wenn du hier nur als Privatmann lebst.«
»Und was könnte ich tun, wenn ich Alkalde wäre?« sagte Hetson kopfschüttelnd.
»Was?« rief Siftly. »Teufel auch, natürlich alles! Mit dem anderen Gesindel hältst du dir den Kerl auch vom Hals, und daß wir dir dabei beistehen werden, brauche ich dir doch wohl nicht erst noch zu sagen.«
»Du sprichst in Rätseln.«
»Weil du gestern nicht bei der Versammlung warst und nicht die Beschlüsse gehört hast, die dort gefaßt wurden. Wir sind nämlich fest entschlossen, die Fremden, die die Berge unsicher machen, hier nicht länger zu dulden. Das sind besonders die Mexikaner, die Engländer und Iren, von denen die meisten aus Australien herübergeschickte oder entflohene Verbrecher sind. Dieser Charles... wie hieß der Kerl noch?«
»Charles Golway...«
»Gut, dieser Golway ist ebenfalls Engländer. Wäre er ein Ehrenmann, würde er nicht die Frau eines anderen verfolgen. Wenn er sich hier also nur blicken läßt – und ausfindig machen werden wir ihn schon bald–, bekommt er die Anweisung, den Platz zu verlassen. Gnade ihm Gott, wenn er nicht gehorcht. Wird ein anderer als Alkalde gewählt, wenn du wirklich hartnäckig bleibst, so garantiere ich für nichts. Mit Gold kann man hier in den Minen fast alles erreichen. Käme wieder einer wie der, den sie früher hier gehabt hatten, dann braucht dieser Golway nur ein paar Unzen bezahlen, und sein Aufenthalt ist hier gesichert. Die Leute sind zufrieden, wenn sie sich die Masse vom Leibe halten, und werden einen einzelnen, für den sich der Alkalde dann verbürgt, nicht belästigen.«
»Siftly... wenn ich wüßte...«
»Sei nicht albern«, lachte aber der Spieler. »Eine bessere Gelegenheit wird dir nicht geboten, um dir Frieden zu verschaffen. Und, zum Henker, du bist ja auch nicht an die Scholle gebunden. Wenn es dir in vierzehn Tagen oder vier Wochen einfällt, das Paradies zu verlassen, wer will dich dann halten? Wir sind hier freie Menschen, und jeder kann kommen und gehen, wie er will. Jeder Amerikaner wenigstens, denen der Boden eigentlich gehört.«
»Und wenn ich das Amt wirklich annähme?« sagte Hetson zögernd.
»Dann wirf auch deine Sorgen über Bord«, sagte der Spieler und lachte erneut. »Du hast dann nichts weiter zu tun, als hier in den Minen treu zu uns Amerikanern zu halten. Das versteht sich doch eigentlich von selbst. Wenn du Arme brauchst, die dich unterstützen sollen, dann kann ich dir versichern, daß wir dich auch nicht im Stich lassen.«
»Komm zurück in mein Zelt«, sagte Hetson. Er war plötzlich stehengeblieben, um den Rückweg anzutreten. »Du frühstückst mit uns, und dann – frage ich meine Frau, ob ihr die Berge hier so gefallen, daß wir uns einige Zeit hier aufhalten können.«
»Ich danke dir, ich habe schon gefrühstückt«, sagte Siftly. »Und was deine Frau betrifft, so könnte sie keine reizendere Umgebung als diese Berge in Kalifornien finden. Ich bin auf meinen Wanderungen durch die nördlichen und die südlichen Minen gekommen, aber selbst am Featherriver habe ich kaum ein hübscheres Tal gefunden als dieses hier. Unsere Landsleute sind ja sonst mit Ortsbezeichnungen oft sehr ungeschickt. Aber diesem Platz hätten sie keinen besseren Namen geben können.«
»Dann begleite mich wenigstens...«
»Gern, aber erst müssen wir mit den dort zurückkommenden Leuten sprechen«, sagte Siftly. »Sie haben uns schon gesehen und wissen, daß ich heute morgen ihren Auftrag ausrichten wollte. Wenn wir jetzt in das Zelt gehen, wo sie gerade auf uns zukommen, so würde das so aussehen, als wollten wir uns aus dem Staub machen. Je kecker man diesen Burschen gleich von Anfang an entgegentritt, desto besser. Du kennst die Leute ja noch von den Staaten her.«
Hetson blieb unschlüssig stehen, denn er wußte in diesem Augenblick wirklich noch nicht, was er tun sollte. Siftly enthob ihn der Mühe, für sich selbst zu denken. Er schwenkte den Hut und rief den nicht mehr weit entfernten Amerikanern zu:
»Hallo, Boys, hierher, damit ich euch euren neuen Alkalden vorstellen kann!«
»Siftly, du zwingst mich hier zu etwas, was ich vielleicht später...«
»Nie bereuen werde«, unterbrach ihn lachend der Spieler. »Im Gegenteil, du wirst dich bei mir bedanken, und unser Paradies wird sich auch nicht schlechter dabei fühlen.«
Weitere Zeit zum Reden blieb ihnen nicht mehr. Die ersten aus der Schar, die von der Beerdigung zurückkehrte, waren nur noch wenige Schritt von ihnen entfernt und kamen jetzt gerade auf sie zu. Unter ihnen befand sich übrigens Hale. Er trat auf Hetson zu, schüttelte derb seine Hand und sagte:
»Mr. Hetson, ich freue mich, daß Sie die Wahl angenommen haben. Ein sehr ruhiges Leben werden Sie dadurch nicht bekommen, denn es ist ein unruhiges Volk, das sich hier in den Bergen herumtreibt und einem oft zu schaffen macht. Wenn wir aber alle fest zusammenhalten, brauchen wir nicht zu befürchten, unter Wasser zu kommen. Ich bin der Sheriff, und mein Name ist Hale.«
»Mr. Hale«, erwiderte Hetson, noch immer verlegen. »Die mir zugedachte Ehre hat mich als Fremden in Ihrer kleinen Stadt so überrascht, daß ich...«
»Bitte«, sagte Hale. »Ich glaube, Sie stellen sich die Sache anders vor, als sie eigentlich ist. Es ist verdammt wenig Ehre dabei zu holen, denn eine schlimmere Bande Lumpengesindel wird es woanders so schnell nicht geben. Das schadet aber nichts. Wir haben auch einige ordentliche Kerle dazwischen, Männer aus echtem amerikanischem Korn, und mit deren Hilfe wollen wir schon zusammen durchschwimmen.«
»Also, dann in Gottes Namen«, sagte Hetson und erwiderte den Händedruck herzlich. »Ich versichere Ihnen, Mr. Hale, daß ich dem in mich gesetzten Vertrauen Ehre machen werde.«
»So«, meinte Hale, »die Sache ist also abgemacht. Nachher, wenn Sie nichts dagegen haben, werde ich zu Ihnen ins Zelt kommen. Dann wollen wir die wenigen Papiere durchsehn, die unser alter Major in der Eile zurückgelassen hat. Zu schreiben bekommen Sie nicht viel, ausgenommen, Sie laden sich's selbst auf. Wir machen nämlich fast alles mündlich ab, und deshalb ist auch das Amt nicht so schwer. Die Meldung müssen wir aber gleich zum County Court hinüberschicken, damit wir die Bestätigung von dort erhalten. Dann haben wir die Arme frei.«
»Gut, Mr. Hale«, sagte der neue Alkalde. »Tun Sie, was Sie für richtig halten. Bedenken Sie, daß ich in der ersten Zeit noch sehr von Ihrer praktischen Erfahrung abhängig sein werde.«
»Wir werden uns schon vertragen«, sagte Hale treuherzig. »Das sind alles Nebensachen. Die Hauptsache ist, daß Sie etwas davon verstehen, was rechtens ist, und – das Herz auf dem richtigen Fleck haben.«
»Ich hoffe, Sie werden beides so finden, Mr. Hale.«
»Um so besser für uns alle«, erwiderte der Sheriff. Er nickte dem neuen Alkalden freundlich zu und ging dann die Straße zu seinem Zelt hinauf.