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Während des Rückweges achtete Hale nicht mehr auf den herrlichen Baumwuchs, auf die malerischen Farben, mit denen der Sonnenuntergang die fernen Berge und das unter ihm liegende Tal übergoß. Sein Blick haftete wohl darauf, aber er konnte sich nicht mehr über die schöne Natur freuen. Die Begegnung mit dem gereizten Indianerhäuptling in Gegenwart der Mexikaner, das Warnungszeichen des Jungen, das plötzliche Schweigen der Männer, hatten andere Gedanken in ihm geweckt, die ihn jetzt beschäftigten.
Allerdings war Hale viel zu sehr Amerikaner, um sich um den amerikanischen Besitz des Landes zu sorgen. Auch wenn alle Fremden im Land mit einem Schlag sich gegen sie erhoben hätten – er kannte den Charakter der ohnehin schon genug gereizten und mißhandelten Indianer gut genug, um nicht auch an eine solche Allianz zu denken. Einzeln und auf sich selbst angewiesen, konnten sie nichts unternehmen und hätten es auch nicht gewagt. Aber von einer Bande nichtsnutziger Mexikaner unterstützt, denen es gar nicht darauf ankam, ihnen jede Hilfe zu versprechen und die ihre Bundesgenossen auch jederzeit wieder im Stich gelassen hätten, drohte ihnen eine andere, nicht zu verachtende Gefahr.
Überall in den Bergen hatten sich kleine Gruppen Amerikaner und auch Fremde niedergelassen oder durchstreiften die verschiedenen, abzweigenden Täler, um die Bäche nach Gold zu durchsuchen. Die meisten hatten zwar Waffen bei sich, aber auf einen indianischen Überfall war keiner vorbereitet. Viel Blut Unschuldiger wäre in einem solchen Fall vergossen worden, ehe die Amerikaner sich hätten sammeln können, um gemeinsam den Feind zu vertreiben.
So viel hatte er allerdings schon von dem jungen Häuptling gesehen oder gehört, daß er ihn als ordentlichen Menschen einstufte. Aber es war doch ein Indianer, und deren verschlossenes und ernstes Wesen kann man nicht so ohne weiteres ergründen. Man wußte auch nicht, wozu er fähig war, wenn er sich etwas in den Kopf gesetzt hatte. Jedenfalls war er das Oberhaupt, die Stämme gehorchten seinem Befehl, wie der Sheriff wußte, aufs Wort, und er konnte sie deshalb in jede Richtung leiten.
»Recht hätte er«, murmelte der Sheriff, als er jetzt in gerader Richtung den steilen Hang hinunterstieg, um das Minenstädtchen noch vor Dunkelwerden zu erreichen. »Wenn ich an seiner Stelle wäre und sähe, wie die Fremden mir Stück für Stück meines Gebietes unter den Händen wegreißen, mein Wild töten oder verjagen, meine Fischereien zerstören – ich glaube, ich würde auch nicht geduldig abwarten. Wahrscheinlich würde ich so vielen die Hälse durchschneiden, wie ich erwischen könnte. Aber – die armen Teufel – was würde es ihnen helfen? Sie können nicht mehr dagegen ankämpfen und waren schon verloren, als das erste Goldkorn in ihren Tälern gefunden wurde. Eine merkwürdige Geschichte ist das mit dem Gold. Daß die Menschen so versessen darauf sind, daß sie alles in die Waagschale werfen, nur um eine Handvoll von den gelben Körnern zu gewinnen!«
Sein Selbstgespräch wurde hier durch einen lauten Anruf unterbrochen, der von einem Bekannten des Sheriffs kam.
»Oh, Hale!« schrie er. »Hale! Verdammt, Mann, wo haben Sie heute nachmittag gesteckt? Sie wurden gesucht wie die Stecknadel im Heu!«
»Hallo, Nolten!« rief der Sheriff, blieb stehen und sah sich nach dem Mann um. »Wer hat mich denn gesucht? Weiß der Teufel, hier kann man auch nicht einen Augenblick für sich selbst beschäftigt sein, ohne daß gleich irgendwo etwas passiert. Was war's?«
Der Amerikaner, der eine lange Brechstange auf der Schulter trug, lachte.
»Sie sind wohl mit dem Revolver Goldsuchen gewesen, he? Hale, Sie möchte ich auch zum Sheriff haben, wenn ich Alkalde wäre – wovor mich übrigens Gottes Gnade schützen soll!«
»Wieso?« sagte der Sheriff, konnte es aber nicht verhindern, daß er etwas rot wurde. »Da draußen, wo Sie herkommen, haben Sie mich bestimmt nicht gesucht.«
»Nein, das nicht«, schmunzelte der Amerikaner. »Ich bin auch erst vor einer halben Stunde dort hinübergegangen, um die Brechstange zu holen, die ich gestern da drüben gelassen hatte. Ich war den ganzen Nachmittag in der Stadt. Den Lärm, den sie dort gemacht haben, hätten Sie auf der höchsten Bergspitze hören müssen.«
»Aber, was ist denn passiert?«
»Na, tun Sie nicht so unschuldig!« sagte Nolten. »Briars hat mir selbst erzählt, daß Sie ihm die Augen geöffnet haben!«
»Ich? Mit der Goldklumpengeschichte, meinen Sie? Da mußte ich nichts öffnen, die Sache hat der Alkalde selbst an die große Glocke gehängt. Für morgen früh soll ich eine Jury zusammentrommeln, um die Hoosiers wegen Diebstahl zu verklagen. Sie müssen aber auch in diese Jury, Nolten.«
»Die Jury wird nicht mehr nötig sein«, sagte. der Amerikaner. »Der Alkalde ist über alle Berge, und ich glaube kaum, daß er bis morgen zurückkehrt.«
»Der Major ist weg?« schrie der Sheriff und mußte sich Mühe geben, um nicht herauszulachen.
»Ja«, lautete die Antwort. »Die Goldklumpengeschichte hat dem Faß den Boden ausgeschlagen. Andere, noch viel schmutzigere Dinge kamen dadurch zum Vorschein. Der Lump kann übrigens Gott danken, daß er so davongekommen ist. Verdient hätte er Schlimmeres, als nur weggejagt zu werden.«
»Na, ich glaube, die Hoosiers haben ihn auch schwer genug geärgert.«
»Ach was!« rief Nolten. »Das Gold hat er bei seinem Registrieren wieder herausgeschlagen und dadurch keinen großen Verlust. Aber sie sind auch dahintergekommen, daß er falsche Gewichte gehabt hat, und das gab den Ausschlag.«
»Falsche Gewichte? Das ist nicht übel!« brummte der Sheriff. »Deshalb fehlte mir neulich auch eine halbe Unze an meinem Gold.«
»Jim, der lange Kentuckyer, nahm seine Bleigewichte vom Tisch und ging damit zu Burtons Zelt, um sie untersuchen zu lassen. Dem folgte der ganze Schwarm, und der Major ahnte, was ihm bevorstand. Als sie zurückkamen, war er weg. Ohne daß es jemand wußte, hatte er schon sein Pferd gesattelt und nicht weit von seinem Zelt stehen. So war er weg, ohne jemand good-bye zu sagen. Ein paar Mann wollten ihm noch nach und ihm seinen Raub abjagen, aber wir ließen sie nicht und sind froh, daß wir ihn auf diese Art losgeworden sind. Jetzt sollen Sie Alkalde werden.«
»Ich?« sagte der Sheriff lachend. »Das wäre ein Fehler! Ja, wenn ich mit der Feder so gut umgehen könnte wie mit meinem Schlachtermesser, hätte ich nichts dagegen. Aber so sollen sie sich einen anderen wählen. Donnerwetter, da wird unser guter Major ja eine Stinkwut auf unser armes Paradies haben!«
»Aus dem er vertrieben wurde!« lachte Nolten. »Ich bin übrigens sehr froh darüber. Was müssen die Fremden von uns denken, wenn wir einen solchen Lump zum Alkalden wählen! Wenn wir nur einen tüchtigen Mann jetzt hätten, denn ich fürchte, daß wir hier nicht nur Ärger mit den Fremden bekommen, sondern auch mit unseren Landsleuten. Das Spielergesindel, dieser Auswurf der Menschheit, macht sich jeden Tag breiter. Früher oder später wachsen sie uns doch über den Kopf!«
»Ach was, mit denen werden wir schon fertig!« sagte der Sheriff und lachte wieder. »Wo wir den Major los sind, mache ich mir um die anderen keine Sorgen. Aber hier geht es ja heute abend lustig her! Die Leute scheinen sich über die Trennung von ihrem Vorgesetzten schnell getröstet zu haben...«
Die beiden Männer waren während ihres Gespräches dem schmalen Pfad gefolgt, der zu dem Städtchen führte, und hatten es jetzt erreicht. In den Zelten herrschte wirklich reges Leben. Merkwürdigerweise waren es hier die drei Hoosiers, um die sich alle lachend und jubelnd versammelten.
Gerade sie hatten doch alle Goldgräber zum besten gehalten und waren die Ursache gewesen, daß Hunderte von ihnen hier eine Woche und länger mit nutzloser Arbeit verbracht hatten. Da sie aber selbst die ganze Zeit mit in der Flat gegraben hatten und auch die Hoffnung hatten, noch etwas zu finden, und dann den Alkalden so hervorragend mit seinen eigenen Waffen geschlagen und um seinen Goldklumpen geprellt hatten, war ihnen alles vergeben. Wo sie sich nur sehen ließen, wurde ihnen von allen Seiten entgegengejubelt und zugetrunken.
An diesem Abend geschah nichts weiter, als daß die Leute ihr Geld in den Trinkzelten verschlemmten und sich die Einzelheiten dieses ereignisreichen Tages erzählten. Am nächsten Morgen hielt man es für nötig, einen neuen Alkalden zu wählen. Wie Nolten schon dem Sheriff angedeutet hatte, wurde er vorgeschlagen.
Hale war als redlicher und entschlossener Mann bekannt. Seine Wahl würde von allen, auch den Fremden, unterstützt und angenommen werden. Aber er weigerte sich ganz entschieden, eine Stellung anzunehmen, der er nicht gewachsen war. Er konnte nicht mit den verschiedenen Gesetzen umgehen, Lesen und Schreiben gehörte auch zu seinen schwachen Seiten, und er war zu gewissenhaft, um eine solche Verantwortung auf sich zu nehmen.
Die nächste Wahl fiel auf Nolten, einen ernsten, ruhigen und äußerst redlichen Mann. Aber auch der wollte damit nichts zu tun haben, und wollte sich vor allen Dingen nicht an diesen Minenplatz binden. Wurde er Alkalde im Paradies, mußte er auch da aushalten, und dafür war er nicht nach Kalifornien gekommen.
Die Wähler gelangten zu keinem Resultat. Man beschloß endlich, ehe man wieder einen Mißgriff machte, lieber noch zu warten und sich ohne Alkalden zu behelfen, bis sich eine passende Persönlichkeit gefunden hatte. Hale mußte inzwischen die Geschäfte erledigen, und dagegen konnte er sich auch nicht gut weigern.
Wer sich um alle diese Wirren mit keinem Wort und keinem Gedanken kümmerte, waren die Deutschen. Sie waren nach Kalifornien in der Absicht gekommen, Gold zu graben. Was die Amerikaner trieben, ging sie gar nichts an, kümmerte sie auch nicht. Sie teilten nur den Grimm der anderen auf den Alkalden, weil er sie nicht nur an einen derartigen Ort geschickt, sondern auch noch jedem zwei Dollar für ihren wertlosen Claim aus der Tasche gezogen hatte.
Lamberg, Binderhof und Hufner, die in den acht Tagen mit Erschöpfung aller ihrer Kräfte etwa 1,50 Meter tief in den steinharten Boden gekommen waren, begannen auch ohne weiteres an einer anderen Stelle, wo sie zumindest ein leichteres Graben hatten. Der Justizrat, der sich nie länger als ein paar Stunden mit der ›roten Erde‹ befaßt hatte, setzte seine Bemühungen auch weiterhin allein und an den unergiebigsten Plätzen fort.
Da nämlich die Goldwäscher in der tiefen Erde der roten Flat wenig oder gar kein Gold gefunden hatten, schloß er daraus, daß es noch gar nicht ins Tal hinabgewaschen war, sondern oben auf den Bergen läge. Er setzte die umherstreifenden Amerikaner im Verlauf von etwa drei Wochen durch eine Anzahl kleiner Löcher in Erstaunen, die er auf den verschiedenen Hügelrücken etwa sechzig bis neunzig Zentimeter tief grub und dann, ohne natürlich auch nur ein Korn Gold da oben zu finden, liegenließ. Die alten Goldwäscher blieben oft bei einem solchen rätselhaften Platz stehen und überlegten kopfschüttelnd, wozu in aller Welt jemand hier das kleine Loch ausgeworfen haben könnte. Ein paar trafen auch einmal den Justizrat gerade bei seiner Arbeit und erkundigten sich bei ihm, was er dort machen wolle, erhielten aber keine Antwort. Er sah sie dann nur grimmig von der Seite an und hackte weiter, und sie mußten unwissend wieder abziehen.
Aber auch aus einem anderen Grunde war der Justizrat mit seinem Minenleben nicht zufrieden. Ihm fehlten fast alle früher gewohnten Bequemlichkeiten. Zu Hause hatte er sich um gar nichts gekümmert, was nicht gerade unmittelbar seinen Beruf betraf. Dabei bekam er sein Gehalt monatlich ausgezahlt, und hier sollte er nicht nur sein Brot mit höchst unbequemen Werkzeugen verdienen, sondern auch noch kochen helfen, sein eigenes Bett machen – und das gefiel ihm nicht.
Auch mit seiner Wäsche hatte er viel Ärger. Es gab für ihn keine andere Zeiteinteilung als die, die ihm sein Magen oder der ermüdete Körper gaben. So gab er damals auch seine Wäsche dem alten Neger und kümmerte sich nicht weiter darum. Zu Hause wurde ihm ja die Wäsche, wenn sie fertig war, ins Haus gebracht. Hier, wo er den vierfachen Waschlohn zahlte, konnte er das doch noch viel eher verlangen! Der alte Tomlins kam aber nicht. Der Justizrat brauchte nach und nach alles auf, was er noch sauber mit in die Berge gebracht hatte. Endlich sah er sich genötigt, selbst nach seiner Wäsche zu fragen, denn niemand sonst sorgte dafür.
Damals war er zwar selbst bei dem Alten gewesen, aber ohne jeden Ortssinn hatte er keine Ahnung mehr, in welcher Richtung das Zelt eigentlich liegen könnte. Er wandte sich deshalb also wieder an die ersten Amerikaner, die ihm begegneten, und erkundigte sich nach dem ›Waschneger‹.
Ob sie ihn nicht verstanden oder nicht verstehen wollten, weil er die mißhandelten englischen Worte auf seine gewöhnliche wunderliche Art herauspolterte – jedenfalls sahen sie ihn verwundert an, hielten ihn vielleicht für betrunken und gingen weiter, ohne ihm zu antworten. Daß sich seine Laune dadurch nicht verbesserte, läßt sich denken. Er wollte schon eben wieder in sein Zelt zurückkehren, um abends Herrn Hufner danach loszuschicken, als ihm ein Mann begegnete, der wie ein Deutscher aussah. Die Gestalt kam ihm auch bekannt vor. Obwohl ein großer Wollschal das Gesicht halb verdeckte, erkannte er die Gestalt an ihrem schwarzen Frack wieder. Es war jedenfalls der Tenor, mit dem er am ersten Abend im Elsässerzelt zusammengetroffen war. Seit dieser Zeit hatte er ihn aus den Augen verloren. Der Mann schien sich aber inzwischen auch nicht verbessert zu haben. Seine Kleidung war stark mitgenommen und besonders der Frack kaum noch zu erkennen. Sein schwarzer Seidenhut war durch Regen, Nachttau und heiße Sonne zu einer rötlichen, formlosen Masse zusammengesunken und hing ihm trübselig auf dem Kopf. An der linken Hand – die rechte trug er in der Tasche – hingen nur noch die Trümmer eines einmal schwarz gewesenen Glacéhandschuhs.
Das alles aber sah der Justizrat nicht. Er erinnerte sich nur, daß der Mann deutsch sprach. Deshalb ging er gerade auf ihn zu, blieb vor ihm stehen, und sagte mit einem seiner finsteren Blicke, mit denen er wohl früher armen Sündern einen Schrecken eingejagt hatte:
»Waschneger?«
»Verzeihung«, antwortete etwas verblüfft der arme Tenor. »Sie müssen sich irren... ich...«
»Hm«, antwortete der Justizrat. »Hemden holen – weiß nicht, wo verfluchte Neger wohnt.«
»Ah, den alten Tomlins suchen Sie?« rief der junge Mann gutmütig. »Wenn Sie wollen, bringe ich Sie zu ihm.«
Der Justizrat nickte nur mit dem Kopf, und der Tenor ging neben ihm die Straße entlang.
»Na, wie ist es Ihnen bis jetzt in den Minen ergangen?« sagte er dabei. »Ich erinnere mich, daß wir am ersten Abend zusammen waren, als Sie eben eintrafen. Haben Sie viel Gold gefunden?«
»Ich?« sagte der Justizrat. In diesem Augenblick fiel ihm wahrscheinlich zum ersten Mal ein, daß er auch noch nicht ein einziges Korn in seiner Pfanne hatte. »Hm, nein, nicht viel. Verdammtes Land... lauter Lügen... lauter Flunkereien... Gold... hm, soviel hätte ich bei Darmstadt auch gefunden.«
»Meinen Sie wirklich?« sagte Herr Bublioni und drehte sich erstaunt zu ihm um. »Gibt es in den Bergen dort tatsächlich...«
»Werde kein Narr sein und versuchen«, knurrte der Justizrat. »Haben Sie was gefunden?«
»Wenig – etwas allerdings«, lautete die bescheidene Antwort. Dabei hustete der Mann und hüllte sich noch ängstlicher in seinen Schal. »Das Klima sagt mir aber gar nicht zu, und ich befürchte, daß ich meine Stimme ganz verliere. Ich will jetzt auch mehr spekulieren als hart arbeiten.«
»Spekulieren?« sagte der Justizrat, der von solchen Dingen wenig hielt. »Hm, verdammt schlechtes Land dazu, Kalifornien.«
»Na, ich glaube doch nicht«, meinte Bublioni. »Allerdings konnte ich nur mit sehr wenig beginnen. Mein Kompagnon aber, der schon länger in Kalifornien ist, und mit dem ich einige Wochen gearbeitet habe, hat alles, was wir zusammen gefunden haben, genommen, um dafür Proviant in Stockton zu kaufen. Hier in den Minen werden wir ihn mit großem Aufschlag wieder verkaufen. Ich erwarte ihn täglich zurück. Allerdings wünsche ich mir, daß er bald zurückkommt, denn durch mein Rheuma hin ich in der letzten Woche verhindert gewesen und konnte nichts verdienen.«
»So?« sagte der Justizrat, dem die letzte Bemerkung nicht besonders gefiel. Es konnte die Einleitung zu einem erneuten Versuch sein, Geld zu borgen. Er hatte dabei schon zu bittere Erfahrungen gemacht. »Deutscher, der Kompagnon?«
»Ja«, sagte Bublioni. »Sie kennen ihn auch, der Aktuar Korbel.«
»Komet?« rief der Justizrat und blieb erschrocken stehen.
»Verzeihung, Korbel, aber das ist das Zelt, das sie suchten. Der alte Tomlins wohnt hier.«
»So? Danke«, sagte der Justizrat. »Na, will wünschen, gute Geschäfte machen.«
»Hoffentlich«, lächelte der Tenor. »Na ja, es ist ja ein erster Versuch, die erste Spekulation, bei dem das Publikum die einzige entscheidende Stimme hat. Ich empfehle mich Ihnen, Herr Justizrat.«
Der Mann war schon lange im Zelt verschwunden und hatte die letzten Worte nicht mehr gehört.
Das Zelt war richtig, denn gleich am Eingang fand der Justizrat diesmal den Neger. Der hatte ein Paar alte, schon oft geflickte Hosen vor sich auf den Knien und war emsig damit beschäftigt, einen neuen Flicken zu der bunten Sammlung hinzuzufügen. Wie beim ersten Mal stand er auch jetzt nicht auf oder hielt mit seiner Beschäftigung inne. Er nickte nur auf den kurzen Gruß des Deutschen mit dem Kopf und sagte:
»Want your washing?«
»Yes«, erwiderte der Justizrat. Er war sich seiner Sprachschwäche bewußt und machte deshalb mit beiden Händen eine heftige Bewegung, als hätte er ein Stück Wäsche dazwischen. Der Alte sah aber gar nicht von seiner Arbeit auf und deutete nur mit dem Daumen über die Schulter nach der einen Zeltecke, wo der Justizrat einen Haufen gewaschener, aber nicht gebügelter und zusammengelegter Hemden sah. Er versuchte dem Schwarzen verständlich zu machen, was er meinte. Der sah ihn aber nur einen Augenblick verwundert an und nähte dann ruhig weiter, ohne sich noch um den Fremden zu kümmern. Erst als der Justizrat eines der Hemden nahm, es ihm vorhielt und dann deutlich die Plättbewegungen machte, lachte der Alte verächtlich und sagte:
»Never you mind, you just put them so on – Das macht nichts, zieh sie so an.«
Der Justizrat hatte keine Ahnung, was der Mann meinte. Als der aber nicht reagierte, ging er zu der wild aufgetürmten Wäsche, um seine eigenen Hemden herauszusuchen. Das war übrigens vergeblich, er fand kein einziges Stück. Tomlins verweigerte jede weitere Unterhaltung in Deutsch, und der Justizrat lief endlich verzweifelt auf die Straße. Er mußte einen Dolmetscher finden.
Er sah gerade Graf Beckdorf die Straße herabkommen, und an ihn wandte er sich.
»Ja, lieber Justizrat«, sagte der junge Mann, der schon von dem eigentümlichen Verhalten des Deutschen gehört hatte. »Mit dem größten Vergnügen. Will der Schwarze Ihre Wäsche nicht herausgeben?«
»Kerl versteht mich nicht«, sagte der Justizrat ärgerlich. »Holzkopf – spreche doch deutsch!«
»Das ist vielleicht die Ursache!« lachte der Graf. »Aber kommen Sie nur mit hinein, wir wollen sehen, wie die Sache steht.«
Tomlins rührte sich nicht, als die beiden in das Zelt traten. Auf Graf Beckdorfs Anfrage, wo die Wäsche des Herren zu finden sei, deutete er wieder zu dem vorhin schon umsonst durchwühlten Haufen. Dort lagen wohl dreißig verschiedene Baumwollhemden, darunter sehr zerschlissene.
»Aber sie sind nicht dabei!« rief der Deutsche ärgerlich.
»Tomlins, hast du keine andere Wäsche?« erkundigte sich der Dolmetscher.
Tomlins schüttelte den Kopf, zeigte aber trotzdem auf einen anderen Haufen schmutziger Wäsche, der in dem Winkel gegenüber lag.
»Das da drüben«, sagte er dabei, »ist die Woche gekommen und wird morgen gewaschen. Das da ist alles, was noch von früher da ist.«
»Wann haben Sie Ihre Wäsche hierhergebracht, Herr Justizrat?«
»Vor drei Wochen!«
»Der Herr hier, Tomlins, hat seine Hemden vor drei Wochen an dich abgeliefert!«
Die Antwort war das wiederholte Deuten auf die saubere Wäsche, dann aber sagte der Alte:
»Lieber Gott – drei Wochen – ist eine lange Zeit. Das sind die Hemden, die ich seitdem gewaschen habe. Jeder Gentleman kommt und sucht sich seine Hemden heraus. Tomlins kümmert sich nicht weiter darum. Wieviel waren es?«
»Wieviel hatten Sie, Justizrat?«
»Sieben.«
»Sieben, Tomlins.«
»Gut, soll er sich sieben da aussuchen, und zahlt eindreiviertel Dollar. Wer zuerst kommt, kriegt immer die besten.«
»Da haben wir die Bescherung!« lachte der Graf. »Jetzt kann ich Ihnen die Sache erklären, lieber Justizrat. Der alte Wollkopf hier betrachtet die verschiedenen Wäschestücke als Vierteldollar, und jedes ist so gut wie das andere. Was er gewaschen hat, wirft er auf einen Haufen. Jeder erhält die gleiche Stückzahl, wie er abgegeben hat. Damit glaubt er, ist jeder zufrieden.«
»Aber meine Hemden sind nicht dabei.«
»Sie waren dabei, aber jemand kam früher und hat sie lieber als seine genommen!«
»Das glaube der Teufel!« rief der Justizrat ärgerlich. »War feines Leinen – Kerl muß sie bezahlen!«
»Liebe Güte, bei wem wollen Sie ihn hier verklagen? Wir haben im Moment noch nicht einmal einen Alkalden. Wenn Sie meinem Rat folgen, suchen Sie sich die besten aus dem Haufen heraus...«
»Von den Lumpen?«
»Zur Arbeit sind sie gut genug, und später machen Sie es so wie ich.«
»Wo lassen Sie denn waschen?«
»Ich wasche selbst«, sagte der junge Mann.
»Selbst?«
»Ja, hier muß man manches lernen, woran man früher nicht gedacht hat. Aber es wird spät, lieber Justizrat, und ich muß noch viel tun. Guten Morgen, guten Morgen, Tomlins.«
Der Justizrat grüßte höflich, der alte Neger nickte nur, und der junge Mann überließ es dem Justizrat, wie er in der sauberen Wäsche sich zurechtfand.
Lamberg, Binderhof und Hufner fanden allerdings dort, wo sie ihren zweiten Versuch machten, etwas Gold. Dadurch deckten sie wenigstens ihre Auslagen für Lebensmittel. Wo aber blieben die erhofften, ja erwarteten Schätze? Loch für Loch wurde gegraben, Maschine nach Maschine ausgewaschen, und immer waren das Resultat nur wenige Dollars. Ein einfacher Tagelohn für ihre harte, ungewohnte Arbeit.
Besonders Hufner war deswegen sehr niedergeschlagen, und er wurde es bald noch mehr, als er sah, daß ihr Beispiel keineswegs ein Einzelfall war. Die Preußen mit ihrem bewaffneten Lager hatten schon längst ihre Wache eingezogen und mit zur Arbeit eingeteilt. Dann wechselten sie ihren Lagerplatz, ohne wieder eine Schanze aufzuwerfen. Endlich, als sie nicht einmal genug Gold fanden, um ihre Unkosten zu bestreiten, trennten sie sich. Der Riese wanderte mit zwei Trabanten anderen Minen entgegen, um sein Glück noch einmal zu versuchen. Die beiden anderen verkauften ihre Waffen an einige Franzosen, um sich von dem Erlös noch einmal neuen Kredit zu verschaffen.
Der Komet hatte in allen Zelten geborgt und bekam schließlich von keinem mehr auch nur einen Schluck Branntwein oder Fleisch ohne Geld. Deshalb war er eines Morgens spurlos aus dem Paradies verschwunden. Seinem Kompagnon hatte er zwar gesagt, daß er Proviant für ihre Spekulation kaufen wollte, aber im Paradies ließ er sich nicht wieder sehen. Was sollte er auch an einem Ort, wo ihn jeder kannte?
Trotz des nicht sehr günstigen Resultates, das die Goldwäscher in den ›reichen Minen‹ am Teufelswasser erzielten, strömten noch immer Einwanderer von San Francisco in das Paradies. Schon der Name klang verlockend, und die fabelhaften Berichte der Zeitungen wirkten noch immer und brachten wenigstens den Händlern Gewinn.
Selbst noch drei Wochen nach den geschilderten Ereignissen kamen noch neue Wagen mit Gepäck und Fußwanderer daneben schlendernd. Kisten und Kasten wurden im Paradies abgeladen. Viele der früher angekommenen Miner benutzten dann aber solche Gelegenheiten, um ihre wenigen Habseligkeiten zu packen und entweder nach San Francisco zurückzukehren oder auch andere Minen aufzusuchen. Entschieden sie sich für die erste Lösung, dann verkauften sie meistens ihr Zelt und das Handwerkszeug, das man dann spottbillig erwerben konnte.
An einem Abend spät im August saßen unsere vier deutschen Freunde in ziemlich guter Laune bei ihrem Abendessen. Der Justizrat war besonders heiter gestimmt. Er hatte heute zum erstenmal die Berggrabungen aufgegeben und unten im Bach für einige Dollars Gold ausgewaschen.
Auch die drei anderen fanden erträgliche Tagesmengen, auch wenn Binderhof und Lamberg sich drückten, so gut es ging. Der Justizrat glaubte, sein erstes gefundenes Gold nicht besser anlegen zu können, als ein paar Flaschen Wein dafür zu kaufen. Sie wurden jetzt gemeinsam getrunken.
Vor einer Weile hatten sie wieder eine der jetzt doch seltener werdenden Karawanen den schmalen Weg heraufkommen sehen, aber nicht weiter darauf geachtet. Jetzt sahen sie unten einen Mann mit einer merkwürdig geformten Mütze stehen. Er erkundigte sich offensichtlich nach jemand und wurde von einem Amerikaner hinaufgewiesen.
»Donnerwetter«, sagte Lamberg und sprang plötzlich von seinem Sitz auf. »Der da unten sieht genauso aus wie der Assessor!«
»Ach, der kommt nicht in die Minen!« lachte Binderhof. »Dem gibt Frau Siebert keinen Urlaub.«
»Haben wirklich recht«, sagte auch in diesem Augenblick der Justizrat. »Ist der Assessor – hm – angenehm. Guter Kerl – kommt gerade recht.«
»Na, da haben wir ein neues Exemplar für die Minen«, lachte Binderhof. »Der und Sie, Justizrat, sollten eigentlich eine Gesellschaft gründen.«
»Wollen wir auch«, sagte der Justizrat bestimmt. Er hätte sich schon längst von seinen drei Zeltgefährten, oder zumindest von Binderhof getrennt, hätte er sich nicht so vor dem Kochen gefürchtet. Das konnte jetzt alles der Assessor besorgen, während er ihm seine Erfahrungen als vierwöchentlicher Goldwäscher entgegenbrachte. So war sein Entschluß gefaßt.
Es war wirklich der Assessor, der jetzt langsam den Hügel hinaufkam. Unterwegs sah er sich einige Male unschlüssig um, als ein »Hallo, Assessor, hierher!« seine Schritte beschleunigte und zum Zelt lenkte. Die vier Deutschen, die ihm jetzt ihr ›Willkommen!‹ zujubelten, hatte er bald erreicht. Das Bergsteigen hatte ihn erhitzt, und die Brille war beschlagen. Er brauchte einige Zeit, bis er sie abgewischt hatte und die alten Reisegefährten erkannte. Dann zeigte sich seine Freude aber auch um so größer. Der gutmütige Mann war sogar so gerührt, daß ihm Tränen in die Augen kamen.
Jetzt mußte er erzählen, wie es ihm ergangen war und was Frau Siebert machte. So bereit er war, von sich zu erzählen, so zurückhaltend war er in bezug auf Frau Siebert. Er berichtete von ihr nur, daß es ihr gut ginge und sie viel Geld verdienen würde durch Waschen und Ausbessern.
»Und wie sind Sie hier heraufgekommen, Herr Assessor? Wie haben Sie uns eigentlich hier gefunden?« erkundigte sich Hufner.
»Oh«, sagte der Assessor. »Ich hatte schon lange von Ihren reichen Minen hier gehört und von den großen Stücken, die hier gefunden werden.«
»Ja«, lachte Binderhof. »Furchtbar große!«
»Na? Ist das nicht der Fall?« sagte der Assessor rasch.
»Erzählen Sie nur weiter«, sagte Lamberg. »Wie es hier steht, werden Sie in den ersten Tagen selbst herausbekommen. Mit wem sind Sie hergefahren? Denn allein hätten Sie den Weg nie im Leben gefunden!«
»Mit alten Reisegefährten und Schiffskameraden von uns«, erzählte der Assessor weiter. »Ich habe Sie... du liebe Güte, da hätte ich ja beinahe etwas vergessen. Ich habe einen Brief für Sie, Herr Hufner.«
»Für mich?« rief der junge Mann erstaunt. »Von San Francisco?«
Der Assessor bestätigte das und zog seine große Brieftasche aus der Brusttasche heraus. In den zahlreichen Fächern suchte er zwischen den Papieren. »Eine... junge... Dame ist dort... ist dort... angekommen.«
»Eine junge Dame?« schrie Hufner und sprang erschrocken auf.
»Na, das ist eine Freude!« sagte Binderhof lachend. »Jetzt haben wir die Bescherung, die Braut ist eingetroffen. Ja, die müssen Sie nun schon mit in die Minen heraufholen.«
»Aber das ist doch unmöglich!« rief Hufner.
»Hier ist er, Gott sei Dank – ich dachte schon, ich hätte ihn verloren«, sagte der Assessor.
»Aber sie sollte doch erst drei Monate später...«
»Lesen Sie doch«, ermahnte ihn Binderhof, der schon selbst gespannt war. »Die Sache wird richtig interessant.«
Hufner riß mit zitternden Händen das Siegel auf. Aber mit dem Brief ging er ein Stück vom Zelt fort, um ihn ungestört lesen zu können. Inzwischen mußte der Assessor mit seinem Reisebericht fortfahren.
»Also mit alten Schiffskameraden bin ich zusammengekommen, wie ich schon erwähnte. Ja, Herr Justizrat, anständige, liebe Leute, wie der Amerikaner Mr. Hetson...«
»Der Verrückte?« sagte Binderhof.
»Entschuldigung, er fühlte sich zwar kurze Zeit nicht wohl, wurde aber durch Doktor Rascher vollständig hergestellt. Der Doktor wollte sogar selbst in die Minen fahren. Aber die Vorbereitungen dauerten ihm wahrscheinlich zu lange, und so ist er schon ein paar Tage früher aufgebrochen. Er hat aber versprochen, daß wir uns in diesem Städtchen wiedertreffen.«
»Der alte Doktor will auch Gold waschen?« lachte Lamberg.
»Verzeihung, nein«, sagte der Assessor. »Er geht nur botanisieren und hat sich ein eigenes Maultier gekauft, um seine neue Sammlung transportieren zu können. Nach dem, was ich bislang von den Bergen und Tälern gesehen habe, muß er eine ganz reichhaltige Flora finden.«
»Und sonst war niemand von unserem Schiff dabei?«
»Von unserem Schiff? Nein – doch, ja, allerdings! Der Koch und der zweite Steuermann, die zusammen weggelaufen sind, und außerdem noch einige Fremde«, fuhr der Assessor fort. »Ein Spanier mit seiner liebenswürdigen Tochter. Wenn ich mich nicht irre, hatte sie Doktor Rascher der Frau Hetson als Begleitung empfohlen. Wir waren eine sehr hübsche Karawane, das muß ich sagen. Ich habe mich wirklich hervorragend unterwegs amüsiert.«
»Na, Hufner, wie ist es?« rief ihm jetzt Lamberg entgegen, als der zum Eßplatz zurückkehrte. »Richtig angekommen?«
»Herr du mein Gott, Lamberg«, rief der junge Mann, »geben Sie mir einen guten Rat, was ich tun soll. Sie ist wirklich in San Francisco angekommen.«
»Ihre Verlobte?«
»Ja, mit ihrer Mutter.«
»Herrlich! Die Schwiegermutter ist auch da! Na, da gratuliere ich aber!« rief Binderhof lachend.
»Ja, aber was soll ich tun?« klagte der arme Teufel. »Sie wissen ja alle, wie ich gearbeitet habe und wie fleißig ich gewesen bin. Aber mit den paar Dollars, die ich bis jetzt sparen konnte, kann ich doch nicht heiraten – und noch dazu hier in Kalifornien!«
»Aber ich denke, sie sollte erst drei Monate nach Ihrer Abreise segeln?« sagte Lamberg.
»Ja, aber vier Wochen früher ging eine mit ihr sehr befreundete Familie nach Valparaiso oder Chile, und da hielt sie die Gelegenheit für passend. Außerdem ist das Schiff unglück... glücklicherweise so schnell gesegelt, daß es nur fünfundneunzig Tage bis San Francisco brauchte.«
»Das ist Pech!« sagte Binderhof.
»Raten Sie mir, was ich tun soll.«
»Da ist nicht viel zu raten!« sagte Lamberg. »Was Sie tun sollen, kommt hier gar nicht in Frage, nur was Sie tun können, und das ist sehr einfach. Sie schreiben Ihrer Verlobten ganz aufrichtig, wie es hier aussieht, daß Sie bis jetzt noch kein Gold gefunden haben, aber eifrig arbeiten. Sie möchte sich deshalb etwas gedulden und ein klein wenig warten.«
»Aber was soll sie inzwischen in San Francisco machen?«
»Das ist Sache der beiden Frauen. Weshalb fährt sie vier Wochen zu früh von Deutschland ab?«
»Wovon leben?«
»Hat sie etwas gelernt?«
»Sie ist Modistin und kann Damenhüte herstellen.«
»Na, weshalb machen Sie sich denn da Sorgen?« rief Lamberg. »Dann wird sie sich in San Francisco schon durchbringen und vielleicht dort mehr Geld verdienen als Sie hier in den Minen.«
»Aber es sind doch gar keine Frauen in San Francisco!«
»O doch«, versicherte der Assessor. »Ich habe verschiedene gesehen, und mit den letzten Schiffen ist eine größere Anzahl eingetroffen!«
»Na, sehen Sie! Da machen Sie sich also keine Sorge. Wo Frauen sind, haben auch Modisten Arbeit. Schreiben Sie Ihrer Braut also – oder soll ich ihr schreiben?«
»Nein, um Himmels willen, das geht nicht. Ich muß schon selbst schreiben...«
»Na gut, dann schreiben Sie Ihrer Verlobten, was ich Ihnen gesagt habe. Wenn sie halbwegs vernünftig ist, wird sie einsehen, daß Sie recht haben. Morgen früh geht der monatliche Postbote nach San Francisco und sie haben die beste Gelegenheit, den Brief gleich abzusenden.«
»Grüßen Sie Ihre Verlobte herzlich von uns!« sagte Binderhof.
»Ja, Sie können noch spotten!« meinte Hufner niedergeschlagen. »Mir ist jetzt zumute, als ob man mir einen Zahn gezogen hätte.«
Lamberg und Binderhof lachten, Hufner ging in das Zelt, um sein Schreibzeug zu suchen. Der Assessor hatte dem Justizrat das Glas vollgeschenkt und wurde von ihm jetzt zur Seite geführt. Die beiden unterhielten sich dann lange und ausführlich.