Friedrich Gerstäcker
Die Colonie
Friedrich Gerstäcker

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33.

Schluß.

Könnern war mit Elise, von Sarno begleitet, schon nach den Booten gegangen, um dort den noch fehlenden Rottack zu erwarten, als dieser mit flüchtigen Sätzen angesprungen kam.

»Wir fahren nicht ohne Sie ab!« lachte Könnern, der Eile des Freundes eine andere Ursache gebend. »Der Capitain des Dampfers ist noch oben im Hotel, um einige Vorräthe an Bord schaffen zu lassen!«

»Ich kann auch noch nicht fort!« rief Felix – »Sie müssen noch einen Augenblick auf mich warten, denn ich habe etwas Nothwendiges vergessen!«

»Vergessen – was?«

»Meinen Abschiedsbesuch bei der Frau Gräfin!«

»Plagt Sie der Böse?« lachte Könnern. »Seit wann sind Sie denn so förmlich geworden?«

»Ich bin gleich wieder da!« rief der junge Mann in wilder Ausgelassenheit, und wie er gekommen, flog er die Straße zurück und direct dem Hause der Gräfin zu.

Unten scheuerte die Dorothea Holzgeschirr.

»Ist die Frau Gräfin oben?«

»Ja, in ihrem Zimmer.«

»Melden Sie mich – rasch, denn ich habe große Eile!«

»Ja, ich kann jetzt nicht hinaufgehen.«

»Dann meld' ich mich selber!« – und in wenigen Sätzen war er oben. An ein paar falsche Thüren pochte er dort zuerst an, dann rief eine bekannte Stimme: »Herein!« und Graf Rottack stand im nächsten Augenblick der Madame Baulen gegenüber, die erschreckt von ihrem Sopha emporfuhr.

»Herr Graf!«

»Frau Gräfin,« sagte der junge Mann, – »entschuldigen Sie einen Besuch, der nur in seiner Kürze seine Berechtigung findet. Ich komme mit einer einfachen Frage, um deren Beantwortung ich Sie ersuche.«

»Herr Graf, ich werde mich glücklich schätzen,« sagte die Frau verlegen, denn sie wußte nicht, was sie aus dem Benehmen desselben machen sollte.

»Gut – dann bitte, setzen Sie sich dahin,« sagte Felix eben so förmlich »und schreiben Sie mir einen Namen auf.«

»Welchen Namen, Herr Graf?«

»Den Namen von Helenens Mutter.«

»Herr Graf!« rief die Frau und fühlte, wie ihr die Kniee zitterten.

»Ich weiß,« fuhr Rottack fort, ohne ihre Bewegung zu beachten, »daß Sie einen Schwur vorgeschützt haben, was einem armen, unerfahrenen Mädchen gegenüber ging – wir stehen anders zusammen. Entweder schreiben Sie mir die volle Adresse jetzt, in diesem Augenblick auf, oder ich gehe direct hinüber zum Baron, wie zum Bäckermeister Spenker und – unterhalte mich mit ihnen über vergangene Zeiten. Sie wissen, daß ich nicht scherze. Noch ruht Ihr Geheimniß in sicheren Händen und wird da ruhen, falls Sie meinen Wunsch erfüllen – wo nicht – schreiben Sie sich selber die Folgen zu. Außerdem muß ich Ihnen nur noch bemerken, daß Ihnen eine Geheimhaltung auch nicht das Geringste nützt. Eine einfache Aufforderung in den Zeitungen drüben, mit Angabe der Verhältnisse, ohne einen Namen zu nennen, würde Helenen die Adresse sichern. Doch das ist Nebensache. Wir haben es hier mit dem speciell zu thun, was Sie betrifft, und Ihren eigenen Vortheil werden Sie da auch am besten kennen.«

»Aber, Herr Graf, ich bitte Sie um Gottes willen – wenn ich mir selber alle Hülfsmittel abschneide, wovon – oh, wovon soll ich denn da leben? Alles verläßt mich – Alles verläßt mich – auch der undankbare Mensch, der Pulteleben, hat mich im Stich gelassen.«

Der junge Graf warf ihr einen verächtlichen Blick zu und sagte: »Es war allerdings sehr rücksichtslos von Herrn von Pulteleben, da ihm die Frau abhanden gekommen, nicht doch wenigstens die vermuthete Schwiegermutter zu behalten – doch zur Sache! Wollen Sie meinen Wunsch erfüllen oder nicht? – ich muß Antwort haben.«

»Lassen Sie mir Zeit zur Ueberlegung.«

»Nein – hier ist Papier und Tinte – in fünf Minuten bleibt Ihnen keine Wahl mehr.«

»Und Sie versprechen mir zu schweigen?«

»Sie haben mein Wort. Ueberdies verlasse ich ja einer Viertelstunde die Colonie.«

Die Frau seufzte tief auf, ging zu dem Tisch, schrieb ein paar Worte und reichte den Zettel dem jungen Mann hinüber.

»Bitte,« sagte dieser abwehrend, »schließen Sie das Blatt in ein Couvert – das Geheimniß ist nicht für mich.«

Die Frau that auch dieses; sie war vollständig gebrochen, und zwar mehr durch die Angst, ihren angemaßten Titel in der Colonie zu verlieren und ihren künstlich aufgebauten Rang zusammen stürzen zu sehen – und der Baron mußte schon einen Verdacht gefaßt haben –, als durch die Sorge um die Zukunft, die sie noch nie gekümmert hatte. Sie lebte nur in dem Augenblicke, dem sie abrang was sie konnte; was kümmerte sie der nächste Tag?

»Nun bitte ich Sie noch um Eins, Frau Gräfin,« sagte Felix, als er mit einer dankenden Verbeugung das Papier in die Tasche schob und sie scharf dabei ansah – »wie war es möglich, daß Helene bis vor wenig Tagen keine Ahnung davon haben konnte, Sie seien nicht ihre wirkliche Mutter? Ich begreife das nicht.«

»Helene,« sagte die Frau, »war als Kind zuerst zu einer Wärterin, dann in Pension gegeben und zwar unter einem andern Namen, denn ihre Geburt mußte geheim gehalten werden. Erst als ich ihrer Mutter meinen Entschluß erklärte, nach Brasilien auszuwandern . . .«

»Vollkommen ohne Nebenabsichten?«

»Vollkommen,« sagte Madame Baulen mit Würde – »da entschloß sie sich zu dem Schritt – den wir vorher reiflich überlegt hatten: sie mir nämlich mitzugeben, und ich – holte sie damals, als ihre Mutter, aus der Pension ab.«

»Und ihre wirkliche Mutter hat sie nie gesehen? Ist es möglich, daß sich eine Mutter so ganz von ihrem Kinde lossagen kann?«

»Lieber Gott,« sagte Madame Baulen achselzuckend, »die Gesellschaft legt uns Pflichten auf, und – in diesem Fall – sie konnte doch nicht ihren Ruf, ihren Mann compromittiren; ihr ganzes häusliches Glück wäre ja vernichtet worden.«

»Als ob daran noch etwas zu vernichten gewesen wäre!« sagte Rottack bitter – »doch wie dem auch sei, Frau Gräfin, Sie haben mir einen Dienst geleistet, erlauben Sie, daß ich mich dafür revanchire – wir tauschen nämlich Papier um Papier. Dieses ist Helenens Geheimniß – das hier,« fuhr er fort, indem er eine Banknote von fünfhundert Milreis vor der Frau auf den Tisch legte – ist das Ihrige – wir sind quitt, nicht wahr?«

»Aber, Herr Graf!« rief Madame Baulen überrascht aus.

»Bitte, kein Wort! Leben Sie wohl!« und ehe sie ihm nur eine Silbe darauf erwidern konnte, hatte er die Thür hinter sich in's Schloß gedrückt und das Haus verlassen.

Aber er lief nicht mehr in tollem Muthwillen wie vorher, sondern ernst und nachdenkend schritt er zu Rohrlands hinüber, betrat das Haus wieder und stand gleich darauf in Helenens Zimmer.

Helene war indessen, von sich drängenden Gedanken bestürmt, in ihrem Zimmer auf- und abgegangen. Hatte sie Recht gethan, sich dem Fremden zu entdecken, und gerade ihm, der sie die letzte Zeit so kalt, fast höhnisch behandelt?

Hatte sie Recht gethan, nicht allein ihr, nein, auch das Geheimniß ihrer eigenen Mutter preis zu geben? Und was konnte sie thun? Stand sie nicht allein, rathlos, hülflos in der Welt? Sehnte sie sich nicht nach einem Herzen, dem sie sich vertrauend nahen – zu dem sie um Trost – um Hülfe aufblicken konnte? Und was that er jetzt? Wohin hatte er sich gewandt? Würde sie ihn je wiedersehen, und spottete er nicht vielleicht jetzt des Vertrauens, das er von ihrer Seele losgerungen?

In der Thür stand Graf Rottack, ehe sie selber seinen Schritt gehört, und das Couvert, dessen Inhalt sie noch nicht begriff, hielt er ihr entgegen. Aber er selber sah verändert aus. Der kalte Stolz und Muthwille, der sie stets zurückgeschreckt, war aus seinen Zügen gewichen, und mit leiser Stimme sagte er:

»Hier, Helene, ist das Papier, welches den Namen Ihrer Mutter enthält – fürchten Sie nicht, daß ich Ihr Geheimniß belauscht hätte – ich kenne den Inhalt nicht.«

»Wie soll ich Ihnen danken?« flüsterte das Mädchen beängstigt von dem ganzen Wesen des Mannes, indem sie mit zitternder Hand das Blatt nahm.

»Sie können es vielleicht,« sagte Rottack ruhig – »erinnern Sie sich noch des Tages, Helene, als ich Ihnen mit – jener Frau in der Stadt begegnete? Es war das erste Mal, daß ich Ihre – vermeintliche Mutter sah.«

»Ja,« flüsterte Helene, und die Erinnerung an jene Stunde traf sie eisig in's Herz – »es konnte mir nicht entgehen. Sie starrten überrascht auf – jene Frau.«

»Bis dahin, Helene,« fuhr Rottack leise fort, während sich aber seine Stimme mehr und mehr steigerte – »hatte ich nur Sie gesehen und hatte Sie geliebt mit einer Leidenschaft, die Sie selber erschreckt haben würde, wenn Sie sie hätten ahnen können.«

»Graf Rottack!«

»Lange schon hätte ich auch die leichten Schranken durchbrochen, die mich von Ihnen trennten, wenn mich nicht eben jener süße Zauber in Fesseln gehalten, der gerade in dem Geheimnißvollen dieser Liebe lag. Da – da sah ich Ihre Mutter – Ihre Mutter, wie ich damals glauben mußte – deren ganze Vergangenheit vor mir lag, und – ich konnte nicht anders glauben, als daß Sie den Betrug theilten – daß Sie Mitwisserin, Mithandelnde der Täuschung wären. – Helene, was ich damals ausgestanden, nur Gott weiß es und der stille Wald, und heiße, heiße Thränen habe ich da geweint. – Rang und Stand – Sie trauen mir zu, daß mich das keinen Gedanken gekostet hätte; ich stehe frei und unabhängig in der Welt, und lache der Vorurtheile jener Gliederpuppen, die sich die Gesellschaft nennen – aber der Betrug fraß mir in's Herz hinein – der Betrug wandelte mir das Blut zu Gift und – machte mich unglücklich und elend. Alles kam dann dazu, um die Täuschung zu vollenden, selbst das Netz, das – jene Frau nach dem unglücklichen Pulteleben auswarf, und das – wie es meiner verblendeten Eifersucht schien, Sie selber mit in Händen hielten! Helene,« – rief er leidenschaftlicher, indem er vor ihr auf ein Knie sank – »ich habe Ihnen schweres, schweres Unrecht gethan! Können Sie mir verzeihen?«

»Herr Graf,« rief Helene erschreckt, »stehen Sie auf!«

»Nicht eher, bis ich geendet habe,« beharrte aber Rottack – »Helene, ich habe Sie geliebt, ich habe nie aufgehört, Sie zu lieben, und wie ich Ihnen kalt und spöttisch gegenüber stand, hätte mir das Herz dabei zerspringen mögen in der Brust. Können Sie mir verzeihen? Können Sie vergessen, welches Leid ich Ihnen zugefügt – glüht auch in Ihrem Herzen noch ein Funke der alten Liebe für mich? Leugnen Sie es nicht, Helene – jene süßen Töne, die Abends meiner armen Geige antworteten, waren nicht bloßer Uebermuth eines schönen, angebeteten Mädchens; jene Töne kamen ebenso aus dem Herzen, wie sie zum Herzen drangen. – Oh, können Sie einen Schatten jener Gefühle zurückrufen, so werden Sie mein Weib, Helene!« rief er aus, indem er aufsprang und die Erschreckte umschlang – »fliehen Sie mit mir dieses Land, das Ihnen noch nie Freude oder Frieden geboten. Unten liegt das Boot, in dem Könnern und seine junge Frau uns erwarten – in deren Begleitung machen Sie die Reise nach Rio, und dort vereinigt uns des Priesters Hand.«

»Herr Graf!« rief Helene in Angst und freudigem Erschrecken.

»Sagen Sie nur, daß Sie mir verziehen haben – daß Sie mir glauben, wenn ich Ihnen betheure, ich bin von Herzen wirklich gut und brav – daß Sie hoffen, mich einst lieben, sich einst mit mir glücklich fühlen zu können. Helene!«

Und Helene antwortete nicht, aber leise lehnte sie ihr müdes Haupt an seine Brust und aufjubelnd preßte sie Felix an sich und küßte wieder und wieder das goldene Haar, das an seinen Wangen ruhte. In dem Moment schien aber auch wieder der ganze alte Uebermuth ihn zu erfassen. Er weinte und lachte, aber unter seinen Thränen riß er sich von Helenen los, zerrte einen großen Koffer vor, der in der Ecke des Zimmers stand und fing an hinein zu werfen, was ihm unter die Hände kam.

»Um Gottes willen!« rief Helene, jetzt ebenfalls in ihren Thränen lachend, aus – »was machen Sie, was soll das werden?«

»Abreise – Abreise, mein Schatz!« rief Felix, ohne sich in seiner Beschäftigung stören zu lassen – »wir sind ja in der größten Eile – unten an der Landung warten sie schon mit Schmerzen auf uns.«

»Abreisen?« rief Helene erschreckt – »aber doch nicht jetzt? – nicht heute?«

»In einer Viertelstunde.«

»Das ist ja unmöglich«

»Unmöglich ist gar nichts, Mädchen – Du bist mein, ich bin der glücklichste Mensch unter der Sonne, und das Andere ist alles Kleinigkeit und Nebensache.«

»Aber wie kann das sein – Rohrlands . . .«

»Brauchen gar nicht zu wissen, daß das nicht eine schon seit Monaten zwischen uns abgemachte Sache gewesen. Ist die Familie drüben? Ja? Ich bin gleich wieder da!«

Wie der Blitz fuhr er zur Thür hinaus und kam nicht zwei Minuten später mit den erstaunten Eheleuten in's Zimmer, wo Helene noch immer rathlos, keines Gedankens fähig stand.

»Liebe Frau Rohrland – lieber Herr Rohrland – ich habe hier das Vergnügen, Ihnen die künftige Gräfin Rottack vorzustellen. – Liebe Helene, thu mir den einzigen Gefallen und mache ein freundliches Gesicht, die Herrschaften glauben sonst, es wäre eine gezwungene Heirath.«

»Aber liebe, beste Helene!« rief die junge Frau und flog dem Mädchen in die Arme.

»Wissen Sie, das können Sie Alles nachher beim Packen abmachen,« sagte Felix – »das Boot wartet unten auf uns, aber die Ebbe nicht, und wir dürfen Könnerns nicht allein fahren lassen. Nicht wahr, Sie helfen Helenen packen und begleiten sie dann hinunter, liebe Frau Rohrland?«

»Ja, von Herzen gern, aber . . .«

»Gar kein Aber – ich schicke Jeremias im Sturmschritt mit dem Karren herauf, bis dahin sind Sie fertig. Nicht wahr, Sie kommen dann mit ihr an die Landung?«

»Ja, von Herzen gern – aber diese Hast . . .«

»Erspart eine Masse von Weitläufigkeiten – Lieber Rohrland, auf ein Wort,« und er faßte den ganz verblüfften Mann unter den Arm und führte ihn vor die Thür hinaus.

»Inwieweit ist meine Braut noch hier in Ihrer Schuld?«

»In meiner Schuld? In gar nichts. Im Gegentheil, ich habe noch Geld von ihr in Händen, für den Verkauf ihrer Sachen.«

»Desto besser; das zahlen Sie dann jener armen Frau des Mörders aus, den wir eingebracht haben; die braucht es nothwendig.«

»Aber ich begreife gar nicht –«

»Ich erzähle Ihnen Alles an Bord.«

»Ja, ich gehe gar nicht mit.«

»Das schadet nichts,« rief Felix, indem er Rohrland umarmte und dann bei Seite schob – »also in zehn Minuten ist Jeremias mit dem Karren oben!« rief er nochmals zur Thür hinein, sprang dann hinaus, sah dort ein angebundenes Pferd stehen, setzte sich auf und sprengte in Carrière an die Landung hinunter.

»Nun sagen Sie nur um Gottes willen, wo Sie bleiben, Rottack?« rief ihm Könnern entgegen – »wir warten und warten hier –«

»Lieber Freund,« sagte Rottack – »ach, Jeremias, nehmt doch Euern Karren und lauft, was Ihr laufen könnt, damit nach Rohrlands hinauf – es geht noch ein Passagier mit. – Lieber Freund, ich habe in der kurzen Zeit etwas besorgt, wozu ein Anderer manchmal ein ganzes Lebensalter braucht und dann noch nicht fertig wird. So recht, Jeremias, das ist ein Prachtbursche und nicht mit Gold zu bezahlen.«

»Nehmen Sie sich Zeit,« sagte der Capitain des Dampfers, der mit an der Landung stand – »wir haben noch eine volle Stunde übrig und nichts versäumt. Ich habe nur ein wenig geeilt, weil ich schon weiß, daß Damen doch nicht immer gleich fertig werden.«

»Will Rohrland mit nach Rio? Er hat doch vorher kein Wort davon gesagt – und wo ist Günther?« fragte Könnern, als sie eine Weile an der Landung auf- und abgegangen waren.

»Fort – in den Wald,« sagte Rottack ernst – »ich habe Euch noch seine besten Grüße und Segenswünsche zu bringen.«

»Braver Günther,« sagte Könnern – »er hat Elisen die letzten Stunden nicht durch die Erinnerung an das Vergangene verbittern wollen. Apropos, Rottack, haben Sie Ihren Abschiedsbesuch bei der Frau Gräfin gemacht?«

»Allerdings.«

»Wahrhaftig?«

»Nun, gewiß – und sogar das Bild ihrer Tochter mitgebracht.«

»Ihrer Tochter?«

»Rohrlands bringen es mit, und ich werde Ihre Frau bitten, daß sie es mit in ihre Koje nimmt.«

»Ich verstehe Sie nicht.«

»Lieber, guter Könnern,« bat aber Rottack, der bis jetzt ungeduldig in die Stadt hinaufgesehen hatte – »ich kann Ihnen, bei Gott! jetzt keine nähere Erklärung geben, aber in zehn Minuten sollen Sie Alles wissen. Jetzt muß ich nur noch einmal in die Stadt – daß mir um Gottes willen Rohrlands das Bild nicht vergessen« – und von Könnern fort, der ihm kopfschüttelnd nachsah, sprang er wieder auf das Pferd und jagte damit den Weg zurück, den er gekommen.

Könnern zerbrach sich den Kopf, was der wunderliche Mensch nur heute haben könne, denn so hatte er ihn noch nie gesehen und außerdem drängte jetzt wirklich die Zeit; der Capitain sah auch schon in immer kürzeren Zwischenpausen nach seiner Uhr – endlich ließ sich ein kleiner Trupp von Damen und Herren erkennen, die mit Jeremias an der Spitze rasch zur Landung herunter kamen.

Könnern und Sarno schritten ihnen entgegen, etwas erstaunt, die junge Comtesse mit in der Begleitung und an Felix Arm zu sehen, und grüßten die Damen.

»Nun, Sie haben sich noch entschlossen, mit nach Rio zu gehen, mein guter Herr Rohrland?« fragte Sarno.

»Ich? Denke gar nicht daran, aber – soviel ich weiß . . .«

»Gräfin Rottack,« stellte Felix in diesem Augenblick seine wie Purpur erglühende Braut vor – »die Zeit genügte freilich nicht mehr, uns noch trauen zu lassen, aber dazu bietet sich in Rio die Gelegenheit und bis dahin, meine beste Frau Könnern, empfehle ich mein liebes Bräutchen Ihrem mütterlichen Schutz.«

»Jetzt seh' Einer den Duckmäuser an,« rief Könnern lachend aus, »und nicht ein Wort hat er uns die ganze Zeit gesagt!«

»Ich kann ein Geheimniß wunderbar bewahren,« lachte der junge Graf, indem er Helene der jungen Frau zuführte – »aber nun in's Boot. Sie haben lange genug auf uns gewartet – hierher, Jeremias – das zum Andenken.«

»Hurrjeh, das langt!« sagte der kleine Bursche mit vergnügtem Gesicht.

»Eine recht glückliche Reise!« riefen die am Ufer Stehenden dem Boote nach, das in den Strom hinaushielt, und Sarno und Rohrlands winkten mit Tüchern und Hüten.

»Ade! Ade!« tönte der Ruf zurück, und von den raschen Rudern getrieben, schoß das Boot die glatte Bahn entlang, seinem Ziel entgegen.

 

Ende

 


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