Friedrich Gerstäcker
Die Colonie
Friedrich Gerstäcker

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19.

Sarno's Abschied.

Könnern folgte dem Freunde wie in einem halben Traum. Die letzten Scenen waren so rasch auf einander gefolgt, daß er sie kaum von einander zu scheiden vermochte und des Freundes sonderbares Betragen mußte noch mehr dazu beitragen, ihn zu verwirren. Dieser sollte ihm aber jetzt Rede stehen, denn er fühlte, daß Elise in diesem Augenblick seiner Hülfe bedurfte, und er mußte wissen, weshalb Günther so darauf drang, sie gerade jetzt sich selber zu überlassen.

Mit diesem Entschluß stehen bleibend, hielt er Günther's Arm und sagte: »Nicht einen Schritt weiter geh' ich mit Ihnen, bis Sie mir Ihr Betragen erklären, Günther, bis Sie mir das Geheimniß lichten, das Sie und jenen alten Mann verbindet.«

»Glauben Sie, daß ich es gut mit Ihnen meine, Könnern?« fragte Günther herzlich, der Beantwortung der Frage für jetzt noch ausweichend.

»Ja, das glaube ich fest.«

»Gut, dann folgen Sie mir auch jetzt in die Colonie. Wir müssen Beide mit einander berathen, was zu thun, und ehe das nicht geschehen, dürfen Sie jenes Mannes Haus nicht betreten.«

»Nicht betreten?«

»Nein – doch sollen Sie Alles hören – nur zuerst beantworten Sie mir eine Frage: Wie stehen Sie mit jenem jungen Mädchen? Glauben Sie um Gottes willen nicht, daß es bloße Neugier sei!«

»Sie brauchen keine Entschuldigung und ich kein Geheimniß für einen ehrlichen Handel,« sagte Könnern erröthend. »Ich liebe Elise von ganzer Seele – heute Morgen habe ich ihr das Geständniß meiner Liebe abgelegt und bin ihrer Gegenliebe sicher – wir waren auf dem Wege zum Hause, um die Einwilligung ihrer Eltern einzuholen, als Sie an die Thür klopften.«

»Sie haben mit Elisens Eltern noch nicht gesprochen?« rief Günther rasch.

»Mißdeuten Sie meine Worte nicht, Günther,« erwiderte Könnern ruhig – »welcher Art auch Ihr Geheimniß sei, ich halte mich fest gebunden an das Mädchen, dem ich mit Leib und Leben zugehöre!«

Günther seufzte tief auf und schwieg für wenige Augenblicke; endlich sagte er herzlich: »Sie haben mir einfach und wahr geantwortet, Bernard, und es soll Sie nicht gereuen. Eben so klar und aufrichtig will ich Ihnen jetzt Alles mittheilen – aber lassen Sie uns zu unseren Pferden gehen; wollen Sie nachher unmittelbar zurückkehren, steht es ja immer in Ihrer Macht.«

»Und was wollen Sie mir sagen?« fragte Könnern, der jetzt an des Freundes Seite, ihre Pferde am Zügel führend, langsam den Pfad hinabschritt – »Sie müssen begreifen können, in welche Unruhe mich jene eben erlebte Scene versetzt hat.«

»Ich begreife es,« sagte Günther ruhig, »und will dabei so kurz als möglich sein, denn nur die Umrisse meiner Mittheilung haben Interesse für Sie. Erinnern Sie sich noch, daß ich Ihnen früher einmal erzählte, wie ich in Deutschland mein ganzes Vermögen durch den Bankerott eines Kaufmanns verlor?«

»Ich erinnere mich dessen.«

»Eben im Begriff zu heirathen, zertrümmerte dieser furchtbare Schlag alle meine Hoffnungen. Meine Braut war arm, ich selber besaß nichts mehr auf der weiten Welt als meine Kenntnisse, die mich aber in Europa nicht über Wasser gehalten hätten. So nahm ich den Kampf mit dem Leben auf und ging nach Brasilien, um hier von vorn zu beginnen. Wie ich hier gearbeitet habe, wissen Sie und ich stehe jetzt im Begriff, mit meinem erworbenen kleinen Capital nach Deutschland zurückzukehren und mein wackeres Mädchen, das treulich für mich ausgeharrt hat, zu heirathen.

»Aber was hat das Alles mit jenem alten Mann zu thun?«

»Der Bankerott jenes Banquiers,« sagte Günther finster, »wurde durch die Flucht seines Kassirers herbeigeführt. In jener Zeit, wo fast kein Geschäft sicher war und die Kaufleute Alles einziehen mußten, was sie an Geld ausstehen hatten, nur um ihre Verbindlichkeiten zu decken, entfloh er eines Tages mit der Kasse – man behauptet, mit mehr als hunderttausend Thalern – und konnte trotz der größten Mühe, die man sich gab, nicht wieder eingeholt werden. Einige der Gläubiger setzten damals Alles in Bewegung, um wenigstens den Ort zu erfahren, wohin sich der Verbrecher gewandt – es blieb Alles umsonst. Wir kamen allerdings einmal auf eine Spur, die nach Brasilien und sogar in diese Gegend führte, und ein Agent, der jenen Menschen kannte, wurde herüber geschickt, um die genauesten Nachforschungen anzustellen – aber ohne Erfolg. Da endlich heute . . .«

»Heute?« – wiederholte Könnern und fühlte, daß ihm das Blut wie Eis zum Herzen zurücktrat.

»Heute,« fuhr Günther leise fort – »begegnete ich ihm. Zu fest hatten sich seine Züge meinem Gedächtniß eingeprägt, denn daheim war ich oft in seinem Hause, an seinem Tisch gewesen. – Auch er erkannte mich wieder – Sie sahen sein Erschrecken, das Erbleichen der Schuld, die ihm das Antlitz so weiß färbte, wie sie in ihrem Bewußtsein sein Haar gebleicht hat. Hätte es übrigens noch einer Bestätigung bedurft, so lieferte seine Frau dieselbe. Auch sie – die, wie man damals allgemein behauptete, die größte Schuld an ihres Mannes Verbrechen trug, ja ihn dazu allein verleitet haben soll – erkannte mich wieder, und wenn sie auch Beide kaum ahnen, wie elend sie mich damals gemacht haben, trieb doch die Furcht vor der endlichen Entdeckung das Blut aus ihren Wangen, die Kraft aus ihren Sehnen.

»Entsetzlich, entsetzlich!« stöhnte Könnern und barg sein Gesicht in den Händen – »und meine arme, arme Elise!«

»Das arme Mädchen dauert mich!« fuhr Günther leise fort – »sie kann auch keine Ahnung von dem Verbrechen haben, denn sie war damals noch ein Kind. Der Schlag wird sie jetzt, mit dem vollen Bewußtsein der Schuld, um so furchtbarer treffen.«

»Und was wollen Sie thun?« fragte Könnern, rasch zu ihm aufsehend.

»Ich weiß es selber noch nicht,« erwiderte Günther leise – »das Ganze brach so überraschend schnell herein, daß mir noch gar nicht Zeit geblieben, zu überlegen, zu denken. – Ich – wollte das eigentlich auch mit Ihnen besprechen, Könnern.«

»Mit mir?«

»Gerade mit Ihnen. Der alte Sünder verdient allerdings keine Schonung, denn er hat damals viele Menschen unglücklich gemacht, nicht allein mich – aber des Mädchens wegen, die . . .«

»Und wird Elise dadurch den Schlag weniger furchtbar fühlen, wird sie weniger unglücklich sein?«

»Lassen Sie mir Zeit zum Ueberlegen,« bat Günther, nachdem sie wieder schweigend eine Zeit lang ihren Weg verfolgt hatten; »lassen Sie mir Zeit zu überdenken, wie sich Alles am besten einrichten lasse. Aber Sie müssen selber fühlen, daß jetzt, in diesem Augenblick, Ihre Gegenwart da draußen überflüssig war. Der Fremde in einem solchen Kreise hätte das Furchtbare der Situation nur noch erhöht, davon ganz abgesehen, daß es für Sie selber peinlich gewesen wäre.«

»Aber die Ungewißheit ihres Schicksals wird jetzt noch so viel entsetzlicher auf den Armen lasten?«

»Das haben sie reichlich verdient,« sagte Günther düster, »und das Schwerste, was sie treffen könnte, wöge das Elend, das sie gestiftet, noch nicht zum tausendsten Theil auf!«

Könnern seufzte tief und starrte vor sich nieder, als Günther den Arm um seine Schultern legte und sagte:

»Armer Freund – auch Sie sind schwer, schwer getroffen, denn es muß hart, recht hart sein, der Liebe erste Blüthe so geknickt zu sehen!«

»Und glauben Sie, daß ich Elise je verlassen könnte?« rief Könnern, rasch zu ihm aufschauend – »soll das Kind die Schuld der Eltern büßen, dem alttestamentarischen Rachespruch nach? Was würde aus ihr, wenn sie allein stände in der Welt mit dem Gedanken, daß sich selbst der treulos von ihr abgewandt, dem sie ihr ganzes reiches Herz zu eigen gab?«

»Das ist schön und edel von Ihnen gedacht,« sagte Günther seufzend; »aber wollen Sie Ihre Frau der Bosheit des Leumunds aussetzen, wenn Sie nach Deutschland zurückkehren? Halten Sie die Abstammung Ihrer Frau so geheim Sie wollen, ein unglücklicher Zufall kann sie stets verrathen, und könnten Sie – selbst nur mit dem Bewußtsein solcher Gefahr – Ihres Lebens auch nur einen Augenblick froh werden?«

»Und was kümmert mich das Urtheil der Menge,« rief Könnern trotzig, »die ja immer nur Freude an dem Unglück des Nächsten hat?«

»Sie vielleicht nicht, aber glauben Sie, daß Ihre Frau die Verachtung der Gesellschaft ertragen könnte, ohne sich wenigstens unglücklich und elend zu fühlen?«

»Dann kehren wir zurück nach Brasilien!« rief Könnern aus. »Verweigert mir die Heimath das Glück, das ich in ihr genießen könnte, dann hat sie auch kein Recht, meine weitere Liebe zu fordern und die Fremde mag dann mein Vaterland werden und bleiben. Verlieren Sie kein Wort weiter darüber, Günther – ich weiß, Sie meinen es gut und haben in Ihrer Art vielleicht auch Recht – aber Sie thun mir nur weh und sind nicht im Stande, etwas an meinem festen Entschluß zu ändern.«

»Genug davon, mein lieber Könnern,« sagte Günther, ihm die Hand reichend und die seine herzlich drückend; »ich ehre Ihr edles Herz, und diese Stunde wird uns fortan nur fester binden! Vielleicht läßt sich auch Alles noch günstiger gestalten, als wir jetzt glauben. Noch weiß Niemand um das Geheimniß, als wir Beide, denn glücklicher Weise haben wir die Comtesse noch zur rechten Zeit beseitigt. Was aber jetzt geschehen muß, kann hier nicht auf offener Straße besprochen werden – zu übereilen ist außerdem nichts und wir wollen Beide die Sache ruhig beschlafen. Morgen sehen wir Alles mit kälterem Blute und können dann ruhig beschließen, was geschehen soll. Hier nähern wir uns überdies auch der Colonie und es ist besser, wir sitzen auf. Der neue Direktor ist schon angekommen, nicht wahr? Ich sehe da wenigstens seine würdigen Untergebenen, ein Paar betrunkene Soldaten, die sich jetzt müßig in der Stadt herumtreiben und nichts als Unheil anstiften werden.«

»Allerdings – schon vor einigen Tagen, und es ist sogar möglich, daß Sarno heut Abend die Colonie verläßt, um mit dem Dampfer nach Rio hinauf zu fahren. Jedenfalls wird er im Laufe des morgenden Tages abreisen.«

»Dann lassen Sie uns ein wenig rascher austraben,« sagte Günther, »denn ich möchte ihn gern noch sprechen« – und seinem Pferde die Sporen gebend, sprengte er im Galopp die Straße entlang. – Unterwegs sah er sich wohl nach Felix um, denn er hatte sich mit ihm kein Rendezvous gegeben und wußte gar nicht, wohin er sich heut Abend gewandt haben konnte. Aber Santa Clara war auch nicht so groß, daß er lange nach ihm hätte suchen müssen, und im Laufe des Tages war er ziemlich sicher, ihn irgendwo zu treffen.

Sarno fanden sie zu Hause und eifrig mit Packen beschäftigt. Als sie zu ihm in's Zimmer traten, drehte er sich nach Günther um und rief lachend: »Beinahe hätten Sie mich hier gar nicht mehr gefunden. Alle Wetter, die Frau Präsidentin hat Eile gehabt!«

»Wenn Sie meinem Rathe folgen, gehen Sie gar nicht,« sagte Günther. »Der Präsident hat kein Recht, Sie so ohne Weiteres, ohne wichtige Gründe Ihres Dienstes zu entlassen. Bleiben Sie hier und schicken Sie mich mit dem Dampfer nach Rio. Ich garantire Ihnen, daß ich einen Gegenbefehl bringe.«

»Ich danke Ihnen, Herr von Schwartzau,« sagte Sarno trocken – »aber ich habe nicht Lust, mich hier mit dem Herrn Director herum zu zanken, nur der unter solchen Umständen sehr zweifelhaften Ehre wegen, Director zu bleiben. Außerdem hat der Herr sich auch gleich eine Abtheilung Soldaten mitgebracht und würde nicht säumen, selbst gewaltsamen Besitz von dem Directionsgebäude zu nehmen.«

»Darauf ließe ich es ankommen.«

»Ich nicht. Mit diesem Präsidenten, oder vielmehr seiner Frau Gemahlin an der Spitze, danke ich außerdem für den Posten. Ja, wäre da eine Aenderung getroffen, dann von Herzen gern, aber wie die Verhältnisse jetzt stehen nicht. Ich bin fest entschlossen, mit dem Dampfer nach Rio zu fahren.«

»Gut, dann aber folge ich Ihnen. In kurzer Zeit kann ich meine sämmtlichen Arbeiten hier beendet haben und dann sprechen wir ein weiteres Wort über diese Präsidialwirthschaft, der unter jeder Bedingung ein Ende gemacht werden muß. Ich habe haarsträubende Dinge in Santa Katharina gehört und Beweise dafür in Händen, mit den achtbarsten Leuten der Insel zu Zeugen. Denen wird die Regierung in Rio ihr Ohr nicht verschließen.«

»Ich bin Ihnen sehr dankbar für Ihre Bemühungen, aber es wird nichts helfen,« sagte Sarno achselzuckend – »hier in Brasilien geht nun einmal Alles seinen gewohnten Schlendrian, und nur wer keine schmutzigen Hände scheut, kann sich emporarbeiten. Ich passe aber zu derlei Intriguen nicht und werde ruhig wieder meine Vermessungen beginnen, bei denen ich doch wenigstens nur Arbeit und keinen Aerger habe.«

»Aber Sie bleiben, bis ich komme, in Rio?«

»Ich werde unter fünf oder sechs Wochen nicht von dort wegkommen.«

»Desto besser – dann treffen wir uns jedenfalls. Sie wohnen?«

»Im Hotel Pharoux.«

»Schön; weiter brauche ich nichts.«

»Und Könnern?« fragte Sarno und sah lächelnd zu seinem jungen Freunde auf – »haben Sie reussirt? Aber zum Henker, Mann, Sie sehen so melancholisch aus! Ich will doch nicht hoffen, daß Sie einen Korb nach Hause bringen?«

»Elise wird mein Weib,« sagte Könnern fest.

»Und dabei schneiden Sie ein Gesicht,« lachte Sarno, »als ob Ihnen das größte Unglück begegnet wäre. Sie haben etwas auf dem Herzen . . .«

»Ja,« sagte Könnern zögernd – »es ist – etwas vorgefallen, das mein Glück nicht stört, aber doch hinausschiebt; gestatten Sie mir jedoch, daß ich jetzt noch darüber schweige.«

»Mein lieber, bester Freund!« rief Sarno gutmüthig – »Sie glauben doch um Gottes willen nicht, daß ich Sie habe aushorchen wollen?«

»Sie sollen Alles erfahren, denn ich bin es Ihnen schuldig,« erwiderte Könnern, »aber – ich muß erst selbst mit mir im Klaren sein. Ehe Sie Rio verlassen, sehe ich Sie jedenfalls dort, denn auch mich werden bis dahin meine Geldgeschäfte nöthigen, die Hauptstadt zu besuchen. Wen habe ich denn auch noch in Santa Clara, wenn Sie Beide den Ort verlassen?«

»Dann treffen wir uns also Alle in Rio, und nun kommen Sie her und helfen Sie mir ein wenig mit packen, daß ich die verwünschten Kisten und Koffer in Ordnung kriege. Das weiß der Böse, was man für eine Quantität Gepäck zusammenbringt, wenn man sich erst einmal ein paar Jahre an einem Platze aufgehalten! Ein Glück nur, daß mir Herr von Reitschen – durch einen Unterhändler natürlich – meine Möbel hat abkaufen lassen, ich müßte sonst wahrhaftig eine Auction anstellen.«

Könnern wie Günther halfen jetzt Beide dem Freunde seine Sachen ordnen, da die Abfahrt des Dampfers auf heut Abend festgesetzt war und Sarno sich gegen vier Uhr, um die rückgehende Fluth zu benutzen, einschiffen mußte. Eine Menge Leute, und zwar die achtbarsten der Colonie, kamen auch heute noch, ihrem bisherigen Director Adieu zu sagen und ihm zu versichern, wie leid es ihnen thue, daß er sie verließe. Dann kam der Transport des Gepäcks zum Boote, welchen Jeremias übernommen hatte, wobei er mit seinem Handkarren wahre Wunder leistete.

Der Weg zur Landung war allerdings nicht so nahe, aber er ging von der Thür des Directionsgebäudes an immer leise bergab, und der kleine kräftige Bursche lud enorme Quantitäten von Koffern und Kisten auf, mit denen er dann im scharfen Trabe und in Schweiß förmlich gebadet, aber immer guter Laune, seinem Bestimmungsorte zueilte.

Der letzten Fuhre folgten die drei Freunde zusammen, und unten an der Bootlandung lagen sämmtliche Soldaten faul ausgestreckt im Schatten und sahen zu, ›wie der alte Director fortgeschickt wurde‹. Sie lachten auch untereinander und machten ihre frechen Bemerkungen, aber keiner der Drei achtete auf sie. Die verschiedenen Colli wurden an Bord genommen, und Sarno wandte sich jetzt erst noch einmal zu seinem bisherigen treuen Factotum, Jeremias, welcher sich bescheiden zurückgezogen hatte und neben seinem leeren Karren stand.

»Hierher, alter Freund,« sagte er zu ihm – »Du bist der Letzte, der noch eine Forderung an mich hat.«

»Wenn Sie's nur gar nicht erwähnen wollten, Herr Director,« sagte Jeremias, und die Thränen standen ihm dabei in den Augen – »hol's der Teufel, ich wollte – es wäre der Andere, den ich hätte herunterkarren müssen! Hurrje, mit welchem Vergnügen wäre das geschehen – aber Gott straf' mich, wenn er hier in der Colonie eine Stunde seines Lebens froh werden soll! Da ist er, das ist richtig, aber er wird froh sein, wenn er den Platz hier erst wieder mit dem Rücken ansieht!«

»Mach' keine dummen Streiche,« warnte ihn Sarno, »und gebt dem Herrn keine gegründete Ursache zur Klage; Ihr habt es Euch sonst selber zuzuschreiben, wenn er Euch das Leben sauer macht.«

»Ja, aber . . .«

»Schon gut, Jeremias – hier ist eine Kleinigkeit für Deinen letzten Monat und die heutige Arbeit . . .«

»Aber, Herr Director!« rief Jeremias ordentlich erschreckt, als ihm Sarno eine ganze Hand voll Milreis in den Hut warf – »das kann ich ja gar nicht nehmen – ich bin so den letzten Monat schmählich faul gewesen – das müßte mir ja auf der Seele brennen!«

»Dann betrachte es als Strafe,« lächelte Sarno – »und nun Adieu, Ihr lieben Freunde, die Ihr noch bis zuletzt bei mir ausgehalten habt. Adieu, Könnern, Adieu, Schwartzau, auf Wiedersehen in Rio!« und in das Boot springend, gab er das Zeichen zum Abstoßen. Die Ruderer ließen ihre Riemen einfallen; der Bug des trefflich gebauten Bootes fiel vom Lande ab, und während noch ein freundliches Lebewohl herüber- und hinübergewinkt wurde, schoß das kleine Fahrzeug seine Bahn entlang dem Dampfer zu.

Hinter ihm aber folgte ein anderes kleineres, von vier Soldaten gerudert, welches den Befehl gehabt, zu warten, bis der bisherige Direktor unterwegs sei. Es brachte die Briefe und Depeschen des neuen Direktors an Bord.

Herr von Reitschen hatte sich dem Abschied von seinem Vorgänger entzogen.



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