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Etwa vier Wochen waren seit den in den letzten Capiteln beschriebenen Vorgängen verflossen, ohne daß in der Provinz Santa Clara etwas Besonderes vorgefallen wäre.
Herr von Schwartzau hatte indessen fleißig gearbeitet und einen großen Theil des zur Colonisation bestimmten Landes ausgemessen, und der Director dann, so rasch das möglicher Weise anging, den darauf wartenden Colonisten ihre für sie bestimmten Plätze angewiesen. Aber das allein genügte oft nicht einmal, denn er mußte auch noch hinter den Leuten her sein, daß sie nun auf ihrem eigenen Grund und Boden wirklich zu arbeiten anfingen, denn die lange faule Zeit, die sie verlebt, lag ihnen noch so in den Gliedern, daß es einiger Anstrengung bedurfte, ehe sie wieder in Gang kamen. – Die Männer wenigstens hätten sich eben so gern wie bisher noch vier Wochen länger von der Regierung füttern lassen, denn daß sie durch das vorgestreckte Geld in Schulden kamen, machte ihnen vor der Hand noch keine Sorge. Sie besaßen ja selber kein Eigenthum, was konnte ihnen die Regierung denn da abnehmen?
Herr von Schwartzau hatte übrigens mit einem seiner Instrumente Unglück gehabt, denn ein junger Baum war beim Fällen in einer Schlingpflanze hängen geblieben, dadurch in eine andere Richtung gekommen und schlug im Sturz seine beste Bussole zusammen.
Auf Santa Catharina hatte er indessen noch mehr Instrumente stehen, von denen Einiges kommen zu lassen schon lange sein Wunsch gewesen, und da die Regierung, auf des Directors Ansuchen, ein dort vorbeikommendes kleines Dampfboot beordert hatte, in der Mündung des Flusses Santa Clara anzulegen, um die durch den betrügerischen Agenten hierher geschickten Einwanderer wenigstens bis Santa Catharina zu bringen, von wo sie mit dem gewöhnlichen Postdampfer (unentgeltlich) weiter befördert werden konnten, so beschloß Herr von Schwartzau, diese Gelegenheit zu benutzen und selber nach der Insel zu fahren.
Vom Director bekam er dazu außerdem noch den Auftrag, im Namen der Colonie die Klage gegen den Delegado und den brasilianischen Geistlichen anhängig zu machen, der eine protestantisch verheirathete Frau, ohne selbst eine Scheidung für nöthig zu halten, anderweit getraut hatte, wenn sich Sarno selber auch wenig Erfolg von diesem Schritte versprach. Er kannte die Geistlichkeit Brasiliens und ärgerte sich nur über die entsetzliche Gleichgiltigkeit, mit welcher die deutschen Protestanten diesen Fall aufnahmen, der, wenn etwas Derartiges überhaupt geschehen konnte, alle Familienbande in Frage stellte. Jeder pflichtvergessene Mann, jede treulose Frau brauchte sich an ihre gültig geschlossene Ehe gar nicht mehr gebunden zu halten, und die Folgen blieben unabsehbar.
Nichtsdestoweniger nahmen es die Protestanten außerordentlich kaltblütig. Der Geistliche – ein guter Freund des Dom Franklin – wollte gar nichts damit zu thun haben und behauptete, es sei einfach eine Sache, welche die Gerichte anginge und von diesen schon bestraft werden würde, und die Colonisten schimpften wohl und schlugen im Wirthshause mit der Faust auf den Tisch – aber dabei blieb es. Selbst ein Circular, das der Director zur Unterschrift herumschickte, wurde von den Wenigsten unterschrieben, denn der deutsche Bauer setzt nicht gern seinen Namen unter irgend ein Schriftstück, es mag enthalten, was es will – ausgenommen eine Quittung.
Pilger selber war wie gebrochen. Er arbeitete wieder, verkehrte aber fast mit keinem Menschen. Machte er sich in seinem Herzen Vorwürfe, daß er die Frau, seine Margareth, wohl auch manchmal rauher behandelt hatte, als recht war – brannte ihm das jetzt auf der Seele, daß er selber vielleicht den ersten Anlaß zu diesem Schritte gegeben, der jetzt sein ganzes Lebensglück zerstörte? Wenn dies auch der Fall war, so sprach er doch mit Niemandem darüber, und die Nachbarn dauerte der fleißige, ordentliche Mann, der jetzt bleich und hohlwangig so allein in seinem Hause saß.
Indessen fuhr Schwartzau auf dem kleinen Regierungsdampfer mit günstigem Wind und Wetter nach Santa Catharina, und am dritten Tag Abends bekamen sie die kleine reizende Insel in Sicht, die sich, nur wenige Meilen vom festen Lande entfernt, an der Küste entlang dehnte.
Und das war früher der Verbannungsort Portugals, wie auch die Hauptstadt noch immer Desterro heißt; hierher wurden die Verbrecher, besonders viele Juden transportirt, als Strafe für begangene Missethat, oder vielleicht auch nur, um unbequeme Persönlichkeiten aus dem Wege zu schaffen – ein sehr leichtes und von manchem Staate oft angewandtes Mittel. Aber die Zeit ist vorbei, und wie die Bewohner jetzt nicht einmal gern mehr hören, daß der Ort früher zu solchem Zwecke benutzt worden, ist Santa Catharina gegenwärtig der Schlüssel zu vielen vortrefflichen brasilianisch-deutschen Colonien geworden, und eine große Anzahl von Deutschen sind sogar dort geblieben und haben sich als Geschäftsleute oder Handwerker in der Hauptstadt niedergelassen. Desterro ist fast zur Hälfte ein deutsches Städtchen.
Günther von Schwartzau kannte den Ort schon, aber trotzdem weilte sein Auge mit Entzücken auf dem wahrhaft wundervollen Bilde, das sich vor ihm ausbreitete, als sie die den eigentlichen Hafen gegen die Nordwinde schützende Landspitze umfuhren und jetzt die kleine, freundliche Stadt, terrassenförmig von Bäumen, Büschen und Palmen umschlossen, vor sich liegen sahen. Prachtvolle Gebäude fesselten allerdings nicht den Blick oder gaben dem Hafen einen Anstrich von Glanz und Reichthum, wie das z. B. bei Rio de Janeiro der Fall ist: aber so lauschig und versteckt lag jede einzelne Wohnung in dem sanften Grün der Gärten, so ruhig plätscherte dazu die See und so wolkenrein spannte sich der blaue Himmel darüber hin, daß man sich da wohl fühlte, ehe der Fuß nur das Land betreten.
Als freilich der Anker in die Tiefe schoß, war der Friede auch an Bord gestört. Der Flaggen-Telegraph hatte die Ankunft eines Dampfers vom Norden schon gemeldet, und eine Anzahl von Booten und jenen trefflich gearbeiteten Canoes – die man in der ganzen Welt nicht zierlicher und praktischer gebaut findet, als in Brasilien – kam langseit. Die Bootsleute aber faßten, wie an anderen Orten, so auch hier, ohne Umstände auf, was sie an Gepäck fanden, um es in ihre kleinen Fahrzeuge zu schaffen und sich die dazu gehörigen Passagiere zu sichern.
Günther fuhr natürlich sogleich mit an Land, denn der Aufenthalt auf diesen kleinen brasilianischen Dampfern ist nicht angenehm genug, um den Reisenden länger, als unumgänglich nöthig ist, darauf zu fesseln, und ging dann gleich in der Wohnung des Präsidenten vor, wo er sich wenigstens anmelden wollte. Er hatte sich kaum Zeit genommen, nur die nothwendigste Toilette zu machen, aber die Abende sind in allen jenen Ländern überhaupt die Zeit, in der man Besuche macht oder empfängt.
Der Deutsche fand übrigens heute ausnahmsweise eine größere Gesellschaft versammelt, und als die Frau Präsidentin seinen Namen hörte, ließ sie ihn bitten, augenblicklich einzutreten. Kam er doch von Santa Clara, und sie nahm selber das größte Interesse daran, von dieser Colonie Näheres und Neues zu hören.
Günther wurde in das große Empfangszimmer geführt und fand hier schon sechs oder acht Herren und eben so viele Damen versammelt.
Der Präsident selber saß in einem Lehnstuhl etwas bei Seite, es war ein kleiner ältlicher Herr, mit einem unendlich gutmüthigen Gesicht und ein Paar großen, klugen Augen; aber er schien sehr leidend. Er sah blaß und angegriffen aus, mit eingefallenen Wangen und einem eigenen schmerzlichen Zuge um den feingeschnittenen Mund.
»Ah, mein lieber Eswartsau,«Portugiesen und Spanier können nie ein Sp, St oder Sch mit einem Consonanten dahinter am Anfang eines Wortes aussprechen und setzen jedesmal ein E vor. nickte er ihm freundlich zu und streckte ihm die dünne, fast durchsichtige Hand entgegen; »schon fertig in Santa Clara? Das ist rasch gegangen.«
»Noch nicht, Señor,« sagte Günther, die Hand nehmend und herzlich drückend – »ich muß wieder zurück und erzähle Ihnen nachher, weshalb ich herübergekommen bin – Señora, erlauben Sie, daß ich Sie begrüßen darf.«
»Es freut uns sehr,« sagte die Dame mit huldvollem Lächeln, »Sie wieder einmal auf Santa Catharina zu sehen. – Aber setzen Sie sich, Sie kommen wie gerufen, um uns recht viele Neuigkeiten von Ihrer Colonie zu erzählen – es soll ja fürchterlich da zugehen!«
»Fürchterlich?« lächelte Günther; »davon habe ich nun allerdings nichts gemerkt.«
»Nichts? – Aber erlauben Sie mir, Sie meinen Freunden vorzustellen.« – Und die Señora machte jetzt die gewöhnliche Formel der Introduktion durch, die einen Fremden zur Verzweiflung bringen könnte, wenn die Sache an sich selbst nicht so unbedeutend wäre. Eine Masse von fremden Namen wurden ihm genannt, die er zum großen Theil nicht einmal verstand oder doch in demselben Moment wieder vergaß; die Leute verbeugten sich gegen einander und die Sache war damit abgemacht.
Nur ein Name war Günther aufgefallen, und zwar der eines deutschen Barons von Reitschen. Er gehörte einem ältlichen Herrn von stattlichem Aussehen mit schon etwas grau gemischten Haaren, aber vollkommen glatt rasirtem Gesicht und einer sehr zierlichen goldenen Brille, der aber, anstatt den Landsmann etwas herzlicher zu begrüßen, sich ebenfalls damit begnügte, nur aufzustehen und eine steife Verbeugung zu machen.
»Und wie weit sind Sie mit Ihrer Vermessung gekommen, lieber Freund?« fragte der Präsident, als die langweilige Ceremonie vorüber war. »Schon etwas ausgerichtet?«
»Allerdings, Señor,« erwiderte Günther; »mit Hülfe des Directors Sarno, der mich wacker dabei unterstützte, haben wir es möglich gemacht, genügendes Land für sämmtliche sich jetzt dort befindlichen Einwanderer zu vermessen. Ich kehre von hier aber gleich wieder nach Santa Clara zurück, um noch einen andern District in Angriff zu nehmen; denn da jeden Tag ein neues Schiff eintreffen kann, wird es immer besser sein, einige vermessene Strecken in Vorrath zu haben.«
Der Präsident nickte beistimmend mit dem Kopfe, schwieg aber, und die Frau Präsidentin sagte:
»Also hat sich der Herr Director doch endlich herbeigelassen, wenigstens in dieser Hinsicht seine Pflicht zu thun. Da muß ihm das Feuer tüchtig auf den Nägeln gebrannt haben!«
»Ich weiß nicht,« sagte Günther, während er einem der mit Erfrischungen herumgehenden Diener ein Glas Limonade abnahm – »in welcher Beziehung Director Sarno seine Pflicht versäumt haben kann, Señora; so lange ich mich aber in der Colonie aufgehalten, kann ich ihm nur das rühmlichste Zeugniß geben, da er sich der Einwanderer mit wahrhaft eisernem Fleiße angenommen. Sarno scheint mir ein sehr tüchtiger Mann und besitzt außerdem auch die nöthige Energie, etwaigen Uebergriffen fest entgegen zu treten.«
»Energie!« lächelte die Dame; »er ist der reine Unterofficier. und wir haben von der ganzen Colonie Klagen auf Klagen hören müssen, die zuletzt selbst die Geduld eines Heiligen ermüden könnten!«
»Klagen über Sarno?« fragte Günther erstaunt.
»Sie glauben es wohl etwa nicht?« lachte die Dame, indem sie ein Papier von dem nächsten Tische nahm; »wollen Sie so gut sein und das einmal lesen?«
Günther nahm das Papier und überflog es flüchtig. Es waren in der That eine Menge Anklagen gegen den Direktor, in denen besonders sein rauhes und rücksichtsloses Betragen ›gegen den gebildeten Theil der Gesellschaft‹ hervorgehoben und zuletzt gebeten wurde, den Director seiner Stelle zu entheben und einen würdigeren dafür hinzusenden. Unterschrieben war das Document von einer Anzahl ihm unbekannter Namen; einige davon kannte er aber doch, und unter den erstgezeichneten standen die Frau Gräfin Baulen, Baron Jeorgy, Pastor Beckstein und Arno von Pulteleben. Ein Name besonders fiel ihm seiner Kürze und Anspruchslosigkeit wegen auf: Bux, Künstler.
»Nun,« sagte die Dame, während er das Papier langsam wieder zusammenfaltete und zurückgab, »was sagen Sie nun?«
»Daß es in jeder Colonie eine Menge unzufriedenes Volk giebt,« erwiderte Günther, »das sich mit keinem Director wird befreunden können, es sei denn, er befriedigte alle ihre Wünsche. Ich halte Sarno für den passendsten Mann für einen solchen Posten, den Sie in ganz Brasilien finden könnten.«
»Oh, Sie sind wahrscheinlich ein besonderer Freund von ihm!« lachte die Frau Präsidentin.
»Ich weiß nicht, ob ich auf den Titel Anspruch machen darf,« sagte Günther ruhig; »bei meinem Aufenthalt in Santa Clara habe ich mit dem Director allerdings freundschaftlich, aber nur in meinen Geschäften verkehrt. Wen auch immer ich aber über ihn gesprochen, war der Meinung, daß er für die Stelle passe.«
»So?« lächelte die Dame geringschätzig – »freilich die Bauern müssen das am besten beurtheilen können. Was halten Sie aber von einer Colonie, in der Gewaltthätigkeiten, Raub und Plünderung zu den allergewöhnlichsten Dingen gehören?«
»Von einer solchen Colonie würde ich sehr wenig halten, gnädige Frau,« lächelte Günther – »ich kann aber doch nicht vermuthen, daß Sie glauben, ein solches Verhältniß finde in Santa Clara statt; denn während der fünf Wochen, die ich mich dort aufhielt, ist nichts dem Ähnliches vorgefallen, und ich habe sogar nicht einmal von einem einzigen solchen Falle sprechen hören – eine Entführungsgeschichte ausgenommen.«
»Wenn Sie im Wald bei Ihrer Arbeit waren, mein lieber Herr von Schwartzau,« mischte sich Herr von Reitschen in das Gespräch, »so ist es wohl erklärlich, daß Sie die einzelnen Vorfälle in der Stadt selber nicht beachten konnten. Sie hatten dafür zu viel zu thun. Der Herr Präsident hier hat aber so authentische Nachrichten über derartige wirklich geschehene Dinge erhalten, daß sogar der Entschluß gefaßt ist, mit diesem zurückgehenden Dampfer Militär nach Santa Clara zu schicken.«
»Militär nach Santa Clara?« rief Günther erstaunt – »eingeborene Soldaten, um etwa einmal eine gelegentliche Streitigkeit zwischen den Deutschen zu schlichten? Das ist denn doch wohl nur ein Irrthum!«
»Nicht allein der Streitigkeiten wegen, lieber Freund,« mischte sich hier der Präsident in die Unterhaltung, obgleich ihm das Sprechen schwer zu werden schien; »es sollen sich auch neuerdings wieder Indianer in der Nachbarschaft gezeigt haben, und es ist immer besser, bei Zeiten Vorkehrungen zu treffen, damit man sich nicht später Vorwürfe über eine versäumte Pflicht zu machen habe.«
»Aber, bester Herr,« versicherte Günther, »Sie scheinen da wirklich einen ganz falschen Bericht über die Colonie erhalten zu haben, ich gebe Ihnen mein Wort, daß auch nicht die Spur einer Gefahr von Indianern für Santa Clara existirt. Habe ich doch vor kurzer Zeit selbst drei Monate an dem noch viel weiter gelegenen Chebaja zugebracht, und selbst da hat man seit Jahren nichts mehr von den Wilden gehört oder gar einen von ihnen zu sehen bekommen.«
»Wenn Sie von ihnen hören oder sie sehen, ist es nachher gewöhnlich zu spät, sich noch gegen sie zu schützen,« sagte der Präsident. »Uebrigens glaube ich selber . . .« Ein heftiger Hustenanfall unterbrach ihn, und die Frau Präsidentin sagte:
»Die Colonisten können meinem Mann nur dankbar sein, daß er selbst im Voraus für ihre Sicherheit sorgt.«
»Ich zweifle ja keinen Augenblick,« erwiderte Günther, »daß der Herr Präsident alles das mit der besten Absicht angeordnet hat; glauben Sie aber mir, Señora, der ich schon viele dieser deutschen Colonien nicht allein gesehen, sondern genau kennen gelernt habe, die brasilianischen Soldaten dieser Districte, von denen selbst die besten wenig mehr als Gesindel sind, vertragen sich nicht mit den Colonisten, und wenn sie noch so gute Officiere haben; häßliche Reibereien können nie und nimmer vermieden werden.«
»Ich glaubte, Ihre Bewohner von Santa Clara wären so friedfertiger Natur?«
»Kleine Häkeleien fallen bei allen Nationen vor,« sagte Günther achselzuckend, »besonders aber bei den Deutschen, und es gehört nur ein verständiger und entschiedener Mann dazu, der entweder gütig vermittelt, oder auch einmal im Nothfalle ein Machtwort spricht, und den haben die Leute jetzt, wie ich fest glaube, an dem gegenwärtigen Director Sarno.«
»Ja, der sie im Nothfalle die Treppe hinunterwirft, nicht wahr,« sagte die Frau Präsidentin, »und sich mit den einzelnen Colonisten selber sogar prügelt!«
»Aber gnädige Frau . . .«
»Lassen Sie es gut sein,« unterbrach ihn die Dame. »Ueber geschehene Dinge ist es nicht nöthig, viele Worte zu verlieren, und daß sie eben nicht wieder geschehen, dafür hat mein Mann Sorge getragen. Ob der Director auch daran schuld ist, daß selbst Streit und Unzufriedenheit fast in allen Familien herrschen und Frauen gezwungen sind, wie das selbst vorgekommen, bei den Brasilianern Schutz gegen die Mißhandlungen daheim zu suchen, weiß ich nicht, es bleibt sich jetzt aber auch gleich. Einem solchen Zustande mußte abgeholfen werden, und ich stelle Ihnen hiermit in einem Landsmanne von Ihnen, dem Herrn Baron hier, unsern neuen Director der Colonie Santa Clara vor.«
Wieder stand Herr von Reitschen auf und verbeugte sich höflich gegen Herrn von Schwartzau, und diesem kam es fast so vor, als ob dabei ein leises spöttisches Lächeln um seine Lippen zuckte. Er neigte sich daher nur leicht gegen ihn und sagte:
»Ich stehe der Sache allerdings zu fern, um auch nur ein einigermaßen werthvolles Urtheil in dieser Angelegenheit fällen zu können, und hoffe nur, daß Herr von Reitschen im Stande sein wird, allen jenen furchtbaren Uebelständen abzuhelfen, die er, dem Anscheine nach, in der unglücklichen Colonie vorfinden soll. Was aber den Fall anbetrifft, auf den Sie eben anspielten, gnädige Frau – ich meine den, wo eine deutsche Frau gezwungen war, bei einem Brasilianer Schutz zu suchen – so bin ich zufälliger Weise ganz genau davon unterrichtet, und habe sogar die Klage des Directoriums gegen jenen würdigen Brasilianer für den Herrn Präsidenten mitgebracht. Jener Lump . . .«
»Entschuldigen Sie einen Augenblick,« unterbrach ihn die Dame rasch – »Sie erinnern sich doch, daß ich Ihnen den Betheiligten, Dom Franklin Brasileiro Lima hier, als meinen Gast mit vorstellte – oder haben Sie es vielleicht überhört? Erlauben Sie, daß ich es wiederhole: Dom Franklin, Herr von Eswartsau. – Bitte, fahren Sie fort – Sie sprachen von dem Ehemanne, der seine Frau gemißhandelt hat, nicht wahr?«
Die übrige Gesellschaft, der das Wohl oder Wehe der deutschen Colonie nicht im Geringsten am Herzen lag, hatte sich unterdessen mit einander unterhalten und einer der Herren eine auf dem Clavier liegende Guitarre aufgenommen, mit der er halblaut eins der kleineren brasilianischen Lieder begleitete. Nur Dom Franklin war dem Gespräche, ohne jedoch den Kopf nach Günther umzudrehen, mit Spannung gefolgt, und während er mit einer neben ihm sitzenden Dame scheinbar ein Gespräch unterhielt, horchte er jedem Wort, das über die ihn besonders interessirende Colonie gesagt wurde. Bei Günther's Anklage zuckte er auch wohl einen Moment zusammen, fand sich jetzt aber nur noch mehr bewogen, das eben Besprochene gar nicht gehört zu haben, und drehte sich erst, scheinbar überrascht, gegen Herrn von Schwartzau um, als die Frau Präsidentin seinen Namen nannte.
Günther fühlte, wie er erröthete, denn wenn er den Brasilianer auch verachtete und keinen Augenblick gezögert haben würde, ihm die Anklage mit den schärfsten Worten in's Gesicht zu schleudern, so war es ihm doch äußerst fatal, wenn auch unwissentlich, gegen die Regeln des Anstandes verstoßen und in einer Gesellschaft einen Gast beleidigt zu haben. – Und hatte der Brasilianer seine Worte gehört? Es schien nicht so, denn mit dem freundlichsten Wohlwollen leistete er der zweiten Vorstellung Folge. – Die Dame hatte zeitig genug parirt, einer sehr unangenehmen Scene vorzubeugen, und nur der Präsident mußte in seinem Stuhle Zeuge des Ganzen gewesen sein, denn er lächelte leise vor sich hin.
Wenn aber auch Günther an dieser Stelle natürlich Streit mit diesem Menschen vermeiden wollte, verachtete er ihn doch viel zu sehr, Freundlichkeit gegen ihn zu heucheln. Nur kalt verneigte er sich gegen ihn, und fuhr dann, zu der Dame gewendet, fort:
»Ich habe allerdings keinen speciellen Auftrag für den Herrn selber, von dem ich keine Ahnung hatte, daß er sich in Santa Catharina aufhielt. Hier ist aber unter solchen Umständen keineswegs Ort und Zeit, eine derartige, für beide Parteien unangenehme Sache zu verhandeln, und der Herr Präsident erlaubt mir vielleicht, ihm die Papiere morgen vorzulegen.«
»Mit großem Vergnügen,« erwiderte der Angeredete; »aber ich fürchte, wir werden an der Sache nicht viel ändern können.«
»Sie glauben doch nicht, daß . . .«
»Morgen früh, lieber Freund, morgen früh,« winkte der Präsident mit der Hand, »ich bin heut Abend zu angegriffen.«
Herr von Schwartzau verbeugte sich und die Frau Präsidentin, die sich indessen leise mit Herrn von Reitschen unterhalten hatte, stand jetzt auf und kam auf Günther zu.
»Lassen wir die fatalen Sachen heut Abend,« sagte sie freundlich »und spielen Sie uns lieber etwas auf dem Pianoforte. Sie sind doch musikalisch?«
»Ich muß unendlich bedauern, gnädige Frau,« sagte Herr von Schwartzau achselzuckend, »aber ich kenne nicht einmal die Noten.«
»So spielen Sie etwas aus dem Kopfe.«
»Ich habe nie eine Taste angerührt.«
»So spielen Sie wahrscheinlich die Violine oder die Guitarre?«
»Eben so wenig.«
»Aber die Flöte gewiß?«
»Ich muß zu meiner Beschämung gestehen,« lächelte von Schwartzau, »daß ich bei Allem, was Musik betrifft, einzig und allein zum Zuhörer zu verwenden bin.«
»Das ist merkwürdig,« sagte die Señora – »Sie sind der erste Deutsche, den ich kennen lerne, der nicht wenigstens die Flöte spielt. Unser Baron hier ist Meister auf diesem Instrumente.«
»In der That?« sagte Günther, der sich auch selbst dafür nicht interessirte.
»Gnädige Frau sind zu gütig,« sagte der Baron; »ich bin weiter nichts als ein Dilletant. In solchen wilden Ländern aber, in denen ich mich die letzten zwölf Jahre herumgetrieben habe, ist die Flöte wirklich das einzige Instrument, das man leicht überall mit hinnehmen kann und man vertreibt sich doch manche müßige Stunde sehr angenehm damit.«
»Sie haben sie doch bei sich, nicht wahr?« fragte die Dame.
»Gnädige Frau hatten mir ja befohlen, selbige mitzubringen.«
»Oh, dann begleiten Sie das Lied jener jungen Dame, bitte!« sagte die Präsidentin – »wir müssen ein wenig Musik haben, damit Leben in die Gesellschaft kommt. Ich weiß gar nicht, sowie nur diese unglückliche Colonie Santa Clara genannt wird, ist es auch gleich, als ob ein schwarzer Schleier über die ganze Unterhaltung geworfen würde. Nun, hoffentlich wird sich das ändern, wenn wir Sie erst einmal dort haben.«
»Gnädige Frau können sich darauf verlassen,« sagte der Baron wieder mit einer halben Verbeugung, »daß ich nach Kräften arbeiten werde, Ihnen jede unangenehme Nachricht zu ersparen.«
»Davon bin ich überzeugt – aber wir müssen beginnen; die Dame präludirt schon und wird sonst ungeduldig.«
Der größte Theil der Gesellschaft gruppirte sich jetzt um das Instrument, und auch Günther ließ sich in einen der leer stehenden Sessel nieder; aber er hörte nicht das Geringste von der Melodie, denn seine Gedanken arbeiteten an dem eben Gehörten.
Also Sarno war abgesetzt – bei Seite geworfen, nur um einem Günstling der Frau Präsidentin Raum zu machen, dem zu genügen dann die vagen Gerüchte den Vorwand geben mußten – der Delegado ebenfalls hier und als Gast im Hause, und der Präsident noch dazu von Allem unterrichtet – aber was zum Henker kümmerte ihn auch das Alles? Er vermaß das Land, weiter nichts, und wen sie nachher darauf setzten oder wie dies geschah, konnte ihm doch wahrhaftig gleichgültig sein. Er warf das rechte Bein über das linke und betrachtete sich indessen den Raum, in dem er sich befand.
Mit der Hälfte der Möbel, die in dem Saale standen, hätte er wohnlich, ja sogar elegant genannt werden können, so aber glich er eher einem Möbelmagazin, in welchem einige Dutzend Stühle mit Sophas und Tischen zum Verkauf ausgestellt waren. Die Gesellschaft hatte fast ausschließlich auf den in der Mitte stehenden Sesseln und auf einigen Sophas Platz genommen, aber Stuhl an Stuhl, nur manchmal die Reihe von einem andern leeren Sopha unterbrochen, standen die Wände entlang, und ein halbes Dutzend Tische – alles von Mahagoniholz – waren in zwei Reihen in der Mitte aufgestellt, während jedes andere Stück, wie Secretär, Schreibtisch etc., fehlte. Es ist das aber Sitte in ganz Südamerika, und man würde ein Zimmer oder einen Salon für ärmlich möblirt halten, wenn sich beim ängstlichsten Zusammenrücken auch nur noch Raum genug für einen einzigen Stuhl gezeigt hätte.
Dagegen waren die Wände vollkommen kahl und die mattgraue, sehr elegante Tapete wurde von keinem einzigen Bilde freundlich unterbrochen. Nur zwei große und gewiß sehr theure Spiegel hingen in breiten, blinkenden Goldrahmen einander gegenüber und auf den Tischen standen eine Anzahl Porzellanvasen, aber ohne Blumen, unter außerordentlich hohen und viel zu großen Glasglocken.
Ein gewisser Reichthum ließ sich in der ganzen Einrichtung nicht verkennen, aber jede Gemütlichkeit, jeder Geschmack fehlte und der Fremde besonders würde sich hier nie behaglich fühlen können.
Günther sah wieder eine ganze Zeit lang träumend vor sich nieder, als ihn eine Stimme an seiner Seite aus seinen Gedanken aufstörte. Es war der Baron, der ihn fragte:
»Wann gedenken Sie nach der Colonie zurückzukehren, Herr von Schwartzau? Sie entschuldigen, wenn ich Sie störe,« setzte er lächelnd hinzu, als Günther bei der Anrede ordentlich in die Höhe schrak.
»Sobald als möglich,« erwiderte der junge Mann, den Fragenden jetzt erst bemerkend; »meine Geschäfte hoffe ich wenigstens morgen oder übermorgen sicher abmachen zu können und werde dann die erste sich bietende Gelegenheit benutzen. Wie ich höre, geht der Dampfer leider schon morgen früh ab.«
»Wenn ich Ihnen etwas nach Santa Clara besorgen kann . . .«
»Sie sind sehr gütig.«
»Sie kennen Herrn Director Sarno näher?« nahm der Deutsche nach einigem Zögern das Gespräch wieder auf.
»Nur von der kurzen Zeit, die ich mich dort aufgehalten habe.«
»Wollen Sie einen guten Rath von mir annehmen?«
»Man soll nie einen guten Rath zurückweisen.«
»Gut – dann vertheidigen Sie Herrn Sarno nicht zu lebhaft der Frau Präsidentin gegenüber.«
»Herr Baron!« sagte Günther, erstaunt zu ihm aufsehend.
»Verstehen Sie mich nicht falsch,« erwiderte dieser ruhig; »dem Herrn Sarno können Sie nichts mehr nützen, denn er ist seines Dienstes factisch entlassen, und sich selber nur dabei schaden, da die Frau Präsidentin den Herrn nun einmal nicht leiden kann und auch wohl ihre gewichtigen Gründe dafür hat.«
»Und Sie werden nun seine Stelle einnehmen?« fragte Günther.
»Lieber Gott,« sagte der Baron achselzuckend, indem er mit den Berloques an seiner Uhrkette spielte, »ich habe mich dagegen gesträubt, wie ich konnte, aber da nun einmal eine Aenderung unter allen Umständen eintreten sollte, so gab ich endlich den Bitten des Präsidenten nach. Sie sind nicht lange genug in der Colonie gewesen und Herr Sarno wird sich auch Ihnen gegenüber wohl zusammen genommen haben; die Zustände dort scheinen aber in der That für die armen Colonisten unerträglich zu werden und da ich glaube, den Anforderungen, die man an eine solche Stelle knüpft, genügen zu können, so habe ich es auch gewissermaßen für meine Pflicht gehalten, die jedenfalls sehr undankbare Arbeit zu übernehmen, unsere deutschen Holzköpfe da drüben ein wenig zur Raison zu bringen.«
»Es wird das allerdings eine sehr undankbare Arbeit werden,« sagte Günther kalt, denn die ganze Art und Weise des Mannes gefiel ihm nicht, hätte er selbst nicht Sarno in seinem Herzen für einen ehrlichen und auch vollkommen tüchtigen Mann gehalten. Er suchte auch das ihm unangenehme Gespräch über diesen Gegenstand sobald als möglich abzubrechen und empfahl sich dann dem Präsidenten, um an diesem Abend noch einige Bekannte in der Stadt zu besuchen.
Am nächsten Morgen ziemlich früh suchte er denselben aber wieder auf und hatte gehofft, die Unterredung da allein mit ihm haben zu können, weil die Frau Präsidentin doch wohl ihre Toilette noch nicht so bald beendet haben würde. Darin irrte er sich jedoch, denn kaum war er angemeldet und angenommen, als die Señora auch schon in's Zimmer trat und sich an dem einen Fenster in einen Lehnstuhl niederließ. Der Präsident schien nichts mehr ohne seine Frau, oder diese vielmehr Alles ohne ihn zu thun.
»Sie sprachen gestern von einer Klage, lieber Freund,« sagte der Präsident, als Günther nach den ersten Begrüßungen Platz genommen hatte – »es wäre mir viel lieber, wenn Sie in Santa Clara die Sache nicht weiter aufgerührt hätten, denn es wird wenig daran zu thun sein – meinst Du nicht?«
»Daran zu thun sein,« sagte die Señora achselzuckend – »was soll daran zu thun sein? Die frühere Ehe war nach unseren Gesetzen vollkommen ungültig, bestand also gar nicht, und wenn kein Hinderniß vorliegt und zwei Leute sich gern haben und einander heirathen wollen, wer kann es ihnen verwehren? Außerdem hat die Frau ein ganz unverdientes Glück mit Dom Franklin gemacht.«
»Kein Hinderniß vorliegt, gnädige Frau?« rief Günther, wirklich erstaunt – »ich kann doch wahrhaftig nicht glauben, daß Sie eine geschlossene Ehe als kein Hinderniß, sich anderweitig zu verheirathen, betrachten würden.«
»Ich hoffe nicht,« sagte die Dame stolz, »daß Sie unsere Ehen mit einem solchen ›Contracte‹ vergleichen werden. Uebrigens ist die Sache abgemacht und eine Klage also ganz nutzlos, wo die höchste Behörde schon entschieden hat.«
»Aber das ist ja gar nicht möglich!« rief Günther – »danach würde ja die Regierung muthwillig all' ihre protestantischen Unterthanen demoralisiren und dem Verbrechen mit eigener Hand die Thür öffnen. Gnädige Frau irren sich jedenfalls darin.«
»Irr' ich mich? So – bitte, nehmen Sie einmal das zusammengefaltete Papier, das da neben Ihnen auf dem Tische liegt – nein, das andere dort – das da, und nun seien Sie so gut und lesen Sie den Entscheid unseres Bischofs – lesen Sie ihn laut. Sie werden sich dadurch jedenfalls zufrieden gestellt fühlen, daß die Sache als vollkommen erledigt betrachtet werden kann.«
Günther nahm kopfschüttelnd das Papier, entfaltete es und las:
»Emmanuel, durch Gottes Erbarmen und des apostolischen Stuhles Gnade, Bischof von Santa Sebastiao oder Rio de Janeiro.
Wir bezeugen andurch auf Verlangen, daß Frau Margarethe Pilger, vormals Protestantin und als solche verheirathet nach dem Ritus der evangelischen Gemeinde mit Herrn Gottlieb Pilger unterm 15. November, sich kürzlich mit der Bitte an mich wandte, die protestantische Ketzerei abzuschwören und den katholischen Glauben anzunehmen, welchem Verlangen ich mit bestem Willen genügte und in Person den Widerruf des Irrglaubens entgegennahm, gemäß dem Gebrauche der Römischen Kirche.
Besagte Frau Margarethe Pilger bat mich hierauf um Erlaubniß, sich mit Herrn Franklin Brasileiro Jansen Lima, römischen Katholiken, zu welchem sie sich hingezogen fühlte, zu verheirathen und auch die Erlaubniß gab ich ihr durch Bescheid vom 27. Januar, da nach Einhaltung des üblichen Verfahrens kein canonisches Hinderniß zwischen Franklin und Margarethe sich gezeigt hatte und die Heirath Letzterer mit Pilger augenscheinlich ungültig ist, als gefeiert gegen die Form des im Kaiserreiche publicirten und immer beobachteten Tridentiner Concils.
Palast der Conceicao, 5. Februar 1857.
(Unterz.) † Manoel, Bischof, Graf Capellao-Môr.«Der obige Erlaß ist wörtlich, nur mit Aenderung des deutschen Namens und erst in neuerer Zeit sind rein protestantische Ehen durch das neue Ehegesetz auch für gültig in Brasilien erklärt worden.
»Nun,« sagte die Señora, »sind Sie überzeugt? Der ehrwürdige Bischof selber, der sich gerade zufällig auf einer seiner Hacienden in dieser Provinz befand, hat die Ehe geschlossen. Dom Franklin ist ihm eng befreundet – glauben Sie also jetzt noch, etwas mit einer Klage des Herrn Director Sarno ausrichten zu können?«
»Nein, gnädige Frau,« sagte Günther ruhig, »Sie haben vollkommen Recht. Es ist übrigens gut, daß ein solcher Thatbestand bekannt wird, denn in einem ähnlichen Falle wäre der geschädigte Theil ein Thor, noch auf Schutz und Gesetz in Brasilien zu warten, und weiß dann gleich, daß er sich sein Recht selber zu verschaffen hat.«
»Sie predigen Revolution!« rief die Señora streng.
»Ich predige das, was ich selber ausführen würde,« sagte Günther kalt; »unter solchen Umständen möchte ich denn auch Ihre werthvolle Zeit nicht länger in Anspruch nehmen.«
»Aber Sie wollten mir noch etwas über die Colonie sagen,« rief der Präsident, der unruhig auf seinem Stuhle hin und her gerückt war.
»Das wollte ich allerdings,« erwiderte Herr von Schwartzau, »aber nach dem eben Gehörten wird auch das nichts fruchten.«
»Und was war es?«
»Ich wollte Sie bitten, Señor, Ihren Entschluß, das Directorium der Colonie zu ändern, noch nicht auszuführen, bis Sie nicht wenigstens genauere Erkundigungen über die dortigen Verhältnisse eingezogen. Director Sarno . . .«
»Kommen Sie uns nicht mit dem Unterofficier!« sagte die Präsidentin ungeduldig – »mein Mann will nichts von ihm hören.«
»Sarno war Officier,« entgegnete Günther, »und gehört meiner Ueberzeugung nach zur besten Klasse dieser Herren. Daß er derb ist und gerade durch geht, sollte ihm eher zum Lobe gereichen.«
»Die Sache ist schon abgemacht,« sagte die Señora.
»Aber so laß ihn doch ausreden, mein Kind,« bat der Präsident.
»Ich bin schon fertig, Señor,« sagte Günther aufstehend – »die Sache scheint allerdings abgemacht und alles Weitere wäre nur Wortverschwendung. Allein der Colonie zu Liebe möchte ich Sie bitten, kein Militär dorthin zu legen. Es thut nicht gut und Sie selber haben die Verantwortung zu tragen, wenn Sie den Frieden der jetzt vollkommen ruhigen Verhältnisse dort nicht allein stören, nein förmlich vernichten.«
»Wir werden die Verantwortung zu tragen haben, Señor,« sagte die Präsidentin gemessen – »übrigens machen Sie sich keine Sorge weiter deshalb, denn das sind Dinge, welche eigentlich die Regierung am besten zu beurtheilen versteht.«
Herr von Schwartzau verbeugte sich kalt, und das Gespräch über diesen Gegenstand vollkommen abbrechend, legte er dem Präsidenten nur einige Papiere vor, welche rein geschäftlicher Natur waren und sich auf seine bereits vollendeten, wie die dort noch nöthigen Arbeiten bezogen. In einer halben Stunde war das Alles erledigt und der Ingenieur empfahl sich dann sehr förmlich wieder dem Präsidenten und seiner Gattin. Er war fest entschlossen, sie nicht weiter zu belästigen.
An demselben Morgen ging der Regierungsdampfer wieder nach Santa Clara und von da nach Rio de Janeiro zurück, und Günther war Zeuge, daß vierzig Mann brasilianischer Truppen, ohne Officier, auf ihm eingeschifft wurden, um, wie das Gerücht ging, die Colonie Santa Clara gegen in deren Nähe herumstreifende Indianerhorden zu schützen.