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Etwa zwölf Legoas die Küste abwärts und eine volle Legoa in den Wald hinein lag eine große, trefflich gehaltene und bestellte Chagra oder Plantage, mit weiten Mais-, Bohnen- und besonders Maniokfeldern,Die Maniokwurzel ist eine der Kartoffel nicht unähnliche Knolle, welche mit Bohnen und Schweinefleisch das Hauptnahrungsmittel der Brasilianer bildet. Sie wächst, als Wurzel eines Strauches, aber nicht rund, sondern lang, nur unter der Erde und oft bis zu Armesdicke, mit einer dünnen, braunen Schale, wie die Kartoffel. Sonderbarer Weise ist sie giftig, wenigstens der Saft derselben, und sie muß deshalb zerrieben und ausgepreßt werden, wonach man das dadurch erhaltene grobe Mehl dörrt und zu den Speisen verwendet. Eine ganz ähnliche Wurzel wie die Maniok und in Strauch und Knolle kaum von ihr zu unterscheiden, ist die besonders in Peru und Ecuador angepflanzte Yuka, welche aber kein Gift enthält und häufig gerne gegessen wird. in welchen letzteren eine Anzahl Neger beschäftigt war, die großen, schweren Wurzeln auszugraben oder, wo das ging, aus dem Boden zu ziehen und auf Haufen zu werfen, während sie die holzigen Büsche ebenfalls zusammenschleppten, um sie zu verbrennen.
Dicht an den Feldern und in einem wirklichen Walde von Orangenbäumen lagen die Häuser des Eigenthümers mit den Negerwohnungen, ohne Anspruch auf Symmetrie nach allen Richtungen und Winkeln angebaut.
Jedenfalls war es eine sehr bedeutende und umfangreiche Plantage, aber die Wohnungen verriethen das trotzdem nicht, denn etwas Einfacheres als ihre Bauart und Einrichtung ließ sich nicht wohl denken oder herstellen. Die Gebäude selber waren aus Holz und Lehm aufgeführt, mit Schindeln und Schilf gedeckt und wohl mit Fensterlöchern versehen, aber natürlich ohne Rahmen und Glas. Selbst der Boden war nicht gedielt, nicht einmal in der Wohnstube des Besitzers; die Luft konnte überall frei aus und ein und wenn sich einmal der Morgen oder Abend außergewöhnlich frisch zeigen sollte, so wurde nur ein großer Brazero, ein Messingkohlenbecken mit Holzkohlen, mitten in's Zimmer gesetzt und wer zugegen war, kauerte darum her.
Eben so einfach wie das ganze Haus waren die Möbel, welche allein aus schlicht gehobeltem Holze bestanden, und statt der Betten dienten auf ein Gestell scharf angespannte Kuhhäute, auf denen ein paar wollene Decken und ein mit wilder Baumwolle ausgestopftes Kopfkissen lagen. Unter jedem Bett aber standen ein Paar Pantoffeln für etwa eintreffende Fremde, denn es scheint fast, als ob sich ein Brasilianer keine Existenz außer in Pantoffeln denken könnte. Er trägt dieselben nicht allein im Hause, sondern auch auf seinen Spaziergängen, ja selbst auf Reisen, und Brasilianer in Schlapppantoffeln zu Pferde sind gar nicht etwas so Seltenes. So viel ist gewiß, sowie er ein Dampfboot betritt, zieht er augenblicklich die ihm lästigen Schuhe aus und seine ihm weit bequemeren Pantoffeln an, selbst wenn die übrigens rein gewaschenen Socken oft an den Hacken sehr bedenkliche Löcher zeigen.
Für Bequemlichkeit hat deshalb der brasilianische Pflanzer wohl einen Sinn, für Wohnlichkeit oder Häuslichkeit aber gewiß nicht, und er verwendet sein Geld viel lieber auf ein mit schwerem Silber überladenes Reitzeug oder Pferdegeschirr, als auf den Platz, der ihm und seiner Familie zur Wohnung dient, der also seine Heimath sein sollte – hat er doch nicht einmal ein Wort für Heimath!
Dicht an die kleinen Häuser angebaut stand ein großer, auf Pfählen errichteter Schuppen, ebenfalls mit Lehmwänden, einer mächtigen Thür, durch die ein beladener Karren recht gut einfahren konnte und im Innern mit einer vollständigen Mahleinrichtung, die aber trotzdem kaum den dritten Theil des Raumes ausfüllte.
Die Mühle selber war nicht ganz in der Mitte angebracht und bestand aus einem sehr einfachen Räderwerke, das weiter nichts als ein mit durchlöchertem Eisenblech beschlagenes Rad trieb. Das Eisenblech war in der Art wie unsere gewöhnlichen Reibeisen, welche sich in jeder Küche finden, nur etwas gröber ausgeschlagen und bestrich einen Kasten oder eine Art von Gefach, in welches die vorher nur abgeschabten Maniokwurzeln eingeschoben wurden.
Gerade war wieder ein Karren voll dieser Knollen bis hinein in den Schuppen selber gefahren und dann vorn aufgekippt worden, um die Frucht auf den Boden zu werfen. Dort kauerten augenblicklich vierzehn bis fünfzehn Neger, doch nur wenige Männer, – Frauen und Kinder darum herum mit Messern und Eisen die Knollen abzuschaben, welche dann von anderen Sclaven zu der Mühle getragen und von einem Knaben aufgeschüttet wurden. Indessen war ein kräftiger Stier hereingeführt und mit verbundenen Augen an den senkrecht laufenden Schaft gespannt, welcher das Hauptrad drehte und die hineingeworfenen Wurzeln zerrieb. Das von dem giftigen Safte noch durchdrungene Geschabe wurde dann in grob gewebte Säcke gepackt.
An der Seite des Schuppens waren für diese Säcke Pressen angebracht, rohe, starke Holzschrauben mit Löchern zu Hebebäumen, wie sie auf den Schiffen am Gangspill sind. Unter diese kamen die Säcke, unter jede Schraube einer, und wurden erst ein wenig angeschraubt, daß der Saft aus dem Gewebe herauslief, der sich dann unten in einer Rinne fing und in eine Grube lief. Jede halbe Stunde etwa zogen besondere Leute die Schraube fester und fester an, bis der Sack zu der Form eines kleinen Schweizerkäses fest und hart zusammengedrückt und der letzte Saft aus dem jetzt zu Mehl gewordenen Geschabe entfernt war.
Hinten an der Wand, auf einer Art von Backofen, stand außerdem eine riesige eiserne Pfanne über dem Feuer. Dort hinein kam das immer noch etwas feuchte Mehl und ein Neger rührte und bewegte es hier ununterbrochen, bis es vollständig ausgetrocknet, in Säcke gemessen und in die Vorrathskammer geschafft werden konnte.
Es war ein lebendiges Bild, diese Mühle mit den fröhlich plaudernden Gruppen der Mädchen und Kinder, mit dem geschäftigen Treiben der Sklaven, welche in ihrer Arbeit so regelmäßig gingen, wie der Stier in der Walze drehte, mit der halb nackten Gestalt des Negers an der heißen Pfanne, welchem die Gluth den ohnehin schon warmen Platz noch unerträglicher machen mußte.
Die Mühle schien aber auch zu einer gewöhnlichen Wohnstube benutzt zu werden, denn dicht neben der Gruppe der schabenden Mädchen stand ein langer Holztisch mit Stühlen darum her, und eine der Negerinnen kam gerade mit dem Tischtuch herein, um für die nächste Mahlzeit zu decken.
Mitten unter den Frauen und Kindern schwarzer Abstammung saßen dazu ein paar weiße Mädchen, mit derselben Arbeit beschäftigt und eine alte Dame in schwarzem Seidenkleid und schwarzer Mantille lehnte dicht daneben in einem großen Rohrstuhl und sah der Arbeit zu, während zwei kleine Negerkinder von zwei und drei Jahren zu ihren Füßen spielten und ihr auch manchmal in ihrem Muthwillen auf den Schooß kletterten.
Nur allein in einer Ecke, entfernt von den Uebrigen, saß eine weiße Frau, die in die ganze Umgebung nicht zu passen schien. Sie trug augenscheinlich eine fremde Tracht und auch die lichten Locken stachen gegen die Rabenhaare der übrigen Bewohner auffallend ab. Ihr Gesicht ließ sich aber nicht erkennen, denn sie hatte es mit ihrem Tuche bedeckt – weinte sie? Die Negermädchen unterbrachen manchmal ihre Fröhlichkeit, sahen scheu nach ihr hinüber und flüsterten dann mit einander. Ernste Gedanken konnten aber dieses leichtherzige Geschlecht nicht lange von seinem Muthwillen ablenken und irgend ein hingeworfener Scherz riß wieder alle rasch zu lauter Fröhlichkeit hin.
Ein alter Herr in einem dunkeln, langen Rock, aber einen Panamahut auf, betrat die Mühle. Er war jedenfalls ein Geistlicher und der Eigenthümer der Plantage, schien auch die Frau in der Ecke bei seinem Eintritt gar nicht gesehen zu haben, sondern ging zuerst zu den Arbeitern, um sich zu überzeugen, daß die Beschäftigung ohne Störung verliefe, und trat dann zu dem Stuhl der alten Dame, neben dem er sich ebenfalls niederlassen wollte, als eine Handbewegung derselben seine Aufmerksamkeit auf die Fremde lenkte.
Langsam drehte er sich nach ihr um, betrachtete sie wohl eine Minute schweigend, schritt auf sie zu und legte seine Hand leicht auf ihren Kopf. Die Frau hob die rothgeweinten Augen zu ihm auf und sah ihn an, und der alte Herr sagte freundlich:
»Aber meine liebe Señora, was geben Sie sich immer und immer wieder diesen trüben Gedanken hin? Den Schritt, den Sie gethan, haben Sie aus eigener fester Ueberzeugung und mit freiem Willen gethan; die Gesetze dieses Landes wie die Kirche selber schützen Sie darin, weshalb also nun noch diese Traurigkeit? Frohlocken sollten Sie eigentlich, daß Sie, wenn auch spät, doch endlich zu der rechten Erkenntniß gelangt sind, denn die Bahn liegt jetzt offen vor Ihnen, welche Sie zu Glück und Frieden führen kann.«
»Ach, Sie haben ja wohl Recht, ehrwürdiger Herr,« sagte die Frau in ziemlich gutem Portugiesisch – »ich hab' es ja Alles aus freiem Willen gethan – es hat mich kein Mensch dazu gezwungen, aber nun, da es geschehen ist, kommt mir doch immer noch manchmal ein Gedanke, als ob ich doch am Ende unrecht, als ob ich schlecht gehandelt hätte.«
»Und kann eine Handlung schlecht sein, die Gesetz und Religion auf ihrer Seite hat?« fragte der Mann.
»Ach nein, nein,« sagte die Frau rasch – »es sind ja auch nur manchmal die albernen dummen Gedanken. Sprechen Sie mir nur Trost und Zuversicht ein, lieber Herr, nachher wird schon Alles gut werden. Es ist – es ist mir nur noch Alles hier so neu, so fremd und ich sollte eigentlich recht, recht glücklich sein, denn mein – früherer Mann darf mich jetzt nicht mehr auszanken und schlagen und – ich werde die alte vergangene Zeit ja auch bald vergessen.«
»Das werden Sie, liebes Kind,« sagte der Brasilianer, »und sich außerdem auch noch vollkommen ruhig und sicher fühlen können, denn gleich nach dem Essen werden die Pferde kommen, welche Sie nach Santa Catharina bringen sollen. Dort hat Ihr Herr Gemahl eine sehr hübsche Besitzung und Sie werden dort alles Leid, alle Sorgen bald und schnell – vergessen,« setzte er langsamer hinzu und horchte nach der Thür hinüber, von der ein merkwürdiges Geräusch herschallte. Es war fast, als ob Jemand um Hülfe riefe, und in demselben Augenblicke stürzte auch ein Negerjunge herein, auf seinen Herrn zu und rief:
»Señor – fremder Mann hat andern fremden Herrn gepackt – hier,« erklärte er deutlicher und griff sich selber nach dem Halse – »so fest. Ein Señor schreit und andere . . .«
»Was ist da vorgegangen?« rief der Brasilianer erstaunt, aber die Frau war todtenbleich geworden. Eine Ahnung der Wahrheit schoß ihr durch die Seele und mit gefalteten Händen emporspringend, rief sie aus:
»Schützen Sie mich um Gottes willen; das ist mein Mann, der mich aufgefunden hat!«
»Hm,« sagte der brasilianische Geistliche – »das wäre möglich, aber haben Sie keine Furcht. Hier kann Ihnen nichts geschehen, denn Sie sind unter meinem Dache.«
Er behielt aber keine Zeit weiter, sie zu beruhigen, denn durch die Thür herein flogen noch ein paar Negerjungen und dicht hinter ihnen erschien eine Gruppe, vor welcher die Mädchen erschreckt von ihrer Arbeit aufsprangen und die allerdings mit der bisherigen freundlichen Ruhe des Platzes im grellsten Widerspruche stand.
In dem breiten Thore, durch welches erst vor wenigen Minuten wieder der Karren geschoben war, welcher den neuen Vorrath in die Mühle gebracht, erschien unser alter Bekannter, der Colonist Pilger aus Santa Clara, aber nicht mehr der ruhige stille Mann, wie wir ihn dort gesehen, sondern mit erhitztem Gesicht, zornfunkelnden Augen, die dunkelbraunen Haare wirr um die Schläfe hangend, das Hemd durch das Raufen vorn auseinander gerissen: so trat er ein, und seine rechte Hand hatte sich krampfhaft in die Halsbinde des früheren Delegado von Santa Clara gekrallt, den er, weiter gar nicht mehr seiner achtend, hinter sich herschleifte.
Der arme Delegado sah bös aus. Seine beiden hübschen Pantoffeln hatte er unterwegs verloren und war in bloßen Strümpfen durch die oft schmutzigen Stellen der Straße hergeschleppt; sein Rock hing ihm nur noch in Fetzen vom Leibe, sein Hemd war zerrissen, sein Hut ebenfalls verloren und im Gesicht blutete er an drei bis vier verschiedenen Stellen.
Die Neger, die ebenfalls herbeigesprungen waren, starrten von der Gruppe zu ihrem Herrn, denn sich in den Kampf zweier Weißen zu mischen, schien ihnen nicht räthlich; aber der eine von diesen war doch der Gast des Herrn selber, und dessen Befehl erwarteten sie jetzt. Ehe dieser aber nur einen solchen geben, ja, vielleicht selber einen Entschluß fassen konnte, hatte Pilger's wild umherschweifender Blick die Frau erspäht. In dem Moment war der Gefangene, war seine ganze Umgebung vergessen, und den Portugiesen loslassend, der in Angst und Scham hinter dem Geistlichen Schutz suchte, eilte er auf sie zu und rief:
»Margareth! Margareth! und muß ich Dich hier finden?«
Er wollte auf sie zugehen und ihre Hand fassen, der Brasilianer aber, der indessen mit ruhigem Blick das Ganze überschaut hatte und den Zusammenhang vollkommen gut begriff, trat zwischen ihn und Margareth, und den Arm gegen ihn hebend, sagte er ruhig:
»Halt, lieber Freund – dies ist mein Haus – hier ringsum stehen meine Leute, mir Ordnung zu halten, wenn Jemand dieselbe gegen meinen Willen stören wollte, und ich bitte Sie deshalb jetzt, mir ganz leidenschaftslos zu sagen, was Sie hier wünschen, was Sie hergeführt und weshalb Sie meinen Freund, Dom Franklin, auf so rohe Weise mißhandelt haben.«
»Was ich will? Was mich hergeführt?« sagte Pilger, erstaunt zu dem Brasilianer aufsehend, »fragen Sie die Frau da, welche ohne einen Blutstropfen im Gesichte hinter Ihnen steht und sich mit ihren Augen in den Boden eingraben möchte. Wissen Sie, was die Beiden verschuldet, die Frau da und jener blutige Schuft, der dort scheu in die Ecke gekrochen ist?«
»Mein Herr,« sagte der Brasilianer ruhig – »Sie häufen da schwere Anklagen auf zwei Leute, welche, was auch früher Ihre Anrechte gewesen sein mögen, jetzt vollkommen unabhängig unter dem Schutz der brasilianischen Gesetze stehen und von keinem Menschen, am wenigsten von einem fremden Protestanten, beleidigt werden dürfen. Bedenken Sie das, oder vielmehr, Sie hätten es früher bedenken sollen, ehe Sie die Hand an einen brasilianischen Bürger legten.«
»Und in niederträchtigster Weise hat er mich überfallen!« rief der Delegado jetzt hinter dem Geistlichen vor; »langsam kam ich den Weg entlang, der hier nach der Hacienda führt, als dieser Mensch wie ein Bär über mich her stürzte, mich zu Boden schlug, würgte und mich dann hierherschleppte. Da müßte ja doch keine Gerechtigkeit mehr in Brasilien sein, wenn sich ein brasilianischer Bürger so von einem hergelaufenen Lump behandeln zu lassen brauchte.«
Pilger erwiderte kein Wort, aber der Blick, mit dem er auf den zurückweichenden Delegado zuschritt, schien diesem einen neuen und vielleicht gefährlicheren Angriff zu versprechen, als der erste gewesen. Ein Wink des Hausherrn brachte aber die Neger auf diese Seite herüber, hinter denen der Delegado Schutz fand, und Pilger, nur noch einen verächtlichen Blick nach dem feigen Patron hinüberwerfend, sagte in deutscher Sprache:
»Was ärgere ich mich auch noch mit dem Schuft! Komm, Grethe – Du hast hier nichts mehr zu thun. Wir Beide wollen gehen, und unser Herr Pfarrer daheim mag nachher die Sache in Ordnung bringen. Du scheinst Dich mit mir nicht länger glücklich zu fühlen – gut – ich will und werde Dich nicht zwingen, bei mir zu bleiben. Aber Deinen Eltern habe ich versprochen, wie ein ehrlicher Mann an Dir zu handeln – was Du versprochen hast, weißt Du selber am besten – und so will ich Dich ihnen wenigstens zurück nach Deutschland schicken, daß sie sehen, ich habe mein Wort gehalten. Nun?« fuhr er erstaunt fort, als er sah, daß sich Margarethe gar nicht regte und nicht einmal das Auge aufschlug – »eine volle Woche bin ich in wahrer Todesangst Deinetwegen in der Gegend hier herumgefahren und habe gehungert und gedurstet, nur mit dem Gedanken an Dich – Dich zu retten aus dem Verderben, in das Dich jener Bube gelockt, und jetzt – jetzt hast Du nicht einmal einen Blick für mich, Grethe?«
»Ich weiß nicht, was Sie Beide noch in Deutsch zu verhandeln haben,« mischte sich hier der Brasilianer ein, »denn ich verstehe die Sprache nicht; erlauben Sie mir aber zu bemerken, mein Herr, daß Sie mit dieser Frau nichts weiter im Geheim verhandeln dürfen, so lange ich wenigstens dabei bin und unter meinem Dache – Sie haben mich doch hoffentlich verstanden?«
»Mit meiner Frau nicht?« lachte der Deutsche bitter – »das wäre nicht übel. Außerdem werde ich Sie nicht länger hier belästigen; daß auch Sie mir aber noch Rechenschaft geben sollen, eine ihrem Manne weggelaufene Frau versteckt zu haben, darauf können Sie sich verlassen. Komm, Grethe, mir wird die Luft zu schwül hier; ich muß fort!«
»Niemand hält Sie,« sagte der Brasilianer kalt – »so viel aber diene Ihnen außerdem zu wissen, daß diese Frau nicht mehr die Ihrige ist, sondern daß ich sie vorgestern schon mit Dom Franklin Brasileiro Lima nach dem Ritus unserer Kirche verbunden habe.«
»Sie? Meine Frau mit dem da?« rief Pilger, kaum seinen Ohren trauend.
»Ich bin Geistlicher,« sagte der Brasilianer, sich hoch emporrichtend, »und nachdem Ihre frühere Frau den katholischen Glauben angenommen hat, habe ich sie mit Dom Franklin nach dem Ritus unserer Kirche zu unlöslicher Verbindung zusammengegeben.«
»Eine verheirathete Frau?« rief Pilger wieder, dem sich fast die Sinne bei dem eben Gehörten verwirrten.
»Eine protestantische Ehe ist nach unseren Gesetzen kein canonisches Hinderniß,« sagte der Geistliche kalt, »und wenn Sie in ein fremdes Land kommen, müssen Sie sich auch den da bestehenden Gesetzen fügen.«
»Bin ich denn wahnsinnig, oder wollen Sie mich erst dazu machen?« sagte Pilger und hielt sich mit beiden Händen seine Stirn – »die Freiheit unserer Religion ist uns vom Staate zugesichert, und alle protestantischen Ehen sollten ungültig sein?«
»Vor dem Gesetze, ja,« sagte der Brasilianer, und ein spöttisches Lächeln zuckte um seine Lippen – »als Concubinat lassen wir sie gelten, als weiter nichts. Doch das ist eine Sache, die ich nicht länger hier mit Ihnen verhandeln möchte. Sie werden nach dem Vorhergegangenen begreifen, daß Ihre weitere Gegenwart hier für beide Parteien nur unangenehm sein kann.«
»Und Du, Margareth?« sagte Pilger jetzt mit fast gebrochener Stimme, »Du hast so handeln können? Fühlst Du denn die Schande und Schmach gar nicht, die Du mir und Dir dabei angethan?«
Die Frau stand regungslos in ihrer Ecke, die Augen fest und scheu auf den Boden geheftet, aber sie sprach kein Wort, und der Brasilianer, der dieser Scene unter jeder Bedingung ein Ende machen wollte, rief:
»Jetzt ist's genug, Señor – die Frau steht hier unter dem Schutze meiner Schwester und ihres rechtmäßigen Gatten. Glauben Sie wirklich noch Rechte an sie zu haben, so wenden Sie sich an die Gerichte des Landes, die Ihnen sagen werden, was Sie zu hoffen haben. Jetzt aber verlassen Sie dieses Haus, wenn Sie mich nicht zwingen wollen, mir mit Gewalt Ruhe und Frieden auf meinem Eigenthum zu verschaffen.«
»Gut,« sagte Pilger ruhig – »ich gehe; ich sehe überhaupt, wie es hier steht, denn die Frau hat Scham und Ehre abgeschworen, und ist doch eines braven Mannes nicht mehr werth. Wenn aber noch Gesetz und Gerechtigkeit in Brasilien zu finden sind, so wollen wir doch sehen, ob ein solcher Schurkenstreich ungestraft verübt werden darf!«
»Joao! Pablo! Pedro!« rief der Brasilianer, bei dem jetzt auch der Zorn die Oberhand gewann – »werft mir diesen Fremden einmal hinaus auf die Straße!« und drei oder vier Neger sprangen vor, dem Befehl zu folgen. Pilger aber, ein breites, schweres Messer aus seinem Gürtel reißend, sagte ruhig:
»Kommt, meine Burschen! Aber Gott verdamm' mich, den Ersten, der einen Arm nach mir ausstreckt, hacke ich in Stücke!« Und damit wandte er sich und ging festen Schrittes der Thür zu.
»Santa Maria!« schrieen die Neger, erschreckt vor dem Stahl zurückprallend und sprangen dann ebenfalls nach ihren Messern und rissen die Bäume aus den Schraubenpressen, um Gewalt mit Gewalt zu begegnen. Der Brasilianer wollte es aber doch nicht zum Aeußersten kommen lassen und da der Fremde jetzt selber ging, winkte er die Schwarzen zurück. Er sollte den Platz unbelästigt verlassen.