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DIE HIMMELSROSE

Die Schönheit die ich schaute überfliesset
Gewiss nicht unser maass allein – ich merke
Dass nur ihr schöpfer völlig sie geniesset.

Von hier ab (geb ich zu) lässt mich die stärke
So wie nur je an einem punkt gezittert
Lust- oder trauer-dichter bei dem werke.

Wie Sonnenschein in einem aug das flittert
So macht in meinem geiste das vor-schweben
Des süssen lächelns dass er in sich splittert.

Vom ersten tag an wo ich sie im leben
Gesehen bis zu diesem hohen spiele
War ihr zu folgen meinem sang gegeben.

Doch jetzt muss ich abstehn mit meinem kiele
Von ihrer schönheit und ich leg ihn nieder
Wie jeder künstler angelangt am ziele.

Wie ich sie lasse nun ● für höhere lieder
Als meiner tuba die nun des gewichtes
Mich bald entlediget – begann sie wieder

Als führer froh am ende des verrichtes:
Wir sind getreten aus dem lezten triebe
Des weltenrings zu dem des reinen lichtes.

Wir sind im geistigen licht dem licht voll liebe
Der liebe wahren gutes voll entzücken
Entzücken vor dem keine wonne bliebe!

Nun siehst du beide heiligen heere rücken
Vom paradies: die einen schon umkleidet
Wie sie sich für den lezten richter schmücken.

Wie wenn ein unverhoffter blitz durchschneidet
Der augen fähigkeit und das verscheuchte
Gesicht die stärksten dinge nicht mehr scheidet:

So überströmte mich lebendige leuchte
Und hielt mich so umhüllt von allen Seiten
Mit ihrem scheine dass ich blind mir deuchte.

›Der hohe Spender dieser Seligkeiten
Hebt zu sich auf stets mit dergleichen segen
Um für sein licht die fackeln zu bereiten.‹

Nicht schneller aber flüsterte entgegen
Mir dieses kurze wort als ich erkannte
Dass macht mir wuchs die nicht in mir gelegen.

Und meines schauens neue kraft entbrannte
Dass nun – wie grosse reinheit er erlange –
Kein strahl mehr wäre der mein auge bannte.

Und ich sah licht mit eines flusses gange
Vom glänze blitzend durch zwei ufer dringen
In ihrem wunderbaren frühlingsprange ●

Sah von der flut nach allen Seiten springen
Und auf die blumen fallen helle funken
Rubinen gleich die sich mit gold umschlingen.

Dann wiederum als ob von düften trunken
Vertieften sie sich in der wunderwelle
Und dieser stieg und jener war versunken.

›Der hohe wunsch der nun dich drängt zur helle
Wird dir zu kennen was du schautest taugen
Und mich erfreun je mehr er in dir schwelle.

Doch erst musst du an jenen wassern saugen
Bevor der grosse durst dich nicht mehr dränge.‹
So sprach zu mir die sonne meiner augen

Und fügte zu: Das fliessende gepränge ●
Topase ● färben heitrer frühlingskinder ●
Sind nur der Wahrheit schattende behänge.

Doch nicht als wären diese dinge minder!
Den mangel nimm allein zu deinem teile!
Für solche glorie bist du noch ein blinder.

So dreht kein kind mit einer grösseren eile
Den kopf und sucht die milch die lang entnommne
Wenn es verschlafen die gewohnte weile

Als ich mich wandte und um das beklommne
Gesicht zu stärken neigt ich mich den wogen
Die strömen dass sich jeder vervollkommne.

Als kaum ich übers wasser hingezogen
Mit meinen lidern merkten die nun scharfen
Dass seine linie wechselte zum bogen.

Wie menschen die verborgen unter larven
Als andre kommen wenn sie mit den Stoffen
Die nicht gebührende gestalt verwarfen:

So ward vom Wechsel grössrer pracht betroffen
Nun flor und funke – so dass ich gesehen
Die beiden himmelshöfe klar und offen.

O glanz des Herrn durch welchen ich gesehen
Des wahren königreiches triumphieren
Gib kraft zu sagen mir was ich gesehen!

Ein licht ist in den oberen revieren
Das unser schöpfer denen all bereitet
Die ganz in seinem anschaun sich verlieren:

Das in gestalt des kreises sich verbreitet –
Und schlösse sich sein aussenring zusammen
Es war als sonnengürtel zu geweitet.

Es ist geschaffen nur aus lautren flammen
Und trifft der ersten Sphäre höchste ränder
Wo sein und wirken ihm allein entstammen.

Wie sich ein felsen an dem seegeländer
Bespiegelt gleichsam sich im schmucke sehend
Des saftigen grüns und blumiger gewänder:

So sah ich ringsum überm lichte drehend
All die sich spiegeln in viel tausend sitzen
Die heimgekehrt sind dieser welt entgehend..

Und wenn nun schon die untren sprossen blitzen
Von solcher pracht – wie mag sich dann erst breiten
Die rose bis zu ihren obern spitzen.

Und weder in den höhen noch den weiten
Verwirrt ich mich: ich habe ganz besessen
Das wie und wieviel aller herrlichkeiten.

Hier wird das nah und fern nicht mehr gemessen
Denn wo Gott selber unvermittelt schaltet
Ist das natürliche gesetz vergessen.

Zum gelb der ewigen Rose die entfaltet
Sich hebt und duftet – düfte von dem ruhme
Der sonne die in ewigem frühling waltet:

Da zog mich schweigend hin der seligen Blume
Als ob sie zu mir reden wollte: Schaue
Der weissen kleider zahl im heiligtume!

Sieh unsre stadt wie sie sich wölbend baue!

HIMMEL ● XXX. GESANG ● 19-130.

 


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