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Es war einige Tage später, als Dina die Legationsräthin von Lavallon zur Spazierfahrt abholte. Es wurden auch noch zwei Lavallon'sche Kinder von drei und von vier Jahren, besondere Lieblinge Dina's, mit in den Wagen gesteckt. Dieser rollte langsam auf der Bockenheimer Chaussee zwischen den reizenden Landhäusern dahin, aber trotz des hellen, schönen Wintertages, trotz der Heiterkeit der Kinder und des Weges sah Dina stumm und theilnahmlos vor sich hin.
Da kam ein Reiter herangesprengt. Dina wurde roth und nahm die Lorgnette an's Auge, ließ sie [126] aber sogleich wieder sinken; Elise hatte den Reiter schon von Weitem erkannt, es war Huber.
Er ritt an den Wagenschlag und begrüßte die Damen, die etwas überrascht seinen Gruß erwiederten, da er sowohl von Dina wie von Elisen nur ein oberflächlicher Bekannter war; aber schon nach den ersten Begrüßungsworten sagte er:
»Verzeihen die Damen, daß ich so zudringlich bin, doch mir scheint es ein Wink des Himmels, daß ich Ihnen hier begegne. Sie können ein großes Unglück verhüten.«
»Was giebt es denn?« frugen erschrocken die beiden Damen.
»Ihr Herr Gemahl,« sagte Huber, sich zur Legationsräthin wendend, »will sich morgen früh mit einem Freunde von mir schlagen.«
»Wie heißt der Freund?« frug Dina mit ziemlicher Gleichgültigkeit.
»Ich sollte eigentlich Nichts verrathen, denn ich bin Secundant, – aber die Sache ist gar zu unsinnig; denken Sie sich, der Herr Legationsrath kommt zu meinem Freunde, dem Baron Walram –«
[127] »Die Beiden kennen sich ja gar nicht!« rief Elise, aber Dina hielt ihr die Hand auf den Mund und rief: »Laß ihn reden!«
»Also er kommt zu Walram und sagt ihm Horreurs sans rime et sans raison, und Walram beauftragt mich, als ich, durch das Schreien des Legationsrathes angelockt, in die Thüre trete, den Herrn von Lavallon in seinem Namen zu fordern, und dann entfernt er sich. Ich thue das und der Herr Legationsrath geht höchst befriedigt ab, nachdem er die Ausforderung angenommen. Brieflich habe ich nun die Sache für morgen früh festsetzen müssen.«
»Kam Dein Mann von einem Diner?« frug Dina.
Elise schüttelte ernsthaft den Kopf. »Mein Mann ist kein Trinker. Er hat noch in seinem Leben keinen Rausch gehabt. Wissen Sie denn gar nicht, Herr von Huber, was er als Ursache seiner Wuth gegen Baron Walram angab?«
»Ich weiß es wohl,« sagte Huber lächelnd, »denn er hat es mir selbst noch gesagt, – ich kann es aber nicht den Damen mittheilen,«
[128] »Es betrifft hier die Gräfin,« sagte Elise mit einem bedeutenden Blick, »die Hauptsache weiß ich, sagen Sie also!«
»Mich,« rief Dina, »das ist unmöglich!«
»Ja wohl! die gnädige Frau hat ganz Recht. Es betrifft die Frau Gräfin. Der Herr Legationsrath hat, nachdem er im Vorzimmer der Frau Gräfin Walram begegnet, die Dame in höchster Aufregung und in Thränen gefunden und hat aus ihrem ganzen Benehmen geschlossen, daß sie von Walram beleidigt worden, – das will er als ihr Freund nun rächen, hat aber seine Forderung einer Erklärung so unhöflich vorgetragen, daß Walram sie ihm gar nicht gewähren und ihm gar nicht sagen konnte, daß er völlig im Irrthum ist.«
»Baron Walram hatte mir eine sehr erschütternde Geschichte erzählt!« sagte Dina mit niedergeschlagenen Augen.
»So sagte mir Walram,« fiel Huber ein. »Eine Geschichte, bei welcher keine gefühlvolle Frau ihre Thränen würde zurückzuhalten vermögen.«
»Wie, und so sollte also wirtlich das Duell vor sich gehen?« frug Elise.
[129] »Morgen früh in Wilhelmsbad.«
»Es ist schon gut,« sagte lächelnd Dina, – »das Duell wird nicht Statt finden. Ihnen, Herr von Huber, bin ich sehr dankbar für die Notiz, bitte Sie aber inständigst –«
»Um die strengste Discretion, bei meiner Ehre! Niemand soll eine Sylbe darüber erfahren.«
»Es wäre auch gar zu arg! Wenn ein verheiratheter Mann, der Vater von fünf Kindern, sich für mich schlüge, und zwar um einer Einbildung willen, man könnte am Ende glauben, er machte mir die Cour; also reinen Mund!«
Huber verbeugte sich gewandt im Sattel gegen beide Damen und sprengte davon, Elise aber neigte sich zu Dina und flüsterte leise: »So verhält es sich auch!«
»Was verhält sich auch so?«
»Er macht Dir wirklich die Cour!«
»Wer?«
»Mein Mann!«
»Du scherzest!«
»Noch mehr, er ist sterblich in Dich verliebt!«
[130] »Warum nicht gar!«
»Noch mehr! Er glaubt sich auch von Dir geliebt!«
»Elise!!«
»Ereifre Dich nicht! Die Männer sind eitel, – mein Mann besonders. Ich habe die Entdeckung schon vor mehreren Monaten gemacht. Hätte er nicht die Mission bekommen, die ihn die letzten Wochen entfernt hielt, Du würdest sie jetzt auch schon gemacht haben. Ach, liebe Dina, ich habe viel ausgestanden in der letzten Zeit!«
»Liebe, gute Elise! und um meinetwillen?«
»Mit dieser Liebe meines Mannes für Dich hat es eine eigne Bewandtniß, ja, sie ist die Quelle meines Unglücks, die Ursache meiner angegriffenen Gesundheit, meiner bleichen Wangen, die Dich so oft besorgt gemacht haben. Aber sie ist es nicht in dem Sinne, wie Du glauben wirst, wie Jeder glauben wird, …«
»Ich verstehe Dich nicht!« sagte Dina verwundert.
»Du weißt, seit zehn Jahren bin ich mit Lavallon verheirathet. Ich war zwei und zwanzig [131] Jahre alt, nicht schön, nicht reich, nicht aus einer Familie, durch deren Einfluß ein Schwiegersohn irgendwo poussirt werden konnte, hatte drei jüngere Schwestern, die alle hübsch zu werden versprachen. Da warb Lavallon um mich, meine Eltern redeten mir zu, und er gefiel mir auch ganz gut. Er galt für einen sehr soliden, gebildeten und talentvollen Mann, und meine Bekannten sagten mir soviel Schönes über meinen Bräutigam, daß ich selbst glaubte, ich habe ein großes Loos gezogen.
Du siehst ängstlich mich an, Dina, aber es hilft Dir nichts, Du mußt mich anhören, – keiner Menschenseele kann ich mein Herz ausschütten, als Dir, – und mein Geheimniß erdrückt mich!
Das Verhältnis mit meinem Manne war ein gutes, obgleich wir uns im Ganzen fremd waren; Keiner kannte eigentlich die Gefühle und Gesinnungen des Andern, aber da wir immer in der Gesellschaft lebten, bemerkte ich das kaum. War ich zu Hause, so erfüllten meine süßen, prächtigen Kinder mein ganzes Herz, und ich war eigentlich eine glückliche Frau.
[132] Da verliebte sich voriges Jahr Lavallon plötzlich in Dich, obgleich er Dich seit Deiner Kindheit kennt und früher nie für Dich schwärmte; – ich bemerkte vom ersten Augenblicke an diese Liebe, und – nun kommt mein Geständniß – blieb ganz gleichgültig dabei! Ist das nicht entsetzlich, Dina?«
Die Gräfin hätte beinahe laut aufgelacht über diese naive Erklärung, aber sie beherrschte sich doch und sagte nur: »So entsetzlich finde ich das nicht!«
»Doch, Dina, es ist schrecklich, wenn es einer Frau ganz einerlei ist, ob ihr Mann, der Vater ihrer Kinder, eine Andere liebt, oder nicht! Ich komme mir ganz unmoralisch vor!«
»Liebe, beste Elise, welche eigenthümliche Gewissenhaftigkeit!«
»Ach, und es ist nicht bloß meine Gleichgültigkeit, die mich schmerzt, es ist auch noch seitdem ein anderes Gefühl in mir wach geworden, das noch viel schlimmer ist. Ich kann mir's nicht versagen, mich innerlich über meinen Mann lustig zu machen! Wenn er so dasteht und Dich ansieht mit seinen halbgeschlossenen Augen, und seine dicke, unbehülf [133]liche Figur sich hin- und herbewegt, um Dir gefällig zu sein. Dir, der Keiner gut genug ist, geschweige denn ein vierzigjähriger, dicker Ehemann – dann möchte ich immer laut auflachen! Ja, glaube mir's, Dina, er ist mir lächerlich geworden! Und ich bin überzeugt, daß eine Frau, die ihren Mann haßt, zehnmal weniger zu beklagen ist, als eine, die sich es nicht versagen kann, sich innerlich über ihn lustig zu machen! Es wäre besser, er hätte in meinen Augen ein Laster, als eine Lächerlichkeit.«
»Mein Gott, Elise, Du bist eine so kluge, vernünftige, besonnene Frau, Du wirst dieses Gefühl ja in Dir unterdrücken können, um Deinen Mann wieder im früheren guten Lichte zu sehn.«
»Vielleicht, wenn ich ihn nicht mehr als Seladon sehe, vielleicht gelingt es mir dann! Ich bete alle Abende zum lieben Gott: Gieb, daß mein Mann nicht mehr meinen Spott erregt! Bis jetzt aber hat es nichts geholfen, der ironische Dämon in mir ist viel stärker, als der gute Geist der ehelichen Bewunderung.«
»Ich weiß wahrhaftig nicht, Elise, ob ich über Deine Mittheilung trauern oder lachen soll!«
[134] »Du nimmst die Sache zu leicht, Dina, das habe ich gefürchtet. Ich kann Dir aber versichern, daß diese Gesinnung gegen meinen Mann vollständig mein Gewissen beunruhigt, mir meine Seelenruhe raubt!«
»Dein Gewissen braucht sich nicht zu beunruhigen um einen Mann, den Du für untreu erklärst!«
»Diese Untreue darf ich ihm nicht zu hoch anschlagen, die Lächerlichkeit ist dabei größer als die Schuld.«
»Du bist sehr nachsichtig, Elise!«
»Nein, nein, nur gerecht! Es ist beinahe unmöglich für einen Mann, längere Zeit in Deiner nähern Umgebung zu leben, ohne sich in Dich zu verlieben.«
»Welch ein Compliment!«
»Es soll keines sein. Denn ich meine eigentlich nur, daß Deine Coquetterie unwiderstehlich ist!«
»Coquetterie? Ist das Scherz oder Ernst?«
»Ernst! Und ich habe Dir das schon längst sagen wollen, – aber so Etwas zu sagen, fällt schwer, doch jetzt bin ich im Zuge.«
[135] »Ich hätte eine solche Ungerechtigkeit nicht von meiner liebsten Freundin erwartet,« sagte tief gekränkt Dina, »verzeihe sie Dir aber, weil es Dein Mann ist, – der die Ursache dieser Entdeckung an mir ist!«
»Nein, nein, Dina, diese Entdeckung hatte ich schon gemacht, als Du erst zehn Jahre alt warst, und laß es mich Dir offen gestehen, ich habe mich daran gefreut; denn Deine Coquetterie ist angeboren und ganz natürlich, ja sogar unbewußt, soviel als das möglich ist. Deine Seele hat eben keine Ruhe, bis jeder Mann, der in Deinen Kreis kommt, Dir zu Füßen liegt, – daß Du dazu selbst durch Deine Art, ihm gegenüber zu sein, Etwas beiträgst, weißt Du selbst nicht, – und mich hat es immer gefreut, zu sehen, wie Einer nach dem Andern das Knie beugen mußte, sie mochten wollen oder nicht, – ich gönne es diesen üppigen Salonherren, wenn eine schöne Frau sie zur Verzweiflung bringt; sie haben das um unser armes Geschlecht hundertfach verdient, – und Du folgst eben nur Deiner Natur, aber keiner Berechnung, – das Letztere allein ist fürchterlich, doch davon weiß ich Dich rein.«
[136] »Elise,« sagte Dina ganz bleich und erschrocken, »ich weiß wahrhaftig nicht, was ich sagen soll! Eine Rechtfertigung auf diese Beschuldigung kann keine Frau geben!«
»Du hast es auch nicht nöthig, Dina! wozu Rechtfertigung? Nur da ist Unrecht, wo Absicht ist. Ich habe Dir jetzt die Augen über Dich selbst geöffnet, weil es Zeit ist! Solange kein Dir würdiger Mann Dir huldigte, konntest Du coquett sein. Solange Dein Herz keinen Einzelnen vorzog, konntest Du Alle berücken, – aber jetzt mußt Du Dich ändern!«
Dina preßte das Tuch vor die Augen und sagte schluchzend wie ein Kind: »Das ist schon geschehen, Elise! Eine Umwandlung ist in meinem Innern vorgegangen, die ich selbst nicht begreife, – es ist mir Alles gleichgültig.«
»Dieses aufrichtige Bekenntniß macht Dich mir theurer, als Alles, was Du zu Deiner Rechtfertigung hättest sagen können, –« rief Elise in warmer Bewunderung des liebenswürdigen Charakters Dina's, die ihren Tadel so ohne Groll aufnahm.
[137] »Schlage meine Demuth und Versöhnlichkeit nicht zu hoch an, Elise! Ich bin jetzt so in einem Gedanken befangen, daß ich für gar nichts Anderes Sinn habe, selbst nicht für eine ungerechte Beschuldigung, oder eine Beleidigung, – denn ich bin ganz eingenommen von einem Gegenstande.«
Der Wagen, in dem die beiden Frauen sich bis jetzt so ungestört unterhalten hatten, rollte nun auf Pflaster und das Gespräch mußte aufhören.
An Elisens Thüre, als dort der Wagen hielt und sie Dina frug, ob sie nicht mit ihr einen Augenblick hereinkommen wolle, sagte die Gräfin freundlich:
»Nicht doch, Elise, ich sehne mich jetzt nach meinem stillen Zimmer, – aber heute Abend bitte ich Dich, mir Deinen Mann unter irgend einem Vorwande zu schicken. Gieb ihm ein Buch, oder sonst Etwas für mich, – ich muß ihm eine Erklärung wegen letzthin geben, und da wird er ja gleich von dem tollen Duell abstehen.«
»Ich will ihn Dir schicken, Dina, das ist leicht, aber ihn von seiner Duellidee abzubringen, wird [138] nicht so leicht sein, – denn er ist eigensinnig und unternehmend, er hat Muth!«
»Aber er hat auch fünf Kinder!«
»An die denkt er jetzt nicht,« sagte lächelnd Elise und verschwand mit freundlichem Kopfnicken in der Thüre.
Der Legationsrath Lavallon kam wirklich am Abend mit einem Auftrage seiner Frau zu Dina. Zum Erstenmale, weil seine Frau sie aufmerksam gemacht, fiel ihr nun das sonderbare Benehmen Lavallon's auf. Sie bemerkte nun seine schmachtenden Blicke, seine Unruhe, und leider müssen wir gestehen, daß sie trotz all' ihrem Leid, von dem sie noch am Morgen so herzbrechend gesprochen, sich daran ergötzte.
Nachdem die Unterhaltung eine Zeitlang über gleichgültige Dinge geführt worden, sagte Dina unbefangen:
»Ich bin Ihnen auch noch eine Erklärung schuldig, und muß Sie um Verzeihung bitten, daß ich dieser Tage bei Ihrem Eintritte mich so sonderbar benommen. Aber Herr von Walram, den Sie noch im [139] Vorsaal getroffen haben müssen, hatte mir eine Mittheilung gemacht, die mich auf das Tiefste erschütterte.«
»Wirklich?« frug mit einer Ironie, die sie ihm gar nicht zugetraut, der Legationsrath.
»Ich hatte ihm ein Geschenk für eine Unglückliche mitgegeben, – er brachte es mir zurück, weil es zu spät kam, – aber die näheren Umstände erlassen Sie mir.«
Lavallon verbeugte sich, ohne Etwas zu sagen, es war offenbar, er schenkte Dina's Worten keinen Glauben – und scheute sich auch nicht, ihr das zu zeigen.
Sie wußte nun nicht mehr, was sie sagen sollte, um ihn zu überzeugen; doppelt schwer wurde ihr, Etwas auszudenken, um das Duell zu verhindern, weil der Legationsrath eigentlich Recht hatte, – denn Dina's Thränen waren nicht dem Elende der armen Frau geflossen, – ihre Erschütterung war die Folge von etwas ganz Anderem.
Sie beschloß endlich, mit List die Sache durchzuführen; aufgeschoben ist hier aufgehoben, dachte sie, [140] und ersuchte mit ihrem liebenswürdigsten und süßesten Lächeln den Legationsrath, sie doch morgen früh, um die Zeit, wo sie wußte, daß das Duell Statt finden sollte, in ein Atelier zu begleiten.
»Es ist mir unaussprechlich leid, meine gnädige Frau, aber ich habe gerade um diese Zeit ein unaufschiebbares Geschäft, – eine diplomatische Conferenz bei dem österreichischen Gesandten.«
»Täuschen Sie mich nicht, ich weiß zufällig, daß morgen früh der österreichische Gesandte nicht beschäftigt ist; also flunkern Sie mir Etwas vor. Warum wollen Sie nicht mit mir gehen?«
»Weil, ich bleibe dabei, ich ein Geschäft in der österreichischen Canzlei habe. – Der Gesandte selbst wird nicht gegenwärtig sein.«
»Lavallon, Lavallon! Uns Frauen gegenüber kommen die Diplomaten zu kurz! Eure Kunst taugt nur höchstens dazu, andere Männer zu betrügen, oder dem großen, vielbeinigen und vielarmigen Ungeheuer, das aber leider statt mehrerer gar keinen Kopf hat und das man deutsches Volk nennt, etwas vorzuflöten, daß es in Schlaf sinkt. Aber wir [141] Frauen, die wir Alle, und wie die Männer zu ihrem Unglück wissen, einen Kopf haben, und zwar jede ihren eigenen, wir sind nicht zu täuschen! Noch einmal: warum wollen Sie mich nicht begleiten?«
»Sie martern mich!« sagte Lavallon und griff nach ihrer Hand, um sie zu küssen. Sie entzog sie ihm aber und sagte kurz:
»Das ist nicht mehr Mode.«
»Sie sind die erste Frau, die diese Mode abschaffen will!«
»Bei jeder Mode war immer eine Erste, die sie abschaffte, sonst wäre es nie dazu gekommen.«
»Wenn aber nie eine Zweite nachfolgt?«
»Dafür ist mir nicht bange! Wir Frauen sind immer der Vernunft zugänglich gewesen, obgleich es eine Lieblingsidee der Männer ist, uns für die personificirte Unvernunft zu halten. Alles geben sie zu, daß wir besitzen: Geist, Phantasie, Muth, Talent, Ausdauer, Energie und Klugheit, aber keine Vernunft! Das liebste Witzwort der Männer ist Platen's Vers:
. . . . . . . Doch dem Himmel sei's geklagt,
Daß dem weiblichen Geschlechte die Vernunft er hat versagt!
Sehen Sie, Lavallon, Sie lachen auch ganz selbstgefällig darüber! O Ihr stolzen Männer, wenn Ihr doch bedächtet, woher Eure Uebermacht und unsere Unterwerfung stammen!«
»Und woher stammen sie?« frug der Diplomat.
»Der Klügste giebt nach! Wir sind die Klügsten und haben immer nachgegeben.«
Ueber diese Behauptung erlaubte sich Lavallon von Neuem zu lächeln. »Sie sind heute besonders ungnädig auf unser armes Geschlecht!« sagte er.
»Weil Sie nicht mit mir zu Steinle gehen wollen.«
Der Legationsrath seufzte tief, – aber er beharrte bei seiner Weigerung.