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Muntschi
Ein Mann heiratete eine Frau. Die Frau gebar zwei Kinder. Das eine war ein Mädchen, das andere war ein Junge. Die Kinder wuchsen heran. Als das Mädchen groß war, beschlief der Vater seine eigene Tochter. Als der Sohn groß war, gab er ihm eine Frau.
Der Mann hatte eine große Farm. Sein Sohn und sein Sklave arbeiteten auf der Farm. Ein kleiner Junge lag in der Nähe und hörte, was sie sprachen. Der Bursche und der Sklave wußten es nicht. Der Bursche hatte nichts zu essen. Er sagte zu dem Sklaven: »Ich bin hungrig; ich möchte heute gern Bohnen essen.« Der Sklave hatte auch nichts zu essen. Er sagte zu dem Burschen: »Ich bin hungrig; ich möchte heute Hühner essen!« Der Junge hörte das. Er lief nach Hause zum Vater des Burschen und sagte: »Dein Sohn hat sich ein Gericht Bohnen gewünscht. Dein Sklave hat sich ein Gericht Hühner gewünscht.« Der Vater sagte: »Es ist recht.« Der Vater ließ eine Schüssel mit Bohnen und eine Schüssel mit Hühnern kochen.
Als der Bursche und der Sklave ihre Farmarbeit beendet hatten, machten sie sich auf den Heimweg. Sie kamen zu dem Mann nach Hause. Der Mann hatte zwei zugedeckte Kalebassen stehen. Der Mann fragte seinen Sohn: »Was willst du heute gern essen?« Der Sohn sagte: »Ich möchte heute gern Bohnen essen.« Der Vater gab dem Sohn eine Kalebasse. Der Sohn öffnete sie. Es waren Bohnen darin. Der Mann fragte den Sklaven: »Was möchtest du heute essen?« Der Sklave sagte: »Ich möchte heute Hühner essen.« Der Mann gab dem Sklaven die andere Kalebasse. Der Sklave öffnete sie. Es waren Hühner darin.
Der Bursche sagte zu seinem Vater: »Mein Vater, du erfüllst heute alle Wünsche. Ich habe noch einen Wunsch!« Der Vater fragte: »Was ist das?« Der Bursche sagte: »Ich möchte einmal meine Schwester beschlafen!« Der Vater sagte: »Das tut man nicht. Man beschläft nicht seine eigene Schwester!« Der Bursche sagte: »Es geschieht auch anderes, was man nicht tun darf. Du beschläfst auch deine eigene Tochter.« Der Vater sagte: »Ich lasse es nicht zu, daß du deine Schwester beschläfst.« Der Sohn sagte: »Ich will aber meine Schwester beschlafen.«
Der Vater sagte: »Das wirst du nicht tun!« Der Vater packte den Burschen und brachte ihn in ein Haus. Der Vater schloß das Haus hinter ihm ab. Als der Vater wieder zurückging, kam ihm seine Tochter entgegen. Die Tochter sagte: »Vater, ich möchte einmal mit meinem Bruder schlafen!« Der Vater sagte: »Ich lasse es nicht zu, daß mein Sohn meine Tochter beschläft!« Die Tochter sagte: »Ich will aber von meinem Bruder beschlafen werden!«
Der Vater sagte: »Wenn es so ist, dann werde ich euch gleich in dasselbe Haus einsperren.« Darauf nahm der Vater seine Tochter, brachte sie zu dem Haus, in dem schon sein Sohn war, und schloß beide Kinder miteinander ein.
Hingaga war der Freund des Burschen. Hingaga kam, um seinen Freund zu besuchen. Hingaga lief im Gehöft umher und fand seinen Freund nicht. Hingaga lief zu dem Vater des Burschen und fragte ihn: »Wo ist mein Freund? Ich suche ihn und kann ihn nicht finden.« Der Vater sagte: »Deinen Freund habe ich mit seiner Schwester zusammen in das Haus dort eingesperrt.« Hingaga sagte: »Darf ich meinen Freund einmal besuchen?« Der Vater sagte: »Du kannst ihn noch einmal besuchen.« Der Vater ließ das Haus für Hingaga aufschließen. Hingaga ging hinein.
Hingaga fragte seinen Freund: »Was ist das mit dir?« Der Bursche sagte: »Ich wollte meine Schwester einmal beschlafen. Meine Schwester wollte einmal mit mir schlafen. Ich sagte es meinem Vater. Mein Vater sperrte uns hier ein. Morgen wird mich mein Vater töten.« Hingaga sagte: »Ich denke nicht, daß du sterben mußt. Ich will dir zeigen, wie du mit deiner Schwester weggehen kannst.« Hingaga fing an in der Hütte zu graben. Hingaga grub erst einen Schacht. Dann grub Hingaga unter der Erde einen Weg, der weit wegführte, durch den ganzen Ort, und erst auf der andern Seite führte er wieder zur Erdoberfläche hinauf.
Als Hingaga damit fertig war, lief er den Weg zurück in die Hütte, in der der Bursche mit seiner Schwester eingeschlossen war. Hingaga sagte zu dem Burschen: »Komm nur. Nun wollen wir zusammen weggehen. Ich gehe voran. Komm mit deiner Schwester hinter mir her!« Hingaga ging in dem Schacht und dann in dem Gang unter der Erde entlang. Der Bursche und seine Schwester folgten ihm. Hingaga kam außerhalb des Ortes aus dem Gang heraus. Der Bursche und seine Schwester kamen außerhalb des Ortes zum Gang heraus.
Der Bursche und seine Schwester liefen so schnell sie konnten. Als sie ein Stück weit im Busch gelaufen waren, biß eine Schlange den Burschen. Er fiel hin und starb. Das Mädchen schrie und weinte. Nach einiger Zeit kam ein Jukummädchen durch den Busch. Es fragte die Schwester: »Was weinst du? Was schreist du?« Die Schwester sagte: »Ich ging mit meinem Mann durch den Busch. Da hat ihn eine Schlange gebissen und nun ist er gestorben.« Das Jukummädchen sagte: »Ich habe Medizin bei mir. Ich will den jungen Mann wieder lebend und gesund machen. Aber er muß mich nachher auch als seine Frau mitnehmen!« Die erste Frau sagte: »Mache ihn nur lebend und gesund, dann soll ja alles recht sein.« Das Jukummädchen nahm seine Medizin hervor. Es hielt die Medizin dem Burschen unter die Nase.
Der Bursche wachte auf. Er sah um sich. Der Bursche sagte: »Was ist hier?« Die erste Frau sagte: »Du warst von einer Schlange gebissen. Du warst tot. Ich saß hier und weinte. Da kam dieses Jukummädchen. Das Jukummädchen hatte Medizin bei sich. Das Jukummädchen sagte: Ich will den jungen Mann wieder lebend und gesund machen. Aber er muß mich nachher als seine Frau mitnehmen! Dann machte sie dich wieder lebend und gesund.« Der Bursche sagte: »Es ist gut, dann gehe ich eben mit zwei Frauen weiter.«
Der Bursche machte sich mit seinen beiden Frauen auf den Weg. Er ging mit den beiden immer weiter durch den Busch. Sie gingen weit, weit weg. Sie kamen an einen Fluß. Sie konnten keine Stelle finden, an der sie über den Fluß gehen konnten. Sie liefen am Ufer auf und ab. Die Jukumfrau sah endlich einen Fischerkahn, in dem war ein Mädchen. Die Jukumfrau sagte: »Setze uns doch über.« Das Fischermädchen kam mit dem Kahn näher und sagte: »Wen soll ich denn übersetzen?« Die Jukumfrau sagte: »Wir sind drei; der Bursche hier und wir, seine Frauen.« Das Fischermädchen sah den Burschen. Das Fischermädchen sagte: »Ich will euch übersetzen, aber der Bursche da muß mich nachher auch als seine Frau mitnehmen.« Der Bursche sagte: »Es ist recht! Dann gehe ich eben mit drei Frauen weiter!«
Das Fischermädchen setzte den Burschen und seine zwei Frauen über. Nachher ging der Bursche dann mit seinen drei Frauen weiter. Sie gingen weit weg und kamen in eine große Stadt. Der Toro der Stadt sah den Burschen und seine drei Frauen. Der Toro sagte zu seinen Leuten: »Dieser Bursche hat drei schöne junge Frauen. Ich will sie ihm alle drei wegnehmen.« Der Toro sagte: »Bringt einen großen Topf Bier für die Frauen des Burschen und einen kleinen für den Burschen. In das Bier im kleinen Topfe tut Gift.« Die Leute taten das. Die Leute brachten den großen Topf mit gutem Bier den Frauen des Burschen. Sie brachten den kleinen Topf mit vergiftetem Bier dem Burschen selbst. Als das Bier ankam, versuchte die Jukumfrau das Bier in dem großen Topf. Die Jukumfrau sagte: »Dieses Bier ist gut.« Die Jukumfrau versuchte das Bier in dem kleinen Topf. Sie spie es aus und sagte: »Dieses Bier ist vergiftet. Der Toro der Stadt will unsern Mann vergiften. Wir wollen das Bier aus diesem großen Topf trinken.« Sie goß darauf das Bier aus dem kleinen Topf weg und sie tranken alle vier aus dem großen Topf. Die Boten kamen zum König und sagten: »Die Frauen haben das vergiftete Bier weggegossen. Sie trinken mit ihrem Manne das gute Bier.«
Der Toro rief am andern Tag den Burschen und sagte zu ihm: »Wenn du mir nachher meine erste Frau nennen kannst, will ich dich nicht töten. Wenn du es aber nicht kannst, töte ich dich.« Alle Leute kamen zusammen. Der Toro rief alle seine Frauen. Alle Frauen des Toro standen in einer langen Reihe. Als alle Leute und Frauen da waren, sagte der Toro: »Kannst du mir nun sagen, welche meine erste Frau ist, oder nicht?« Der Bursche sah die lange Reihe der Frauen. Er wußte nicht, welches die erste sei. Die erste Frau des Königs sagte bei sich: »Toro wird diesen Burschen töten wollen. Es wäre mir lieber, ich wäre die Frau dieses Burschen als die des Toro. Ich werde dem Burschen ein Zeichen geben!« Die erste Frau des Toro machte ein Zeichen mit der Hand. Der Bursche sah es. Der Bursche ging auf die erste Frau zu und sagte: »Dieses ist die erste Frau des Toro!«
Die Leute riefen: »Der Bursche hat recht! Der Bursche hat recht! Tötet nicht den Burschen! Tötet den Toro, denn der ist schlecht.« Alle Leute liefen auf den Toro zu. Sie fingen den Toro. Sie brachten den Toro in den Busch. Sie töteten den Toro.
Dann machten sie den Burschen zum Toro.