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Sahel
Sirrani Korro Samba heiratete eine Frau aus Tomma Korro. Eines Tages reiste er mit seiner Frau nach Tomma Korro, um seine Schwiegereltern zu besuchen. Seine Frau ritt auf einem Packochsen. Er ritt auf seinem Pferd. Er hatte seiner Frau einen Sklaven beigegeben, der deren Sachen trug. Sie kamen nach Tomma Korro. Drei Tage blieben sie in Tomma Korro. Es war viel Honigbier hergestellt worden. Sie aßen, und jeden Tag betrank sich Sirrani Korro Samba.
Am vierten Tag morgens sagte Sirrani Korro Samba: »Heute wollen wir zurückkehren. Du Frau, reite mit dem Sklaven auf dem Packochsen voran. Ich will noch einige Stunden hier bleiben, denn ich will das gute Honigbier austrinken, das noch übriggeblieben ist. Ich komme dann um die Mittagszeit nach. Steig auf deinen Packochsen und reite mit dem Sklaven voran.« Die Frau machte sich mit dem Sklaven auf den Weg.
Es waren damals 60 Helden von Segu auf dem Wege. Die hatten eine Unternehmung vor, hatten aber kein Glück gehabt, so daß sie jetzt ohne Beute mißmutig umherritten. Unter den 60 waren mit die berühmtesten Helden der Vergangenheit. Da war z.B. der Massassi Diadierri, der Fulbe Malia, der Djaora Gundaunda, dann Sira Obassi, der Bosso Mamadu Amadu und vor allem der Spielmann (Dialli) Signana Samba. (Der soll seinen Namen daher erhalten haben, daß, wenn er nach Art der Dialli um eine Gabe bat und man etwas für den anderen Morgen versprach, daß er dann an der Tür niederhockte und wartete, bis er die Gabe erhalten hatte. Er hatte große Beharrlichkeit und Geduld.)
Diese 60 Helden aus Segu also kamen beutegierig des Weges und waren darauf erpicht, noch irgend etwas aufzufangen, um nicht gezwungen zu sein, mit leeren Händen nach Segu zurückzukehren. Einer der Männer sah in die Ferne und sagte: »Hoo! Kommt da nicht ein Mann mit bepacktem Reittier an?« Die anderen sahen auch hin und sagten: »Nein, ein Mann mit einem Reittier ist es nicht. Wohl aber ist es eine Frau, die sicher schön und wohlhabend ist; denn neben ihr geht ein Sklave.« Andere meinten: »So wollen wir der Frau den Weg nach Segu zeigen. Auf solche Weise lernt sie dann etwas von der Welt kennen.« Andere meinten: »So hätten wir also doch noch einen leidlichen Abschluß für unser verunglücktes Unternehmen zu verzeichnen.«
Die 60 Reiter sprengten auf die Frau Sirrani Korro Sambas zu und hielten im Kreise um sie. Die Frau fragte: »Nun, was seid ihr für Räuber und Buschreiter, daß ihr nicht einmal einer anständigen Frau aus den Augen geht? Schämt ihr euch nicht, so in der Sonne mit euren diebischen Gedanken herumzustehen, so daß ich jeden einzelnen sehe?!« Einer der 60Helden sagte erstaunt: »Frau, was gibt dir den Mut, in dieser Weise zu den sechzig vornehmsten Helden von Segu zu sprechen?« Die Frau Sirrani Korro Sambas sagte: »Oh, was seid ihr doch für großartige Helden, daß ihr so kühn mit einer Frau zu reden wagt; wartet aber ein wenig, bis mein Mann kommt, der wird euch schon lehren, vor Angst zu furzen. Dann wird es sehr schnell mit dem stattlichen Mut vor der Frau zu Ende sein.« Signana Samba, der Spielmann, schlug an seine Gitarre und sagte: »Wenn der Mut des Mannes dieser Frau nicht ins Pui gehört, so sollte man wenigstens die Zungenfertigkeit dieser Frau besingen. Frau, wer ist dein Mann?«
Die Frau Sirrani Korro Sambas antwortete: »Wer mein Mann ist, fragt ihr? Wollt ihr ihn wirklich erst kennen lernen? Dann sucht euch schnell die Mauselöcher im Acker und die Vogelnester in den Bäumen aus und bleibt vorsichtig mit euren Pferdchen darin sitzen. Von dort aus könnt ihr am besten die Bekanntschaft meines Mannes machen und habt so Aussicht, nicht unter die Fußtritte seines Pferdes zu kommen.« Massassi Diadierri sagte: »Frau, du mußt uns unbedingt nach Segu begleiten, damit der König einmal eine ungewöhnliche Sache kennen lernt. Hat je einer solchen Vogel singen hören? Vorwärts nach Segu.«
Die Frau sagte: »Macht schnell, daß ihr eures Weges kommt; denn da hinten kommt mein Mann. Ich sehe, daß er arg betrunken ist, und dann ist das Spielen gefährlich. Macht, daß ihr beiseite kommt, denn es wäre ein Jammer, wenn sechzig so tapfere Helden, die es wagen, bei hellem Tage eine einsame Frau zu belästigen, irgendwie Schaden nähmen. Geht nur, ich sehe jetzt, daß mein Mann ganz außerordentlich betrunken ist.« Einer der Seguleute sagte: »Das muß eine sonderbare Art von Held sein; berichte uns doch, ob es ein Gott ist oder eine Hyäne?« Alle Helden von Segu spotteten: »Es muß ein Gott oder eine Hyäne sein!« Die Frau sagte: »Wenn ihr in ein Mauseloch kriecht, wird er euch vorkommen wie ein Gott; wenn ihr in ein Vogelnest schlüpft, könnt ihr denken, er sei eine Hyäne, und das wäre eurem Verstand ähnlich.«
Sirrani Korro Samba kam langsam angetrottet. Er hörte den Wortstreit und sah auf. Die 60Helden aus Segu zogen sich zurück und betrachteten den Mann aus der Ferne. Sirrani Korro Samba richtete sich mühsam in seinem Sattel auf. Er war nämlich sehr betrunken. Dann nahm er seine Flinte, schoß sie nach links in die Luft ab, schoß sie nach rechts in die Luft ab, schoß sie nach vorne in die Luft ab. Sirrani Korro Samba zog dann seine Tabakspfeife heraus, begann vor sich hinzuqualmen und rief den Männern aus Segu zu: »Hoooo! Seid ihr langweilig! Hooo! Seid ihr langweilig!«
Einer der Helden von Segu kam angesprengt. Er schoß auf Sirrani Korro Samba. Aber er traf ihn nicht. Sirrani Korro Samba schoß gleichmütig seine Flinte in die Luft ab. Der andere schoß und fehlte wieder und dann noch ein drittes Mal. Da legte Sirrani Korro Samba sein Gewehr an. Er schoß den anderen von seinem Pferd herab. Er lud, legte nochmals an und schoß den zweiten herab. Er lud, legte nochmals an und schoß einen dritten und vierten herunter. Die Seguleute begannen nun zu fliehen. Darauf setzte Sirrani Korro Samba sein Pferd in Bewegung, jagte ihnen nach und nahm drei von ihnen gefangen.
So tummelten viele Leute auf dem großen Platze herum. Viele schossen, Signana Samba, der Dialli von Segu, schlug die Gitarre und sang: »Ihr Helden von Segu! So vergeßt doch nicht euren würdigen Namen. Ihr Helden von Segu, bedenkt, daß ihr sechzig Männer seid, die von einem Frauenmund vergiftet sind und als Kranke nun hingeschlachtet werden sollen. Denkt doch, daß ihr Helden seid, ihr sechzig Männer aus Segu.« Der Held aus Kalla jagte in der Ferne hinter den Fliehenden her. Da ritt der Dialli zu der Frau heran und sagte: »Wenn diese Sache je im Pui besungen werden soll, wie sie es verdient, muß ein Spielmann dafür gewonnen werden, denn jene fliehenden Männer werden sicher nichts davon erzählen. Wenn der Spielmann diese Sache berichtet im Pui, dann wird er von der tapferen Frau, die er kennen lernte und von der er singen will, allzuweit entfernt sein als daß sie ihm ein Geschenk machen könnte!« Da nahm die Frau Sirrani Korro Sambas einen ihrer schweren goldenen Ohrringe ab und gab ihn dem Dialli.
Sirrani Korro Samba kam mit seinen drei Gefangenen zurück und übergab sie seiner Frau. Er sagte zu den Männern: »Paßt auf, daß meine Frau nicht aus Angst von ihrem Packochsen fällt, wenn sie eure tapferen Gestalten neben sich sieht.« Dann setzten sie sich wieder in Bewegung um heimzukehren.
Signana Samba hatte die fliehenden Genossen eingeholt, als sie sich unter einem Baum versammelt hatten. Er setzte sich zu ihnen, schnippste gegen seine Gitarre und sagte: »Einer sechzig!« Die Helden sahen ihn an und einer sagte: »Du wirst doch dem König nichts davon sagen?« Signana Samba zog den Goldring heraus, den er von der Frau Sirrani Korro Sambas erhalten hatte, steckte ihn an den Kopf der Gitarre und sagte, das Instrument schlagend: »Einer sechzig!«
Die Helden gingen hinter den Baum. Massassi Diadierri sagte: »Er meint, jener Kallamann wäre ein einziger gewesen und wir seien sechzig. Er wird das sicher dem König und aller Welt berichten.« Der Fulbe Malia sagte aber: »Er meint, von der Frau des Kallahelden hätte er einen Goldring erhalten, damit er im Pui von ihr singe. Wir aber seien sechzig, und er würde die Sache nicht vorbringen, wenn wir ihm sechzig Goldringe schenkten.« Darauf verabredeten sie sich und gingen zurück. Massassi Diadierri sagte zu Signana Samba: »Jeder von uns wird dir in Segu einen Goldring geben, wenn du von alledem dem König und den anderen in Segu nichts berichtest.« Signana Samba sagte: »Ihr wollt das gleich tun, wenn wir zurückgekehrt sind?« Die anderen sagten: »Ja!«
Sie kamen zurück nach Segu. Der König sagte: »Ihr bringt mir keine gute Nachricht?« Der Dialli sagte: »Ja, wir haben das Haus gereinigt und ein guter Strohwisch hat alle die weggefegt, die nicht hineingehörten.« Der König sagte: »Das verstehe ich nicht.« Der Spielmann fragte: »Kennst du den Puigesang: Einer sechzig?« Der König sagte: »Nein, den kenne ich nicht.« Der Dialli sagte: »Gerade der Gesang wird von deinen Helden vorbereitet.«
Einige der Helden gaben dem Dialli sogleich das Gold. Andere taten es nicht. Traf Signana Samba einen der Säumigen, so schlug er gegen seine Gitarre und sang: »Einer sechzig!« Und wenn der andere dann so tat, als wenn er es nicht verstehe, dann fragte er ihn: »Kennst du die Frau, die so sonderbar singt? Kennst du den, vor dem die einen in die Mauselöcher, die anderen in die Vogelnester kriechen? Kennst du den, der für den einen ein Gott, für den anderen eine Hyäne ist?« Einer der Männer nach dem anderen zahlte und einige zahlten noch für die, die gefallen und gefangen waren. Der Spielmann Signana Samba hatte also nach einiger Zeit 60 Goldringe von diesen erhalten.
Der Fama hörte dann und wann das eine oder andere Wort. Er sagte zum Dialli Signana Samba: »Nun berichte mir endlich.« Der Spielmann sagte: »Erst muß ich mit den anderen sprechen. Es müssen alle dabei sein.« Am Abend kamen alle zusammen. Der Dialli hatte an seiner Gitarre die 61 Goldringe angebracht. Der König fragte: »Was gibt es im Pui?« Signana Samba sagte: »Einer sechzig!« Alle sahen ihn an. Der Dialli fragte Massassi Diadierri: »Wie hält man sein Wort halb oder ganz?« Massassi Diadierri sagte: »Man hält sein Wort ganz!« Der Dialli sagte: »Einer sechzig! Hat man nicht versprochen, diese sechzig Goldringe sogleich zu geben? Hat man nicht gezögert und es mir sehr schwer gemacht? Hat man nicht unter einem Baume beraten?« Der Dialli Samba schlug gegen die Gitarre und hub an: »Ich singe vor einem großen König. Weiß der große König sechzig Goldringe dem armen Dialli zu geben?«
Darauf ließ der König 60 Goldringe holen und gab sie dem Spielmann der gewann so 121 Goldringe und sang die Geschichte von Sirrani Korro Samba und den 60 Helden von Segu im Pui.
Nachher sang man auch von Samba Ta Samba. Und das kam so: Sirrani Korro Samba war mit seinem jüngeren Bruder Samba Ta Samba einst im Gefecht. Die Räuber schossen sein Pferd tot, und er lag am Boden. Samba Ta Samba sagte: »Komm schnell auf mein Pferd, sitz hinten auf.« Sirrani Korro Samba sagte: »Nein, lieber sterbe ich, als wie eine Frau mit aufzusitzen.« Dreimal bat Samba Ta Samba seinen Bruder doch aufzusitzen. Dreimal schlug er ab. Alsdann waren die Feinde ganz nahe, und so nahm er das Angebot an, sprang hinter Samba auf und ward gerettet.
So kam auch Samba Ta Samba in das Pui.