Mynona (Salomo Friedländer)
Rosa die schöne Schutzmannsfrau und andere Grotesken
Mynona (Salomo Friedländer)

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Charaktermusik

Eine haarige Geschichte

Der Kriminalschutzmann Maier I hatte eine grandiose Entdeckung gemacht, war voll Feuer und Flamme, sie wirksam einzuführen, und begab sich zu seinem Vorgesetzten, dem Leutnant Baron von Lux. «Na, Maier, lassen Sie hören», ermutigte ihn der bärbeißige, aber im Grunde gutmütige Mann; und Maier ließ hören und sehen, daß Herrn v. L. das Hören und Sehen fast verging.

Maier holte nämlich eine allerliebste Spieluhr aus seiner Rocktasche hervor, zog sie auf, und alsbald schnurrte sie eine ganz eigentümliche Melodie ab.

Von Lux war sehr erregt – «heißt», schnauzte er, «Späßchen verbitte ich, Maier, Teufel auch, Teufel auch!» Aber Maier gab jetzt eine genaue Erklärung: «Das ist die Melodie des Schutzmannes Hese», sagte er bestimmt – «also, wenn Hese eine Leierkastenwalze wäre, so würde er diese und keine andere Melodie abgeben. Folglich erkennt man ihn und nur ihn an dieser Melodie; folglich erlaubt diese Melodie, jede Person unverkennbar zu identifizieren; folglich ist sie das unzweideutigste Kriterium der Identität; folg . . .» – «Maier!» unterbrach ihn der Leutnant fast wütend, «jetzt hab' ich den Unsinn satt. Sie sind wohl übergeschnappt?» In diesem Moment schnappte die Spieluhr ab, und Maier sprach ungeheuer höflich: «Herr Leutnant, es ist eine wahre Entdeckung und Erfindung, und sie betrifft das Haar.» «Das Haar?» – «Das Haar.» «Na, Maier, Gott bewahre! drücken Sie sich 'mal rasch verständlich aus; oder drücken Sie sich!» «Wie ich so neulich, als mein kleiner Sohn Julius grade drehorgelte, beim Rasieren war, heult Julius plötzlich auf und bringt mir die mit haarfeinen Metallstiftchen ringsum besetzte Spielwalze; bekanntlich entsteht doch die Melodie, wenn die Walze sich dreht, dadurch, 52 daß die Stiftchen Widerstand finden, geknippst und gezippt werden.»

«Höhö», bejahte von Lux.

«Nun», fuhr Maier fort, «war mir schon das feine metallische Klingen aufgefallen, wenn ich die Rasierschneide über die Bartstiftchen führte.»

«Herrjeh! Mensch! Mensch!» schrie der Leutnant laut auf und rutschte mit seinem Stuhl. «Und da lag doch die Nutzanwendung sehr nahe: was mag die Barthaut, überhaupt die Haarhaut für 'ne Melodie geben, wenn man sie um so eine Walze wickelt», sagte Maier. «Himmel! Sie haben doch nicht etwa den Hese mit Haut und Haaren auf eine Walze gespannt?» Maier lachte respektvoll: «Ich machte es anders, Herr Leutnant. Ich ließ ein Stück seiner rasierten Wangenhaut vergrößert photographieren und stellte nach dieser Photographie minutiös genau diese Walze hier her. Man könnte aber direkte Versuche mit Leichen machen, Herr Leutnant.» Von Lux riß seine Augen auf und starrte den Schutzmann wild an: «Aber Mann! Wozu denn die Umstände! Wir haben doch genug einfachere Methoden der Rekognoszierung. Das ist doch 'ne ganz ausgefallene Chose. Geh'n Sie damit in die Schreckenskammer von Castans Panoptikum. Schluß!»

«Entschuldigen, Herr Leutnant, aber es handelt sich auch um die Musik. Die eigentümliche Melodie der Person, die der Komponist sonst aus der Luft greift, kommt doch hier zum erstenmal aus der Person, wie sie leibt und lebt. Und andererseits muß es doch interessant sein, Walzen, die der Mechaniker nach Tönen herstellt, gewissermaßen zu personifizieren.» «Mein lieber Maier», lächelte Herr von Lux verkniffen, «Ihr Versuch, Musik in die Kriminalistik zu bringen, ist ganz einfach eine Schweinerei. Ne! ne, mein Lieber, alles, was wahr ist! Mein Lebtag hab' ich noch keinen solchen Unsinn gehört. Nanu lassen Sie man das Experimentieren; sonst klimpre ich Ihnen 'mal an die Wimpern – hast du Töne!? –» 53

 


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