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Victor Hugo

Lyrische Gedichte

1845.

Aus den Oden und vermischten Gedichten

Der Dichter in den Revolutionen

An A. Soumet.

Sterben, ohne
Zu leeren meinen Köcher! – sterben, ohne
Auf diese Henker, diese Sudler von
Gesetzen mich zu stürzen! ohne sie
In ihrem Kote zu zertreten! ...
André Chénier.

»Der Wind entwirbelt von den Feldern
Die Eichel, die dem Ast entfiel;
Den Eichbaum schlägt er in den Wäldern,
Und auf dem Meer schlägt er den Kiel.
So, daß es Männer aus uns ziehe,
Drängt uns das Schicksal! Jüngling, siehe,
Daß, was die Welt und was dein Herz
Heimsucht, sich sondre deiner Seele!
Spar' deine Reue eignem Fehle,
Spar' deine Zähre eignem Schmerz!«

Was! unbedacht sind meine Lieder?
Soll ich in dieser Schreckenszeit
Taub sein dem Wehruf meiner Brüder,
Und jammern nur um eignes Leid?
Nein, heimatlos aus freiem Willen,
Durchschweift der Dichter, Schmerz zu stillen,
Die Länder; keines, das ihn hält!
Im Drang der Völker und der Heere
Steht er, die Lyra seine Wehre,
Wie Orpheus in der Unterwelt.

»Orpheus erlöst' an Ades' Toren
Die Schattenwelt – minutenlang.
Du aber singst in Sünderohren
Der Reue finstern Grabgesang.
Wahnsinniger! hör' auf zu dichten!
Willst du in der Arena richten,
Eh' du dir selber Kränze raubst?
O Rüger, kaum der Amm' entlaufen,
Laß deine Unschuld Jahre kaufen,
Eh' du an deine Tugend glaubst!«

Wenn das Verbrechen, als ein Drache,
Straflos und frech die Welt durchzieht,
Dann übt Apollo selber Rache,
Der Muse Lied wird Furienlied!
Dem Gotte, dem ich mich ergeben,
Folg' ich; nicht weiß ich, was mein Leben –
Noch ist es rein! – bedrohen kann;
Den Sternen folg' ich, die mir scheinen;
Der Sturm zerreißt des Segels Leinen:
Doch rettet es den Steuermann!

»Die Menschen wandeln, wie auf Dächern
Nachtwandler; du nicht rettest sie.
Was irrst du schwächlich mit den Schwächern,
Und schaust den Himmel ewig nie?
Kannst du, seitdem du Mensch gewesen,
Die Kette deiner Tage lösen,
Brichst du nicht auch ein fremd Geschick?
O, schone dein eintägig Leben!
Sollt's keine Mutter für dich geben?
Sprich, ward dir nicht der Liebe Glück?«

Wohl! aber meinen ird'schen Trieben
Wird einst der Himmel aufgetan.
Groß macht die Seele reines Lieben:
Zu sterben weiß, wer lieben kann!
Treu den Gerechten, die man richtet,
Preist, wer in solchen Zeiten dichtet,
Die Helden, gern den Helden gleich.
Nach ihrem Märtertum zu ringen,
Hat für die Opfer er sein Singen –
Ein Haupt auch für des Henkers Streich!

»Einst, sagt man, schaut' in ferne Zeiten
Geweihter Dichter heller Blick;
Enthüllen konnten sie und deuten
Der Welt ihr künftiges Geschick.
O, sag' den Menschen du dein Wissen! –
Du gehst, wie sie, in Finsternissen:
Vom Himmel fällt kein Strahl des Lichts;
Die Lyra mangelt der Propheten;
So blind, wie stumm, sagt den Poeten
Die Muse von der Zukunft nichts!«

Frisch sieht man, wen ein göttlich Brennen
Durchglüht, der Zukunft sich vertraun;
Des Abgrunds Tiefe kann nur kennen,
Wer sich hineinstürzt ohne Graun.
Kühn taucht er in des Todes Nächte;
Des Lasters Glück büßt der Gerechte –
So spricht in seiner Brust ein Gott.
Im Sterben erst ein Prophezeier,
Zerreißt der Kerker ihm den Schleier,
Und Dreifuß wird ihm das Schafott.

»O, daß in mildrer Länder Talen
Du nicht das Licht zuerst gesehn,
Wo reiner glüht der Sonne Strahlen,
Wo Myrten blühn und Aloën.
Dort, fern den Übeln, die dich töten,
Wird ohne Tränen dem Poeten
Das Leben selber zum Gedicht;
Dort fliegt die Taube, wert den Weisen,
Für Jungfrau'n aus zu süßen Reisen,
Dort, wo die Lieb' in Blumen spricht.«

Mein Trachten gilt dem Märtertume;
Auf ehrlos Ruhn leist' ich Verzicht!
Ich strebe rastlos nur nach Ruhme,
Und den erwirbt das Glück mir nicht.
Der Halcyon zagt, wenn es wettert,
Daß ihm der Sturm das Nest zerschmettert,
Drin sich sein süßer Schlummer wiegt;
Doch durch Gewölk ist's, daß zum Sitze
Des Sonnengotts der Sohn der Blitze,
Der unerschrockne Adler, fliegt!

Die Geschichte

Ferrea vox.

Virgil.

1.

Gleichwie ein Meer, an Klippen reich und Schlünden
Ist das Geschick der Völker dieser Welt.
Blind, wer, was sie bedrängt, was sie empfinden,
Nur für ein Spiel von Flut und Winden hält!

Durch diese Nächte zuckt ein Strahl von oben;
In diesen Stürmen weht ein mächt'ger Hauch;
Und mischt sich in ein Grablied Festestoben –
Stimm' eines Gottes hör' ich darin auch!

Und die Jahrhunderte, die ries'gen Brüder –
Ungleich ihr Schicksal, doch ihr Wünschen nicht! –
Ein Ziel vereint nach andrer Bahn sie wieder;
Auf jedes Leuchtturm glüht dasselbe Licht!

2.

Welch Alter, Muse, das dein Aug' nicht siehet?
Du spähst hinab bis zu der Zeiten Schluß.
Ein Tag, ein Jahr, und ein Jahrhundert ziehet
Gleich flücht'ge Furchen nur in diesem Fluß.

Ihr Henker und ihr Opfer auch – sie zündet
Allwärts ihr Licht an! Nichts, was sie verhehlt!
Sie kennt den Abgrund, wie die Höh'n; – sie gründet
Oft einen Tempel, wo ein Grab nur fehlt.

Sie eilt, den Helden, der da sinkt, zu krönen;
Zerbricht den Wagen, drauf der Sieger steht;
Sie geht und träumt bei fallender Reiche Dröhnen,
Und zeigt die Wege Gottes, wo sie geht.

Sie ruft mit ihrer Stimme die vergangnen
Jahrhunderte; setzt dem Palast der Zeit
Den Giebel auf; schleift, einen Kriegsgefangnen,
In das Zukünft'ge die Vergangenheit.

Nach jedem Schiffbruch sammelt sie die Trümmer
Der Welt, und folgt dem Wrack meerauf, meerab;
Ihr Auge sieht, in eines Blickes Schimmer,
Die letzte Wiege und das erste Grab.

Das freie Mahl.

An die Könige Europas.

Man hatte zu Rom einen alten Gebrauch: am Abend vor der Hinrichtung der Verurteilten gab man ihnen an der Pforte des Kerkers ein öffentliches Mahl, welches man das freie Mahl nannte.

Chateaubriand, die Märtyrer.

1.

Wenn nun, das Evangelium dem alten
Olympos opfernd, deine Worte schallten,
O Praetor! – gabst du nun
Dem Tode sie, die todestrunknen Sieger,
Die Märtyrer; (die Götter und die Tiger
Bejubelten dein Tun!) –

Dann gab die Tiberstadt der heil'gen Bande
Ein Fest; wie wenn, des Wermutkelches Rande
Ein wenig Honig nur
Auflegend, sie der Opfer Mut nicht kennte;
Wie wenn durch Orgien sie trösten könnte,
Die folgten Christi Spur.

Purpur umfloß die finsterschau'nden Zecher;
Falerner schäumt' im Bauche tiefer Becher;
Den Wein Malvasias
Umfing die Myrt', und färbte licht der süße
Honig von Hybla; ihre wunden Füße
Wusch Rauchwerk Asias.

Daß würdig man dies freie Mahl bestelle,
Nahm dreier Welten Zins man, nahm von Welle
Und Waldung man Tribut;
Nichts mangelte; man war versucht, zu sagen,
Daß Sybaris zu Epikurs Gelagen
Die Schar des Todes lud.

Der Leu derweile knirscht' in seine Kette;
Tiger und Panther zogen um die Wette
Durch der Arena Tor;
Bald, minder grausam, als der Weltstadt Frauen,
Bald werden wundernd in die Höh' sie schauen,
Dröhnt Beifall in ihr Ohr.

Den Löwen vor warf man die heil'gen Greise:
So einem ekeln Herrscher süße Speise
Reicht eines Knechtes Hand.
Beim Feste saß ihr heiliges Konklave,
Indes der Tod, gleichwie ein stummer Sklave,
Bleich hinter ihnen stand

2.

O Könige, ein Fest ist euer Leben!
Den Kelch der Größe an die Lippen heben
Sieht euch die Gegenwart;
Doch in den Jubel eurer Festgesänge
Mischt sein Gebrüll das Tigertier der Menge,
Das morgen eurer harrt!

Moses auf dem Nil.

An Madame Amable-Tastu.

Und die Tochter Pharao ging hernieder, und wollte baden im Wasser, und ihre Jungfrauen gingen am Rande des Wassers.

Exodus

»Noch brennt die Sonne nicht, noch atmet kühl die Flut!
Kommt, meine Schwestern! Jetzt, wo noch der Schnitter ruht,
Kommt mit mir an den Saum des Flusses!
Memphis erwachte kaum, und hier im Waldgesträuch
Sieht euch das Frührot nur, und sendet lächelnd euch
Die Flammen seines keuschen Kusses!

In meines Vaters Schloß glänzt, was da schuf die Kunst;
Allein der Blumenstrand erfreut sich meiner Gunst
Mehr, als ein Becken von Porphyre;
Kein Lied entzückt, wie das der Vögel, dieses Ohr;
Dem Rauchwerk des Palasts, o Schwestern, zieh' ich vor
Den Duft balsamischer Zephyre!

»O kommt! die Flut ist still; am Himmel keine Spur
Von Wolken! schwimmen laßt im Wasser den Azur
Von euren dünnen, falt'gen Zonen!
Nehmt Kron' und Schleier mir! dies ist ein Tag des Spiels,
Und mit euch scherzen will im Schoß des alten Nils
Das jüngste Kind der Pharaonen!

»Schnell! – aber durch den Duft des Morgennebels – ha!
Was, fern am Horizont, erblick' ich? – Schwestern, da!
Zaghafte Mädchen, haltet Frieden!
Seid ohne Furcht! schaut hin, ob es kein Palmbaum sei,
Der, fortgeschwemmt vom Strom tief aus der Wüstenei,
Besuchen will die Pyramiden.

»Was sag' ich! – Täuscht mich nicht des Wassers feuchter Rauch,
So ist's das Muschelboot der Isis, oder auch
Des Hermes Barke, schlankgebogen.
Doch nein, es ist ein Kahn! und in ihm schläft, o Lust!
Ein Kind! Wie Kinder ruhn an ihrer Mutter Brust,
So ruht es an der Brust der Wogen.

»O, wie die braune Flut sein Schiffchen tanzen läßt!
Nicht wahr, fast glaubte man, es sei ein Taubennest,
Das abwärts mit den Wellen fliege!
Es irrt und schaukelt sich, wie es der Frühwind will;
Doch schläft das Kind – der Strom, so finster und so still,
Wiegt es: sein Grab ist seine Wiege!

»Jungfrau'n von Memphis, rasch! seht doch, aufwacht es jetzt!
Es weint! du armes Kind, wer hat dich ausgesetzt,
Und dich den Wassern preisgegeben?
Aufschäumend murren sie; – o seht doch, hoch empor
Reckt es die Händchen; – ach, ein Bettlein nur von Rohr,
Schwach, wie es selbst, beschützt sein Leben.

»Ich rett' es mir! – Vielleicht ist es ein Judenkind!
Mein Vater tötet sie! – die Schleier fort! – geschwind!
O, er ist hart, unschuld'ge Knaben
Zu ächten! – Armes Kind, das keine Mutter küßt,
Mir sollst du, wenn auch nicht, daß du geboren bist,
Doch daß du lebst, zu danken haben!«

Iphis, die Tochter sie des mächt'gen Pharao,
Iphis, die lächelnde Prinzessin, sprach also
Am Nilgestad zu ihren Frauen.
Auf feuchtem Uferkies dastand sie hoch und schlank,
Und alle glaubten, als ihr letzter Schleier sank,
Des Stromes Tochter selbst zu schauen.

Schon unter ihrem Fuß, dem zarten, bebt die Flut.
Sieh', – ängstlich vorgebeugt, im Antlitz ros'ge Glut,
Strebt sie hinaus mit blödem Gange.
Nun hat sie es erreicht, nun hebt sie auf das Boot!
O sieh', zum ersten Mal mischt sich des Stolzes Rot
Dem Rot der Scham auf ihrer Wange!

Und jetzo kehrt sie um! keck bricht sie durch das Rohr!
Mit dem Geretteten im Arm, tritt sie hervor
Aus dem gepriesensten der Flüsse!
Leis auf den weichen Sand legt sie das Kind: da blickt
Verwundert es umher, denn jede Jungfrau drückt
Auf seine Stirne scheue Küsse.

O du, die du von fern ihm folgtest bang und treu,
Des Kindes Mutter du: – Gott schützt' es! eil' herbei!
Gleich einer Fremden komm! verraten
Wird dich die Freude nicht! bedecke sein Gesicht
Mit Küssen! weine nur! denn noch ist Mutter nicht,
Die es der Flut entriß zu Taten! –

Als so dem Zornigen, der Israel erschlug,
Die Fürstin, freud'gen Schritts und stolz, von dannen trug
Das Kind, benetzt von Mutterzähren –
Da sangen an dem Thron, dem ew'ges Licht entquillt,
Die Engel, vor dem Herrn demütig eingehüllt
In ihre Flügel, durch die Sphären:

»O Jakob, seufze nicht! bald endet dein Exil!
O, weine länger nicht in den unheil'gen Nil!
Bald brichst du wiederum die Rosen
Des Jordans! weine nicht! ob auch Ägypten tobt!
Der Herr zerbricht dein Joch! ins Land, das er gelobt
Dir hat, entfliehst du bald aus Gosen!

»Denn wisse, dieses Kind, das Pharao entrann –
Es ist des Sinai, es ist der Plagen Mann!
Sein Arm dereinst führt dich zum Siege! –
Nun, die ihr Gott nicht kennt, o höret, eh' ihr sprecht:
Durch eine Wiege wird errettet dies Geschlecht,
Die Welt errettet eine Wiege!«

An die Akademie der Jeux Floraux.

At mihi jam puero coelestia sacra placebant.
Inque suum furtim Musa trahebat opus.

Ovid

Ihr, deren dichterisch Gebiet begrenzet
Dort vom Adour wird, von der Rhone hier;
Ihr, deren Aug' von freud'gem Wahnsinn glänzet;
Ihr Singstreitkön'ge, die der Lorbeer kränzet;
O Meister in der Kunst zu lieben ihr!

Schön, wie in ihres Werdens Augenblicke,
Wird eure Muse nie der Jahre Raub.
Die Zeit, im Fluge, neigt sich ihrem Glücke;
Der Ruhm, vor ihr, will, daß ihn Unschuld schmücke,
Und birgt mit Knospen seines Lorbeers Laub.

Gruß dir, o Kind! für meine Mutter Blumen
Pflückt' ich in deinem heiligen Gebüsch;
Du führtest mich zu deinen Heiligtumen,
Wie einen Bruder; gabst mir nicht die Krumen –
Du ließest sitzen mich an deinem Tisch!

Der Ringer trat zu der Arena strengen
Kampfrichtern, noch in seiner ersten Wehr;
Doch niemals noch, auf des Gebirges Hängen
Umirrend, mit des Horn wirtlichen Klängen
Weckt' eine holde Burgfrau er.

Und niemals sang er, in entfernten Sphären,
Die Zaubergärten einer Fee;
Nie, plaudernd in der Damen heitern Chören,
Ließ er der Troubadoure Tun sie hören,
Und nie der Paladine Liebesweh'.

Mit Stimmen, welche nie verklingen,
Laß andre feiern Glück und Liebesschwur!
Mich prüft der Schmerz, von ihm nur kommt mein Singen!
Ich duld' und tröste; – meiner Muse Schwingen
Beschatten Gräber nur!

Das Mädchen von Otaheiti.

Was macht er denn, um den sie sich betrübt?
Er liebt wohl nicht, den sie so sehr doch liebt?

Alfred de Vigny, Dolorida.

»So willst du fliehn? so trägt dich bald von dannen
Das unbeständ'ge Segel schon?
Ihr Zelt abbrechen und das Tauwerk spannen
Hört' ich die Schiffer diese Nacht; – wie rannen
Die Tränen mir bei ihrer Lieder Ton!

»Fliehn unser Eiland? – sage, schmückt das deine
Ein schön'rer Himmel? kennt den Schmerz es nicht?
Und, wenn du stirbst, bedecken die Gebeine
Dir deine Brüder weinend mit dem Raine,
Des heil'ge Blumen keiner bricht?

»Denkst du des Tags, wo günst'ger Winde Wehen
Zuerst dich trug in diesen stillen Port?
Du riefest mir, zum Hain mit dir zu gehen;
Nie hatt' ich dich bis jenen Tag gesehen,
Und dennoch kam ich auf dein Wort.

»Schön war ich damals, doch mich knickten Tränen.
Zieh' nicht, o Fremdling! bleibe hier, bleib' mein!
Von deiner lieben Mutter sprich! – die schönen
Gesänge deiner Heimat laß ertönen,
Die, wie dein Beten, mir das Herz erfreun!

»Du nur sollst füllen alle meine Tage!
Hab' ich, daß du entfliehen willst, dich betrübt?
O, laß dich halten! stillen deine Klage
Und gut sein will ich; nennen dich – o sage
Ihn mir! – beim Namen, den dein Land dir gibt!

O, daß ich bei dir nur als Sklavin bliebe!
Sähst du zuweilen nur herab auf mich!
Gewiß, nicht länger wär' ich bleich und trübe!
Doch, wie die Schwalb', ist flüchtig deine Liebe!
Ich – all' mein Leben lieb ich dich!

»Ach, wo sich drüben deine Berge heben,
Pocht dir entgegen einer Fremden Brust!
O, mein Gebieter, nimm mich mit! – ergeben
Will ich ihr sein, sie lieben wie mein Leben,
Wenn ihre Liebe deine Lust!

»Fern meinen Eltern, die ein zärtlich Glühen
Für mich berauscht, fern diesen Wäldern hier,
Fern diesen Palmen – werd ich nicht verblühen?
Hier sterb' ich einsam; – laß mich mit dir ziehen!
O, laß mich sterben wenigstens bei dir!

»Wenn säuselnd die Bananen dich empfingen,
Wenn du mich je geliebt, verstoß mich nicht!
Woll' ohne mich nicht deine Fahrt vollbringen,
Aus Furcht, mein Geist auf seiner Sehnsucht Schwingen
Folge dir nach in einer Wolkenschicht!« –

Als in die flücht'gen Segel früh am Tage
Die Sonne schien, stand ihre Hütte leer;
Nicht am Gestad und nicht im Palmenhage
Sah man die Jungfrau mit der sanften Klage –
Doch auch bei ihm nicht war sie auf dem Meer.

Das Lied der Arena.

... ihr hellumschienten Achaier,
Für die Reisigen stehn die Kampfpreis hier
in dem Kreise.

Homer. Übersetzung von Voß. F.

In Ehren hält man den Athleten,
Den Sieger in dem sand'gen Rund;
Sein Ruhm, den keine Jahre töten,
Geht durch das Volk von Mund zu Mund.
Von den Gestaden, starr von Eise,

Allwo der Winter schläft, der Greise
Mit festem Schlaf, den keiner stört,
Bis zu der sonnigen, goldnen Stätte,
Wo morgens man im Wellenbette
Die Sonnenrosse wiehern hört.

Olympia! – das Fest! – die Wagen!
Nun flechtet Lorbeer und Akanth!
Nun weckt – der Götter Fluch dem Zagen! –
Aus seinem Schlaf das alte Wagen!
Nun fachet an den alten Brand!

Die ihr nach Ruhme lechzt, kommt alle!
Das Festgewand der Priester fliegt! –
Daß eure Stirn es bald umwalle,
Das Laub der heil'gen Eiche falle,
Die da den Milo einst besiegt!

Von Kretas Bord, geweiht durch Mythen,
Von Tyrus kommt und von Korinth,
Von Scyllas stürmischen Gebieten,
Vom Athos kommt, den Adler hüten,
Daß näher sie den Himmeln sind!

Nun kommet aus dem Archipele,
Vom Taubeneiland kommet nun!
Von Rhodos, wo mit mut'ger Seele
Kriegsmänner stehen, schön von Öle,
Die nur im Grab vom Streiten ruhn!

Von des Palastes Stufen steiget –
Cecrops einst legte seinen Grund! –
Von Sparta, dem sich alles neiget,
Von Lemnos, das den Donner zeuget,
Von Argos kommt und Amathunt!

Die Tempel all', die Gynäceen,
Die laub'ge Kränze bunt umglühn,
Verhüllen züchtig, anzusehen
Wie junge Bräute – seht es wehen! –
Die keusche Stirn mit frischem Grün.

Da: – die Archonten und Ephoren!
Sie setzen sich, ernsthaft und still.
Die Jungfrau'n und die Kanephoren
Haben gereinigt die Amphoren,
Wie es Eleusis' Regel will.

Man hat um Rat gefragt die Reder
Im Traum, und auch die Pythia
Des gelben Scythengeiers Feder
Warf in den Wind man – hör' es jeder! –
Zur Zeit, wann aufwacht Klytia.

Tripoden zwei, prachtvoll verzierte,
Nennt, wer da siegt im Laufe, sein;
Den Becher auch – wem wohl gebührte
Er sonst? – den Bacchus' Mund berührte,
Als er genoß den ersten Wein.

Und wessen Diskus, rasch im Kreisen,
Behend am Ziel die Bunde fällt,
Erhält von den gerechten Greisen
Die Urn' hier, nie genug zu preisen,
Phlegons Gebild, den Naxos hält.

Dem kühnen Ringer aber spenden
Von Sidon eine Chlamys wir;
Er nehme sie aus unsern Händen:
Dreizack und Stab des Herolds blenden
Das Aug', der Chlamys farb'ge Zier.

Und nun, ihr Ringer und Athleten,
Stärkt euch im Bad, eh' denn ihr ringt!
Dann siegt – schon locken euch die Flöten! –
Daß euch die Lippe der Poeten
Ein Lied thebanscher Weise singt!

In Ehren hält man den Athleten,
Den Sieger in dem sand'gen Rund;
Sein Ruhm, den keine Jahre töten,
Geht durch das Volk von Mund zu Mund.
Von den Gestaden, starr von Eise,

Allwo der Winter ruht, der Greise
Mit festem Schlaf, den keiner stört,
Bis zu der sonnigen, goldnen Stätte,
Wo morgens man im Wellenbette
Die Sonnenrosse wiehern hört.

Das Lied des Zirkus.

Panem et Circenses!

Juvenal.

O Cäsar, Geber blut'ger Feste!
Dich ehrt die Welt! – Wer zählt die Gäste,
Wenn sich des Zirkus Tor erschließt?
Heil dir, Unsterblicher, Gerechter!
Augustus' Erbe! Sieh' die Fechter,
Die sterben wollen! Cäsar, sei gegrüßt!

Von den Gebietern auf der Erde Thronen
Weiht Cäsar nur Roms Göttern Libationen
Von Menschenblut! – Wir laden ein den Tod
Zu unsern Spielen, holen uns in Scharen
Hyrkaniens Tiger und des Rheins Barbaren: –
Der Zirkus raucht, von ihrem Blute rot!

Ehr'ne Kolosse, Vasen von Porphyre,
Buntfarb'ge Fahnen, bauschig vom Zephire,
Sind rings der Mauern Schmuck, und was die Kunst
Sonst bilden mag. – Dicht zieht des Rauchwerks Wolke;
Denn sieh', das Blutbad darf zu Romas Volke
Durch Düfte nur erheben seinen Dunst.

Die Tore tun sich auf, die Angeln zittern,
Der Schwarm tritt ein, und rasselt mit den Gittern,
Die Panther beben hinter dem Gerüst;
Und, wie ein Strom mit tausendfachem Rufe
Von Berg zu Berg, so wälzt von Stuf' zu Stufe
Das Volk sich, welches König ist.

In ihren Sesseln sitzen die Ädilen;
Im Graben schon, dem wasserreichen, kühlen,
Schwimmt mit dem Flußpferd träg das Krokodill.
Das heil'ge Feuer, glüh'nd in keuscher Schale,
Bringt in der Schwestern Mitte die Vestale! –
Fern zürnt der Löwen donnergleich Gebrüll.

Mit nackter Brust, mit lechzender Geberde
Dicht neben Vestas reinem Feuerherde
Stellt ihren Dreifuß auf die Buhlerin.
Durch sein Gefolg von Königen und Sklaven
Blickt der Senat, im Schmuck der Latiklaven,
Auf das Gewimmel der Klienten hin.

Beisammen sitzt je Jungfrau und Matrone,
Die Praetorianer scharen sich am Throne;
Ruf der Tribunen tönt; – schon heben an
Die Priester Rheas Lobgesang und Flehen;
Erwartungsvoll, auf schlechter Bühne, sehen
Des Ganges' Gaukler, ob die Opfer nahn.

Da kommen sie! Aufjauchzt und droht die Menge!
Sie sind's, die Cäsar herbe ruft mit Strenge
Von Manes' Tempeln bis zu Herthas Hain!
Eintreten sie, geführt von ihren Treibern;
Der Liktor nennt sie; den entblößten Leibern
Brannte der Konsul tief sein Brandmal ein.

Zuerst – am Haupte kenntlich, dem geneigten! –
Wandeln Hebräer, die von Schmach gebeugten!
Dann Gallier, das Schwert in nerv'ger Hand!
Dann schnöde Christen, keine Waffen tragend,
Die, ihren Henkern Trotz wie Lied versagend,
Sich töten lassen ohne Widerstand!

Bald, bricht hervor mit Brüllen nun die Meute,
Gibt ihrem Hunger alle sie zur Beute
Die Zirkus-Mauer – keiner kann entfliehn!
Sieh', Purpur weht herab von Cäsars Sitze:
Ein milder Licht soll bei des Kampfes Hitze
Des gnäd'gen Kaisers göttlich Aug' umglühn!

O Cäsar, Geber blut'ger Feste!
Dich preist die Welt! wer zählt die Gäste,
Wenn sich des Zirkus Tor erschließt?
Heil dir, Unsterblicher, Gerechter!
Augustus' Erbe! Sieh' die Fechter,
Die sterben wollen! Cäsar, sei gegrüßt!

Das Lied des Turniers.

Der Liebe Diener! sehet sänftiglich
Auf den Gerüsten Paradieseschöre;
Darnach turnieret stark und freudiglich,
Und eurer harret Lieb' und harret Ehre!

Alte Ballade.

O Ritter, Mildigkeit! den Waffenknechten Milde!
Kommt alle! führt ihr nun im Milaneser Schilde
Den grünen Drachen, führt die Lilie Frankreichs ihr,
Führt Arragoniens Kreuz, führt andrer Art Gebilde
Ihr auf der funkelnden Rüstung als Wappenzier!

Geöffnet sind die Schranken! – sehet,
Schon ritt der Grieswart durch die Bahn.
Herab von allen Türmen wehet
Die weiß und grün gestreifte Fahn.
Der Schwarm bricht aus in laut Vergnügen;
Im Morgenwinde flatternd, fliegen
Die bunten Wimpel, fern und nah;
Der Herold aber, mit dem Greife
Von Silber, hängt ihn auf am Reife
Des Goldgurts der Dalmatika.

Die Glocke läutet dumpfen Schalles,
Rings wimmeln Giebel und Gerüst,
Und einen Tag verkündigt alles,
Der eines Königs würdig ist.
Die Königin, um zu erhöhen
Die Freude, hat der Heller zehen
Aus ihrem eignen Schatz geschenkt;
Und, milder sich noch zu erweisen,
Hat zwölf gefangner Christen Eisen
Mit ihrem Golde sie gesprengt.

Nun, eh' zu der Drommeten Schalle
Ihr Speere fällt und Schwerter zückt,
Nach dem Gesetz, ihr Ritter alle
Vernehmt des Königes Edikt!
Denn wer, eh' denn er still es höret,
Wortbrüchig nach der Lanze fähret,
Besitzt nur ein verfluchtes Schwert; –
So höret denn! steht zu den Fahnen!
Vernehmet, was einst unsre Ahnen
Die lehrten, die der Herr gelehrt!

So singt zuerst die Lobgesänge,
Die werten, mit gebognem Knie!
Singt Jesum, singt der Engel Menge,
Und singt den heiligen Denis!
Daß, wird auch euer Arm versehret,
Doch nichts die Ehr' euch kränkt, – beschwöret
Es auf die Bibel ohne Fehl!
Sorgt, daß, wenn euch der König nennet,
Ihr euer Schwert ihm zeigen könnet,
Gleichwie dem Ew'gen eure Seel'!

Wollt eines Heil'gen Staub berühren,
O Grafen und Barone! wollt
Beschwören jetzt mit hohen Schwüren,
Zu wahren eurer Sporen Gold!
In euren Burgen nie der Bürger,
So ihr beherrscht, ruchlose Würger,
Nie der Vasallen Henker seid!
Und für die Witwen und die Waisen
Sei eures guten Schwertes Eisen
Der Scheide ledig allezeit!

O Tapfre, sorgt, daß diese Stunde
Zur Vorzeit ihr die Blicke lenkt!
Des heil'gen Grals, der Tafelrunde,
Karls und der Paladine denkt!
Dem Feigen Wehe, der zum Siege
Durch eines Nekromanten Trüge
Besprechen lässet Arm und Wehr!
Dem Schnöden Weh', der in den Bahnen
Bekämpft mit sünd'gen Talismanen
Des reinen Ritters edeln Speer!

Die Stunde kommt, da wird man schleifen
Sein Schloß, das die Gerechten fliehn!
Die Stunde kommt, da wird man greifen
Und mit dein Strang erdrosseln ihn!
Die Zauberer, einst seiner Freuden
Genossen, jetzo seiner Leiden
Verläng'rer, setzen sein Gebein
Beim Jubel ihrer Höllenfeste
In andrer Zaubrer, ihrer Gäste,
Entfleischte, fürchterliche Reih'n!

Allein gefeiert sei der Name
Des Kastellans, der fromm und treu;
Mit Seide sticket jede Dame
Ihn auf die Leinwand ohne Scheu;
Und alle Troubadoure preisen
Mit ihrer Lieder süßen Weisen
Wie seinen Arm, so seinen Stahl;
An seinem Grabe wachen Feen,
Und seinen funkelnden Trophäen
Dient ein Altar zum Piedestal.

So präget ein denn eurer Seele,
O Ritter ihr und Damoisels,
Des gallischen Turniers Befehle
Und des galanten Karussells!
Das Spotten der enttäuschten Schönen
Und der gereizten Richter Höhnen
Trifft, die man zeiht der Felonie.
Nicht minder groß, als ihr Verbrechen,
Ist ihre Strafe: Richter sprechen
Ihr Urteil – Damen strafen sie!

O Ritter, Mildigkeit! den Waffenknechten Milde!
Kommt alle! führt ihr nun im Milaneser Schilde
Den grünen Drachen, führt die Lilie Frankreichs ihr,
Führt Arragoniens Kreuz, führt andrer Art Gebilde
Ihr auf der funkelnden Rüstung als Wappenzier!

Ein Festlied Neros.

An Alfred de Vigny.

Nescio quid molle atque facetum.

Horaz.

Die Langeweile tötet uns! der Weise
Vermeidet sie! Wohlan, zu Neros Preise,
O Freunde, nahet seinem heut'gen Fest!
Dem Gott des Wohllauts naht, dem Herrn der Erde,
Der ein Iönisch Lied mit lächelnder Geberde
Zur Lyra mit zehn Stimmen tönen läßt!

Wohlan, auf meinen freud'gen Ruf erscheinet!
Nie so viel Wonnen noch saht ihr vereinet
Beim Freigelassnen Pallas! nie beim Mahl
Des Seneka, zwanglos und tobend,
Wo er, den Weisen in der Tonne lobend,
Falerner trank aus goldenem Pokal!

Nie auf dem Tiberis, wenn die Hetäre
Aglaë, nackt, in prächtiger Galeere
Mit uns die Wasser schwamm hinab;
Und nie auch, wenn zu süßer Lauten Schalle
Der Bataver Präfekt der Kralle
Bekränzter Löwen zwanzig Sklaven gab!

Kommt! Rom soll brennen! ganz! – was frommt das Fragen?
Auf diesen Turm ließ meine Sänft' ich tragen,
Die Brunst zu sehn, wie sie die Flügel schwingt.
Was ist ein Kampf des Fechters mit der Meute?
Die sieben Hügel sind ein Zirkus heute,
Wo mit den Feuern Roma ringt.

Dem Herrn der Erde so, dem Hohen, Gnäd'gen,
Ziemt es, sich seines Ekels zu entled'gen!
Er schleudre, wie ein Himmlischer, den Strahl
Des Blitzes oft! Doch – es wird Nacht! die Hyder
Der Brunst erhebt schon ihr Gefieder,
Und ihre Flammenzungen züngeln fahl.

Seht her! seht her! ha, sehet sie entrollen
Den ries'gen Leib, von Glut und Rauch geschwollen!
Liebkost sie nicht dem stürzenden Gemäu'r?
Seht! Schloß und Tempel schon sind Rauch geworden
In ihrem Arm! Ha, daß auch ich nicht morden
Mit Küssen kann, wie dieses Feu'r!

Hört das Gekrach! seht sich den Dampf entwirren!
Wie Schatten seht das Volk den Brand durchirren!
Da – Schweigen des Todes rings umher!
Pforten zerbröckeln, Säulen stürzen über,
Und Ströme Erzes wälzen nach der Tiber,
Die schaudernd zuckt, ein rollend Flammenmeer!'

Nichts bleibt! zu Boden kracht porphyren
Und ehern Prachtwerk! Bilder auch, trotz ihren
Göttlichen Namen – alles! Tor und Turm!
O meine Sklavin, Brunst, wer kann dich zügeln?
Der jauchzende Nordwind schlägt dich mit den Flügeln,
Voll Zorns, gleich einem Feuersturm!

Fahr' wohl, o Kapitol! – o Freunde, sehet!
Wie eine Brücke des Kocytus stehet
Im Flammenmeere Syllas Aquädukt!
Ganz Rom in Flammen! Danke mir, du hohe
Gebieterin der Welt! sieh', wie die Lohe,
Ein prächtig Diadem, dein Haupt umzuckt!

Als Kind, o Rom, vernahm ich, die Sibylle
Verheiße dir endloser Jahre Fülle,
Zu deinen Füßen einst vergeh' die Zeit;
Im Aufgehn erst sei deiner heil'gen Mauern
Gestirn! – wie viele Stunden noch wird dauern,
O Freunde, seine Ewigkeit?

Wenn schwarz die Nacht, wie schön ein Feuer! – dieses,
Wie lodert es! Herostratus selbst pries es!
Was liegt am Volk, wenn Cäsar fröhlich ist?
Wie flieht es! Hört, wie wimmert es erschrocken; ...
Nehmt mir die Blumenkrone von den Locken;
Sie würde welk vom Feu'r, das Roma frißt!

Spritzt Blut auf euch bei diesem seltnen Feste:
Gießt Wein von Kreta drüber, meine Gäste!
Nur Böser Hand ist gern mit Blut getüncht!
Ein grausam Spiel weiht durch erhabne Freuden!
Wer wird sich an der Opfer Röcheln weiden?
Mit Liedern muß man es ersticken – singt!

Ha! Strafe diesem Rom und seinem Volke!
Weiht es nicht stets untreuen Weihrauchs Wolke
Bald Jupitern, bald dem verhaßten Christ?
Ha, endlich seh' es zitternd mich, erhaben
Wie sie! Auch ich will meinen Tempel haben,
Weil Roma noch zu arm an Göttern ist!

Daß prächtiger und schöner bald es schimm're,
Zerstör' ich Rom! – Allein sein Fall zertrümm're
Mir dieses Kreuz! Weh', wer ein Christ sich hieß!
Mein Arm ereilt ihn! rottet aus im Tosen
Des Brandes diese schnöde Brut! ... Bring' Rosen,
O Sklav! der Rosen Duft ist süß!

Die Fledermaus.

Was willst du mir? ein Engel schwebte über meinem Herzen, und du hast ihn verscheucht ... Komm denn, ich will dir Lieder singen, welche die Geister der Kirchhöfe mich gelehrt haben.

Maturin, Bertram.

Du bist es! ja – ich habe dich gesehen
In meinen Träumen! doch vergebens wehen
Mir deine Schwingen Moderdüfte zu!
Geh'! was dir aufgetragen ward von Leichen,
Bestell' es Schuld'gen! möge dir erbleichen,
Wer glücklich ist! geh', mir laß meine Ruh'!

O warte, bis, nach Hoffen und nach Sehnen,
Um meines Herzens schönsten Wunsch zu krönen,
Sich mir ergibt die Jungfrau meiner Wahl;
Dann, um der süßen Feier Lust zu stören,
Wirst du zurück auf nächt'gem Fittig kehren,
Und wirst umschwirren mich und mein Gemahl.

O du, des Käuzleins Schwester und der Eule!
Die Töchter Satans rufen mit Geheule
Dich an, dir opfernd, was auf Gräbern wächst!
Flieh' mein Asyl; verhaßt ist mir dein Schauen!
Nicht meine Lyra streife mit den Klauen,
Aus Furcht, daß Tote du erweckst!

Nachts, wenn die Geister tanzen auf den Matten,
Folgst ihren Chören flatternd du im Schatten;
Zum Höllenfeste lädt ihr Hymnus dich.
Flieh'! diese Blumen spenden süße Düfte!
Fort! in den Moderdunst der Grüfte
Laß tauchen deine Flügel sich!

Wer sendet dich? kommst du von den Ruinen,
Vom Monde dort geheimnisvoll beschienen?
In ihrer Blässe düster ist, gleich dir,
Des Mondes Stirn. – So zog aus deinen Trümmern
Dich meiner Lampe fern und einsam Schimmern?
Vom Ruhm gelockt, naht so das Unglück schier.

Kommst aus dem Turm du, wo der Schwindel hauset,
Der tolle Zwerg, der das Gebirg durchsauset,
Und Feuerkugeln durch den Äther schiebt,
Das Irrlicht rötet, niederlacht aus Lüften,
Und jeden Abend, schweifend an den Klüften,
Des Abgrunds Geiern einen Wandrer gibt?

O, schüttle nur die schlappen Flügelhäute,
Auf die ein Kobold Menschenasche streute:
Du bist mir lästig, doch nicht grauenvoll!
Flieh' nur! und bald! daferne nicht zur Sühne
Der alte Schäfer über dem Kamine
Als finstern Wandschmuck dich befest'gen soll!

Dann wird dein Zahn nicht mehr die Kinder schrecken;
Ein Mädchen kommt, um schüchtern dich zu necken;
Sie nahet dir, indes sie furchtsam lacht.
Und ausgestoßen, ach, vom Himmel,
Wird durch der Vögel fröhliches Gewimmel
Der Tag mit schwerem Flug dich suchen sehn die Nacht.

Der Alp.

O, ich hatt' eine jämmerliche Nacht,
Voll banger Träume, scheußlicher Gesichte!
So wahr, als ich ein frommer, gläub'ger Christ,
Ich brächte nicht noch eine Nacht so zu,
Gölt' es auch eine Welt beglückter Tage:
So voll von grausem Schrecken war die Zeit.

Shakespeare. Übersetzung von Schlegel.

O höre! diese Nacht hat er auf Brust und Kehle
Sich grinsend mir gesetzt und sie mir zugeschnürt.
Des Unholds Hand lag schwer, wie Blei auf meiner Seele;
Wie eine welke Blum', daß er sie langsam quäle,
Zeigt' er den Geistern sie, die da die Nacht gebiert.

In jedes Element hüllt sich dies Ungeheuer.
Bald taucht sein blaues Haupt aus Wassern in die Höh';
Bald wiehert es hervor aus schwefelgelbem Feuer,
Sein lodernd Flügelpaar gleicht einem Funkenschleier,
Sein Aug' ist Blitz, es fliegt auf einem Flammensee.

Wie trübe Spiegel zeigt mit schadenfrohem Necken
Die Finsternis sein Bild dir zehnfach; seinen Rumpf
Und sein verschwimmend Haupt umfließen Nebeldecken;
Der Nebel wallt und zieht; – er lebt! – mit nicht'gen Schrecken
Füllt es die Seele dir, und läßt sie leer und dumpf.

O Jungfrau! deine Ruh' kennt keine schwarze Lüge;
Auf deine frische Stirn schwebt leisen Schritts die Nacht.
Dein Herz ist rein und gut; an deiner Träume Wiege
Tritt kein Gespenst, und wagt dein Geist im Schlummer Flüge
Zum Himmel: o, dann wirst von Engeln du bewacht!

Der Morgen.

Moriturus moriturae.

O, sieh' den Morgen lächelnd sich entschleiern!
O, sieh' den Turm, wie er von Strahlen glüht!
Horch! wie dem Ruhm die Freude, zieht
Des jungen Tages ersten Feuern
Entgegen schon der Wälder erstes Lied!

Ja, lächle nur bei all' dem Schönen!
Dieselbe Sonne leuchtet deinen Tränen,
Wenn morgen mich der dunkle Sarg verschlingt!
Ob meinem Grabe von denselben Tönen
Erschallt der Wald, davon er heute klingt!

Dann aber wird die Seele selig schweben
Im Grenzenlosen über Raum und Zeit.
Im Morgenrot der Ewigkeit
Wird man erwachen einst vom Leben,
Gleichwie aus wüster Traumgesichte Streit.

Meine Kindheit.

Siehe – alles das ist vergangen! ...
Meine Kindheit ist nicht mehr, sie ist tot,
so zu sagen, obgleich ich noch lebe.

St. Augustin, Bekenntnisse.

1.

Kriegsträum' in unruhvoller Seele nähr' ich.
Wenn ich nicht Dichter wäre – Krieger wär' ich!
Daß ich den Kriegern hold, nicht wundert euch!
Fand ihr Zypressenlaub mit stummer Zähr' ich
Oft schöner nicht, als unsern Lorbeerzweig?

Denn wisset es! auf eine Trommel setzten
Sie meine Kripp'; aus einem Helme netzten
Der Taufe Wasser einst die Stirne mir.
Zu Windel mir und Wiegentuch zerfetzten
Kriegsmänner ein verbraucht Panier.

Durch Zelt' und Waffen und bestaubte Wagen
Hat eine Lagermuse mich getragen;
Auf Mörsern schlief ich, eingelullt vom Horn;
Den Renner liebt' ich mit dem mut'gen Schlagen,
Den heisern Bügel liebt' ich und den Sporn.

Die Forts, erstürmt mit blankem Bajonette,
Das Schwert der Führer, ha! und die Vedette
Liebt' ich, die einsam im Gehölze steht;
Die Bataillone, denen durch die Städte
Voran ein blutig Banner weht.

Voll Neides sah ich der Beritt'nen Scharen:
Den hohen Lanzenreiter, den Husaren,
Dem weiß der Busch auf schwarzem Tschako fliegt,
Und den Dragoner, der zu Rosseshaaren
Die Haut des Tigers auf dem Helme fügt.

Und meine Jugend klagt' ich an: »Gehalten
In Dunkel! ha! und ohne Klag' erkalten
Soll dieses junge heiße Blut! o Schmerz!
Dies Blut! – im schwarzen Kampf wie purpurn wallten
Wohl seine Wellen auf ein Erz!«

Und ich rief an den Krieg, sah seine Feuer
Im Geist; die Flügel schüttelnd, wie zwei Geier,
Die Zäume fliegend und die Schwerter bloß,
Mit tausendfachem Dröhnen, sah ich zweier
Kriegsheere feindlichen Zusammenstoß.

Und eherne Drommeten hört' ich schallen;
Streitwagen rasseln hört' ich, Schüsse fallen; –
Mit Toten graus besäend ihren Zug
Ersah von weitem ich, in Intervallen,
Der blitzenden Schwadronen Flug.

2.

Mit unsern Heeren, eh' ich noch geboren,
Naht' ich besiegter Königsstädte Toren;
Durch ganz Europa folgt' ich Frankreichs Aar;
Ein Knabe noch, erzählt' ich Greisesohren
Mein kurzes Leben, das so reich schon war.

Ohn' allen Schutz trat ich zu fremden Heeren;
Ich sah sie staunend meine Kindheit ehren;
Ich schützte sie – nicht schützten jene mich!
Bleich ward der Fremdling, stammelte, mit Zähren
Der Freude, Frankreichs Namen ich.

Aufs Trümmereiland, bald die erste Stufe
Von tiefem Fall, folgt' ich der Waffen Rufe;
Der Mont-Cenis, umweht von eis'gem Hauch,
Als seine Gletscher aufschrien unterm Hufe
Der Rosse, bebte meinen Schritten auch.

Zur Etsch, zum Arno schritt ich von der Rhone;
Des Westens Babel, Asch' auf gold'ner Krone,
Sah tragen ich der Witwe bittres Los:
Ja, ich sah Rom, noch auf dem Trümmerthrone
Und im zerriss'nen Purpur groß.

Ich sah Turin; ich sah Florenz, die Schöne;
Ich sah Neapels sorglos heitre Söhne,
Die der Vesuv – so schreckt ein Krieger kühn
Ein feiernd Volk mit blut'ger Helmbuschmähne –
Bedeckt mit blut'gem Flammen-Baldachin.

Und ich betrat das Land der Pyrenäen
Und der Sierren, damals von den Wehen
Des Kriegs der Rache fürchterlich durchzuckt;
Im Eskurial glaubt' ich ein Grab zu sehen;
Ich neigte mich dem Aquädukt.

Dort sah ich schwärzen unsrer Posten Feuer
Einsamer Städte stürzende Gemäuer;
Auf Kirchenschwellen sah' ich Zelte stehn.
Wie Klage scholl mir's, hört' ich der Entweiher
Gelächter gellend durch die Klöster wehn.

3.

Und als ich nun vollendet meine Züge,
War mir's, als ob ein irrend Licht ich trüge.
Ich ging in träumerischer Trunkenheit,
Als ob des Zauberborns ich tiefe Züge
Getan, der ew'gen Rausch verleiht.

Du zeigtest deine Klöster mir und Kerker,
O Spanien! du, Irun, deine Erker!
Du deine Schlösser, königlich Madrid!
Du deiner Großen trotzige Burgen, stärker,
Als Schwert und Jahre, stolz Valladolid!

Und in mir keimte, was ich einst gesehen;
Voll Ingrimms Verse summend, konnt' ich gehen;
Bald weinend, bald mit lächelndem Gesicht
Sprach meine Mutter: »Eine wohl der Feen
Spricht mit dem Knaben, doch man sieht sie nicht!«

Landschaft.

Hoc erat in votis.

Horaz.

Als ich ein Kind war, sprach die Muse: »Freue,
Ja, freue dich! sieh' meinen Genius!
O komm! kein Schatz, den ich dir nicht verleihe,
Ob die Drommete nun, ob die Schalmeie
Dereinst dein Mund beseelen muß!

»Doch fliehn mußt du die Welt mit ihrem niedern
Und argen Tun! Schickt sich ein Dichter an
Zum Flug, dann sei's, wo allen seinen Liedern,
Den Bösen fern, mit heiligem Erwidern
Das Echo Antwort geben kann!

»In eine Wüste geh', die Menschen fliehend!
In heil'gem Schatten von dir angefacht
Sei deine Fackel! Glücklich, wer, sein glühend,
Erhaben Lied der Menge Neid entziehend,
Dem Grabe seinen Ruhm vermacht!

»Geh! höher, als die Erd', ist deiner Seele
Gesichtskreis! wohl, harmonisch denn und rein,
Zum Wohnsitz eine geist'ge Welt erwähle,
Wo deinem Aug' sich ewiglich vermähle
Himmlischer Klarheit Widerschein!

»In einem frischen Tal sei dein bescheiden
Und friedlich Reich! dort, durch des Weißdorns Wehn
Glaubst du zu schaun und durch das Laub der Weiden
Magische Schlösser, wie sie in Gebäuden,
Mit Stroh gedeckt, im Märchen bunt erstehn.

»Vom Berge dräu' ein düster Turmgemäuer
Auf eines See's azurne Spiegelflut;
Und abends strahle durch der Dämm'rung Schleier
Fern im Gefilde dir ein Hirtenfeuer
Mit seiner dunkelroten Glut.

»Und wenn du teilst mit zweier Ruder Schlägen
Den See, der dir des Himmels Bildnis zeigt,
Dann in der blauen Tiefe lächeln mögen
Des Himmels Wolken dir, der sich entgegen
Der Tief' aus leichtem Kahne neigt.

»Und mögest du, genaht dem Zauberkreise
Einsamer Inseln, wo das Reh nur lauscht,
Am wald'gen Strand, nach frommer Siedler Weise
Erspähen können, was es ist, das leise
In Wind und in den Wellen rauscht.

»Wenn du erwachst, so möge dich begrüßen
Der jungen Mütter frohes Morgenlied!
Durch deine Stundenblumen möge fließen
Ein frischer Waldborn, gleichwie durch die süßen
Träume der Liebe sich die Hoffnung zieht!

»Mög' allezeit ein treu erinnernd Klagen
Um einen guten Herrn dein Tal durchwehn,
Der in der Armut Hütten Brot getragen,
Von dem die Greise, die ihn nennen, sagen:
O, hättet ihr ihn doch gesehn!

»Mein Dienst entzieht der Welt und dem Geschlechte
Der Menschen dich! der Seher wolle sein,
Des flammend Aug' durchloderte die Nächte;
Der, voll vom Geist, erhoben seine Rechte,
Einherging, redend in den Wüstenei'n!«

Du sagtest es! Und siehe, tausendstimmig,
O Muse! dröhnt die Weltstadt in mein Ohr!
O sieh', und mitten in den Wirbeln schwimm' ich;
Nicht aus dem Strudel ans Gestade klimm' ich,
Wie manches Schiff auch drin den Mast verlor!

Und alles dies, weil, meinen Pfad zu schmücken,
Der Himmel mir die Führerin gesandt!
Wo sie geatmet, weil' ich mit Entzücken;
O Muse, all' mein Glück in ihren Blicken!
Ihr Lächeln meiner Träume Land!

Ihr Name.

Nomen, aut nomen!

Der Glanz des Scheins, der Heil'ger Haupt umglühet;
Der Lilie Duft, die Weste lind umwehn;
Des Freundes Klage, der um uns sich mühet;
Das Lebewohl der Stunde, die entfliehet,
Und eines Kusses süß Getön;

Die sieben Farben, welche, wie Trophäen,
Der Sturm zurückläßt auf der Wolke Saum;
Geliebter Züge plötzlich Wiedersehen;
Argloser Jungfraun rein und innig Flehen,
Und eines Kindes erster Traum;

Des fabelhaften Memnon süß Erklingen,
Wenn ihn die Morgenröte reden hieß;
Entfernter Chöre leis verhallend Singen –
Was es auch geben mag von süßen Dingen,
Ist minder, als ihr Name, süß!

O, sprich ihn aus, wie ein Gebet, ganz leise!
Doch hall' er stets in unserm Lied! – Das Licht,
Das am Altar brennt zu des Ew'gen Preise,
Das Wort sei er, das im geweihten Kreise
Des Heiligtums stets eine Stimme spricht!

O meine Freunde, eh' mit Flammenlauten,
Zugleich mit Namen, die der Stolz nur kennt,
Verirrten Fluges, diesen einen trauten
Und keuschen Namen, welchen mir vertrauten
Engel der Liebe, meine Muse nennt:

Muß sich mein Hymnus wie ein Lied erheben
Von denen, welchen auf den Knien man lauscht;
Von seinem Tönen muß die Luft erbeben,
Wie wenn ein Engel im Vorüberschweben
Mit unsichtbaren Schwingen uns umrauscht!

An meine Freunde.

Wie glücklich ist, wer, einsam, nicht vom Schwarme,
Dem törichten und dünkelhaften, Gunst
Und Schutz erbettelt! wer, zurückgezogen
Vom Hof und von der unbeständ'gen Welt,
Nicht in die Sachen sich des Staates mischt,
Sich keines Herren schnöder Laune fügt;
Wer, für sich selbst nur und die Seinen lebend,
Sich selbst sein Hof, sein Herr, sein König ist!

Jean de la Taille.

Auf keinem Siegsgefährt gesessen,
Stirbt der Poet in Dunkelheit;
Zu nah', um seine Höh' zu messen,
Steht seinem Ruhme seine Zeit.
Wie Belisar, auf wunden Sohlen
Irrt er; das Volk rennt nach Idolen,
Und – ehrt verächtlich mit Obolen
Des Bettler-Triumphators Leid.

Aus meines Dunkels süßer Stille,
O Freunde, bann' ich Weh' um Weh';
Schau't her, ob unter seiner Hülle
Nicht jedem Gott ein Altar steh'!
Hier, unter Eichen, ohne Tränen,
Laß Myrt' und Lorbeer ich mich krönen;
Seh' ich Horazen bei Mäcenen,
Corneillen ohne Richelieu.

Im Schatten hier auf Blumenstengeln
Ruht meine Muse; – strahlend glüht
Ihr offnes Aug'; sie gleicht den Engeln
Des Himmels, die der Mensch nicht sieht.
Im Schatten nur liebt sie zu singen;
Sie schwebt auf siedlerischen Schwingen;
Den weißen Fuß nicht nahe bringen
Will sie der Erde, die sie flieht.

In einer keuschen Ehe Frieden
Wird all' mein Wünschen hier erfüllt;
Und oft auch ist es mir beschieden,
Dich, Vater, wie ein Ritterbild,
Rasten zu sehn an meinem Feuer:
Mein Haus dein Reich, du sein Erfreuer!
Mein Sohn horcht meiner jungen Leier,
Gewiegt in deinem alten Schild.

An die Ruinen von Montfort l'Amaury.

Seht düster ihr sich heben
Des Klosters Turm und Streben,
Und dort vom Königsbau
Die Mauer, hoch und grau?

Alfred de Biguy.

1.

Ich lieb' euch, Trümmer! doch vor allem hausen
In eurer Öde möcht' ich, wenn das Brausen
Herbstlicher Winde dumpf erschüttert euch!
O Türme, von der Jahre Last gebeuget,
Die auf dem Hügel ihr von fern euch zeiget,
Zwei kampfbereiten schwarzen Riesen gleich!

Wenn träumerisch durch Kraut und wild Geranke
Empor zu euch, ihr stolzen Rest', ich wanke,
Dann eure Zinnen schau' ich an entsetzt;
Des Turmes rote Ziegel seh' ich blitzen!
Ich sehe durch der Breschen moos'ge Ritzen,
Wo Krieger starben, Kinder spielen jetzt.

Nicht nah', wer eurer spottet, euch, ihr Mauern!
Den Dichter nur laßt einsam in euch trauern!
Er doch hat Tränen für das alte Fort;
Und wenn der Nachtwind klagt um Bresch' und Brüstung,
So glaubt er, Geister rasseln mit der Rüstung
l'Amaurys, Grafen von Montfort.

2.

Oft sitz' ich hier, getreu den alten Tagen,
Auf einer Trümmer, ihren Fall zu klagen;
Lang denk' ich nach, mein Herze pocht und schwillt.
Die Stadt, in Bäumen unter mir gelegen,
Streckt aus die Arm', und krümmt sich als ein Degen,
Gleichwie ein Schwert, vergessen im Gefild.

Und die Gehölze schau ich, tief im Grunde,
Bald hell, bald finster, wie es will die Stunde;
Die Kirche seh' ich, die ein Goldkreuz trägt;
Und in des Abends ungewisser Helle
Erblick ich auf dem Friedhof der Kapelle
Ein Erdreich, welches Wellen schlägt.

Und über Bogen, Zinn' und Schild mich hebend,
Empor am Steinwerk wie ein Efeu strebend,
Erklimm' ich oft der Feste höchsten Wall.
Dort ins Geheul des Sturms misch' ich mein Singen,
Und, durch die Himmel folgend seinen Schwingen,
Schreckt oft den Adler meiner Stimme Schall.

Dort eines Freundes Leier oft auch hör' ich;
An seiner Hand die alte Zeit beschwör' ich;
Von Rittern, Gott, und Helden reden wir,
Und von den Seelen, die auf Erden trauern; –
Der Wind indessen bricht sich an den Mauern,
Und knickt die hohen Pappeln schier.

Die Reise.

Ich will, daß meine Rückkehr
Recht lang dir scheine; will, daß Tag und Nacht
Du treu mich liebest! (Tag und Nacht ja quäl' ich
Mich deinetwillen!) In der andern Mitte
Sollst du allein sein; sollst gedenken mein
In deinem Schlummer, wachend von mir träumen,
Mich, mich nur sehen, ewig bei mir sein!
André Chénier.

1.

Das mut'ge Roß erschüttert sein Geschirre,
Bald sprüht das Pflaster Funken ans Geklirre
Des Rads. Leb' wohl! es muß geschieden sein!
Sei stark! leb' wohl! laß keine Träne rinnen!
Doch sieh', schon führt der Wagen mich von hinnen!
Du bleibst ... schon dacht' ich, er vergäße dein.

O, folg' ihm lange mit besorgtem Ohr!
O, gehe sinnend nicht zurück, bevor
Der Hufschlag in der Ferne sich verlieret!
Schon ward der Raum uns, ach, zur Scheidewand:
Nicht seh' ich flattern mehr dein weiß Gewand;
Nicht hörst das Rad du mehr, das mich entführet.

Was! kein Geräusch mehr! selbst kein Schatten mehr!
Abwesenheit! – o Gott! – und in dein Meer,
Das düstre, die verzagten Schritte wend' ich;
Und, ach, in dieser zweiten Hölle Grau'n,
Drin Angst und Furcht und Qualen nur zu schau'n –
Es ist gescheh'n! – stieg ich hinab lebendig.

2.

Was jetzt mit meinem Träumen, meinem Sinnen,
Und was mit meiner Stirne jetzt beginnen,
Die, ach, so gern in deinen Händen schlief?
Mit meinen Leiden, die vor dir nur fliehen?
Und was mit meinen Augen, deren Glühen
Der Blitz der deinen nur ins Leben rief?

Und wechselsweise folgt zerstreut im Raume
Mein Auge jedem Busch und jedem Baume,
Dem grünen Holz, der Ernte goldnem Glüh'n,
Den Bergen und des Abends lichtem Sterne,
Den Türmen und den Städten, so die Ferne
Bedeckt mit einem Nebelbaldachin.

Was ist die Ernte mir, die golden blinket,
Der Stern, der aufgeht, und der Stern, der sinket,
Was Berg und Ebne, siehest du sie nicht?
Was sind mir Burgruinen, moos'ge Erker,
Wenn neben mir das Schweigen ihrer Kerker
Nicht deines Fußes leichtes Wandeln bricht?

Und so wird heut und morgen mir verfließen,
Und lange Zeit, wo lächelnd mich begrüßen
Das Frührot wird, mein Leben, ohne dich!
Du bist mir fern, wenn ich in Träumen lebe,
Und deine Hand, wenn ich die Stirn erhebe,
Legt spielend nicht auf meine Augen sich.

Und dennoch muß ich, mitten selbst im Leide
In meinen Briefen irgend eine Freude
Dir senden, sagen: »Tröste dich!« – bedrängt
Von Kummer sag' ich's! – fürchtend, dich verwunde
Ein Weh', so lang ich fern, ist jede Stunde
Ein Schwert, das über meinem Haupte hängt.

3.

Was machst du jetzt? – wohl mit besorgter Miene
Folgst auf der Karte du mir am Kamine;
Du sprichst: »Wo kann er sein? – An jeder Statt
Find' er ein Herz, das liebend ihm ergeben;
Und eine Wirtin, die, gleich mir, ein Leben,
Ihr teuer, unter andern Himmeln hat!

»Wie schnell entfernt er sich! gewiß, ich wette,
Legt' er zurück schon diese fernen Städte;
Gewiß dem Wald hier ist er schon entflohn;
Durch dieses Tal in diesem Augenblicke
Rollt er vielleicht und über diese Brücke,
Wo letztes Jahr ... wenn er nicht weiter schon!«

Mein Vater drauf schilt deine Angst gelinde,
Und sagt dir lächelnd: »Lächle deinem Kinde!
Nur Mut! Bald wird er kehren, wie er war.
Er lacht, er scherzt; in dieser Stunde sieht er
Grab oder Wohnung eines Helden, kniet er
Für dich an irgend einem Hochaltar.

Du weißt es ja, wie er die Trümmer liebte,
Dran alter Zeit naive Kunst sich übte;
Oft von dem Bogen, der aus Morgenland
Kam zu den Gothen, hat er uns gesprochen;
Von Giebeln auch, mit Bildwerk reich durchbrochen;
Oft den roman'schen Turm hat er genannt!«

4.

Und dann erzählt er, stillend deine Klage,
Sein irrend Leben, unsre großen Tage,
Und manch Gefecht an fremder Ströme Flut;
Den Kaiser auch und seine kühnen Heere –
Ganz leise spricht er, daß er ja nicht störe
Dein Kind, das dir am Busen ruht!

Spaziergang.

Sieh' da die Orte, teuer meinem Träumen,
Sieh' da die Wiesen, deren Schmelz ich sang.

Amable-Tastu, die verirrte Leier.

Komm! von dem Schleier sei dein Haupt umweht,
Den deine Nadel künstlich hat besä't
Mit Blumen! komm, tritt unter die Platanen!
O komm! wirf über Kaschmirs reichen Schal,
Der einst verborgen eines Emirs Stahl,
Vielleicht den Busen selber der Sultanen!

Im Abendlichte sieh' der Weiler Rauch!
Er steigt empor und schwindet; – also auch
Seh'n Ehr' und Ruhm wir uns vorübergehen!
Ein töricht Hoffen läßt uns glänzen hier,
Bald diesen und bald jenen, so wie wir
Dies letzte Licht den Rauch vergolden sehen.

Nah' einem Herzen, welches für mich schlägt,
Wie süß ist es, durch das Gefild bewegt
Zu wandeln, wenn der müde Tag erlischet!
Wie süß, an deiner Hand durchs Tal zu gehn,
Wenn mit des Abendwindes frischem Wehn
Sich deines Odems süßer Duft vermischet!

Für solch ein Glück schwärmt' ich von Kindheit an!
Es zu erringen, was hab' ich getan!
Und was gelitten! – ohne dich, wo hätte
Ich Frieden, jetzt, wo alles hadert schier?
Ich wünsche nichts mehr! zu bevölkern mir
Weißt du die Wüsten, und sogar die Städte!

O sieh'; ein Stern zeigt nach dem andern sich!
So, wenn des Rauchwerks Düfte feierlich
Ein Schloß durchwehn bei einem großen Feste –
Die Kerze lodert, und die Fackel flammt! –
Sieht vor der Zeit oft auf den reichen Sammt
Man setzen sich die eiligsten der Gäste.

Ein Meteor! – es glüht, und es erblaßt!
So, von geheimen Übeln rauh gefaßt,
Stürzt jählings oft ein Großer und ein Wackrer!
Die Menge sieht es kalt, und folgt dem Strom: –
Was ist ein Stern, der von des Himmels Dom
Herniederfällt, auf dem Gefild dem Ackrer?

O, du bist nicht so, du, die jedem Leid
Erhabner Seelen eine Träne weiht!
Du, die da seufzet über den Poeten!
Die für die Opfer leise fleht, und um
Die Henker klagt, und (schweigend, doch nicht stumm!)
An eines Helden ernste Gruft mag treten!

Wenn deinem Blick mit schwarzen Türmen durch
Den schwarzen Wald sich zeiget eine Burg,
Fern von der Stadt verwirrendem Getreibe:
Dann stehst du still, und zwischen den Creneaux
Des alten Turms, bewachsen dicht mit Moos,
Sucht und verliert dein Aug' des Mondes Scheibe.

Ich bin es, Liebe, welcher dich gelehrt,
Zu lieben diese Trümmer, wo, bewehrt
Von ihrer Patin, junge Ritter flehten;
Ich lehrte dich, zu lieben diesen Grund,
Wo einer Fürstin Küsse schon den Mund
Berührten des entschlummerten Poeten.

Doch laß uns gehn! die Dunkelheit bricht an!
O sieh', die Wellen wiegen schon den Kahn,
Der uns nach Hause tragen soll, den schwachen!
Es ist des unbeständ'gen Lebens Bild:
Der Strom der Zeiten schaukelt es, verhüllt
Von tiefer Nacht – der Abgrund trägt den Nachen!

Das Leben flieht mit jedem Augenblick
Zur Ewigkeit; – der Körper bleibt zurück,
Wenn sich der Geist emporschwang in die Lüfte.
So, bei der dunkelroten Rose Tod,
Sinkt hin ihr Blatt, umsonst vom Morgenrot
Geküßt, und himmelwärts fliehn ihre Düfte!

An Ramon, Herzog von Benav.

Por la boca do su herida.

Guilleu de Castro.

Verstanden, ach! Hab' ich erbleichend
Dein Lächeln, fürchterlich und kalt;
Dein Lächeln, dem des Sträflings gleichend,
Wenn ihm das Todesurteil schallt!
Als deine krampf'ge Hand ich drückte,
Als in dein düster Aug' ich blickte,
Da wußt' ich, was dich niederbeugt!
Dein Blick ein Blitz, der, nachtumdunkelt,
Auf unbekannten Meeren funkelt,
Doch nimmer ihren Grund uns zeigt.

Du sprachst: »Ich seufzte nicht! Was lad' ich
Denn eure Klagen auf mein Haupt?
Kein Herz mit meinen Tränen bad' ich;
Verdorret steh' ich und entlaubt!
Nicht Freunde hab' ich und nicht Brüder!
Nie lächelt mir die Freude wieder!
So spart denn wenigstens die Schmach
Des Mitleids mir! – Weh', schon zu teuer
Zahlt' ich mein Unglück, als daß euer
Bedauern halb er fordern mag!

»Und – ist es wert denn auch der Tränen?
Und dies heißt Unglück, dies heißt Schmerz? –
Nun ja, wonach sich andre sehnen,
Mir senkt es Ekel nur ins Herz!
Nichts blieb von meiner Jugend Träumen;
Weh', keine Früchte seh' ich keimen
Auf ihrem buntgewirkten Grund.
Für mich löscht aus ihr Licht die Liebe,
Und niemals wird mit süßem Triebe
Mich nennen eines Weibes Mund.

   

»Nie Weib! nie Kinder! nie umspannen
Wird mich ein liebevoller Arm!
Nie wird es meinem Ohr: »von wannen
So spät erst?« tönen lieb und warm!
Kein Wünschen blieb mir und kein Hoffen;
In meiner Zukunft seh' ich offen
Die Hölle nur, zornvollen Strahls;
Genug in meinen Finsternissen
Hab' ich der Schatten schauen müssen,
Doch nie den meines Ideals!

»Nicht krümmt' ich mich vor dem Geschicke;
Doch schwerer drum fiel seine Hand
Auf meine offne Stirn zurücke,
Die stets gerüstet es erfand.
Der Jugend, die so schnell enteilet,
Dem Ruhm, der Freude, die nicht weilet,
Rief ich das stolze Lebewohl
Des Cato zu! – Sei es! erfülle
Sich meines Schicksals herber Wille!
Und, – leid' ich, wer denn weiß es wohl?

»Sklaven des Daseins – nur verschweigen
Laßt uns des Daseins grimme Qual!
Warum denn, wie ein Bettler, zeigen
An Fuß und Sand mein Kettenmal?
O, was dem feigen Sohn der Stunde
Gilt meine tiefe, stille Wunde?
Vorüber geht! laßt mich allein!
Geht! eure Stimmen nichts, als Halle!
Viel lieber – geht vorüber alle! –
Still leiden, als getröstet sein!

»Nicht mehr gehör' ich an dem Leben!
Was! – ob auch noch mein Auge glüht,
Und oft, mit zuckendem Wimperheben,
Ein düsterflammend Feuer sprüht!
Was will es sagen, wenn der Becher
Geleert, daß seinem Rand der Zecher
Noch bittern Nachgeschmack entsaugt?
Das Fahrzeug, welches sie zerschellen,
Hat es besiegt die zorn'gen Wellen,
Wenn ihnen noch sein Mast enttaucht?

»Und dann – was ist an mir gelegen?
Kann ich doch andre glücklich sehn!
So ist's auf Erden allerwegen:
Gelächter füllt sie und Gestöhn!
Auch ich bin Staub! kein andrer trage
Für mich die Bürde meiner Tage!
Bis an den Abend trag' ich still!
Was macht es aus der flücht'gen Welle
Des Schwarms, auf welches Grabes Schwelle
Sich einst mein Schatten setzen will?«

Du sprichst es! deine Lippen zittern,
Und deiner tiefsten Brust entfährt
Ein Schluchzen, wie ein plötzlich Schüttern
Man Saiten oft durchrauschen hört!
Dein Unglück ist dein Ruhm! Sein Zürnen
Verachte! Sah man Siegerstirnen
Von Blumenkränzen je umglüht?
Nie wird für dich die Freude kehren;
Allein du weißt es, daß mit Zähren
Der Genius anhebt sein Lied!

Gleich einem Pfluge, der den Boden
Aufreißt, eh' denn der Morgen glüht,
Und spät am Abend noch die Soden
Rastlos mit seiner Schar durchzieht: –
Also, durch deiner Tage Frieden
Zu ziehn den schweren, nimmermüden
Erzpflug, ist das Geschick bedacht;
Doch, wagt mit seinem glüh'nden Eisen
Es deine Seele zu zerreißen,
So ist's, daß es sie fruchtbar macht!

Das Bildnis eines Kindes.

An Mademoiselle I. D. de M.

Seh' ich an des Baches Rand
Vielerhand
Blumen in dem schönsten Lichte:
Denk' ich, daß das Rot mir strahlt,
Das gemalt
Ist in ihrem Angesichte.

Wehet auf der bunten Wies'
Wundersüß
Duft von Blumen durch die Lüfte:
O, dann denk' ich, mich umweh'
Aus der Höh'
Ihres Odems süß Gedüfte.

Ronsard.

1.

Ja, diese Stirn, dies Lächeln, diese Frische,
Ja, dieser Weiß' und Röte zart Gemische –
Es ist das Kind, dem Engel Wächter sind!
O, dieser blonden Härchen loses Wehen!
O, dieser Blick, geraubt den sel'gen Höhen –
Als Dichter einen Engel drin zu sehen
Mein' ich, allein als Vater nur mein Kind!

Schau' hin! an seines Auges reinem Lohen,
Daß seine Seele kürzlich erst entflohen
Des Paradieses Auen, siehet man!
Noch strahlt ihm hell und rosig nur das Heute;
Noch flieht kein Tag, an dem es sich nicht freute;
Noch trifft es lächelnd die gebenedeite
Mutter des Herrn in seiner Mutter an.

Man sollte sagen, ferner Himmelschöre
Huldvollem Ruf und süßem Singen höre
Es lächelnd, selbst ein junger Engel, zu;
Bei diesem Lächeln, möchte man nicht fragen:
»O junger Engel, sprich, in frühern Tagen
Was für ein Märtertum hast du getragen,
Und wie, sag' an, im Himmel heißest du?«

2.

O du, durch deren Kunst es also strahlet,
Ich sing' es dir, da du es mir gemalet!
Nicht alternd, durch die Zeiten glänzen muß,
Was du erschaffst! Kraft paar sich deiner Milde,
Die Harmonie weiht deiner Kunst Gebilde,
In deiner Kindheit hat mit glüh'ndem Schilde
Beschattet deine Stirn ein Genius.

O, sicher aus des Nordlichts Feuergarben,
Und aus der Donnerwolke sieben Farben,
Und aus dem weißen Schaum der grünen See,
Und aus Auroras Purpurrosenkette
Schuf, leise nahend deinem Wiegenbette,
Dir eine idealische Palette
Für deinen Zauberpinsel eine Fee!

An meinen Freund S. B.

Perseverando

Devise der Ducie

Der Aar der Genius!– Vogel der Stürme,
Liebt er die höchsten Berg' und Felsentürme;
Des Tags Erwachen grüßt sein stolz Geschrei;
Nie taucht die Klau' er in den Schlamm begehrlich,
Und mit der Sonne Blitze unaufhörlich
Wechselt sein Auge, wild und frei!

Sein Nest kein Moosnest; nein, ein Horst, gelegen
Auf schroffem Klippenhang, von Donnerschlägen
Gespalten! eine fürchterliche Schluft!
Ein Felsenhaupt, mit Nadelholze prangend,
Jäh zwischen zweien grausen Tiefen hangend:
Den Himmeln und der schwarzen Kluft!

Mit Würmern nicht und schillernden Insekten,
Auch mit dem Falter nicht, dem bunt gefleckten,
Fleugt er zur Brut, die hungernd harrt, empor;
Nein! nur die Eule bringt er in dem Fange,
Die schmutz'ge Eidechs und die gift'ge Schlange,
Und wirft sie seinen Jungen vor.

O düst'rer Palast! Felshorst, halb verschneiet,
Den zu verschütten die Lawine dräuet:
In dir die Jungen ätzet liebevoll
Der Genius! an nichts hier lässet fehlen
Er seinen Kindern es, den jungen Seelen,
Der Flammenart, die auch einst fliegen soll!

Warum denn staunen, Freund, wenn blitzdurchglühet
Die Wolke schon ob deinem Haupte ziehet?
Wenn eine Schlange schon mit gift'gem Dampf
Dein Nest erfüllt? – es männlich zu beschirmen
Dein erstes Spiel! ihr Adler lebt in Stürmen!
Für euch ist jedes Fest ein Kampf!

O, strahle du! jetzt ist es Zeit, zu strahlen!
Und kommt ein Sturm, dann auf der Wolke malen,
Der dunkeln, laß die sieben Farben sich!
Komm, laß die Händ' uns brüderlich verschlingen!
Poet, zur Leier! Aar, spann' aus die Schwingen!
O Stern, o Stern, erhebe dich!

Der Nebel deines Morgenrots wird schwinden!
Daß du ein Sonnenkind, woll' es verkünden!
Raub' einen Namen dir mit Liedern! – sieh',
Gleicht dieser Ruhm, der des Gemeinen Beute,
Den Fahnen nicht, gerettet aus dem Streite? –
Zerrissen sind am schönsten sie!

Sieh' den Kometen, der den Raum durchfähret,
Und von den Welten, welche er verzehret,
Anwächst: – so schreitest, junger Riese, du!
So, siegend ab jedwede Fessel streifend,
Gedankenwelten mit sich schleifend,
Geht dein Genie und wächset immerzu!

Sommerregen.

Weißdornblüt' und Löwenzahn,
Thymian,
Rosen, Nelken und Ranunkeln,
Alle Blumen, taubenetzt,
Sieht man jetzt
Frisch und tausendfarbig funkeln.

Und die süße Nachtigall
Fliegt mit Schall
In dem Schatten auf und nieder,
Schlägt und singt
Daß es klingt,
Tausend Triller, tausend Lieder.

Remi Belleau.

Wie frisch der Abend! wie voll Süße!
Geregnet hat es in der Früh';
Komm, daß den Atlas deiner Füße
Der Tau des Wiesenplans besprüh'!
Der Vogel rauscht durchs Laubwerk nieder';
Er schüttelt zwitschernd sein Gefieder:
Arm Vöglein, das der Herr beschützt!
Es hört den Wind die letzten Tropfen
Des Regens von den Blättern klopfen,
Und sieht sein Nest davon durchblitzt.

Vergossen sind des Regens Güsse,
Des Himmels trüber Schleier flieht;
Er gibt der Erde Strahlenküsse,
Daß funkelnd sie wie Silber glüht.
Der kleine Bach des Tals, geschwollen
Für eine Stunde, reißt im Rollen
Eidechs und Gräser mit sich fort;
Er bricht am Kiesel seine Welle,
Und bildet Niagarafälle
Der Ameis' am Gestade dort.

O siehe: von der Flut ergriffen,
Insekten, ratlos und bedrängt!
Wie jedes sich – o fährlich Schiffen! –
An toter Mücken Flügel hängt!
Gleich kleinen Inseln auch für viele
Sind Blätter irrende Asyle;
O, glücklich ihr auf eurem Blatt,
Wenn an des Abgrunds finsterm Rande
Ein Strohhalm, hergeweht vom Strande,
Zurückhält eure schwimmende Stadt!

Weiß glänzt der Sand! – Wie die geballten
Talnebel steigen, matt besonnt!
In ihren trügerischen Falten
Erbebt und flieht der Horizont.
Man siehet unter ihren Schleiern,
Gleich trüben, ungewissen Feuern,
Lichtpunkte glänzen auf der Flur,
Der Berge Haupt dem Duft enttauchen,
Die Hütten in den Gründen rauchen,
Und Schieferdächer funkeln nur!

Komm, laß uns irren in den Hainen;
Jetzt ja sind wir allein! O, leg'
Auf meinen Arm den zagen deinen!
Komm, nach den Linden geht der Weg!
Rot sinkt die Sonne! – aber ehe
Wir niedersteigen von der Höhe,
Sieh' noch mit ihren Hütten und
Mit ihren ries'gen Kathedralen,
Die all' mit gleichem Lichte strahlen,
Die goldne Stadt auf schwarzem Grund!

O, sieh' den Rauch, der allerorten
Um Dächer weht, die Duft genäßt!
Dort sind geliebte Weiber! dorten
Sind Herzen, sanft, ergeben, fest!
Das Leben, ach, das wir nicht mögen,
Es ist die Sonne nach dem Regen. –
Sieh', tiefer senkt sich ihr Gestirn!
Die Fenster der von ihrem Glühen
Durchfloßnen Stadt des Tales sprühen,
Wie Rosen an der Türme Stirn.

Der Regenbogen! – o, gehoben
Den Blick! – wie glüht sein farbig Kleid!
Sieh', welchen Schatz uns nach dem Toben
Des Sturms der gute Gott verleiht!
Wie oftmals, o ihr ew'gen Sphären,
Wagt' ihre Flügel zu begehren
Schon meine Seele, tief gerührt;
Auf daß im Äther frei sie schwimme,
Auf daß sie wisse, wohin diese Krümme,
Der Bogen einer Himmelsbrücke, führt!

Träume.

En la amena soledad
De aquesta apacible estancia,
Bellisimo laberinto
De arboles, flores, y plantas,
Podeis dexarme, dexando
Conmigo, que ellos me bastan
Por compania, los libros
Que os mande sacar de casa;
Que yo, in tanto que Antioquia
Cèlebra con fiestas tantas
La fabrica de esse templo
Que hoy à Jupiter consacra,
... ...
Huyendo del gran bullicio
Que hay en sus calles, y plazas,
Passar estudiando qui ero
La edad que al dia le falta.

Calderon, El Magico prodigioso.

1.

O Freunde, fern dem Schlosse
Des Königs, fern dem Strich
Des Wagens und der Rosse,
Der Stadt fern und dem Trosse,
O sucht für mich, o sucht für mich

Auf einem stillen Strande,
Wo laß die Seele sinnt
Und träumt, in einem Lande,
Wo in mein Ohr nicht brande
Der Erde Flut und Wind,

Ein dunkles Holz voll Frische,
Und einen Zufluchtsort,
Und eine Blätternische,
Ein Nest tief im Gebüsche,
Am Ufer einen Port!

O, macht es mir zu eigen
Recht düster, recht versteckt,
Verborgen tief in Schweigen
Und Schatten, und von Zweigen
Geheimnisvoll bedeckt!

Daß dort mein Lied sich letze
An Waldgeruch und Moos!
Dort des Gebirges Schätze
Erheb' es, schweb', und setze
Auf Berghaupt sich und Ros'.

Mit wilder Kühnheit wag' es,
Zu lösen jeglich Band!
Sein Flug, nie müde, trag' es
Gewalt'gen Flügelschlages
Weit über Meer und Land!

2.

O, in des Himmels Räume
Entrücke mich ein Traum!
O, daß er nie verschäume,
Und daß bei Nacht ich träume
Von meinem Tagestraum!

Weiß wie das Segel sei er
Auf Meereswogen hier,
Berg' eines Sternes Feuer,
Und sei gleichwie ein Schleier
Zwischen dem Leben und mir!

Ewig soll ihn vergülden
Die Muse, glutgeschürzt!
Sie, die aus Lichtgefilden
Mit schimmernden Gebilden
In meine Nacht sich stürzt!

Und frei in ihm entfalten
Soll'n sich, durch ihn genährt,
Gedanken! – Lichtgestalten,
Soll'n sie umarmt sich halten
Im Kreis an meinem Herd!

Und sollen still im Kreise,
Im Auge freud'gen Schein,
Zu einer sanften Weise
Ihn wiegen, so wie leise
Schwestern ein Brüderlein.

3.

Irrt man auf Meeressande
Und im Gehölz, entwich
Man nach des Flusses Strande –
Dann, ledig aller Bande,
Glaubt näher man den Himmeln sich!

Dort wie ein Traum ist alles!
Kein Ton dort ohne Wort!
Ein Loblied mächt'gen Schalles
Steigt aus des Wogenschwalles
Und Laubwerks Murmeln dort!

Es braust wie eine volle
Und tiefe Stimm' uns an!
Es ist des Alls Gegrolle,
Es ist der Welt Gerolle
Im Himmelsozean!

Es ist das Widerhallen
Der Stimmen Jehovah;
Es ist das Hymnenschallen
Der Welt, in der da wallen,
Die hier man scheiden sah;

Wo in das Meer der Seelen
Die Seele sich ergießt,
Gleichwie, aus freiem Wählen,
Sich Flammen glüh vermählen,
Wie Well' in Welle flieht.

4.

Dies, was auf Berg und Mooren
Die Wüstenei uns beut!
Doch du, o Stadt der Toren,
Paris, singst unsern Ohren
Ein Lied der Nichtigkeit!

Bretagne, ha, das alte!
Ein Fels, vom Meer benetzt!
Und eine laubumwallte
Gothische Burg im Walde,
Dem Celtischen! – vorausgesetzt,

Daß nur, drauf meine Klause,
Dem Schloßturm, morsch und alt,
Mit Rascheln und Gebrause
Efeu wie eine krause
Helmzier ums Steinhaupt wallt;

Und daß herab vom hohen
Kamin ein bunter Schild
Und Waffenstücke drohen;
Daß ihn mit ihrem Lohen
Kaum eine Eiche füllt;

Daß Sommers in den Hainen
Ihr Laubdach mir verwehrt
Den Himmel; – daß die Meinen
Rot von der Flamme Scheinen,
Ich Winters schau' am Herd;

Und daß, wenn nachts am Strome
Der Sturm im Dickicht kracht,
Es scheint, als ob Phantome
Sich unter seinem Dome
Bekämpfen in der Nacht;

Daß, wach' ich, gleichwie Bienen
Jungfrauen allezeit
In Schwärmen mich bedienen,
Von Scharlachglut beschienen
Ihr tausenfaltig Kleid;

Daß, während eine Rüster
Rauscht, Heldenschatten leis
Mir nahen mit Geflüster,
Auf meinen Scheiben düster,
Um meine Bogen weiß!

5.

Ersieht mit ihrem Neste
Und ihrer flücht'gen Brut
Sich meine Muse Reste
Von einer alten Feste
Zum Hause, drin sie ruht:

So ist es, weil sie jene
Entfernten Zeiten ehrt,
Die reicher sind an Schöne
Und Tugend, und der Träne
Des Dichters eher wert,

Als unsre klügern! – Hüten
Will jener Trümmer ich!
Hier oft, entflohn dem Wüten
Des Sturmes, wählt, zu brüten,
Ein Geiernest, ein altes, sich

Die Schwalb'; – und ihre lose
Brut wälzet ohne Scheu
Mit dreistem Schnabelstoße
Zerbrochen auf dem Moose
Des Riesenvogels Ei.

So ist's, daß mit Panieren
Und altem Waffenzeug
Krieg meine Verse führen;
Aus rost'gen Helmvisieren
Schau'n kichernd sie, phantastschen Zwergen gleich.

6.

So in den Prachtruinen
Und so in dem Verließ
Soll'n meine Tage grünen,
Wie, von der Sonn' beschienen,
Kraut in der Türme Riß!

Doch, Strohdach oder Zinnen,
Flieh'nd bis zum letzten Hauch
Den Markt, seh' ich von hinnen
In Licht und Flehn sie rinnen,
Vergessend und vergessen auch.

Der Geiz und der Neid.

Erzählung. Gleich der folgenden Elegie aus der frühesten Zeit des Dichters (1816). F.

Der Geiz einst mit dem Neide strich
Durch das Gefilde; – sie begaben sich,
Gleichviel zu wem! (doch war's ihm nicht Gewinn!)
Zu dir, zu mir, zu jenem – kurz und gut,
Sie gingen, ich weiß nicht wohin,
Wie es der Reiher in der Fabel tut. Von Lafontaine:
Un jour sur ses longs pieds allait je ne sais où
Le héron au long bec etc. F.
Zwar Brüder, liebte keiner doch den andern;
So, schweigend, denn auch heute wandern
Sie durch das Feld. Der Geiz, gebückt,
Sieht nach dem Kasten oft, der seinen Nacken drückt,
Dem eisernen, für den er allzeit zittert. –
Der Neid auch sicher sah ihn an, erbittert,
Daß nicht auch er so viele Taler trug.
Herr Geiz, der nimmersatte Tor,
Sprach unterwegs zu seiner Qual sich vor:
»Ich habe wahrlich doch noch nicht genug!«
Mit gift'gem Blicke schielt' hingegen
Der Neid das Geld an, biß die Lippen sich,
Und sprach (er hätte bersten mögen!):
»Er hat zuviel, denn weniger hab' ich!«
So, jeder voll von schnöden Wünschen, gehn sie; –
Auf einmal die Begierde sehn sie,
Die Göttin, die allein jedweden Wunsch gewährt,
Und jedem geben kann, was er begehrt.
Sie spricht zu ihnen: »Meine Herrn!
Traun, ich besitze viel, und dien' euch gern!
So wählt euch denn aus meinen Schätzen da
Gold, Schönheit, Ruhm et cetera!
Wählt – und dies wisset noch, ihr guten Leute:
Wes Mund zuerst dies oder das begehrt,
Dem wird, was er auch wünschen mag, beschert;
Allein das Doppelte bekommt der zweite!« –
Nun denkt euch das Entsetzen beider,
Als so erregt ward ihre Gier!
Was hättet ihr getan, ihr Geizigen, ihr Neider?
Leis murrte jeder: »was denn helfen mir
All' deine Kronen, alle deine Gaben?
Ein andrer wird das Doppelte ja haben!« –
Da sitzt der Haken! – Beide schwanken,
Und sinnen unentschlossen fort;
Gern wäre die Begierde wohl vom Ort;
Sie zürnt, verwünscht sie in Gedanken,
Und harrt vergebens auf das erste Wort.
Der Neid zuletzt, der tückische Gesell,
Betrachtet jenen, sich an seinem Grolle weidend;
Auf einmal dann, sich rasch entscheidend:
»Reiß mir ein Aug' aus!« ruft er schnell.

Die Kanadierin.

Elegie.

Auf dieser Palme, die sich schaukelnd biegt,
Im Weste, schlumm're, mein geliebtes Kind!
Ach, kurze Zeit nur an dies Herz geschmiegt,
Wiegt jetzo schon die Palme dich, der Wind: –
So hat die Hoffnung mich gewiegt.

In Frieden ruh' in dem Gezweig! – und klagt
Der Wind mit leisem Seufzerhauch
Um deine leichte, laub'ge Gruft, dann sagt
Er flüsternd: »So seufzt deine Mutter auch!«
So lang das Morgenrot mit seinen Tränen
Dein bleich Gesicht benetzt und diese Au'n,
So lang werd' ich an diesem Stamme lehnen,
So lang werd' ich mit Tränen dich betau'n!
Ich werde jammernd über dich mich neigen;
Doch wenn die Turteltaube bang
Und ängstlich girrt in diesen Zweigen,
So glaube nicht, daß es der Klaggesang
Der Mutter sei! – denn mit dir will sie schweigen.

Du bist nicht mehr, mein Liebling! – nimmer seh'
Ich scherzend durch den breiten Strom dich schwimmen,
Nie auf den Bergen jagen dich das Reh,
Nie mehr des Eichbaums Krone dich erklimmen.
Niemals, dein Kinn vom ersten Flaum umflogen,
Seh' ich die erste Liebe dich erfreu'n;
Nie legen dich, was dir erwarb dein Bogen,
Zu der Geliebten Füßen auf den Rain;
Nie seh' ich für das rauhe Fell des Bären
Von ihren Locken eine dich begehren! –
Nicht sagen unsre Krieger mir: »dein Sohn
Ist seines Vaters wert! er geht
Furchtlos einher mit Axt und Lanze schon,
Und reicht den Greisen ernst das Kalumet!« –

Wie eine Fremde werd' ich bei den andern sein,
Und man wird sagen: »Tief im Hain
Ist dieses Weibes Sohn der Winde Spiel!
Nicht starb er, wie ein Krieger, welcher fiel,
Der todeswund in seinem Blute schwimmt!
Er ist es, dessen schwanker Totenpfühl
Die einsam steh'nde Palme krümmt!«

Du bist nicht mehr! – Brich, armes Mutterherz!
Dein süßes Auge grüßt mich nimmer.
Weh', Mutter war ich! – Ach, mein Schmerz
Sagt mir, ich bin es noch, ich bin es immer!
Hoch in der Palme düsterm Laube,
Das leise rauschend deine Stirn umgrünt,
Wird, diese Wiege, die als Sarg dir dient,
Zum Neste dienen einer Turteltaube.
Und morgen, wenn der Sonne Strahlen lachen,
Wenn sie erhellen diesen schattigen Ort,
Dann wird die Taube neben dir erwachen,
Doch du wirst schlafen fort und fort!

Und wenn mein Vater kommt, das Kind zu segnen,
Des Mutter seine Tochter ist, dann muß
Mit Tränen seinem Lächeln ich begegnen,
Muß führen ihn an dieses Baumes Fuß.
O, was dem Greise werd' ich sagen,
Wenn ihm sein Enkel nicht entgegen tanzt?
Weh' mir! das Kind, das ich getragen,
Ruht auf dem Palmbaum, welchen er gepflanzt!

Aus den Orientalen und Balladen.

Aus der Orientale »Navarin«.

Kairos braune Rotten,
Sagt an, wo sind die Flotten,
Die tausend Galiotten,
Die jüngst noch Bomben spie'n?
Wo jetzt im Winde wallen
Die Segel, wo jetzt fallen
Die Ruder, die den Krallen
Der Brander Schwingen lieh'n?

Wo sind nun deine langen
Beteerten Segelstangen,
Armada, deren Prangen
Die Woge Stambuls trug?
Du, die mit eh'rner Rute
In ihrem Übermute
Des Mittelmeers Geflute
Wie Leviathan schlug.

Der Kapitän mit Schrecken
Erblickt der Flamme Lecken
Auf euren Kriegsschebecken,
Algier und Tetuan!
Gleichwie ein roter Geier,
So überfällt das Feuer
Sein Fahrzeug, dessen Steuer
Aufrührt den Ozean.

Zerschossen und entmastet,
Mit Toten schwer belastet,
Scheu durch die Wogen hastet
Die tausendfarb'ge Jacht!
Fahrt wohl nun, Kapitanen,
Caiken und Tartanen,
Die Köpfe den Sultanen
Und Blumen ihr gebracht!

Fahrt wohl nun, ihr Schaluppen,
Die kühn ihr auf den Schuppen
Des Ozeans die Truppen
Gewiegt des Padischah!
Fahr' wohl nun, Goëlette!
Fahr' wohl, fahr' wohl, Korvette!
Blutrünstige Skelette
Im Feuer steht ihr da!

Fahr' wohl nun, kleine, tolle
Laviergewandte Jolle,
Die schaukelnd durchs Gerolle
Der Wellenberge flieht!
Wenn, trotzig auf ihr Wappen,
Des Segels graue Lappen
Mit Brausen und mit Klappen
Auf die Fregatte zieht!

Fahr' wohl, o Caravelle,
Du segelreiche, schnelle
Durchfurcherin der Welle!
Fahr' wohl auch du, bewehrt
Mit Cyperns mut'gen Söhnen,
Brick, deren Waffen tönen,
Wie wenn der Wind mit Dröhnen
Durch hohle Panzer fährt!

Fahr' wohl, o Brigantine,
Du, die mit trotz'ger Miene
Durch Ägeus' Meer, das grüne,
Schneeweißen Schaum verspritzt!
Und ihr, von Festen trunken,
Fahrt wohl, scharlachne Junken,
Die zitternd ihr, wie Funken,
Hoch auf der Woge blitzt!

Fahr' wohl nun, o Pinasse,
Fahr' wohl, o Galeasse,
Ihr Schiffe jeder Klasse
Und Zone, fahret wohl!
Bombarden und Polaken,
Umweht von braunen Laken,
Und ihr, mit Enterhaken,
Felucken tief und hohl!

Fahrt wohl, Kanonenböte,
Drauf stolz, in blut'ger Röte,
Des Paschas Banner wehte,
Beschlagen reich mit Gold!
Fahrt wohl, ihr Feuerschlünde,
Die, keuchend unterm Winde,
Demütig und geschwinde
Das Meer von dannen rollt!

Fahrt wohl nun, ihr bizarren
Karaken und Gabarren,
Die jüngst noch mit Erstarren
Geschaut der Inseln Heer!
Dies ganze Schiffsgewimmel,
Verstummt ist sein Getümmel,
Das Meer wirft es gen Himmel,
Der Himmel in das Meer!

Der Kriegsruf des Mufti.

Hierro, dispierta te!
Eisen, wach' auf!

Kriegsruf der Almogavaren.

Die Krieger in den Krieg! Auf nun, und schlaget drein!
Die Hunde beißen frech den eingeschlafnen Leu'n;
Dreist sieht man sie das Haupt erheben.
Vertilgt, o Gläubige, dies klägliche Geschlecht
Von Männern, die voll Weins hintaumeln zum Gefecht,
Die nur mit einem Weibe leben!

Tod allen Franken nun! Vorwärts, den Stahl geschärft!
Spahi, Timariot – geht, sprengt, laßt flattern, werft
Quer durch das dickste Handgemenge
Turbane, Säbel, Dolch, den Wurfspieß und das Horn,
Dazu der Bügel Gold, den zackenreichen Sporn,
Und eurer Pferde Mähnenstränge!

Othmann, Sohn Ortogruls, leb' wieder auf in euch!
Der sei an Scharfblick ihm, und der an Wildheit gleich!
Drauf! daß geraubt den Pallikaren
Setiniah, die Stadt der blauen Kuppeln, sei,
Die auf ihr Frankenwelsch, in schnöder Barbarei,
Athen benennen die Barbaren!

Der Schmerz des Pascha.

Getrennt von allem, was mir teuer war,
Verzehr' ich einsam mich in Trauer.

Byron.

Der arme Derwisch sprach: »Was mag ihn nur bewegen?
Der Schatten Allahs grollt! er geizt mit seinem Segen!
Trüb, unbeweglich, karg lacht er mit bitterm Hohn.
Hieb seines Vaters Schwert beim Angriff er zu schanden?
Sah er um seinen Thron das Meer der Krieger branden,
Aufbrausend, mit empörtem Ton?«

»Was ist dem Pascha nur, dem mächtigen Vesir?«
So war, bei Luntenglüh'n, das Wort der Bombardiere;
»Liegt gar der Imans Hand auf diesem Eisenkopf?
Brach er den Ramazan, und glaubt nun ihrer Tücke,
Ihn halte wirklich schon auf jener Höllenbrücke
Der Engel Azraël, der Rächende, beim Schopf?«

»Was fehlt ihm?« murmelten, gleichwie aus einem Munde,
Die dummen Icoglans: »ging ihm ein Schiff zugrunde,
Des edlen Balsams voll, mit dem er sich verjüngt?
Hört' er, nach Stambul hin, im linken Ohr es summen?
Wies die Zigeunerin wahrsagend ihm den Stummen,
Der grinsend seidne Schnuren bringt?«

»Was ist dem süßen Herrn?« so fragten die Sultanen;
»Traf er mit seinem Sohn im Schatten der Platanen
Vielleicht sein Lieblingsweib, die Braune vom Bazar?
Ließ man es seinem Bad an Wohlgerüchen fehlen?
Fand in des Fellahs Sack, bei wiederholtem Zählen,
Ein blutig Haupt er nicht, auf das er lüstern war?«

»Was fehlt dem Zürnenden?« so ängst'gen sich die Sklaven.
Ach, alle täuschen sich! – Wenn er, tot seinen Braven,
Mit seinen Worten jetzt und seinen Schätzen geizt;
Wenn er, wie ein Soldat, der einen Schimpf verwindet;
Wenn er, gleichwie ein Greis, der schlaff ist und erblindet,
Auf seiner Stirn die Hände kreuzt: –

So ist es wahrlich nicht, weil irgend ein Rebelle
Kriegslustig ihn berannt in seiner Zitadelle;
Nicht, weil ein Feuerbrand bis vor sein Lager fuhr;
Nicht, weil mit braunem Rost sein Säbel sich bedeckte;
Nicht, weil ihn Azraël, und nicht auch, weil ihn schreckte
Der Stumme mit der seidnen Schnur!

Ach was! kein Fastenbruch belastet den Gebieter!
Zu jung noch ist sein Sohn, die Sultanin hat Hüter!
Kein Fahrzeug scheiterte, wo sich die Woge bricht!
Den richtigvollen Sack schickt' ihm die jüngste Fehde;
Es mangelt dem Serail, der balsamreichen Öde,
An Köpfen und an Düften nicht!

Auch prächt'ge Städte nicht, erobert und gebrochen;
Auch in den Tälern nicht blutrünst'ge Menschenknochen;
Auch nicht, in Flammen steh'nd, der Griechen armes Land;
Auch nicht der Waise Fleh'n; auch nicht der Witwe Klagen;
Auch zarte Kinder nicht, im Mutterarm erschlagen;
Auch nicht die Jungfrauschaft, verkauft am Hafenstrand:

Nein, nein! das alles nicht packt rüttelnd sein Gewissen;
Das alles flackert nicht in seinen Finsternissen;
Das alles brennt ihn nicht, wie heiß auch und wie rot!
Was fehlt dem Pascha denn, auf den die Heere schauen?
Was sitzt er brütend denn, und weint gleich einer Frauen ...? –
Sein nubisch Tigertier ist tot!

Mondschein.

Per amica silentia lunae.

Vergil.

Der Mond schien hell, und spielte auf der Flut: –
Aufsteht das Fenster neben dem Altane;
Hinab zum Meere biegt sich die Sultane –
O, wie es weiß um schwarze Inseln ruht!

Aus ihren Fingern, noch am Boden klagend,
Sinkt die Guitarre: – plötzlich, welch ein Schall?
Ist es ein Türkenschiff, den Wogenschwall
Des Griechen-Archipels mit Tatar-Ruder schlagend?

Ist es ein Reiher, der die Welle schlürft,
Von dessen Fittig nasse Perlen rollen?
Ist es ein Djinn, recht einer von den Tollen,
Der pfeifend in die See der Mauer Zinnen wirft?

Wer stört das Meer bei dem Serail der Frauen? –
Der Reiher nicht, der auf der Flut sich wiegt;
Die Mauer nicht; kein türkisch Fahrzeug biegt
Ums wald'ge Vorgebirg mit Rudern und mit Tauen!

Nein, Säcke sind es: – sei auf deiner Hut!
Ein dumpfes Seufzen stöhnt aus ihren Falten;
Es regt sich drin, wie menschliche Gestalten ...
Der Mond schien hell und spielte auf der Flut.

Der Schleier.

Hast du heute abend gebetet,
Desdemona?

Shakespeare.

Die Schwester.

O sagt, was habt ihr, meine Brüder?
Die Stirnen senkt ihr kummervoll!
Wie Leichenfackeln hin und wieder
Zuckt eurer Blicke wild Geroll!
Zerrissen eurer Gürtel Seide,
Zerrissen euer fliegend Kleid!
Zum dritten Mal halb aus der Scheide
Fuhr euer Dolch schon, blank und breit!

Der älteste Bruder.

Hobst du empor nicht deinen Schleier heut?

Die Schwester.

Ich kam vom Bade, meine Brüder;
Vom Bade, ja, kam ich zurück.
Mein weißer Schleier wallte nieder –
Gewiß, mich traf kein Frankenblick!
Einmal nur wagt' ich ihn zu heben,
Bei der Moskee, mit leiser Hand;
Doch hob ich ihn nur eben, eben –
Ach, heftig stach der Sonne Brand!

Der zweite Bruder.

Da ging ein Mann vorbei? grün sein Gewand?

Die Schwester.

Ja doch – vielleicht – doch eurem Grimme
Sag' ich: er schaute nicht nach mir!
Allein ihr sprecht mit leiser Stimme,
Mit leiser Stimme redet ihr!
Blut heischt ihr? – o, erhört mein Beten!
Mitleid! – gewiß, er sah mich nicht!
O Gnade, wollt ein Weib ihr töten,
Das nackt und hilflos zu euch spricht?

Der dritte Bruder.

Rot heute war der Sonne scheidend Licht!

Die Schwester.

O meine Brüder, Gnade, Gnade!
Weh', Dolch auf Dolch dringt auf mich ein!
Was tat ich denn? ich kam vom Bade!
O Gott, mein Schleier, weiß und rein!
Faßt meine Hände! ach, sie bluten!
O meine Brüder, führet mich!
Um meines Blickes letzte Gluten
Zieht schwarz ein Todesschleier sich!

Der vierte Bruder.

Den hebst du nicht! der birgt dich sicherlich!

Der Derwisch.

Wenn der Untergang eines Sterblichen im Buche des Schicksals geschrieben steht: niemals dann – er möge tun, was er wolle! – wird er seiner traurigen Zukunft entgehen. Der Tod verfolgt ihn überall: er überfällt ihn sogar im Bette, saugt ihm mit gierigen Lippen das Blut aus, und trägt ihn auf den Schultern davon.

Panago Soutzo.

Ali ritt einst vorbei. Die höchsten Häupter schauten
Zu Boden! Jede Stirn dem Fuß gleich der Arnauten!
»Allah!« sprach zitternd jedermann!
Da trat ein Derwisch vor, alt, finster von Geberde;
Er machte durch den Schwarm sich Bahn; des Paschas Pferde
Fiel in den Zaum er, und hub an:

»Ali-Tepeleni! der Lichter Licht! gesessen
Im Divan auf dem Sitz der ersten! Pascha, dessen
Ruhm täglich sich zu mehren sucht!
Hör' mich, Wesir des Heers, Besitzer von Fregatten!
Schatten des Padischah, der da ist Gottes Schatten: –
Du bist ein Hund nur und verflucht!

»Ein Grablicht, unbewußt dir selbst, erhellt dein Leben;
Wie ein zu voll Gefäß sieht auf dein Volk mit Beben
Man dich ausgießen deine Wut!
Wie eine Sens' im Gras, glühst du auf ihren Stirnen!
Zum Ritt, um aufzubau'n dein Lustschloß, macht dein Zürnen
Ihr Mark, zermalmt in ihrem Blut!

»Doch auch dein Tag erscheint! Gott spricht: Zu Trümmern werde
Dies Janina! – Weit wird sich unter dir die Erde
Auftun, und dich verschlingen! Hör':
Ein eisern Halsband wirst am Baum Sejin du finden,
Auf dessen Ästen sich gottlose Seelen winden –
Die Qual der Hölle quält sie sehr!

»Nackt wird dein Geist entfliehn! dein offnes SchuIdbuch zeigen
Wird ernst ein Dämon dir! O, er ist streng! verschweigen
Wird er dir deine Opfer nicht!
Du wirst sie alle sehn! sie ziehn dir durch die Pforte
Der Hölle blutig nach, zahlloser als die Worte,
Die zagend deine Seele spricht!

»So wird es dir geschehn! Von deinen festen Städten
Wird keine dich, auch nicht dein Heerzug wird dich retten.
Und was du sonst besitzen magst!
Auch das nicht: wenn sogar, wie schmutzige Hebräer,
Mit falschem Namen du der Hölle Pfortensteher,
Den himmlischen, zu täuschen wagst!«

In seinem Kaftan trug der Pascha drei Pistolen,
Sein krummer Säbel hing herab zu seinen Sohlen,
Man sah des Dolchgefäßes Schmelz.
Ausreden ließ er still den Alten, senkte schweigend
Die träumerische Stirn; darauf, vom Roß sich neigend,
Gab er ihm lächelnd seinen Pelz.

Das feste Schloß.

Von was die Wellen nur, die spielend hier umsäumen
Den panzerblanken Fels, von was sie doch nur träumen?
Was! sehen sie denn nicht in ihres Spiegels Gold,
Daß eben dieser Fels, vor dem sie niederkauern,
Ein festes Bergschloß trägt? daß er von weißen Mauern
Um das geschwärzte Haupt sich einen Turban rollt?

Was träumst du, Meer? für wen sparst du nur auf dein Zürnen?
Ha – stürme dieses Kaps jahrhundertalte Firnen!
Gönn' eine kurze Ruh' dem armen Steuermann!
Nur diesen Felsen friß! Benag' ihn! Wirf dich drüber!
Laß machtlos zittern ihn, und schwanken, und kopfüber
In deine ew'ge Flut hinab sich stürzen dann!

Wie lange brauchst du, Meer, mit seinen Mauerringen
Den starren Felsen hier auf deinen Grund zu bringen?
Was, einen Tag? ein Jahr? ein Säkulum vielleicht?
Leck' immer nur hinan am Horst, wo Schuld'ge hausen!
Was liegt dir an der Zeit, du unversieglich Brausen?
Du, dem ein Säkulum wie eine Woge däucht?

Verschlinge dies Geklipp und seine Zitadelle!
Umflut' es um und um! verwisch' es mit der Welle!
Der Alge grünlich Haar umranke sein Gebein!
Dein unermeßlich Bett sei Lager dem Kolosse!
Verschollen lieg' er drin mit seinem festen Schlosse!
Vernichtet sei er drin bis auf den letzten Stein!

Auf daß man juble rings in Hellas, dem bedrohten,
Nicht mehr den Turm zusehn Alis, des Epiroten;
Daß, schiffend durch das Meer des freien Griechenlands,
Ob Sturm und Wirbelwind auch seine Masten schlage,
Der Kapitän von Kos den Reisenden einst sage
Mit froher Stimme: »Seht, da stand's!«

Türkischer Marsch.

Là – Allah – Ellàllah!
Kein Gott, als Gott!

Koran.

An meiner Seite trieft mein Dolch von schwarzem Blute,
Und meine Streitaxt klirrt am Sattel meiner Stute.

Den Tapfern halt' ich hoch! Sogar dem Teufel grau't
Vor seinem Ungestüm! Er küßt mit Furcht und Liebe
Des Vaters Bart! Wich je sein Turban einem Hiebe?
Sein Säbel ist ihm wert, wie eine junge Braut;
Sein Dolman ist durchbohrt von Stichen; sie bedecken
Ihn ganz; kaum ist besä't mit so viel runden Flecken
Des königlichen Tigers Haut!

An meiner Seite trieft mein Dolch von schwarzem Blute,
Und meine Streitaxt klirrt am Sattel meiner Stute.

An seinem Arme tönt und glänzt ein Kupferschild,
Rot wie der volle Mond, wenn Nebel ihn umgeben.
Sein Pferd kaut ein Gebiß, an dem Schaumtropfen kleben;
Ein wirbelnd Staubgewölk folgt ihm durch das Gefild.
Sprengt donnernd im Gelopp heerwärts ein solcher Streiter,
So staunt das Volk, und spricht: Es ist ein Türkenreiter;
O seht, wie reitet er so wild!

An meiner Seite trieft mein Dolch von schwarzem Blute,
Und meine Streitaxt klirrt am Sattel meiner Stute.

Wenn hunderttausend Giaours zusammenruft das Horn,
Dann gibt er Antwort, fliegt, und stößt mit mut'gem Grimme
In die Trompet' hinein, die helle Messingstimme.
Er tötet; jeder Feind, der fällt, mehrt seinen Zorn.
Des Kaftans Scharlachrot frischt mit des Blutes Röte
Er auf; sein Roß wird matt; doch daß er mehr noch töte,
Klopft schmeichelnd er's, und gibt den Sporn.

An meiner Seite trieft mein Dolch von schwarzem Blute,
Und meine Streitaxt klirrt am Sattel meiner Stute.

Siegt' er, so hab' ich gern, daß er vom Roß sich schwingt,
An einer Sklavin Brust Siegsfeier zu begehen;
Daß er das Priestervolk, die Rufer der Moskeen,
Bei Nacht Wein trinken läßt, und selbst bei Tag ihn trinkt;,
Daß nach dem Kampf er schwärmt, und, noch vom Schlagen heiser.
Mit lauter Stimme lacht, und als ein wahrhaft Weiser
Die Houris und die Liebe singt!

An meiner Seite trieft mein Dolch von schwarzem Blute,
Und meine Streitaxt klirrt am Sattel meiner Stute.

Ernst sei er, kühn und schnell im Rächen jeder Schmach;
Mehr lieb' er das Geklirr des Schwerts, als was auf Erden
Man sonsten lernen mag, um ruhig alt zu werden.
Er denke nicht dem Tag, wo alles aufhört, nach;
Dem Tage, wo die Sonn' erlischt, wo Feuergarben
Man sieht. Furchtlos sei er! Wohl ihm, wenn lieber Narben
Als Runzeln, er besitzen mag!

An meiner Seite trieft mein Dolch von schwarzem Blute,
Und meine Streitaxt klirrt am Sattel meiner Stute.

So ist, Comparadgi, Spahi, Timariot,
Der gläubige Soldat! Wer eitel mit der Zunge
Ausholt, und weibisch bebt, wenn er zu wildem Sprunge
Sein Tier anspornen soll; wer stets beim Aufgebot
Zuletzt erscheint; wer, wenn ein Festungswall erstiegen,
Die Achsen nicht mit Raub beschwert, daß sie sich biegen,
Daß jede zu zerbrechen droht;

An meiner Seite trieft mein Dolch von schwarzem Blute,
Und meine Streitaxt klirrt am Sattel meiner Stute.

Wer gern mit Weibern spricht; bei einem Kriegerfest
Nicht mitzureden weiß von eines Hengsts Geschlechte;
Wer außer sich nach Kraft und Freunden sucht; wer Nächte
Und Tage schwelgerisch den Harem nicht verläßt;
Wer selten nur im Staub der Reitbahn wird gefunden,
Den Brand der Sonne scheut, liest, und den Christenhunden,
Den Wein von Cypern überläßt;

An meiner Seite trieft mein Dolch von schwarzem Blute,
Und meine Streitaxt klirrt am Sattel meiner Stute.

Der ist ein Feiger nur – kein Krieger! Höre mich!
Den sieht man nimmermehr im Kampf, wie er die Hacke
Schwingt, und den Renner spornt, daß er mit der Schabracke
Den Boden streift; sieht nicht, wie er im Bügel sich
Aufrichtet! – Er ist gut zu einem Maultiertreiber!
Auch mag er Formelwerk, wie Priester oder Weiber,
Abmurmeln, leis und feierlich!

An meiner Seite trieft mein Dolch von schwarzem Blute,
Und meine Streitaxt klirrt am Sattel meiner Stute.

Die verlorene Schlacht.

Stützend seine schweren Glieder
Auf den Wurfspieß, schaut er nieder
Von dem Hügel auf die Schlacht;
Sieht sein flüchtend Heer sich drängen,
Und in Fetzen sieht er hängen
Seines Zeltes Sammetpracht.

Em. Deschamps,
Roderich während der Schlacht.

Allah! wer wird zurück mein furchtbar Heer mir geben?
Wer meine Reiterei, die wiehernde, beleben?
Und wer aufs neue bau't mein prächtig Lager mir,
Das nächtens lodern ließ so viele Flammenbrände,
Daß es dem Auge schien, als ob der Hügel stände
In einem Sternenregen schier?

Wer gibt mir meine Beys zurück in ihrer roten,
Lang weh'nden Pelze Schmuck? Wer euch, Timarioten,
Die zum Gefecht ihr flogt mit wildem Kriegesruf?
Wer euch ihr bunten Khans, und euch, ihr meine kecken,
Schwarzbraunen Araber, die ihr, der Feinde Schrecken,
Das Maisfeld zeichnetet mit eurer Rosse Huf?

Ha, diese Renner all', mit ihren dünnen Schenkeln,
Ich sehe sie nicht mehr durch diese Wiesen plänkeln,
Leicht, mit der Schnelligkeit des aufgescheuchten Reh's!
Ich sehe sie nicht mehr, umsonst vom Tod gelichtet,
Gewitterwolken gleich, vor welchen alles flüchtet,
Sich stürzen über die Karrees!

Tot sind sie! Staub und Schweiß besudeln ihre Decken;
Auf ihrem Kreuz gerinnt das Blut in schwarzen Flecken;
Für immer ist erlahmt ihr sonst so schneller Bug.
Und neben ihnen ruh'n die Reiter, frisch erschlagen,
Die gestern schlummernd noch in ihrem Schatten lagen,
Als um die Mittagszeit Halt machte jeder Zug.

Allah! wer wird mein Heer, das blut'ge, mir ersetzen?
Da liegt es, ausgestreut im Felde, gleich den Schätzen,
Die des Verschwenders Hand sät auf des Marktes Raum!
Ha! Pferde, Reiterei, Beduinen und Tataren,
Ihr Trab und ihr Galopp, Gewieher und Fanfaren,
Es ist mir alles wie ein Traum!

O, meine kühne Schar und ihre treuen Pferde!
Vergessen habt ihr nun, auf dieser blut'gen Erde,
Den Säbel, das Gebiß und des Gefechtes Brunst.
Wer durch die Eb'ne geht, muß über Leiber schreiten:
Das ist ein Unglücksfeld für lange, lange Zeiten!
Heut abend Blutgeruch, und morgen Leichendunst!

Allah! es war ein Heer, und ist nur noch ein Schatten!
Sie schlugen wacker sich, und ohne zu ermatten,
Vom Frührot bis zur Nacht; sie kämpften Mann an Mann!
Nun rinnt der Abendtau in ihrer Wunden Klaffen;
Die Tapfern endigten: sie ruh'n auf ihren Waffen,
Die Raben aber fangen an.

Einher schon flattern sie vom kahlen Vorgebirge,
Daß gierig übers Feld ihr krummer Schnabel würge;
Sie haben hackend sich ans Leichenmahl gesetzt.
Ha! diese gestern noch von Mute trunknen Scharen,
Dies mächt'ge Kriegesheer ist heut ein Raub der Aaren,
Und keinen Raben selbst kann es verscheuchen jetzt!

O, hätt' ich noch dies Heer, in seinen weißen Zelten!
Mit seinem Ungestüm erobern wollt' ich Welten;
Ich ließe Könige beherrschen sein Gebot;
Als Weib umarmt' ich es auf blut'ger Hochzeitsbühne; –
Doch wie befruchtete so viel entschlaf'ne Kühne
Der unfruchtbare Gatte Tod?

Fluch! daß kein feindlich Schwert zerschmettert meinen Schädel!
Noch gestern war ich groß; – drei Führer, stolz und edel,
Sie saßen regungslos, anziehend das Gebiß,
Auf der getigerten Schabracke weichem Felle,
Und flattern ließen sie auf meines Zeltes Schwelle
Drei Banner, die dem Kreuz der Rosse man entriß.

An meinem Auge hing der Blick von vierzig Bassen;
Und ritt ich im Galopp durch meines Lagers Gassen,
So grüßte donnernd mich die Trommel, straff gespannt;
Kanonen, die sich leicht nach allen Seiten drehten
Auf ihren schwärzlichen, vierrädrigen Lafetten,
Spien Feuer, wenn ich hob die Hand.

Ha! gestern Schlösser noch und Gärten, Städte, Brücken!
Griechinnen tausendweis, sie auf den Markt zu schicken!
Mir waren Arsenal und Harem niemals leer!
Und heute – blutbefleckt, geschlagen und vertrieben,
Flieh' ich ... Von meinem Reich ist nichts, ach! mir geblieben!
Allah! selbst keinen Turm mit Zinnen hab' ich mehr!

Flieh'n muß ich, Großwesir und Pascha! – jenen weiten,
Verhüllten Horizont noch muß ich überschreiten;
Verstohlen, wie ein Dieb, der durch das Dunkel flieht!
Der zitternd steht und horcht, ob etwas auch sich rege,
Und schier in jedem Baum, der sich erhebt am Wege,
Des Galgens düster Schreckbild sieht!« –

Die Worte Reschids dies, der jüngst so wild noch drohte.
Wir Griechen hatten heut nicht mehr als tausend Tote.
Er aber floh dies Feld, dem er ein Heer gezollt.
Er wischte träumerisch das Blut von seinem Säbel;
Zwei Pferde neben ihm zerkauten ihre Knebel,
Und leer um ihren Bug klirrte der Bügel Gold.

Das Kind.

O horror! horror! horror!

Shakespeare, Macbeth.

Die Türken waren da! Verwüstung ihre Spur!
Chios, das Traubenland, jetzt eine Klippe nur!
Chios, das seiner Schlösser Zinnen,
Chios, das seinen Wein, und das sein Buchenholz
Im Meer sich spiegeln ließ: – oft auch, am Abend, stolz
Den Reigen seiner Tänzerinnen!

Nichts übrig! Aber nein – auf Trümmern, schwarz von Rauch,
Auf brandigem Gebälk hat noch mit blauem Aug'
Ein Kind, ein Griechenkind, gesessen.
Ein Weißdorn ist sein Dach, ein Weißdorn ist sein Schild:
Man hat den blühenden, den einz'gen im Gefild,
Gleich ihm, beim Sengen wohl vergessen!

Ach, barfuß sitzt es da auf kant'gem Felsgestein.
– Kind, um zu trocknen die blauen Äugelein;
O Kind, um das Gewölk zu lichten,
Das finster dir umzieht die Wimper und die Brust;
Um zu entlocken ihm den hellen Blitz der Lust;
Ach, um dein Köpfchen aufzurichten:

Was willst du, schönes Kind? Was mußt du haben, sprich,
Daß lockig wiederum auf deine Schultern sich
Dein Haupthaar lege, weich wie Seide?
Dein liebes blondes Haar, das wie die Sonne scheint,
Das flatternd und zerstreut um deine Stirne weint,
Wie Blätter um das Haupt der Weide?

Womit verjag' ich dir des Kummers Nebelgrau?
Mit jener Lilie, wie deine Augen blau,
Die leuchtend steht an Irans Borne?
Mit einer Frucht vielleicht von jenem Riesenbaum,
Dem Tuba, den ein Roß in hundert Jahren kaum
Umrennen mag, gehetzt vom Sporne?

Willst einen Vogel du, der süßern Schalles singt,
Als der Oboë Ton, als Ton von Zymbeln klingt?
O sprich, von allen meinen Gaben
Was willst du? Blume, Frucht, vielleicht den Vogel auch?
– Freund, sprach das Griechenkind, das Kind mit blauem Aug',
Pulver und Kugeln will ich haben!

Lazzara.

Und das Weib war sehr schöner Gestalt.

2. Buch Samuelis, 11, 2.

Seht her doch, wie sie läuft: – Da! durch die gelbe Saat!
Hinab die Wiese jetzt und den bestaubten Pfad,
Den Rose säumt und Dorngeranke!
Jetzt übers Heideland, wo kaum ein Weg mehr geht!
Durchs Mohnfeld, durch den Busch, und durch die Ebne – seht,
Seht, wie sie läuft, die junge Schlanke!

Ja, hoch und schlank ist sie! Ihr breitgeflochten Haar
Trägt einen Blumenkorb; der Arme glänzend Paar
Ruht auf der Stirn! – Wohl möchte schwören,
Wer immer noch von fern sie also schreiten sah:
Aus unsrer Tempel Schutt tret' eine Amphora
Mit weißen Alabaster-Öhren!

Jung ist sie – jung und froh! Barfuß, an See und Bach,
Eilt sie von Zweig zu Zweig den Wasserjungfern nach,
Und singt und lacht dazu, die Süße!
Sie hebt ihr Kleid empor, sie watet durch den Quell!
Sie geht, sie läuft, sie fliegt! Die Vögel, minder schnell,
Beneiden sie um ihre Füße!

Des Abends, um die Zeit, wenn man den Tanz beginnt;
Des Abends, wenn gekehrt die müden Herden sind,
Wenn Lichter glühn und Glocken schallen:
Dann wählt sie nicht erst lang, was sie am meisten schmückt –
Die Blume jedesmal, die für ihr Haar sie pflückt,
Scheint uns die schönste doch von allen!

Der alte Omar, traun, Pascha von Negropont,
Hingeben für dies Weib hätt' alles er gekonnt: –
Bräunlich Geschütz, das Bomben kieselt;
Fahrzeuge jeder Art, hochmastig, wohlbemannt;
Roßzäume, Lämmervließ, sogar sein Festgewand,
Mit Diamanten überrieselt!

Auch sein Pistolenpaar, langläufig, schön geputzt,
(Die Silberkolben nur vom Greifen abgenutzt!);
Auch seine Sporen, trotzig knarrend;
Den Damascener auch, mit Feindesblut getränkt;
Mehr noch – das Tigerfell, daran sein Köcher hängt,
Von Pfeilen der Mongolen starrend!

Den prächt'gen Sattel auch, in den mit einem Satz
Er sich zu schwingen pflegt; Schatzmeister auch und Schatz;
Auch sein Halbtausend Konkubinen;
Mit rotem Halsband auch die Hunde, die er hält;
Die Albaneser auch, die Wache stehn im Feld
Mit ihren langen Karabinen!

Das alles! Franken auch und Juden ohne Zahl!
Den Rabbi obendrein! Auch seinen Badesaal,
Kühl, wohl vergattert und verriegelt!
Gern seine Festung auch hoch überm Küstenstrich!
Dazu sein Sommerhaus, das in den Wellen sich
Des Golfes von Cyrene spiegelt!

Ja, selbst sein Lieblingspferd, dem von dem Buge heiß
Und der gewölbten Brust abrinnt der helle Schweiß,
Auf goldnem Riemwerk zu erkalten!
Ja, selbst die Spanierin, gesandt von Algiers Dey,
Die den Fandango tanzt, und, wie sie hinschwebt, frei
Emporschlägt der Basquina Falten!

Das alles, sag' ich euch! Und doch, an seiner Statt,
Ist es ein Klephte nur, der sie erworben hat: –
Umsonst! Was kann ein Klephte geben?
Nichts hat er, als den Quell, der aus dem Felsen rann;
Nichts, als die frische Luft, ein braun Gewehr – und dann
Die Freiheit auf den Bergen eben!

Die eroberte Stadt.

Feuer, Feuer, Blut, Blut und Verwüstung!

Corte Real, die Belagerung von Diu.

Die Flamme strahlt und frißt! Ich folgte dem Gebote,
Das du mir gabst, o Herr! Hinfährt sie mit dem Sturm,
Und überheult dein Volk! Gleich dunklem Morgenrote
Glüht sie die Dächer an, und tanzt von Turm zu Turm!

Aufspringt, wie ein Gigant, der Mord mit tausend Armen;
Die Schlösser sprühn empor, und werden Gräber nun;
Was atmet, wird gewürgt; der Stahl kennt kein Erbarmen –
Schon freut der Rabe sich, und schon das Leichenhuhn.

Die Mütter schauderten! Wohl haben weinen müssen
Die Jungfrau'n, o Kalif: – Schaumtriefend, langgeschweift,
Hat die Geschändeten, von Hieben wund und Küssen,
Der wilde Berberhengst von Tor zu Tor geschleift.

O sieh', schon trägt die Stadt ein Bahrtuch, weit und düster!
Sieh', wo dein Arm sich hebt, da wird die Erde bleich!
Im Schatten des Altars erschlugen wir die Priester –
Hinflogen Kreuz und Buch, unnützen Schilden gleich!

Dem Säugling auch, o Herr, bereiteten wir Qualen:
Die blonden Köpfchen sind bis vor dein Zelt gerollt! ... –
Anbetend küßt dein Volk den Staub von den Sandalen,
Die an die Sohle dir festhakt ein Reif von Gold!

Lebewohl der Arabischen Wirtin.

Wohnet bei uns. Das Land soll euch offen sein;
wohnet und werbet, und gewinnet darinnen.

Genesis. 32, 10.

Weil unser schönes Land dich nicht zu fesseln weiß,
Der Palme Schatten nicht, und nicht der gelbe Mais,
Die Füll' und Ruh' nicht, die uns krönen;
Weil es, o fremder Mann, das Herz dir nicht bewegt,
Wenn unsrer Schwestern Schar die jungen Brüste schlägt,
Und tanzt zu deines Liedes Tönen:

Leb' wohl! – Mit eigner Hand hab' ich für dich gezäumt,
(Daß du es bänd'gen kannst, wenn es sich mutig bäumt!)
Dein Pferd mit dem furchtlosen Auge!
Den Sand wühlt auf sein Huf; sein Kreuz ist rund und schön
Und leuchtend, wie ein Fels im Schilfmeer, anzusehn,
Den glatt gespült der Brandung Lauge.

So ziehst du rastlos denn und eifrig deinen Weg!
Wärst du wie jene doch, die feierlich und träg
Ihr Dach von Tüchern oder Zweigen
Man nie verlassen sieht; die vor des Zeltes Tor
Zu jeder Stunde gern Erzählern leih'n das Ohr,
Und träumend zu den Sternen steigen!

O, hättest du gewollt! – Warum auch mußt du ziehn?
Wie gerne würde dir im Zelt auf ihren Knien
Der Mädchen eine Datteln reichen!
Gern hätte deinen Schlaf sie mit Gesang bewacht!
Gern einen Fächer dir aus grünem Laub gemacht,
Die bösen Fliegen zu verscheuchen!

Doch du ziehst einsam fort! Fremdling, sehr stolz bist du!
Aufstampft dein schnaubend Roß mit seinem Eisenschuh,
Daß Funken aus den Kieseln springen!
Langschäftig ragt dein Speer, der in der Finsternis
Die blinden Geister schreckt ... O, mancher schon zerriß
An seiner Schärfe sich die Schwingen!

Kehrst du zurück einmal, und rittest irr vielleicht –
Steig' dann auf dies Gebirg! sein brauner Rücken gleicht
Dem des Kamels! Hast du erklommen
Den Berg, dann sieh' umher! mein Hüttendach von Rohr
Ist wie ein Bienenkorb; der Hütte einz'ges Tor
Sieht hin, von wo die Schwalben kommen!

Und kehrst du nicht zurück, o schöner weißer Mann,
Der Mädchen dieses Dorfs gedenk' zuweilen dann,
Die barfuß tanzen auf den Dünen!
Zugvogel, den sein Hang von Land zu Lande treibt,
O, denke gern an sie; denn dein Gedächtnis bleibt
Im Herzen mancher unter ihnen!

Leb' wohl denn! – Zieh' gradaus! – Hüt' vor der Sonne dich!
Uns bräunt das Antlitz sie, doch dir versengt ihr Stich
Die Rosen, die auf deinem glühen!
Hüt' vor der Alten dich, die zaubert – fleuch im Trab!
Vor ihnen auch, die nachts mit einem weißen Stab
Aufs gelbe Sandfeld Kreise ziehen!

Bounaberdi.

Groß wie die Welt!

Der Sultan Frankistans, Gast einst der Pyramiden,
Den, wie ein schwarz Gewand, einhüllt der Wind aus Süden,
Steigt oft, ein Riese selbst, auf eine Riesenhöh'.
Sein Auge späht umher von der erhabnen Spitze;
Die beiden Hälften dort der Welt, mit einem Blitze,
Umspannt es, durch den Sand hinirrend und die See.

Hoch steht er und allein! Die Wüste, die ihn feiert,
Liegt ihm zur rechten Hand, von Staubgewölk verschleiert,
Das, wie ein dunkles Tuch, sie ihm entgegen hält.
Zu seiner Linken schäumt das Meer mit lautem Grimme;
Auf bis empor zu ihm erhebt es seine Stimme,
Gleichwie ein froher Hund vor dem Gebieter bellt!

Und er, den dies Gewölk, das neidisch ihm verstecken
Die gelbe Wüste will, und dieses Brausen wecken,
Glaubt, wie der fernen Braut man einen denken sieht:
Daß ein unsichtbar Heer, zahllos wie Sand am Meere,
Den Staub und das Gebraus hervorbringt, ihm zur Ehre,
Und ewig unter ihm die Wüstenei durchzieht.

Gebet.

O, wenn du wiederkommst, auf dem Gebirg zu träumen,
Dann, Bounaberdi, sieh' bei diesen Palmenbäumen
Mein Zelt auch! nimm, o Herr, des weißen Daches wahr!
Denn ich bin arm und frei, ein Scheik der Beduinen,
Und rief ich: »Allah!« aus, so fegt mein Pferd die Dünen,
In seinem schwarzen Kopf ein brennend Kohlenpaar!

Die Fee und die Peri.

Ihr flüchtig Schattenbild wird durch die Blätter wehen;
Auf Wolken wirst du sie herniedersteigen sehen;
Sie funkeln in der Luft, und aus des Meeres Schaum
Erheben sie sich oft, süß lächelnd wie ein Traum;
Und klagend, wie bei Nacht der Westwind klagt im Rohre,
Wird ihrer Stimme Ruf ertönen deinem Ohre.

André Chénier.

1.

O Kinder, wenn ihr sterbt, so nehmt euch wohl in acht,
Daß nicht ein böser Geist, von eurer lichten Fährte
Gelockt, euch auf der Bahn zum Himmel irre macht!
Hört, was vor Jahren mich ein alter Weiser lehrte: –
Dämonen, die, wenn auch dem Paradiese fern,
Doch nicht verfallen sind der Hölle ew'gen Gluten,
Unstet und ruhelos, in Lüften und in Fluten –
So schweifen sie einher bis auf den Tag des Herrn.
Verwiesen aus dem Kreis der himmlischen Kohorten,
Hält man für Engel sie nach ihren süßen Worten.
Flieht! Wer den Argen folgt, der schaut den Himmel nie!
Sie übergeben ihn des Fegefeuers Flammen! –
O, fragt mich nicht, woher mir diese Kunden stammen:
Die Väter heiligten, ich wiederhole sie!

2.

Die Peri.

Wohin entfliehst du? ... Zu den Toren
Des Himmels? ... Ach, der Weg ist weit!
Du junge Seele, kaum geboren
Und schon gestorben, sei erkoren
Zu meines Schlosses Herrlichkeit!
In meinen Gärten stets von Zweigen
Sei deine süße Stirn umweht!
Von fern aus unserm luft'gen Reigen
Will deine Mutter ich dir zeigen,
Die trüb an deiner Wiege steht!

Komm zu der Peris heiterm Tanze!
Mir, als der Schönsten, dient ihr Chor;
Ich strahl' in meiner Schwestern Kranze,
Schön wie die Rose, deren Glanze
Sich neigt des Gartens ganzer Flor!

Mein Arm erglänzt von Demantringen,
Ein seidner Turban schmückt mein Haar;
Und laß ich meinen Flug erklingen,
So glühn auf meinen Purpurschwingen
Drei Flammenaugen wunderbar.

Mein Leib ist weißer, als ein Schleier,
Der ferne flattert in der Luft;
Er schimmert, wie ein Gangesreiher;
Sein Glühn ist eines Sternes Feuer,
Sein Duft ist einer Blume Duft!

Die Fee.

Des Abends Purpurwolken glühen;
Komm, schönes Kind, ich bin die Fee!
Ich herrsche, wo der Sonne Sprühen
Hinabzischt abends in die See.
Der Okzident küßt meine Füße;
Wenn seinen Nebel ich begrüße,
So flammt er auf, wie Scharlach schier;
Von trübem Duftgewölk umsponnen,
Erbau' in untergeh'nden Sonnen
Ich meine Zauberschlösser mir.

Azur'ne Flügel sieh' mich schmücken; –
Umschweb' ich muntrer Sylphen Zug,
So glauben alle, meinem Rücken
Entzitt're Silberlicht im Flug.
Sieh', meine Rechte glüht wie Rosen;
Mein Odem ist des Zephyrs Kosen,
Der nächtlich um die Fluren weht;
Mein lockig Haar wallt golden nieder,
Und das Getöne meiner Lieder
Wird durch ein Lächeln stets erhöht.

Ich habe Blätterheiligtume,
Und Muschelgrotten, still und hehr;
Ich lasse wiegen mich die Blume,
Ich lasse wiegen mich das Meer.
O komm, ich will dein Haupt verklären!
Ich will der Wolke Ziehn dich lehren,
Und zeigen dir der Flut Geroll!
Komm, durch die Luft mit mir zu schwimmen! –
Willst du, daß ich der Vögelstimmen
Geheimnis dir verraten soll?

3.

Die Peri.

Ich wohn' im Orient; ich wohne, wo die Sonne
Schön wie ein König ist in seines Zeltes Wonne;
Wo ihre Scheibe stolz in ew'ger Bläue rollt!
So, eines lächelnden Gestades Emir tragend,
Die Welle mit den Rudern schlagend,
Zieht durch azur'ne Flut ein Fahrzeug, das von Gold!

Es ward der Orient bedacht mit allen Schätzen.
Auf andrer Länder Flur, nach mürrischen Gesetzen,
Wächst bei der lieblichen stets auch die bittre Frucht.
Doch Gott, der Asien ansieht mit mildern Blicken,
Läßt seine Flur mehr Blumen schmücken,
Mehr Sterne seine Nacht, mehr Perlen seine Bucht.

Von dort, wo Memnons Bild dasteht in stummer Trauer
Erstreckt sich mein Gebiet bis an die große Mauer,
An deren Ringe matt der Völker Sturm zerschellt;
Die, Chinas alten Staat umgürtend, wie ein Gürtel,
Schier eines ganzen Weltteils Viertel
In ihrem Schoße trägt, wie eine fremde Welt.

Ich habe Städte, groß und herrlich anzuschauen:
Das funkelnde Lahor mit seinen Blumenauen,
Das prächt'ge Ispahan, Damaskus und Kaschmir;
Bagdad, das, panzergleich, stahlharte Mauern decken;
Aleppo, das der Feinde Schrecken,
Und dessen Murmeln tönt wie Meeresmurmeln schier.

Wie eine Fürstin thront Mysor auf goldnem Sitze;
Medina drauf, die Stadt, die starrend hundert spitze
Türm' an die glüh'nde Wand des Horizontes lehnt,
Sie schimmert wie ein Heer, gelagert im Gefilde,
Das, funkeln lassend seine Schilde,
Mit einem Lanzenwald sein blitzend Lager krönt.

Wer in der Wüstenei die Trümmer Thebens schaute,
Der glaubt, sie harreten des Volks, das sie erbaute.
Zwei Städte läßt Madrás in seinen Mauern stehn.
Auf Delhis Wällen ruhn bewaffnete Trabanten;
Es können Kriegeselefanten,
Zu zwölf in einer Reih', durch seine Tore gehn.

Begleite mich, o Kind, nach meines Reichs Gestaden!
Umschwebe du mit mir die Dächer des Nomaden,
Die, runden Körben gleich, mit Blumen sind gefüllt!
Die Bajadere sieh' mit aufgelöstem Haare,
Am Abend, wenn die Dromedare
Halt machen, wo der Born der Wüste perlend quillt!

Da glühn im Feigenwald und bei den Sykomoren
Zinnkuppeln, wie sie trägt das Minarett des Mohren;
Ihr Perlenmutterdach läßt die Pagode sprühn;
Der Porzellanturm wirft im Sonnenscheine Funken,
Und in den himmelblauen Junken
Erhebt verschleiert sich der Purpurbaldachin.

Ich will entwirren dir die Zweige der Platane,
Die uns das Bad verbirgt der träumenden Sultane;
O komm! gerettet sei die holde Jungfrau, die,
Erzitternd ihres Herrn und seiner Wächter Grimme,
Lauscht, ob der Wind ihr bringt die Stimme,
Die süßer als das Lied ihr klingt des Bengali.

Im Orient einst hat das Paradies gelegen. –
Der Lenz beschüttet ihn mit Rosen allerwegen;
Ein Garten, lächelt er und duftet für und für!
O komm, daß dich die Pracht des Orients begrüße!
Die bang du seufzest, komm, o Süße!
Tu' ich dir Eden auf, was gilt der Himmel dir?

Die Fee.

Und meine Heimat sind des Abends Duftgefilde;
Dort, wechselnd in der Luft sein nebelhaft Gebilde,
Zieht langsam das Gewölk. – Verfolgend einen Traum,
Sein flatternd Haar bereift, sein Auge kühn und blitzend,
Auf einem moos'gen Steine sitzend,
Sieht es der Siedler ziehn im Raum.

Denn wisse, schönes Kind, durch meiner Nebel Kräuseln,
Durch meiner Berge Schnee und meiner Wälder Säuseln
Wird allezeit ein Herz, das blutet, mild erfrischt!
Und dann auch durch den Stern, den süßen, der bescheiden
Und hoffend bei des Tages Scheiden
Dem Abend seinen Aufgang mischt!

Mein dunkler Himmel wird beweinen deine Schmerzen,
Kind, das der Ewige losriß vom Mutterherzen!
Des Tales Widerhall, der abendliche Wind,
Des Baches Klageton, der Wälder flüsternd Singen,
Das alles soll dich nun umklingen
Anstatt des Wiegenlieds, mein Kind!

Entflieh' dem öden Kreis der blauen Horizonte!
Beglückt der Himmel nur, der sich verschleiern konnte;
Das Land, auf das durch Duft der Strahl der Sonne fällt!
Wo man die Lüfte sieht von Nebelreih'n durchschwommen,
Gleichwie von Flotten, welche kommen
Aus einer unbekannten Welt!

Für mich ist's, daß zur See der Winde stürmisch Tosen
Die Flut zusammenballt zu prächt'gen Wasserhosen;
Ich fessle den Orkan durch meiner Lieder Schall;
Und weißt du, daß ich auch den Regenbogen schmücke?
Wie eine Perlenmutterbrücke
Bespringt er Fluten von Kristall.

Mein sind der maurischen Alhambra schlanke Bogen;
Mein ist der Grotte Pracht, in welcher seine Wogen
An Pfeilern von Basalt läßt branden Staffas Meer;
Dem Fischer steh' ich bei, und lausche seinen Bitten,
Baut seine räucherigen Hütten
Auf Fingals alten Schlössern er.

Dort schreck' ich oft die Nacht mit täuschenden Auroren;
Ich fahre durch die Luft mit sprüh'nden Meteoren;
Ich mache, daß die See mit Flammen bunt sich schürzt.
Der Jäger auf dem Fels, sieht er das Tal sich röten,
Glaubt einen brennenden Kometen
Zu schau'n, der in das Meer sich stürzt.

Komm, junge Seele! komm! und laß uns dann zusammen
Bevölkern die Abtei mit luft'gen Irrwischflammen;
Nimm dieses Silberhorn, daß es im Forste schallt;
Mit meiner Zwerge Schar durch das Gebirge reite;
Führ' an die unsichtbare Meute,
Die jede Nacht durchbellt den Wald!

Barone sollst du sehn, knie'nd vor der Gattertüre
Des Turms, daß ihre Hand los die Sandale schnüre
Des Pilgers; – ihre Burg erhebt sich fest und kühn.
Die holde Schloßfrau dann, für eines Pagen Leben,
Siehst du ihr schwimmend Aug' erheben
Zu der gemalten Scheiben Glühn.

Wir sind es, deren Hauch durchsäuselt die Portale
Und das sonore Schiff der got'schen Kathedrale;
Und wenn der Espe Laub im Mondenschimmer bebt,
Dann – mancher alte Hirt wird staunend es bezeugen!
Sind wir es, deren Zug den Reigen
Um stiller Weiler Kirchturm webt.

O komm, ich öffne dir des Okzidentes Riegel! –
Der Himmel ist noch weit, und schwach sind deine Flügel!
Vergiß die weite Fahrt in meiner Schwestern Chor!
Sieh', unser Reich ist groß! In wilder Schönheit glüht es!
Den Ufern seiner Heimat zieht es
Verwund'rungsvoll der Fremdling vor!

Und schwankend hörte sie das Kind, und sah zurücke,
Denn süß zum Ohre dringt der Geister trüg'risch Flehn;
Ihm war, als ob sich heut die Erde doppelt schmücke; –
Doch plötzlich, siehe da, entschwand es ihrem Blicke ...
Es sah den Himmel offen stehn!

Aus den Herbstblättern

Sobald das Kind sich zeigt.

Sobald das Kind sich zeigt, eilt alles ihm entgegen,
Und jauchzt; sein süßer Blick heißt sich die Freude regen;
Es lächelt, und verscheucht
Den Gram; die Stirnen glatt, die Augen macht es helle;
Der Schuldige sogar wird froh, wenn auf der Schwelle
Schuldlos das Kind sich zeigt.

Mag lächelnd uns der Mai mit seinen Blumen grüßen,
Mag unser Kreis im Herbst sich am Kamine schließen,
Wo traut die Flamme glüht:
Zeigt sich das Kind, so zeigt die Lust sich; so verbittert
Uns nichts den Tag; man lacht, man ruft, die Mutter zittert,
Wenn sie es wanken sieht.

Oft reden wir am Herd, bestrahlt von seinem Scheine,
Von Dichtern, Vaterland, und Gott, und wie der reine
Geist gern sich im Gebet
Erhebt: – da kommt das Kind, und schnell verstummt das ernste
Gespräch; dem Kinde weicht das Höchste und das Fernste:
Gott, Vaterland, Poet.

Die Nacht ist still; da führt den Geist der Traum von hinnen,
Da hört man klagend durch das Rohr die Welle rinnen,
Da liegt die Welt in Ruh'.
Doch wenn das Morgenrot, ein Leuchtturm, auf die Blätter
Des Waldes strahlt, dann jauchzt erwacht ihm das Geschmetter
Des Hains, der Glocken zu.

Mein Geist ist das Gefild, das farb'ge Blumen schmücken,
O Kind, wenn mild und warm die Glut von deinen Blicken
Durch seine Nächte bricht;
Der Wald, durch den für dich geweihte Stimmen ziehen,
Und dessen säuselnde Baumwipfel dir erglühen
Im goldnen Morgenlicht.

Denn dieses offne Aug' ist reich an süßem Schimmer!
Denn diese kleine Hand, – gesegnet sei sie! nimmer
Tat sie noch Böses! Rein
Ist noch dein Herz! Noch teilst du nicht der Großen Mängel!
Gebenedeites Haupt! Blondhaar'ger Knabe! Engel
Mit einem Heil'genschein!

In unserm Kreise, Kind, bist du die Archentaube!
Dein zarter, schwacher Fuß ist Fremdling noch dem Staube
Des Bodens! Angetan
Mit Flügeln bist du noch! Wir freu'n uns deines Glückes;
Dein Leib der Seele gleich an Reinheit! heitern Blickes
Siehst du die Welt noch an!

Wohl bist du schön! – Wie treu! – Was gleicht den süßen Tönen
Des kleinen Mundes hier! – Wie lieblich dieser Tränen
So schnell versiegter Guß! –
Dem Lächeln! – O wer kann, wie du, das Aug' erheben?
Die junge Seele reichst du willig dar dem Leben,
Und deinen Mund dem Kuß!

O Herr, sprich über mich und über meine Freunde
Und Brüder; Ew'ger, sprich selbst über meine Feinde
Den harten Fluch nicht aus:
Durch einen Lenz, dem es an Blumen fehlt, zu gehen,
Den Käfig taubenlos, schwarmlos den Stock zu sehen,
Und kinderlos das Haus.

Aus den Dämmerungsgesängen

Napoleon der Zweite.

1.

Tausendachthundertelf! – O Stunde, wo mit Zagen
Zahllos im Staube rings die Nationen lagen,
Und beugeten das Knie,
Aufblickten um ein Ja zur Wolke, zittern fühlten
Der Staaten älteste, und dich, o Louvre, hielten
Für einen Sinai!

Gekrümmt, gleichwie ein Roß, das klirren hört die Sporen
Des Reiters, sprachen sie: »Ein Großer wird geboren!
Auf einen Erben harrt das ungeheure Reich.
Was diesem Manne wird die Hand des Ew'gen bringen?
Ihm, dessen Lose die der ganzen Welt verschlingen,
Der mehr als Cäsar ist, dem Roma selbst nicht gleich?«

Und als sie redeten, da, mit geborstnem Schoße,
Tat auf sich das Gewölk, und nieder ließ der große
Prädestinierte sich;
Die Völker stauneten, und wagten nur, zu schweigen;
Denn sieh', er öffnete, der Welt ein Kind zu zeigen,
Die Arme feierlich.
Und wie ein Ährenfeld erbebt im Hauch des Windes,
O Invalidendom, so krümmte dieses Kindes
Hauch deiner Wölbungen erzitternde Trophä'n;
Und sein Geschrei, gestillt durch einer Amme Singen,
Ließ – alle sahen wir's! – hochauf vor Freude springen
Die ehr'nen Mörser, die vor deiner Pforte stehn!

Und er! Aufblies der Stolz ihm Nas' und Stirngeäder;
Auftaten endlich sich die Arme, welche jeder
Bisher gekreuzt nur sah!
Und sieh, das Kind, gewiegt in seiner starken Rechten,
Von Blitzen überschwemmt aus seines Augen Nächten,
Lag milde strahlend da!

Drauf, als er nun gezeigt den Erben seiner Throne,
Wie jedem alten Volk, so jeder alten Krone,
Rief er, die Könige anschauend fest und glüh,
Nicht ungleich einem Aar, der eine steile Firne
Erflog, aus voller Brust und runzellos die Stirne:
– »Mein ist die Zukunft! Mein ist sie!«

2.

Nein, keines ist die Zukunft, Sire!
Die Zukunft ist des Herrn allein!
Die Stunde schlägt, und stets ist ihre
Mahnung: Es muß geschieden sein!
Die Zukunft! O Myster! hienieden,
Was uns das Schicksal auch beschieden,
Ruhm, Glück des Krieges, Liebe, Frieden,
Der Kön'ge Kron' und Prunkgemach,
Der Sieg mit roter Flammenschwinge,
Des Feldherrn blutbespritzte Klinge –
Sie sind für uns so flücht'ge Dinge,
Als nur der Vogel auf dem Dach.
Nein, ständ' er auch mit Glück und Macht im engsten Bunde,
Dir bricht die kalte Hand kein Mensch auf vor der Stunde!
Wer, der dein Rätsel kennt?
Du schweigendes Phantom, das uns zur Seite schreitet,
Verschleiertes Gespenst, des Absicht keiner deutet,
Und das man morgen nennt!

Ja, morgen! Könnten wir's begreifen!
Aus was wird morgen denn bestehn?
Die Hand des Ew'gen läßt es reifen,
Wir aber müssen heute sä'n.
Es lockt die Frucht aus ihrem Keime,
Es zeigt entschleiert das Geheime,
Es ist die Deutung unsrer Träume,
Es ist Paris nach Babylon,
'S ist die zerschmetternde Balliste,
Es ist der Schlag nach deiner Büste,
Es ist des Thrones nackt Gerüste, –
Heut ist der Sammet auf dem Thron!

Hör', morgen ist das Roß, das schäumend stürzt zusammen;
'S ist Moskaus Riesenbrand, der – seine Zungen Flammen! –
»Halt, Imperator!« ruft;
'S ist deiner Garde Fall, 's ist deines Heers Gewinsel!
'S ist Waterloo! Schau' hin, es ist die zweite Insel!
O Gott, es ist die Gruft!

Wohl kannst du, daß die Steine klirren,
Beflügeln deines Rosses Eil'!
Wohl kannst du mit dem Schwert entwirren
Der Bürgerkriege wüsten Knäu'l!
Wohl, o mein Feldherr, kann dein Degen
Der Themse Mund in Fesseln legen,
Wohl kann dein Wink den Sieg bewegen,
Daß er dich anerkennt als Herrn!
Wohl kannst du Wall und Tor zerstören,
Gebieten selbst den fernsten Meeren,
Und zum Gestirne deinen Heeren
Bestimmen deiner Sporen Stern!

Des Herren ist die Zeit! dir hat er nur verliehen
Den Raum! – Sieh' da, die Welt! du kannst sie ganz durchziehen,
Bekränzt mit jedem Kranz, den sie für Kön'ge flicht!
Nimm, o Gewaltiger, Europa Karl dem Großen!
Wer hält dich, Mahomet von Asias Thron zu stoßen? –
Du kannst es! doch dem Herrn nimmst du sein morgen nicht!

3.

O Wechsel! O Gericht! – Als dieses Mannes Erbe
Die Krone Roms – so nimmt des Bettlers Kind die Scherbe! –
Empfangen hatte nun, ein Spielwerk ihm zu sein;
Als man dem Volk gezeigt, wie seine Stirne brenne;
Als es gewundert sich, wie man so groß sein könne,
Und doch zu gleicher Zeit so klein;

Als Festen ohne Zahl sein Vater ihm erstürmet;
Als er lebendige Schutzmauern aufgetürmet
Um den scharlachnen Pfühl des Neugebornen hin;
Als dieser Zimmermann, der sich verstand aufs Bauen,
Mit ries'ger Axt beinah die Welt zurecht gehauen
Nach seinem Traum und seinem Sinn;

Als weit geöffnet schon die väterlichen Hände,
Daß nie vergeh'nden Glanz er seinem Sohne spende;
Als alles Freud' und Heil dem Lächelnden verhieß;
Als, zu begrüßen einst die Sohlen dieses Gastes,
Die Marmorfüße man des prächtigsten Palastes
Schon jetzo Wurzeln schlagen ließ;

Und als, daß keinen Durst empfinde dieser Kleine,
Ein güldenes Gefäß, voll von der Hoffnung Weine,
Vor ihn und auch vor dich, o Frankreich, man gesetzt, ...
Eh' seine Lippe noch der Schale Rand berührte,
Kam plötzlich ein Kosak, der lachend es entführte,
Und auf die Croupe hob entsetzt!

4.

Ja, kühn flog einst der Aar, die Wolken zu durchdringen,
Als jählings ihm zerbrach ein Windstoß beide Schwingen;
Er fiel, dem Wetterstrahl, der durch die Luft zuckt, gleich.
Damals auf seinen Horst voll Freude stürzten alle;
Raubgierig nahmen sie, je nach der Kraft der Kralle,
England den alten Aar, den jungen Österreich!

Ihr wißt, was das Geschlecht der Zwerge tat dem Riesen!
Sechs lange Jahr hindurch, gefesselt und verwiesen,
Sah man fern hinter Afrika
Den Überwundenen auf seiner Insel trauern;
In seinem Käfig sah man diesen Großen kauern: –
Die Knie am Kinne saß er da!

O, hätt' er nichts geliebt! ... Und doch, er tat's mit Schmerzen!
Die Löwenherzen sind die rechten Vaterherzen!
Stets war sein Denken jener März. Der zwanzigste 1811.
Zwei Dinge blieben ihm in seiner Wogenwildnis:
Schaut hin! ein Planiglob und eines Kindes Bildnis –
Sein Genius und auch sein Herz!

O, abends, wenn sein Aug', stier, als erblickt' es Geister,
Durchirrte das Gemach: wenn seine Kerkermeister,
(Schildwachen, ausgestellt, bei Tag und Nacht zu spähn
Auf seines Denkens Flug) nur seines Denkens Schatten
Vorübergehen sahn auf seiner Stirn – was hatten
Sie dieses kahle Haupt alsdann bewegen sehn?

Nicht immer, Sire, war's das Epos, welches eben
Mit deinem Degen du gerufen in das Leben;
Nicht immer alter Schlachten Lust;
Nicht war es allezeit Ägyptens braune Erde;
Kein Scheik der Wüste stets, und seine wilden Pferde,
Die deines bissen in die Brust!

Nicht war es allezeit der Bombe schaurig Dröhnen,
Das zwanzig Jahre lang die Feldschlacht ließ ertönen
Dumpf unterm Schritt Napoleons,
Wenn weithin übers Meer der dunkelroten Fehde
Sein Hauch die Fahnen trieb, die schräg gesenkten – jede
Der Mastbaum ihrer Bataillons!

'S war nicht Madrid, und nicht die alte Burg der Zaren;
'S war die Fanfare nicht des plänkelnden Husaren;
'S war nicht der Bivouak, der auf den Morgen harrt;
'S war nicht ein Tagsbefehl; es waren keine Schanzen,
Noch rote Lanziers, umstarrt von ihren Lanzen,
Wie Purpurblumen, die ein Ährenfeld umstarrt!

O nein, es war ein Kind, wie Lilien und Rosen!
Es war ein blondes Kind – o, könnt' er ihm liebkosen!
Halboffnen Mundes schläft es fest;
Indes die Amm' es wiegt, sorgsam mit treuem Lieben,
Und einen Tropfen Milch, der ihrer Brust geblieben,
Auf seine Lippen tröpfeln läßt!

Die Ellenbogen dann lehnt' er auf seinen Sessel;
Sein übervolles Herz brach schluchzend jede Fessel;
Laut weint er, Trän' auf Träne fällt ... –
O, sei gesegnet, Kind! Haupt, heute schon begraben,
Sein Denken, du allein, abwärts gelenkt zu haben
Von dem verlornen Thron der Welt!

5.

Ja, beide schon sind tot! – Herr, stark ist deine Rechte!
Zuerst ergriffest du den Lenker der Gefechte,
Den Starken auf dem Thron;
Drauf hast den Knaben du dem Ossuar gegeben;
Zehn Jahre g'nügten dir, das Leichentuch zu weben
Dem Vater und dem Sohn!

Ruhm, Jugend, Stolz – das Grab weiß alle zu erfassen!
Etwas gern möchte Wohl der Mensch zurücke lassen
Beim Scheiden aus der Zeit!
Umsonst! Die Dinge gehn zurück, von wo sie kamen;
Den Rauch die Luft, den Staub die Erde – heim den Namen
Nimmt die Vergessenheit.

6.

O Revolutionen! – Nimmer,
Der ich der Schiffer letzter bin,
Ergründ' im Ringen eurer Trümmer
Und Fluten ich des Ew'gen Sinn!
Euch haßt der Menge blödes Gaffen;
Allein wer kennt des Ew'gen Schaffen?
Wer weiß denn, ob der Tiefe Klaffen,
Und ob der Welle dumpf Geschrei,
Und ob der Trombe schrecklich Wehen,
Und ob des Linienschiffs Vergehen –
Ob alles dies nicht zum Entstehen,
O Herr, der Perle nötig sei?

Doch lastet dieses Sturms Verheerung
Auf Fürsten und auf Völkern schwer.
Ein Volk begriffen in Empörung –
O, welch ein blind' und taubes Meer!
Poet, was soll dein Lied der Menge?
Verschleuß in deiner Brust Gesänge,
Die, unvernommen, das Gedränge
Der Flut erbarmungslos verschlingt!
Im Nebel heisch wird deine Stimme;
Der Wind entfiedert dich, der schlimme,
Du armer Vogel, der im Grimme
Des Sturms auf morschen Maste singt!

O Nachtorkan, der ewig grollet!
Kein Fleckchen Blau am Himmel mehr!
Wirr in das Bodenlose rollet
Der Menschen und der Dinge Heer.
Nichts, was im Wetter nicht zerschelle!
Was ist, reißt mit sich fort die Welle!
Das kahle Haupt, gleichwie das helle,
Den Kaiser und des Kaisers Sohn!
Sieh', es erlischt, er löst sich alles!
Wer wehrt dem Drang des Wogenschwalles? –
Ziehend vergißt er, dumpfen Schalles,
Den Leviathan, wie den Halcyon!

Einsam am Fuß des Turmes.

Einsam am Fuß des Turmes, draus die Stimme
Des Herrn erschallt, der seinen Schatten werfen
Allaugenblicklich auf die Schwelle kann;
Bereit, als Henker den Gemahl zu sehn,
Und bleich aufs Pflaster in die Knie gesunken –
Weh', armes Polen, so gefesselt jetzt,
So schon besiegt ins Grab dich neigend, liegst du!
Statt deiner Söhne drückst du an dein Herz
Mit weißer Hand ein blutig Kruzifix.
Dein purpurn Thronkleid traten die Baschkiren,
Und zeichnetens mit ihrer Schuhe Nägeln.
Von Zeit zu Zeit grollt eine dumpfe Stimme;
Man hört das Dröhnen eines schweren Schrittes,
Und siehet funkeln ein gekrümmtes Schwert.
Doch du – dich lehnend an die harte Mauer,
Die naß von deinen Tränen ist; zum Himmel
Die wunden Arme hebend und das Haupt,
Das wankende, und die schon brechenden Augen –
Doch du, mit bebenden Lippen und beklommen,
Rufst: Frankreich, Schwester, siehest du nichts kommen?

Besiegt, in einem Augenblicke kann.

Besiegt, in einem Augenblicke kann
Ruhm, Baldachin und Reich der große Mann
Verlieren, samt des Diademes Schimmer;
Nur nicht den Zauber, welcher ihn erhob,
Der da sein Haupt mit Strahlen licht umwob: –
Stolz seinen Genius bewahrt er immer!

So, wenn die Schlacht ein bunt Panier entrollt,
Fällt, was Azur nur, Scharlach oder Gold,
Was seidne Franze nur, im Drang des Feuers,
Vom Blei zerhackt, in einem Augenblick,
Und löset ab sich, flatternd, Stück für Stück,
Gleichwie entrafft vom Schnabel eines Geiers.

Gleichviel! denn siehe, durch das Handgemeng,
Durch Blut und Hufschlag, Stöhnen und Gedräng,
Bleibt auf dem Schafte doch als glüh'nde Krone
(Dem Fahnenschafte, welchem das Geschoß
Den Purpur nahm, der wallend ihn umfloß,)
Der eh'rne Aar, der Stolz der Bataillone!

Mit den Herbstblättern.

An Madame ...

1.

Dies irrende Buch, das, mit zerbrochnem Flügel,
An deines Fensters vorgeschobne Riegel
Wie eine Schloße klirrend treibt der Wind,

O Gott, es flieht des Marktes Drang und Hitze!
Frost, Schwüle, Regen, tausend schlimme Blitze
Bedrängten schon das neugeborne Kind.

Es ist bestraft, daß es sich mir entschwungen.
Sieh', wie es weint, nachdem es kaum gesungen!
O sieh', wie struppig seine Federn sind!

2.

Daß es der Wind von neuem nicht entführe,
Maria, komm und öffn' ihm deine Türe;
Beschirme seiner Verse scheue Brut!

In deinem Alkov, sicher vor den Winden,
Laß einen Augenblick es Ruhe finden;
Gewähr' ihm deines Herdes milde Glut!

An deiner Seite leg' es still sich nieder,
Ein Vöglein, das, mit blut'gem Gefieder,
Zittert und zuckt – o, gönn' ihm deine Hut!

Anakreon, Poet.

Anakreon, Poet mit den erotschen Wogen,
Von alter Weisheit Höh'n kommst sickernd du gezogen!
Dich sieht, wer sie erklimmt, auf halbem Wege schon;
Durch Blumen rieselst du mit süßem Fall und Ton!

Ich liebe dich, Poet der klaren stillen Welle!
Wenn steil die Felsenbahn, die uns der höchsten Stelle
Des Berges näher bringt – wie gern, vom Steigen schwach,
Erquicken wir uns oft am kleinen Murmelbach!

Neues Lied zu einer alten Weise.

Wenn es einen Rasen gibt,
Dessen Quellen lachen,
Dessen Schmelz kein Wetter trübt,
Welchen bunt bedachen
Lilien, Geisblatt und Jasmin,
Die zu jeder Jahrszeit blühn,
O, so will zum Pfad ich ihn
Deinem Fuße machen!

Wenn es einen Busen gibt,
Einen kühnen, wachen,
Dessen Liebe, wenn er liebt,
Kennet kein Erschwachen;
Wenn er warm und voll Gefühl,
Niemals falsch und niemals kühl,
Ei, so will ich ihn zum Pfühl
Deiner Stirne machen!

Gibt es einen Liebestraum,
Einen ohn' Erwachen,
Den sich, wie des Baches Schaum
Leise wiegt den Nachen,
Gern die Seele wiegen läßt,
Einen Traum, der Gott ein Fest,
O, so will ich ihn zum Nest
Deinem Herzen machen!

Weil lechzend meine Lipp' an deinem Kelch gesogen.

Weil lechzend meine Lipp' an deinem Kelch gesogen,
Weil meine bleiche Stirn in deinen Händen lag;
Weil deines Odems Duft mein Odem eingesogen,
Weil ich an meiner Brust gefühlt der deinen Schlag;

Weil mir's gegeben ward, daß ich dich sagen hörte
Die Worte, die das Herz ausspricht mit heil'gem Flehn;
Weil, heiß in meines glüh'nd, dein Auge mir gewährte,
Froh lächeln dich zu sehn, und weinen dich zu sehn:

Weil auf mein lockig Haupt, das, ach! nur selten helle,
Ein Strahl schien deines Sterns mit wunderbarem Glanz,
lind weil ich fallen sah in meines Lebens Welle
Ein prangend Rosenblatt aus deiner Tage Kranz;

So kann ich sagen jetzt: – Vorüber, flücht'ge Jahre!
All' eure Blumen schon sind welk! ich bin ein Mann,
Der nimmer älter wird, der eine wunderbare
Blum' in der Seele trägt, die keiner brechen kann!

Streift euer Flügel auch, doch bricht er nicht, der rasche,
Die Schale, deren Born mir ew'ge Labe beut!
Mehr Glut hat meine Seel', als ihr besitzet Asche;
Mehr Liebe hat mein Herz, als ihr Vergessenheit!

Die arme Blume.

Die arme Blume sprach zum Schmetterlinge:
Flieh' nicht! uns fiel
Ein zwiefach Los; du ziehst auf flücht'ger Schwinge,
Ich haft' am Stiel!

Und dennoch lieben, fern der Menschen Neide,
Einander wir!
Wir gleichen uns; man sagt uns: alle beide
Seid Blumen ihr!

Doch, ach! du folgst der Lüfte mildem Wehen!
Mich hält der Strauch!
Wie gerne schickt' ich in die blauen Höhen
Dir meinen Hauch!

Umsonst! du flatterst rastlos auf den Matten,
Gibst Kuß auf Kuß;
Indes ich, trauernd, einsam meinen Schatten
Betrachten muß!

Du fliehst, kommst wieder, zeigst auf jedem Beete
Des Fittigs Glanz,
Und findest mich bei jeder Morgenröte
In Tränen ganz!

O du, mein König, soll die Lieb' uns bringen
Glück, Wonne, Rast:
Gleich mir dann wurzle, oder gib mir Schwingen,
Wie du sie hast!

Zuschrift an ...

Rosen und Falter, alle sie einst einen
Im Grabe sich.
Warum erst dann? Im Leben, sollt' ich meinen! ...
Wir beide? – sprich!

Sei's hoch im Licht, wenn lieber dessen Spuren
Dein Flug begrüßt;
Sei's auf der Flur, wenn gern sich auf den Fluren
Dein Kelch ergießt!

Wo dir's gefällt! Im Tal und auf dem Hügel
Und in der Luft!
Gleichviel, ob du Korolle bist, ob Flügel,
Glanz oder Duft!

Doch eins tut not: Beisammensein! – O werde,
Die mich beglückt!
Dann kann man wählen, Himmel oder Erde,
Wie es sich schickt!

Weil voll von Tränen unsre Stunden.

Weil voll von Tränen unsre Stunden,
Und weil von Unruh' voll sie sind;
Weil jeden Kranz, den du gewunden,
Entblättert schon ein rauher Wind;

Weil unsre Eltern schon gegangen
Den Weg sind, der uns alle ruft;
Weil Kinder schon mit roten Wangen
Sich vor uns legten in die Gruft;

Weil, die mit deiner Seufzer Schalle
Du füllest, diese Tränenstatt
Schon längstens unsre Wurzeln alle
Und unsrer Blumen ein'ge hat;

Weil in der jetzt Geliebten Stimme
Der einst Geliebten Wort sich mengt;
Weil allwärts über uns der schlimme
Schlagschatten des Vergang'nen hängt;

Weil, wenn die Brust uns Wonnen heben,
Uns jäh verschlingt des Schmerzes Meer;
Und weil wie ein Gefäß das Leben,
Das man nicht voll macht und nicht leer;

Weil man, je mehr man vorwärts schreitet,
So tiefer nur versinkt in Nacht;
Und weil für uns längst ausgebeutet
Der Hoffnung trügerischer Schacht;

Weil, ach! der Glocke stündlich Tönen
Nichts, nichts für morgen uns verheißt;
Und weil man keinen kennt von denen,
Die uns der Drang des Weges weist: –

So eile, Wohnungen zu bauen
Der Seel' an einem höhern Ort!
Nicht führt dein Pfad durch unsre Auen,
Nicht unsre Flut birgt deinen Hort!

Bei Nacht, wenn Schatten dich umschweben,
Laß schaukeln dich das Meer im Boot;
Die Flut ist bitter, wie das Leben!
Die Nacht verschleiert, wie der Tod!

Den Abgrund und die Nacht befehdet
Ein unerforscht Mysterium;
»Bis auf den Tag, wo alles redet,«
So ist des Herren Wort, »seid stumm!«

Umsonst durch dieser Flut Getümmel
Sah'n andre nach dem Boden aus;
Umsonst, zu schauen diesen Himmel,
Durchspähten sie der Nächte Graus!

Du – stille dir des Herzens Klopfen
Der Friede des gestirnten Doms!
Aus dieser Urne einen Tropfen,
Ein Lied nimm dieses Tönestroms!

Dein Flug, die andern überschweb' er!
Dein schönes Aug', das trübe sinnt,
Laß von der Erde, wo nur Gräber,
Zum Himmel schau'n, wo Seelen sind!

Hoffnung auf Gott.

Kind, hoffe! Morgen! Was dein Mund auch flehte,
Nur morgen, morgen! Fleh' zu jeder Frist!
Bereit mit jeder neuen Morgenröte
Zum Beten sei, wie Gott zum Segnen ist!

Kind, unsre Schuld ist unsrer Leiden Quelle!
Vielleicht, du Arme, wenn wir lange Zeit
Knien vor dem Herrn auf seines Hauses Schwelle,
Daß nach den andern Gott auch uns verzeiht!

Weil blumig uns der Mai.

Weil blumig uns der Mai hinausruft in die Büsche,
So komm, daß deinem Geist sich das Gefild vermische,
Und mit ihm das Gehölz und, auf der stillen Flut,
Der milde Mondenschein, der zitternd auf ihr ruht,
Der Heerweg und der Pfad, das grüne Talgelände,
Die Luft, der Lenz, und dort, verschwimmend und ohn' Ende,
Der blaue Horizont, den, bräutlich und geschmückt,
Die Erde lippengleich ans Kleid des Himmels drückt! –

O, kämst du! daß der Blick der keuschen Himmelsfeuer,
Der, zitternd durch die Nacht, strahlt durch so viele Schleier,
Daß der von Vogellied und Duft erfüllte Strauch,
Und daß auf dem Gefild des Mittags schwüler Hauch,
Daß Meer und Waldesnacht, daß Sonnenschein und Dunkel,
Daß ringsum der Natur Erglühen und Gefunkel,
Daß fruchtbar alles dies, als Doppelblume, triebe
Schönheit auf deiner Stirn, in deinem Herzen Liebe!

An Louis V.

Den du gekannt, o Freund, der Wandrer, dessen Herz
Verwundend bloßgelegt so mancher herbe Schmerz,
Erklomm, als nun gemach des Tages Laute schwiegen,
Einsam und trüben Sinns des düstern Turmes Stiegen;
Des heil'gen, drauf der Mensch in den Granit gesprengt
Sein Denken, dran ihr Nest die heis're Dohle hängt!

Die Wendeltrepp' hinan, die scharf mit seinem kalten
Wehn der Nordost bestreicht durch des Gemäuers Spalten,
Schritt er, bis, lassend jetzt der morschen Stufen Pfad,
Er unter des Gewölbs gestützte Bogen trat,
Wo, harrend des Gebets, die Glock' in stiller Trauer,
Ein eh'rner Vogel, schlief in ihrem Eichenbauer!

Der Klöpfel feierte, der Wecker ihres Schalls!
Ein mächtig Tau belud der Glocke knot'gen Hals.
Der Blick, der sich vermaß, in ihr emporzuschauen,
Sah dichte Finsternis in ihrer Kuppel brauen.
Weich in den hellern Rand verlief die Dunkelheit
Des schwarzen Innern sich! Es klang von Zeit zu Zeit
Im Schatten dieses Doms, drin noch die Luft vibrierte,
Als ob erzitternd sich ein Streifen Tuches rührte.
Es glitt die Wand entlang ein Flüstern leis und sacht,
Als ob, entringend sich des Glockenstuhles Nacht,
In der geflügelt sie zu Legionen schliefen,
Die Töne, halb erwacht und halb im Schlaf, sich riefen!
Ein wundersam Geräusch, hörbar der Seele bloß!
Denn, wenn sie schlummern selbst, lichtlos und odemlos
Raucht der Vulkan, und haucht' die Glock' ein seufzend Wehen;
Aus diesem Erze stets wallt auf ein leises Flehen;
Man lullt so wenig ein die Glock' auf ihrem Turm,
Als auf der See die Flut, als in der Luft den Sturm!

Ein grollend Echo sie des Himmels! Eine Stimme,
Die mit dem Donner buhlt, und stand hält seinem Grimme!
Geschaffen für die Stadt, wie er für Meer und Kluft!
Ein lärmerfüllt Gefäß, sich leerend in der Luft!
Es hatte, wer sich ihr genaht, den spröden Massen
Der ries'gen eine Spur von sich zurückgelassen.
In die gegossene Taufinschrift überall
Sah schnöde Worte man gekritzelt ins Metall.
Zu oberst, künstlich aus dem Erz hervorgetrieben,
Zeigt' eine Krone sich, zerhackt von Messerhieben.
Wohl gruben Furchen sie tief in die braune Wucht,
Die Gott der Herr beseelt – doch keine brachte Frucht!
Sie hatten hier gesät, der seine sünd'gen Tage,
Der ein bereuend Herz und unfruchtbare Klage,
Der Sinnenliebe gar, die sich ergeht im Kot,
Und alle jenen Halm, der nie noch Ähren bot,
Die Gottvergessenheit! – Entheiligt war die Reine!
Wie spottend, glomm auf ihr der Rost mit gelbem Scheine!
Dem Namen Gottes grub der eine seinen ein!
Wo Ja der Priester sprach, da schrieb der andre Nein!
O, feiger, schlechter Schimpf, vom Lebenden dem Toten,
Von dem Vergeh'nden stets dem Bleibendem geboten!

Da, während um ihn her der Lüfte Säuseln klang,
Und während in sein Ohr der Stadt Getöse drang;
Da, während ihren Duft die Fluren still verhauchten,
Die Menschen redeten, und ihre Dächer rauchten –
Da fühlt' er, wie ein Baum, der, zitternd und verwirrt,
Es fühlt, wie Flügelschlag um seine Blätter schwirrt,
Da fühlt er, auf das Erz geheftet all' sein Denken,
Gedankenschwärme sich auf seine Stirne senken!

1.

Einsam auf deinem Turm mit der gezahnten First,
Aus dessen Höhe dumpf dein Ton hernieder birst,
O Glocke, die du hoch im Reich der Wolken dräuest,
Und die geballten oft mit deinem Hauch zerstreuest,
Schläfst du im Schatten jetzt, und nichts erhellt dein tief
Und schweigend Erzgewölb, in dem der Schall entschlief!
O, während dich ein Geist, dein Wesen zu erkunden,
Betrachtet, schweigend selbst, in deines Schweigens Stunden,
Laß jenen dunkeln Trieb, so wunderbar und süß,
Der eine Schwester stets die andre finden ließ,
O, laß ihn sagen dir, daß jetzt im Abendscheine
Dir eine Seele nah, erzitternd wie die deine,
Die mächtig oft erscholl, wenn du im Schlummer lagst,
Die in der Liebe klagt, wie du im Himmel klagst!

2.

O, als ich jung noch war, als meine Morgenröte
Beseligend und stolz durch meinen Busen wehte,
Damals wohl grub mein Geist, froh schaffend, in sein rein
Und jungfräulich Metall, von wo sein Kommen, ein!
Da schmückt' ihn schimmernd wohl geweihter Lettern Zone;
Nicht, Mutter, und es ward geprägt ihm eine Krone?
Dann aber kamen sie, die auf der offnen Bahn
Der Sinne trügerisch dem schwachen Herzen nahn;
Die, wenn der Zufall sie vor unser Haus getragen,
Mit wildem Ungestüm an seine Pforte schlagen,
Den Sterblichen bedrohn, selbst wenn er Opfer bringt,
Und machen, daß nicht stets dem Ewigen er klingt –
Der Leidenschaften Schwarm, o Gott, er ließ die Gasse,
Daß er die Seele mir mit wilder Gier erfasse;
An eines Griffels Statt nahm er ein Messer sich,
Grub auf das eh'rne Wort mit frevelhaftem Stich
Schmähung und Lästerung, der Irrtum sich vermischte,
Bis gänzlich er zuletzt das Heilige verwischte;
Gleich deinem, Glocke, drin des Herren Name schier
Entstellter nicht erscheint und wüster, denn in mir!

3.

Was aber gilt denn dies der Glock' und meiner Seele?
Es würdige sie nur erweckender Befehle
Der Geist, berühre sie, und sage beiden: Singt!
Und plötzlich, siehe da, gewalt'gen Tones ringt
Aus ihrer bangen Brust, die dunkle Schatten decken,
Durch Aschen und durch Rost, durch Schrammen und durch Flecken,
Und durch besudelnde Verhöhnung feierlich
Ein laut und herrlich Lied los in die Himmel sich!
Das Hosianna dies alsdann von allen Kehlen,
Des Herrn Gedanke dies, und der Natur Erzählen!
Ja, was, wie Meeressturm und Morgensonnenlicht,
In Wetterstrahlen dann und Seufzern Bahn sich bricht,
Was durch die Lande braust, wie Schnee von eis'ger Firne,
Was man entzucken sieht der nie gesenkten Stirne,
Gleichwie dem Glockenturm, der stets gen Himmel ragt –
Es ist das große Lied, das alles, alles sagt:
Die Seufzer, die gepreßt aus bangen Herzen schallen;
Den Schrei des Steigenden, und dessen, der gefallen;
Das Reden Jegliches zu jeder Leidenschaft;
Der Täuschung Lebewohl, die süß uns fortgerafft;
Die Barke, die zerschellt der Brandung zornig Schäumen;
Des Weibes tiefer Gram, der Jungfrau stilles Träumen;
Die Tugend, die zumeist nur Dulderherzen füllt,
Und aus der Bitterkeit des Borns der Leiden quillt;
Den Altar, den von Volk und Weihrauchduft umwallten;
Die Mütter, die zurück den Schritt der Kinder halten;
Die Nacht, die schweigen heißt des Weltalls täglich Fest,
Und nur die Meere noch hienieden sprechen läßt;
Der Frühe Sternenglanz, des Sonnenaufgangs Gluten,
Und, wenn die Sonne sinkt, des Westens prächtig Bluten;
Den Berg, der mit dem Strom, in säuselndem Akkord,
Nur eines Namens Ruhm verkündigt fort und fort!
Das wunderbare Lied, das, unter Flügelschlägen,
Dem Nest der Schwalbe zieht vom Adlerhorst entgegen;
Und jenen Kreis, den, ach! der Mensch so bald umgeht:
Des Herzens Reinigkeit, die Liebe, das Gebet;
Endlich des Lichtes Schein, den, daß sie ihn ergießen
Kann auf die Welt, der Herr läßt in die Seele fließen!

4.

Und tief erschüttern wird die Menschen dies Getön!
Es werden, die durchs Feld, und die in Städten gehn,
Es wird, wer weise lauscht des Herzens heil'gen Kunden,
Und wen die Ewigkeit vergessen läßt die Stunden,
In Demut neigen sich! – dann lächelt für und für
Das Kind die Mutter an, und zeigt den Himmel ihr!
Sein wundes Herz alsdann wird jeder einen kühlen
Und alles heilenden Balsam durchrieseln fühlen!
Aus einer Schale dann berauschen sich der Schwarm,
Und wer in Einsamkeit sich hingab seinem Harm!
Geweckt durch das Geräusch, fährt auf aus ihrem Traume
Die Jungfrau, die geruht auf blum'gem Quellensaume!
Die Menschheit zuckt empor, ein wunderbar Gemisch:
Die Witwe, welche weint; der Wechsler, dessen Tisch
Steht in des Tempelhofs entheiligtem Bereiche,
Wie einen Pilz man sieht am Fuß der alten Eiche;
Der Gläub'ge, der sich tief, o Kirchturm, vor dir bückt –
Sie alle hören dann, erschrocken und entzückt,
Wie träumend man vernimmt der Meere brausend Wallen,
Das dumpfe Klaggeschrei der eh'rnen Seele schallen!

5.

O Hymne der Natur und Menschheit, deren Schall
Ohn' Ende weiter ruft ein jeder Widerhall!
Ernst, freudig, nie gehört, erhaben und verzweifelnd!
Lied, von Gebirgeshöh'n tief in den Abgrund träufelnd,
Das, wenn die Tiefen es mit süßem Klang durchbebt,
Wie Kataraktenduft zurück zum Himmel schwebt!
Lied, das auf Bergen man und Ebnen höret klingen,
Das durch den Äther tönt als Atmen, Weinen, Singen!
Lied, das im Flusse schäumt, das durch die Wälder zieht,
Zur Stunde, wo zugleich man sich entzünden sieht
Am Saum der finstern Schlucht, die Wolkenbänke gürten,
Den Stern des Schäfers mit dem Abendfeu'r des Hirten!
Lied, das beim Morgengrau'n auf Wasserspiegeln weht,
Und in der Vöglein Nest am Abend schlafen geht!
Wort, das die Glocke weiß den Glocken zu erzählen,
Und das als Trösterin die Seele sagt den Seelen!
Endloser, ries'ger Psalm, den alles Reden nicht
Der Sprachen wiedergibt, die man auf Erden spricht,
Und der in einem Wort der Lippe doch entwehte
Des, der: ich liebe! sprach, und des, der sprach: ich bete!

Und dieser glüh'nde Psalm, der alle Welt bezwingt,
Der minder in der Luft, als in den Herzen klingt,
Wird, daß er mächtiger aus ihren Tiefen walle,
Auftun der Seele, wie der Glocke Poren alle!
Sie werden singen ihn, süß, wie die Taube girrt;
Rein, wie der Quelle Ton, die durch die Wälder irrt;
Keusch, wie des Seufzers Hauch, den Liebeflehn geboren;
Jungfräulich, wie das Lied der funkelnden Auroren!
Mit tausend Zungen dann froh werden jubeln sie,
Voll von Begeisterung, von Lieb' und Harmonie!
Dann wird nicht das allein, was übrig noch auf ihnen
Vom heil'gen Worte blieb, ihr einstig Fehlen sühnen;
Nein, alles auch, was frech in ihr entweihtes Erz
Der Stahl des Wandrers grub mit frevelhaftem Scherz,
Der Spott, der sich gepaart der Schmähung und dem Hohne,
Samt der verstümmelten und schlecht geword'nen Krone,
Das alles, ernst durchdröhnt von ihrer Töne Wehn,
Und jäh verwandelnd sich bei ihrem süßen Flehn,
Wird, lieblich flüsternd zu des Ganzen Seraphklängen,
Ein mild und klagend Lied in ihre Stimme mengen!
In dieser zitternden und heil'gen Töne Schwall
Verhallt die Lästerung, gegraben ins Metall!
In diesen Liebesstrom, gleichwie ein Tropfen, träufelt
Jeglich verneinend Wort, wie jeglich Wort, das zweifelt;
Und, daß der Hymnus sich erhebe klar und rein,
Wird nichts Besudelung, wird alles Erz nur sein!

6.

O Herr! du, dessen Blick den unsern neu befeuert,
Sieh', welch' ein Siegesfest, dein Wort, das heil'ge, feiert!
Fürwahr! ein Schauspiel ist's, erhaben, süß und hehr,
Für uns, Herr, wie für dich und für der Engel Heer,
Daß, was vorübergeh'nd des Frevlers Hand geschändet,
Berührt von deinem Geist, zu dir sich wieder wendet;
Daß laut es dir lobsingt mit feierlichem Ton,
Im Herzen Liebe nur, wenn auf der Stirn auch Hohn!

In solchen Bächen war's, mit solcherlei Gefälle,
Daß seines Denkens Flut fortströmte Well' auf Welle,
Mit jedem Augenblick von Seufzern neu getrübt. –
Die Nacht, die treu der Gram, wie eine Schwester, liebt,
Hatt', als er niederstieg, mit Dunkel schon umgeben
Die Welt; – und rastlos riß das ungewisse Leben
Fort diesen Blutenden; es riß ihn blindlings fort
Zu Dingen, harrend sein an einem andern Ort!
Fort riß es diese Stirn, drauf eine Seele zittert,
Die das Geschick zerreißt, die, folgsam und erbittert,
Des Klöpfels Schlag erträgt und ihrer Wunden Schmerz,
Von Glase, wenn sie seufzt, und wenn sie trotzt, von Erz!

Auf das erste Blatt eines Petrarka.

Wenn Liebesflammen sich in meine Seele senken;
Wenn, der du Lauren einst gefeiert, all' mein Denken,
Dem kalten Pöbel fern, der Hohn dem Heil'gen spricht,
Wie eine Blume nun aus seiner Knospe bricht:
Dein Buch ergreif' ich dann, das Himmelslüfte fächeln;
Drin die Entsagung oft mit ihrem bittern Lächeln
Sich Hand in Hand uns zeigt mit der Entzückung Glut;
Dein schönes Buch, in dem, wie die kristall'ne Flut
Rauscht über goldnen Sand aus eignem, freiem Triebe,
Auf soviel Poesie hinrieselt so viel Liebe!
O Meister, deinem Quell nah' ich, und sinne still,
Was deiner Töneschar Geheimnis sagen will;
Blume der Liebe, die, gehegt auf laub'ger Wiese,
Fünfhundert Jahre schon geduftet zu Vauclüse!
Und während träumerisch ich lese – sicherlich,
Wer mich erschauete, er sähe lächeln mich!
Denn, fern der Orgien, gleichwie des Markts Gedränge,
Gehn deine züchtigen und edlen Klaggesänge,
Jungfrau'n mit blauem Aug' und lieblichem Profil,
An mir vorüber, ach! und tragen deinen Stil,
Der von Metaphern blitzt, hochstirn'ge Kanephoren,
Einher in des Sonetts gegrabenen Amphoren!

Du, sei gesegnet allezeit!

Du, sei gesegnet allezeit!
Eva, die keine Schlange meistert!
Die, von der Tugend nur begeistert,
Auf reinen Gipfeln ihr sich weih't!
O Seele, fleckenlose, reine,
Die du die Flügel tauchst in eine
Geheimnisvolle, dunkle Flut,
Die einsam, in des Schweigens Hut,
Erglänzt von prächt'gem Widerscheine!

Und weißt du, was der Dürft'ge spricht,
Sieht er dich wandeln durchs Gefilde?
– »Das ist die Anmutvolle, Milde,
Die gern ihr Brot den Armen bricht!
Sie neigt sich über unserm Pfühle,
Sie sendet unsern Schläfen Kühle,
Sie macht, daß unsre Schmerzen fliehn!
Und süß aus ihrem Munde ziehn
In Worten ihrer Brust Gefühle!« –

Und weißt du, was die Witwe denkt,
Indessen ihre Zähren fließen?
– »Ein guter Engel mischet süßen
Honig der Galle, die mich tränkt.
Wie Tau sich senkt auf Blumenauen,
So ihre Milde läßt sie tauen
Auf meinen Jammer, meinen Schmerz.
Verstanden hat sich unser Herz –
Ich elend, sie der Stolz der Frauen!

»Ihr fragt, ob ich es denn erfuhr,
Daß ihre Lust das Böse meide? –
O, ihrem Antlitz ist die Freude
Das, was dem Himmel der Azur.
Hat es ihr Blick doch auch gelesen,
Daß diese Trauer, die mein Wesen
Zerreißt, nur heil'gen Schmerz empfand.
Wie meine Tränen sie verstand,
So weiß ihr Lächeln ich zu lösen!« –

Wenn ich die Waisen nennen soll –
O, wenn ich bei des Herdes Glühen
Nun deine Kinder auf den Knien
Versammle, deines Herzens voll;
Wenn ich vom Winter ihnen sage,
Vom Hunger, und der stillen Klage
Der armen, elternlosen Schar,
Die, kaum geboren, nackt und bar
Vertrauern muß der Jugend Tage;

O dann, indes es seufzend schweigt,
Das bange Häuflein deiner Kleinen,
O, weißt du dann, was, feucht von Weinen,
Ihr Auge sagt, das deinem gleicht?
– »Die eure Eltern ihr begraben,
O kommt, ihr Mädchen und ihr Knaben!
Kommt! bleibet bei uns für und für!
Ihr Armen, alle sollt, wie wir,
Teil ihr an unsrer Mutter haben!«

Und weißt du, – senke nicht den Blick! –
Auch meines Herzens tiefstes Meinen?
– »O, sie ist sanft! Ihr Mund weist keinen
Auch noch so bittern Trank zurück.
O Mutter, der die Kinder gleichen,
Du strahlst in meines Hauses Reichen
Auf meiner Stirne königlich.
Die Stirn erlischt und runzelt sich,
Doch nimmer wird die Krone bleichen!« –

Du, deren Leidenschaften ruhn,
Du, über niedern Zorn erhaben,
Du weißt nur andre zu begaben,
Du weißt kein Tun, als edel Tun!
So auch, durchziehst du meine Hallen,
Nahst du den Herzen von uns allen,
Die dir auf ewig untertan.
Es können stets von einem Schwan
Nur weiße Federn niederfallen!

Date Lilia.

O, wenn ein Weib ihr seht auf Erden irgendwo,
Von offner, reiner Stirn, von Auge sanft und froh,
Wenn ihr sie wandeln seht in ihrer Kinder Mitte –
Vier sind's, und ungewiß noch sind des Kleinsten Schritte!
Wenn ihr, nah'n Dürftige, es sehet, wie bewegt
In ihres Jüngsten Hand sie eine Gabe legt;
O, wenn, indessen sie sich draußen wild erhitzen
Um einen Namen, ernst ein Weib ihr sehet sitzen,
Die lauscht, und endlich sagt: – »Erst Prüfung, dann Gericht!
Wen, auch aus unsrer Zahl, beschuldigte man nicht?
Zu leicht entwürdigt man, was strahlt durch Kraft und Adel;
Das Lob ist ohne Fuß, und Flügel hat der Tadel!« –
O, wenn (führt in die Stadt der Toten euch einmal
Zufall, Erinnerung, vielleicht auch inn're Qual!)
Ein Wesen, anmutvoll und süß, ihr sehet beten
Auf einer Gruft, zu der ein Pfad geht, stark betreten;
Wenn ihr's, auch hier der Schar der Kindlein treu vereint.
Mit Lächeln weinen seht, wie man im Himmel weint;
Wenn, wie ein voll Gefäß man siehet überfließen,
Schmerz und Entzückung sich aus dieser Brust ergießen;
Wenn als ein Engel sie dasteht, des Ird'schen bar;
Wenn, heil'ger Tränen voll, ihr Auge, keusch und klar,
Gen Himmel öfter schaut, als auf das Grab sich senket,
Und doch zurück dann kehrt so schmerzlich, daß man denket,
Es machen streitig sich ihr Herz, in bittrer Wahl,
Die Mutter, die bei Gott, und hier der Kindlein Zahl;
Wenn, um die Osterzeit, durch aller Kirchen Chöre
Geweihte Kerzen sprühn zu des Erstandnen Ehre;
Wenn Duftgewölk entquillt dem Weihrauchfaß, wie kaum
Aus voller Kelter spritzt der Traube weißer Schaum;
Wenn mitten im Gebraus der heil'gen Lobgesänge
Sich eine Seel' erhebt aus dieser Seelen Menge;
Wenn ihr, den Feuern fern, den Stimmen und der Pracht,
Voll Huld sich neigen seht in eines Bogens Nacht,
An einer Nische Fuß, im Schatten einer Mauer,
Auf junger Stirnen vier ein Auge, voll von Trauer;
Ein Auge, drin der Blick der Jungfrau lächelnd sich
Dem Blick der Mutter mischt, so süß als feierlich: –

O, segnet sie, wer auch ihr seid! Denn meiner Seele
Sichtbare Schwester ist's! Ein Wesen ohne Fehle!
Mein Hoffen und mein Stolz! mein Hafen und mein Halt!
Dach meiner Jugendzeit, zu dem mein Alter wallt!
Sie ist's! die Tugend, die das Haupt mir will bekränzen;
Das Alabasterbild in meines Hauses Grenzen;
Der Baum, der liebend mich auf meiner Bahn erfreut
Mit Früchten manchesmal, mit Schatten allezeit;
Das Weib, die glücklich nur, wenn meine Augen scheinen;
Die, wenn wir wanken oft, ich oder ihre Kleinen,
Kein Strafwort, keinen Blick verlierend, mildiglich
Sie mit der Rechten hält, und mit dem Herzen mich;
Die, wenn ich sinnend mich dem Bösen hingegeben,
Einzig mich strafen kann und einzig mir vergeben;
Die treu mich warnet vor, und tröstet nach dem Fall;
Zu der ich: Ewig! sprach, wie sie sprach: Überall!
Mit einem Worte: Sie! Mein alles! Eine Blüte
Der Schönheit, der als Duft gegeben ward die Güte!
Geheimnisvoller Bund gedoppelter Natur:
Irdisch die Blüte, doch der Duft vom Himmel nur!


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