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Edmund Spenser

(1553–1598/99.)

1.

Lang sucht' ich, wem ich jene mächt'gen Augen
Vergliche, die den Geist mir hell gemacht:
Doch find' ich nichts zur Welt, das möge taugen,
Ihm zu vergleichen ihre Lichtespracht.

Der Sonne nicht: sie scheinen ja bei Nacht;
Auch nicht dem Monde: wechsellos ihr Schimmer;
Den Sternen nicht: zu rein sind sie entfacht;
Dem Feuer nicht: denn sie verzehren nimmer;

Dem Blitze nicht: denn sie beharren immer;
Dem Diamant nicht: denn sie sind zu mild;
Noch dem Kristall: denn nichts schlägt sie in Trümmer;

Noch auch dem Glas: Kränkung solch niedrig Bild!
Dem Schöpfer selbst dann sind am gleichsten sie,
Des Licht erleuchtet was wir schauen hie.

2.

Penelope, um ihren Herrn Ulyß,
Sann ein Geweb aus zu der Freier Plage;
Darin sie aufzulösen sich befliß,
Allzeit bei Nacht, was sie gewirkt bei Tage.

Gleich seine List, daß nicht zu Kühnes wage
Mein heiß Verlangen, gibt mein Mädchen an:
Denn was in Tagen ich zusammenschlage,
Vernichtet sie in einer Stunde dann.

So, wenn ich enden will, was ich begann,
Muß ich beginnen, und komm' nie ans Ende:
Ein Blick von ihr zerstört, was lang ich spann:

Ein Wort zerreißt das Jahrwerk meiner Hände.
Solch Mühen find' ich gleich der Spinne Weben:
Der schwächste Wind zerbricht ihr fruchtlos Streben.

3.

Süß ist die Rose – süß, doch stachelicht;
Süß der Wacholder, doch bewehrt sein Ast;
Süß auch die wilde Rose, doch sie sticht;
Süß Fichtentrieb, doch rauh, wenn man ihn faßt;

Süß die Zypresse, doch von zähem Bast;
Süß ist die Nuß, doch nur ihr Inn'res letzt;
Süß ist der Ginster, doch auch sauer fast;
Süß Moly auch, doch seine Wurzel ätzt.

So ist, was süß, mit Saurem stets versetzt,
Daß man so mehr das Süße nur begehrt:
Was leicht erreicht, wird selten hoch geschätzt,

Und für die meisten hat es keinen Wert.
Was kann mir denn an kleinem Schmerze liegen,
Der mir gewinnen soll endlos Vergnügen?

4.

So oft ich von ihr scheide heimatwärts,
Geh' ich, wie wer, besiegt im Kampfgefild,
Entführt wird als Gefangner, schwer das Herz,
Geraubt vom Feinde Kriegeswehr und Schild.

Dem Kummer so, der gänzlich mich erfüllt,
Geb' ich mich selbst auf lange jetzt gefangen:
Fern meiner liebsten Lieben, ungestillt
In Einsamkeit zu bergen mein Verlangen.

Kein eitel Freu'n soll zu mir da gelangen,
Kein Lustgedanke, Trost mir zu gewähren;
Nur mit der Welt Verachtung, nur mit bangen

Und jähen Klagen will mein Leid ich nähren.
So wird ihr Fernsein Buße mir, daß Miete Meed, Lohn. – »Ich wil aber miete.« Walther von der Vogelweide.
Hinwiederum mir ihre Nähe biete.

5.

Die da den Lauf himmlischer Sphären kennen,
Bezeichnen jedem Irrstern seinen wahren
Zeitraum, darin er seinen Kreis muß rennen:
Wie Mars ihn rennt in dreimal zwanzig Jahren.

Also, seit in mir seinen Stern, den klaren,
Cupido wälzt, sah ich ein Jahr entschweben,
Das länger scheint, als es zusammen waren
All' jene vierzig, so durchlief mein Leben.

Drum, nach der Liebe Rechenbuch, ergeben
Sich vierzig Jahre für Cupidos Runde,
Die ich verbracht in langem Schmachten eben –

So länger nur, je tiefer meine Wunde.
Doch nächstes Jahr, Stern meiner Liebe, jage
Du kürzere Bahn – sonst kürze meine Tage!

6.

Nach langen Stürmen, wüst und grauenbar,
So ich vor diesem mühevoll bestand
In Todesfurcht und schreckender Gefahr,
Die hoch und tief mein töricht Schiff berannt:

Entdeck' ich endlich den glücksel'gen Strand,
Der bald sich, hoff' ich, über mir erhebt!
Schön aus der Ferne scheint, voll scheint das Land
Von allem Teuern, Guten, was da lebt.

Beglückt, beglückt, wer endlich doch erstrebt
Die freud'ge Sicherheit so süßer Rast!
So groß die kleinste Lust hier – sie begräbt

Erinn'rung aller früheren Pein und Last.
Nichts aller Kummer, seh' ich dieses an;
Kurz aller Schmerz, der ewig Heil gewann!

7.

Gleichwie nach müder Jagd ein Weidgeselle,
Seh'nd wie sein Wild sich flüchtig fortgemacht,
Zu ruhn sich setzt an eine schattige Stelle,
(Die Meute keucht, um ihren Raub gebracht):

Also, nach langer und vergebner Jagd,
Als ich ganz matt schon ihr gewandt den Rücken,
Kehrte mein Reh denselben Weg, bedacht
Zum nächsten Bache dürstend sich zu bücken.

Allda, beschauend mich mit mildern Blicken,
Entfloh es nicht, nein, hielt mir furchtlos Stand,
Gab sich, halb zitternd noch, aus freien Stücken

In meine Hand, und litt, daß ich es band,
Wie seltsam, dacht' ich: solch ein schreckhaft Tier,
Und läuft von selbst nun in die Stricke mir!

8.

Der alten Welt ruhmreiche Krieger pflegten
Stattlicher Art Siegsmäler zu erheben,
Darin sie das Gedächtnis niederlegten
Von ihrer Großtat, ihrem tapfern Streben.

Welch Siegsmal denn am besten bau' ich eben,
Darin ich feire, wie es mir gelungen,
Daß aller Schönheit Preis, lieblich umgeben
Von Ehre, Liebe, Keuschheit, ich bezwungen?

Hier dieses Lied, der Ewigkeit gesungen,
Sei meines Sieges ein unsterblich Zeichen;
Es hab' ihr Lob der Nachwelt zugeklungen,

Die wundernd ehrt solch Wunder ohnegleichen:
Nun mein Gewinn und meine stolze Beute,
Erjagt zuletzt nach Müh' und langem Streite.

9.

Froh seh' ich, wie, in deiner Schilderei,
Dich selbst der Biene du vergleichst, der bangen;
Und mich der Spinne, lauernd nahebei
Im Hinterhalt, sie unverseh'ns zu fangen:

So unterwarf dich liebendem Verlangen
Ein teurer Feind, so fing dich seine List,
Des enge Bande dich so fest umschlangen,
Daß nimmer nunmehr du zu lösen bist.

Doch wie dein Werk künstlich umwoben ist
Mit duft'ger Wildros', blüh'nden Waldeswinden:
So deinen Kerker auch, zur rechten Frist,

Im Kranz von Wonnen wirst du süß erfinden.
Und alle seh'n es: ew'ger Friede eint
Hinfort die sanfte Bien' und ihren Feind.

10.

Einst ihren Namen schrieb ich auf den Strand:
Die Woge kam, und wusch die Stelle rein;
Stracks schrieb ich ihn mit einer zweiten Hand:
Da brach die Flut auf meine Müh' herein.

Tor, sprach sie, der Unsterblichkeit verleih'n
Dem will, was sterblich ist, und bald verblüht!
Wie dies Vergeh'n, so werd' ich selber sein:
So schwind' auch ich, von Wellen übersprüht!

Nicht so, rief ich, laß Schlecht'res im Gebiet
Des Staubes welken! du sollst glorreich bleiben!
Verew'gen deine Tugend soll mein Lied,

Und an die Himmel deinen Namen schreiben,
Wo, wenn der Tod die ganze Welt begräbt,
Allzeit von neuem unsre Liebe lebt!

11.

Nach meinem langen Zug durch Feenland,
Dem ich sechs Bücher bis heran geweiht,
O, laßt mich rasten jetzt, halb abgespannt,
Und Atem holen eine kurze Zeit.

Dann, wie ein Roß, los seiner Müdigkeit,
Brech' ich aufs neu aus meines Kerkers Stäben,
Zu jenem zweiten Werke stark bereit
Mit schuld'gem Fleiß und mutigem Bestreben.

Indes laßt scherzend meine Muse schweben
Im Hag, und singen meiner Liebsten Preis,
Die, schau' ich an ihr hold Gesicht, zu heben

Auf höhere Gipfel meine Seele weiß.
Gering doch sei ihr Lob! der Dienerin
Geziemend so der Feenkönigin!

12.

Schön ist mein Lieb, wenn ihr schön golden Haar,
Vom losen Wind ihr fluten seht in Pracht;
Schön, wenn die Rose schmückt ihr Wangenpaar,
Und Liebesfeu'r ihr Auge funkeln macht;

Schön, wenn die Brust sie, wie voll seltner Fracht
Ein reich beladen Schiff, den Blicken gibt;
Schön, wenn die Wolke sie von dannen lacht
Des Stolzes, der ihr süßes Licht oft trübt:

Am schönsten doch, wenn sie den Riegel schiebt
Vom Tor alsdann aus Perlen und Rubinen,
Durch das ihr Wort weise zu wandern liebt,

Dem holden Geist als Bote so zu dienen.
Aufstaunt Natur bei jenen andern Schätzen,
Doch dieser muß das Herz in Staunen setzen.


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