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Lars Porsena von Clusium,
Bei den Göttern neun schwor er:
»Nicht soll das große Haus Tarquins
Unbill erdulden mehr!«
Bei den neun Göttern schwor er's,
Und setzt' einen Sammeltag an,
Und hieß Boten reiten aus sofort,
Ost und West und Süd und Nord:
»Bietet auf meinen Heeresbann!«
Ost, und West und Süd und Nord
Die Boten reiten schnell,
Und in Turm und Stadt und Hütte
Schallt die Drommete hell.
Dem Etrusker Schmach, dem Falschen,
Der sich zu Hause hält,
Wenn Porsena von Clusium
Nach Rom aufbricht ins Feld!
Des Fußvolks und der Reiter
Anzieh'nde Woge schwillt;
Von manchem Marktplatz braust sie her,
Von manchem Fruchtgefild;
Von manchem stillen Dörfchen,
Das, in Tannen- und Buchengrün,
Wie ein Adlernest sich tragen läßt
Den rosigen Apennin;
Von der mächt'gen Volaterrae,
Wo berühmt die Feste dräut,
Die Riesenhände bauten
Für Könige alter Zeit:
Vom Seeport Populonia,
Wo Sardinias schnee'ge Höh'n,
Südwärts den Himmel säumend,
Die Wachen leuchten seh'n;
Vom stolzen Markte Pisae,
Dem sich beugt des Westens Meer,
Wo Massilias Rudrer ankern,
Von blonden Sklaven schwer;
Von wo durch Blumen, Korn und Wein
Der süße Clanis wellt;
Von wo ihr Türmediadem
Himmelan Cortona hält.
Hoch die Eichen, deren Eichel
Fällt in Ausers Waldbach braun;
Feist die Hirsche, so die Zweige
Des Ciminier Hügels kau'n;
Der Hirt vor allen Strömen
Hält den Clitumnus wert;
Kein Landsee, den der Vogler
Wie den Volsinier ehrt.
Doch jetzt ertönt kein Beilschlag
An Ausers Waldbach braun;
Auf dem Ciminier Hügel
Kein Jägersmann zu schau'n;
Der Stier grast am Clitumnus,
Der milchweiße, bar der Hut;
Ungekränkt taucht das Geflügel
In die Volsinier Flut.
Arretiums Ernten schneiden
Alte Männer dieses Jahr;
Im Umbro waschen Knaben
Der zappelnden Lämmer Schar;
Und in den Kufen Lunas
Schäumt des Mostes roter Strom
Um lachender Mädchen weißen Fuß –
Ihre Väter sind nach Rom.
Erles'ner Seher dreißig,
Die weisesten im Land,
Haben allzeit bei Lars Porsena
Nachts und morgens ihren Stand;
Die forschten in den Sprüchen
Des Morgens und zu Nacht,
Die von rechts nach links Prophetenhand
Auf die Leinwand einst gebracht.
Und froh mit einer Stimme
Rufen ihm die dreißig zu:
»Zieh' aus, zieh' aus, Lars Porsena,
Des Himmels Liebling du!
Zieh', und kehr' in Ruhm zur Schwelle
Deines königlichen Doms,
Und um Nurscias Altäre
Häng' die goldnen Schilde Roms!«
Und jetzt hat jede Stadt ihm
Gesandt ihrer Mannen Troß;
Die zu Fuß sind achtzigtausend,
Und zehntausend die zu Roß;
Und vor den Toren Sutriums
Traf sich der Heeresbann: –
Den Sammeltag, Lars Porsena,
Warst du ein stolzer Mann!
Denn die Heere der Etrusker
Überschaute weit dein Aug',
Und manch verbannten Römer
Und manch starken Bundsmann auch;
Und mit stattlichem Gefolge
Schloß sich an den Reih'n der Schlacht
Der Tuskuler Mamilius,
Fürst der Latiner Macht.
Doch Getümmel war und Schrecken
Am gelben Tiberstrom;
Rings aus der weiten Ebne
Floh alles bang nach Rom.
Um die Stadt auf eine Meile
Sperrt die Wege Volkesdrang;
Entsetzlich war es anzuschau'n
Zwei Nächt' und Tage lang.
Denn Greisenvolk auf Krücken,
Dazu hochschwangre Frau'n,
Und Mütter, die mit Schluchzen
Auf die lächelnden Kindlein schau'n,
Und Kranke hoch in Sänften,
Die Sklavenschulter trug,
Und mit Sicheln und mit Stäben
Gebräunter Schnitter Zug;
Und Esel und Maultierherden,
Mit Schläuchen voll von Wein,
Und endlos Ziegen und Schafe
Und Küh' in langen Reih'n,
Und krachend mancher Wagen,
Der die Schwebe fast verlor
Unter Säcken Korns und Hausgerät,
Sperrten jedes donnernde Tor.
Nun, von Tarpejas Felsen,
Rot am nächt'gen Horizont
Hat flackernder Dörfer Zeile
Der Bürger schau'n gekonnt.
Der bedrängten Roma Väter,
Sie saßen Nacht und Tag,
Denn allstündlich ritten Boten vor,
Zu verkünden neue Schmach.
Im Osten und im Westen
Schweift der Tusker um die Höh'n;
Nicht Haus, nicht Zaun, nicht Taubenschlag
Blieb in Crustumerium steh'n.
Verbenna bis nach Ostia
Hat die Ebne wüst gemacht;
Astur erstieg Janiculum,
Und erschlug die starke Wacht.
Ich weiß, rings im Senate
War nicht so kühn ein Herz,
Das bei so böser Zeitung nicht
Sich hob in bangem Schmerz.
Sofort stand auf der Konsul,
Aufstanden die Väter all';
In Hast die Togen schürzten sie,
Und eilten hin zum Wall.
Sie hielten Rat am Flußtor –
Sie hielten ihn stehend heut';
Da war, wie leicht ihr denken mögt,
Zum Reden wenig Zeit.
Rundaus befahl der Konsul:
»Ab die Brücke! Joch um Joch!
Denn seit Janiculum erlag,
Rettet das die Stadt nur noch!«
Grade da kam flieh'nd ein Späher;
Wie von Sinnen stand er da:
»Auf! Zu den Waffen, Konsul!
Anrückt Lars Porsena!«
Auf die niedern Hügel westwärts
Warf der Konsul rasch sein Aug';
Da flog entlang den Himmel schwarz
Das Wetter: Staub und Rauch.
Und näher schnell und näher
Fegt heran der rote Dampf;
Und draus hervor, soweit man schaut,
Soweit die finst're Wolke braut,
Schallt die Kriegsdrommete stolz und laut,
Schallt Summen und Gestampf.
Und deutlich jetzt, ganz deutlich
Blitzt es aus dem Dunkel her;
Links und rechts gebrochner Strahl
Tiefblauen Lichts: – das sind von Stahl
Die blanken Helme sonder Zahl,
Und schimmernd Speer an Speer.
Und deutlich jetzt, ganz deutlich,
Über jenen leuchtenden Reih'n,
Saht ihr von zwölf schönen Städten
Die Banner, licht von Schein;
Doch des stolzen Clusium Banner
Ward zu oberst hoch entdeckt;
Das Banner, das den Umbrer
Und das den Gallier schreckt.
Und deutlich jetzt, ganz deutlich
Erkannten die Bürger, so
An Kleid und Geberd', wie an Helm und Pferd,
Jeden reisigen Lucumo.
Da ward Cilnius von Arretium
Auf raschem Fuchs gesehn;
Vierfachen Schildes Astur dann,
Mit dem Schwert, das er nur schwingen kann;
Tolumnius mit dem Goldgurt hell,
Und Verbenna finster vom Kastell
Am schilf'gen Thrasymen.
Dicht neben dem Königsbanner,
Wo den ganzen Krieg er sah,
Auf elfenbeinernem Wagen
Saß von Clusium Porsena.
Rechts am Rade ritt Mamilius,
Fürst der Latiner Macht;
Links ritt der falsche Sextus,
Der die Tat der Schmach vollbracht.
Aber als des Sextus Antlitz
Beim Feind die Römer sahn,
Da erhoben hat die ganze Stadt
Einen Heulruf himmelan.
Kein Weib rings auf den Dächern,
Die nicht wider ihn zischt' und spie;
Kein Kind, das nicht die kleine Faust
Ihm wies und Flüche schrie.
Doch des Konsuls Brau war trüb
Und des Konsuls Wort nicht laut,
Und finster hat er auf den Wall,
Finster auf den Feind geschaut.
»Ihre Vorhut wird heran sein,
Eh' ihr abtrugt nur ein Joch;
Und haben sie die Brück' einmal,
Welche Hoffnung bleibt uns noch?«
Ausrief da stracks Horatius,
Der am Tor der Wacht gebot:
»Jedwedem Mann auf Erden kommt
Früh oder spät der Tod.
Und wie stirbt ein Mann denn besser,
Als im Kampf mit der Gefahr,
Für die Asche seiner Väter,
Für der Himmlischen Altar?
»Und für die zärtliche Mutter,
Die ihn einst in Schlaf gewiegt,
Und für das Weib, dem an der Brust
Sein saugend Kindlein liegt,
Und für die Jungfrau'n, hütend
Vestas Feuer Tag und Nacht,
Zu beschützen sie vor Sextus,
Der die Tat der Schmach vollbracht?
»Hau' die Brücke nieder, Konsul!
Hau' sie nieder, doch hab' Eil'!
Ich, und zwei noch, mir zu helfen,
Halten auf den Feind derweil.
So eng der Pfad: – ihrer Tausend
Zu dreien hemmen wir!
Nun, wer nimmt seinen Stand mir zu jeder Hand,
Und hält die Brück' mit mir?«
Ausrief da Spurius Lartius,
Ein Ramnier stolz: »Sieh', hier
Dir zur rechten Hand nehm' ich meinen Stand,
Und halte die Brück' mit dir!«
Und ausrief da Herminius,
Von Titier-Blut: »Sieh', hier
Dir zur linken Seit' will ich steh'n im Streit,
Und halten die Brück' mit dir!«
»Horatius,« sprach der Konsul,
»Was du angibst: wohl, es sei!«
Und wider jenes große Heer
Zogen stracks die kühnen drei.
Denn der Römer in Roms Kämpfen
Hat nicht Land noch Gold gescheut,
Nicht Sohn und Weib, noch Leben und Leib,
In der tapfern alten Zeit.
Da waren alle für den Staat,
Und nicht bloß für Partei'n;
Da half, wer groß, dem Kleinen,
Und zum Großen hielt, wer klein;
Da war das Land gerecht verteilt,
Und gerecht verkauft die Beut':
Die Römer waren wie Brüder
In der tapfern alten Zeit.
Jetzt haßt der Römer den Römer –
Keinen Landsfeind haßt er mehr!
Der Tribun zaust den Patrizier,
Und das arme Volk tritt der!
Im Parteikampf heiß und heißer,
Sind wir lau zum Schlagen heut:
Drum ficht man nimmer, wie man focht
In der tapfern alten Zeit.
Nun, als sich jeder von den drei'n
Den Harnisch fester band,
Vor allen da der Konsul
Nahm die Axt in seine Hand.
Und Väter mit Gemeinen
Schwangen Hacke, Stange, Beil:
Da blieb oben keine Planke,
Kein Pfeiler unten heil.
Derweil das Heer der Tusker,
In Herrlichkeit entrollt,
Kam, wiederspiegelnd den Mittag,
Reih' hinter Reih', wie Wellenschlag
Einer breiten See von Gold.
Vierhundert Kriegsdrommeten
Erhuben Kriegsgeschrei,
Als die große Feldschar, Fahnen hoch
Und Speere vor, heran nun zog,
Als sie schwer zum Kopf der Brücke bog,
Zum Stand der kühnen drei.
Die dreie standen schweigend;
Kalt sahn den Feind sie nahn,
Und ein herzhaft laut Gelächter
Stimmte rings die Vorhut an.
Und drei Führer kamen spornend –
Weit blieb der Troß zurück;
Sie saßen ab, jedweder zog
Sein Schwert und hob den Schild, und flog,
Zu gewinnen Paß und Brück'.
Aunus dort von Tifernum,
Das grün in Reben liegt;
Und Sejus, dessen Sklavenschar
In Ilvas Minen siecht;
Und Picus, lange Clusiums
Dienstmann in Fried und Streit,
Der sein Umbrervolk zum Kampf gebracht
Von der Klippe, drauf, als graue Wacht,
Nequinums Feste, turmbedacht,
Nars bleiche Flut bedräut.
Held Lartius nahm den Aunus,
Und warf ihn in den Fluß;
Nach Sejus hieb und spellt' ihn
Bis aufs Kinn Herminius;
Horatius führt' auf Picus
Einen einz'gen heißen Streich,
Und des stolzen Umbrers Goldwehr schoß
In den blut'gen Staub sogleich.
Sprang Ocnus von Falerii
Auf die dreie nun daher;
Und Lausulus von Urgo,
Der Räuber auf dem Meer;
Und Aruns von Volsinium,
Der den Eber überwand,
Den gewalt'gen, der in Cosas Bruch
Im Rohre lag mit borst'gem Bug,
Der die Flur zerschnob, der das Volk erschlug,
Entlang Albinias Strand.
Von Herminius' Schlägen Aruns,
Von des Lartius' Ocnus sank,
Und grad' ins Herz des Lausulus
Fuhr Horatius' Eisen blank.
»Lieg' da, ruchloser Räuber!«
Rief er; »nicht sollen Frau'n
Und Kinder mehr von Ostias Höh'n
Bleich und entsetzt dein Schiff erspäh'n;
Nicht Campanias Bauern mehr zu Tal
Und Wald flieh'n, wenn sie dein dreimal
Verfluchtes Segel schau'n!«
Doch jetzt ward kein Gelächter
Gehört mehr auf dem Plan;
Ein wild und zornvoll Schreien
Stimmte rings die Vorhut an;
Und nur sechs Speereslängen
War die Feldschar noch zurück,
Und für eine Zeit trat keiner vor,
Zu gewinnen Paß und Brück'.
Doch, horch! der Ruf ist: »Astur!«
Auftut sich Reih' um Reih';
Und der große Fürst von Luna
Kommt geschritten stolz und frei.
Vierfach auf breiten Schultern
Klirrt sein Schild dem hohen Mann,
Und die Luft durchfährt sein gewaltig Schwert,
Das er nur schwingen kann.
Er lächelt auf die Römer
Ein Lächeln hoch und klar;
Doch Verachtung blickt sein Auge
Auf der Tusker feige Schar.
Spricht er: »Die Brut der Wölfin
Weist grimm und wild den Zahn;
Doch wagt ihr es zu folgen,
Wenn Astur bricht die Bahn?«
Dann, hoch in beiden Händen
Schwingend sein Schwert der Schlacht,
Vorstürzt er auf Horatius
Und haut aus aller Macht.
Mit Degen und Schild Horatius
Wendet ab des Hiebes Wut;
Dennoch zu nahe fuhr er drein:
Er verfehlt den Helm, doch zerklafft das Bein;
Die Tusker jauchzen auf und schrein,
Als sie strömen sehn das Blut.
Er wankt, und an Herminius
Für ein Atmen lehnt er dicht;
Wie die wilde Katz' dann, wundentoll,
Springt er nach des Feinds Gesicht.
Durch Zähne, Helm und Schädel
So feurig zischt sein Schlag:
Eine Handbreit hinter Asturs Haupt
Steht das gute Schwert zu Tag.
Und der große Fürst von Luna
Fiel auf
den Todesstreich,
Wie auf dem Berg Alvernus
Vom Blitze fällt die Eich'.
Übern Forst die Riesenarme
Streckt sie aus, verkohlt, entlaubt;
Und die bleichen Augurn, murmelnd leis,
Starren an das versehrte Haupt.
Auf Asturs Hals die Ferse
Stemmte fest Horatius; – lang,
Dreimal und viermal, mußt' er zieh'n,
Eh' den Stahl heraus er rang.
»Seht,« rief er, »den Willkommen,
Der euch grüßt im Tibertal!
Welch edlen Lucumo zunächst
Lüstet unser römisch Mahl?«
Doch auf
die stolze Ford'rung
Lief ein Murmeln, trüb und bang,
Gemischt aus Zorn und Scham und Furcht,
Die blanke Schar entlang.
Nicht an Männern von Geschlechte,
Noch von Mute fehlt' es dort;
Denn die Edelsten Etrurias
Standen um den Schreckensort.
Doch den Edelsten Etrurias
Sank das Herz; ansah'n sie scheu
Im Staub die blut'gen Leichen,
Im Pfad die tapfern drei;
Und zurück vom grausen Eingang,
Wo die tapfern drei gesiegt,
Fuhren alle, gleich dem Knabenheer,
Das, nach Hasen späh'nd im Wald umher,
In die Höhle schaut von ohngefähr,
Wo mit Murr'n ein wilder alter Bär
Zwischen Blut und Knochen liegt.
Wollte keiner mehr vorangeh'n
Beim Angriff auf die Brück';
Die hinten riefen: »Vorwärts!«
Und die vorne schrien: »Zurück!«
Und rückwärts nun und vorwärts
Schwanken die tiefen Reih'n;
Und auf dem wogenden Eisenmeer
Taumeln die Fahnen hin und her;
Stoßweise hinstirbt, matt und schwer,
Der Drommeten sieghaft Schrei'n.
Doch ein Mann einen Augenblick
Schritt voraus mit hast'gem Fuß;
Wohl kannten ihn die dreie,
Und sie gaben ihm lauten Gruß.
»Nun willkomm, willkommen, Sextus,
An deiner Heimat Strom!
Was harrst du dort, und wendest dich fort?
Hier liegt der Weg nach Rom!«
Dreimal die Stadt, und dreimal
Die Toten sah er an;
Kam heran dreimal voll Ingrimm,
Und floh fürchtend dreimal dann;
Und auf den Engpfad glupt' er,
Von Furcht entfärbt und Haß,
Wo die kühnsten Tusker lagen
Im Blutpfuhl starr und blaß.
Doch Hebel und Axt indessen
Haben wahrlich nicht geruht;
Und wankend hängt die Brücke jetzt
Über der kochenden Flut.
»Komm zurück, komm zurück, Horatius!«
Der Ruf der Väter gellt;
»Kommt, Lartius und Herminius!
Zurück, eh' die Trümmer fällt!«
Zurück schoß Spurius Lartius,
Herminius schoß zurück;
Und, hinflieh'nd, untern Füßen
Fühlten krachen sie die Brück'.
Doch als das Haupt sie wandten,
Und Horatius nun allein
Jenseits am Feindesufer sahn,
Wollten gern gekehrt sie sein.
Doch mit donnergleichem Tosen
Fielen jetzo, Stamm auf Stamm,
Die Balken, und das mächt'ge Wrack
Lag im Flusse wie ein Damm;
Und ein lang Triumphgejauchze
Stieg empor von den Wällen Roms,
Als zu der höchsten Türme Dach
Aufflog der Gischt des Stroms.
Und wie ein Roß, das Knebel
Und Zaum zum erstenmal
Im Maul fühlt, rang der wüt'ge Fluß,
Und warf seine Mähne fahl,
Und brach sein Gebiß, und sprengte,
Seiner Freiheit froh, daher,
Und, niederwirbelnd grimm und stolz
Bohle, Zinne, Pfeilerholz,
Jagt' er häuptlings hin zum Meer.
Einsam nun stand Horatius,
Doch festen Sinns allzeit:
Hier neunzigtausend Feinde,
Und dort die Stromflut breit.
»Haut ihn nieder!« herrschte Sextus,
Stets bereit zu falschem Tun;
»Nun ergib dich!« rief Lars Porsena,
»Unsrer Gnad' ergib dich nun!«
Umschwenkt' er, wie nicht würd'gend
Zu schau'n das feige Heer;
Nichts sprach er zu Lars Porsena,
Zu Sextus nichts sprach er;
Doch er schaut' auf Palatinus
Seines Hauses weiß Portal,
Und er sprach zu dem edlen Flusse,
Der bei Rom hinschießt durchs Tal:
»O Tiber! Vater Tiber!
Dem Rom Gebete weiht,
Eines Römers Leib, eines Römers Wehr
Nimm du in Obhut heut!«
So sprechend, in die Scheide
Stieß er sein Breitschwert gut,
Und, den Harnisch auf dem Rücken,
Sprang er häuptlings in die Flut.
Kein Laut der Lust, des Kummers
Ward gehört den Strom entlang:
So Freund wie Feind, von Schreck gebannt,
Halbauf den Mund, das Aug' gespannt,
Standen nachschau'nd, wo er sank.
Doch als sein Helmbusch langsam
Aufstieg aus dem Gewog,
Da erhub ganz Rom ein jubelnd Schrei'n,
Und selbst des Tuskerheeres Reih'n
Hielten kaum zurück ein Hoch.
Doch grimm, von Monden Regens
Geschwollen, rann die Flut;
Und seine Wunden schmerzten,
Und schnell verrann sein Blut;
Und er war erschöpft vom Schlagen,
Und vom Panzer war er schwer;
Und oft wähnten sie ihn sinkend,
Doch stets wieder auf stieg er.
Nie, mein' ich, teilt' ein Schwimmer,
In also bösem Fall
Durchringend sich zum Landungsort,
Gleich zorn'ger Wogen Schwall:
Doch die Brust aufhielt ihm tapfer
Das tapfre Herze drin,
Und der gute Vater Tiber
Hielt tapfer auf sein Kinn.
»Fluch über ihn!« rief Sextus;
»Will der Schuft nicht untergehn?
Stand nicht er am Fluß – vor Tagesschluß
War es um die Stadt geschehn!«
»Helf' der Himmel ihm!« sprach Porsena,
»Und trag' ihn heil empor!
So unerschrockne Waffentat,
Ward nie gesehn zuvor!«
Und jetzt fühlt er den Boden;
Jetzt steht er auf dem Sand;
Jetzt drängen sich die Väter
Nach seiner blut'gen Hand;
Und jetzt, umweint, umjubelt,
Mit Klatschen und mit Schrei'n,
Vom frohen Schwarm getragen fast,
Zum Flußtor zieht er ein.
Sie gaben ihm des Kornlands,
Das Gemeingut allen war,
So viel als pflügen mag von früh
Bis nachts ein Ochsenpaar;
Und sie gossen von Erz ein Bildnis,
Und stellten es auf sofort,
Und da steht es bis auf diesen Tag,
Zu zeugen meinem Wort.
Es steht in dem Comitium,
Wo alles Volk es sieht:
Horatius im Harnisch,
Wie auf einem Knie er kniet;
Und drunter meldet Goldschrift
In Lettern schön gereiht,
Wie tapfer er die Brücke hielt
In der tapfern alten Zeit.
Und annoch dröhnt sein Name
Roms Männern, wie, voll Grau'n,
Der Drommete Sturm, die ihnen ruft,
Den Volsker heimzuhau'n;
Noch fleh'n zur Juno Weiber
Um Knaben kühn, im Streit,
Wie er, der kühn die Brücke hielt
In der tapfern alten Zeit.
Und in den Winternächten,
Wenn der Nord weht scharf und kalt,
Und wenn der Wölfe lang Geheul
Im Schnee der Waldung schallt;
Wenn um des Landmanns einsam Dach
Der Orkan mit Brüllen fährt,
Und Algidus' gute Klötze
Mitbrüllen auf dem Herd.
Wenn das älteste Faß sich auftut,
Und die größte Lampe scheint,
In der Asche die Kastanien glühn,
Und am Spieß das Lamm sich bräunt;
Wenn jung und alt im Kreise
Um des Feuers Brände sitzt;
Wenn das Mädchen Körbe flechtet,
Und der Bursche Bogen schnitzt;
Wenn der Vater putzt die Rüstung,
Und den Helmbusch grade biegt;
Wenn der Mutter Schiffchen lustig
Durch den Webstuhl tanzt und fliegt:
Mit Weinen dann und Lachen
Erzählt man sich noch heut,
Wie gut Horaz die Brücke hielt
In der tapfern alten Zeit.
O, was zieht ihr stolz heran vom Norden auf den Plan,
Mit der Hand und dem Fuß und dem Kleide rot genäßt?
Und was schickt ihr hellen Braus und Jubel weit hinaus?
Und von wannen die Trauben der Kelter, die ihr preßt?
O, bös der Wurzel Zucht, und bitter war die Frucht,
Und rot der Saft der Lese, zerstampft auf unserm Zug:
Denn wir traten auf den Schwarm der Mächtigen, deren Arm,
Thronend auf hohem Sitze, die Heiligen Gottes schlug!
Und den Mittagsglockenschlag, einen prächt'gen Junitag,
Sah'n den Tanz wir ihrer Banner und ihrer Panzer Schein;
Sah'n den Blutmann vor der Schar mit dem langen falb'gen Haar,
Und Astley und Sir Marmaduke und Rupert von dem Rhein.
Wie ein Knecht des Herrn bewehrt, mit Bibel und mit Schwert,
Entlang uns ritt der Feldherr, und stellt' uns auf zur Schlacht,
Als ein Murmeln plötzlich scholl, und zum Gejauchze schwoll,
Wohl unter des Tyrannen gottloser Heeresmacht.
Und horch! wie voll Wut am Strande brüllt die Flut.
Erhebt der Ruf der Schlacht sich entlang die nah'nden Reih'n:
Für Gott! für die Sach'! für die Kirche! mir nach! –
Für Karl, König von England, und Rupert von dem Rhein!
Der wüt'ge Deutsche vorn, er kommt mit Pauk' und Horn,
Seinen Meuchlern aus dem Elsaß, seinen Pagen von Whitehall.
Sie brechen auf uns ein! packt die Piken! schließt die Reih'n!
Denn nie kommt Rupert anders: Sieg will er oder Fall!
Er prallt an! er wirft! er drängt! Es ist aus! wir sind gesprengt!
Da – unsere Linke jagt er, wie Sturm die Stoppel jagt.
O Herr, zeig' deine Macht! o Herr, dem Recht die Schlacht!
Stellt Rücken auch an Rücken! In Gottes Namen, schlagt!
Skippon, verwundet, schwankt – mit ihm die Mitte wankt –
Horch, horch! in unserm Rücken welch Stampfen und Gewieh'r!
Wes Banner weht daher, Kerls? Gott Dank, er ist es, er! Kerls!
Recht so, noch eine Schwenkung! Held Oliver ist hier!
Die Häupter all gebückt, die Schwerter all gezückt,
Wie Wirbelwind die Waldung, wie Flut den Deich zerprallt,
So wirft unser Volk sich schwer auf des Verfluchten Heer,
Auf einen Ansturz lichtend der Königspiken Wald!
Schnell flieh'n die Höfler, schnell, den Kopf an sichrer Stell'
Zu bergen: – faulend wird er auf Temple Bar noch steh'n!
Und er – er flüchtet auch! O, Schmach dem blut'gen Aug'
Foltern zu seh'n ertrug es, und bangt den Krieg zu seh'n!
Auf nun, fegt das Revier! doch eh' die Toten ihr
Auszieht, noch einen Streich führt! Tut jeden sicher ab!
Dann aus Tasch' und Ärmel weit schüttelt Münzen und Geschmeid –
Andenken, so die Wollust, Raub, den die Armut gab!
Euer Wams von Golde schien, euer Herz war froh und kühn,
Ihr Toren, als ihr Küsse zuwarft den Dirnen heut!
Und morgen schon zum Schmaus aus ihrem Felsenhaus
Führt die Füchsin ihre Jungen, zu heulen ob der Beut'!
Wo der Mund nun, freche Schar, der noch jüngst voll Lästerns war?
Wo die Hand nun, die sich fingernd am Degengriff gefiel?
Wo das Kleid von duft'gem Tuch? wo Gesang und wüster Fluch?
Wo Komödien und Sonette? wo Schmuck und Kartenspiel?
Nur für immer in den Staub! Kron' und Insel in den Staub!
Auf des Hofes Belial, England, auf des Papstes Mammon tritt!
Oxford gehüllt in Flor! Wehlaut in Durhams Chor!
Seinen Rock zerreißt der Bischof, aufstöhnt der Jesuit.
Und auf Sieben Hügeln die wird schrei'n, wie Rahel schrie,
Und des Schwerts von England denkend, wird sie zittern fort und fort;
Und die Könige rings der Welt werden schaudern, wenn es gellt,
Was die Hand des Herrn getan für die Häuser und das Wort.