Pellegrin (Friedrich de la Motte Fouqué)
Alwin
Pellegrin (Friedrich de la Motte Fouqué)

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Zwölftes Kapitel.

Alwin erhielt bald darauf von Walter'n folgenden Brief:

Heil und Liebe, und innre Erquickung aus dem heiligsten Brunquell zuvor!

Mein geliebter, sehr edler Freund, es will sich eben jetzt nicht fügen, daß ich Euch in Eurer heilsamen Einsamkeit besuchen kann, und doch bedünkt's mich, daß Ihr meiner Zusprache bedürft, nicht als ob an mir, an diesem Menschen, der Hans oder Kunz heißt, etwas Besondres sei, sondern weil das ewige Licht eben nach Gottes Willen durch mich hindurch scheint, wozu ich, so viel ich der Ich 273 bin, mich still und leidend verhalte, wie das Glas einer hellerleuchteten Laterne.

Aber wir Alle liegen im dumpfen Schlaf begraben, seitdem der klare Geist in uns, sich dem äußern Weltleben zur Dienstbarkeit ergeben hat, und nur hin und wieder kennt ein gotterleuchtetes Gemüth bessre Träume. Das regt sich alsdann, und rüttelt die Uebrigen, ob sie Lust hätten, zu erkennen was oben hereinbricht. Keinem Einzigen bleibt solch Anregen eigentlich fremd, aber die träge sind, und vom dicksten Schlaf befangen, stemmen sich gern muthwillig dagegen. Lieber Freund, es wird nicht von einer unbekannten Nation gesprochen, sondern von uns selbst, die wir dies schreiben und lesen. Bedenkt Euch, daß es die heiligste, ja ich kann wohl sagen, die einzige Angelegenheit gilt, und daß wir an uns selbst verantwortlich sind, wenn wir den 274 innern Mahner überhören. Es ist hier gar nicht die Rede von einer weltlichen Meinung, die man so oder auch anders verstehn könnte, ohne daß eben an dem Unterschied mehr gelegen wäre, als was etwa ein vorübergehender Schade gilt, noch weniger von solchen Kunststückchen, die man auch Kunstwerke zu nennen pflegt, sondern in That und Wahrheit von der innern Heiligung, von der Liebe in Euch selbst und in uns Allen, dem einzigen und wahren Dasein.

Weltweise haben schon besser, und, wie sie es nennen, systematischer davon gesprochen, aber auch mir geht es von Herzen zu Herzen, und ich möchte vor Allem Euch ein Wort sagen, das in Euer innerstes Wesen dränge, in das, welches wir voraus setzen, wo wir Einer zum Andern sprechen, in der Hoffnung, als Menschen verstanden zu werden.

275 Begreift doch nur, daß wir hier ein Ringen, Treiben, drob als Meister und Zeuge die beste Lust und Sehnsucht in unserm Herzen waltet. In diesem Sinne sprech' ich zu Euch. Versteht mich!

Daß in Euch der göttliche Funken wach geworden ist, glaub' ich, und weiß es auch schon durch das Sagen, welches mich aus dem Innersten, aus dem Besten meines Geistes nach Euch hin treibt, daß ich um Euch sorgen muß, als um mich selbst. Wir sind Zweige Eines Baumes, nur selbstbewußter, oder unversehener aus dessen Wurzel getrieben, wie uns gerade die Sonne, oder die formende Kraft mehr und weniger ergriffen haben. Was Euch vor allen Dingen noch fehlt, ist die Ruhe, das milde Schweigen, der klare Himmel in uns, drin sich die ewige Herrlichkeit abspiegelt. Das Laufen und Rennen 276 darnach thut's nicht, hindert vielmehr, und Ihr seid darin noch gar sehr befangen. Ihr möchtet's immer aus eigner Gewalt fassen, und darum entflieht es Euch immer, wenige klare Augenblicke ausgenommen, welche das Meer in Euch mit ungetrübter Reinheit darstellen. Stille! Stille! Stille! Das sind die dreimalheiligen Worte für jedes suchende Gemüth.

Ich bitt' Euch, lieber Herr und Freund, bleibt doch einmal unpartheiischen Sinnes vor einem klaren Teiche stehn, und habt Eure Freude an dem Spiegel für alle Herrlichkeiten der Erde und des Firmaments. Wo aber ein unruhiger Wind drüber hinzieht, wirft es Alles in wunderlichen Verzerrungen zurück, das Himmelblau verwandelt sich in Nebelgrau, die Gestalten mißbilden sich zu 277 Ungeheuern, es wohnt nicht Lust, nicht Freude mehr drin.

So ist es auch mit unserm Innern. Bewahrt es vor Stürmen, und die Schönheit des Himmels und der Erden gehört ihm an.

Ihr habt Eure Freude oft an Katholischen Bildern gehabt, vor Allen an denen der Mutter Gottes, und Ihr thut wohl daran, denn sie sind durch fromme, gottbegabte Männer aufgezeichnet worden. Aber bedenkt Euch einmal recht, was an den besten so wunderschön und erhebend ist! Die Stille, die göttliche Klarheit, der ruhige, liebevolle Ernst, womit sie uns von der geweihten Tafel entgegen schauen. Ueberhaupt braucht man nur die äußre Welt mit dem rechten, angebornen Auge zu betrachten, so wird uns die innre klar, auch aus unserm eignen vorüberziehenden Jammer und Elend, welches doch immer 278 nur mannigfache Bilder von der Liebe Gottes sind. Gebt nur erst Alles auf, was Ihr bisher für Euer Eigenthum angesehn habt. Wir erhalten's verklärt zurück. Das ist dann die rechte Freude, und alle übrige nur schwacher, nachgebildeter Schatten. Wenn es die Menschen halbwegs begriffen, wie herrlich Gott ist, wie lieblich und mild sein einiger eingeborner Sohn, sie flüchteten Alle mit Freuden zum Heiland, der unser ganzes Wesen durchstrahlt, wie die Sonne den Erdball und die lieblichsten, edelsten Gewächse draus hervorlockt. Christus ist unser Panier, unsre Freude im Leben, unser Trost im Tod.

Ich weiß, daß es vornehme und gelehrte Männer giebt, die lächeln würden, hohnsprechend oder mitleidig, wenn sie ähnliche Worte läsen, und blos deswegen, weil es Christum gilt. Sprächen wir von irgend 279 einer heidnischen Gottheit, vom Apollo zum Beispiel, in den nämlichen Ausdrücken, sie fänden's bewundernswürdig. Aber so sind die Menschen. Sie wollen das Neue, das Unerhörte, und vergessen, was mit tröstenden Bildern ihre ersten, kindlichen Träume umspielt hat. Unter all den Christusläugnern ist vielleicht kein Einziger, der nicht aus dem innersten Gemüth, aus den zartesten, liebsten Erinnrungen heraus, den Glauben an den Gottmenschen noch immer verspüre. Das verkleiden sie denn nachher mit ganz geschickten Deutungen, wo Christus in ihr System hinein soll, und Keiner giebt dem seeligen Glauben Raum, der sich ihm im eignen Busen regt. Laß uns am Kreuze knieen, es umkleiden mit frischen, duftenden Lebensblumen, mit schuldlosen Maiglöcklein, liebeglühenden Rosen, blauäugigen Vergißmeinnichten. 280 Solche Sprache nennen sie Heut zu Tage kindisch, und kann sich doch kein frommes Gemüth besser aussprechen, als in den Farben und Gerüchen der Blumen, oder in dem unschuldigen Spiele der Thierwelt, wenn die Lämmer mit einander kosen, oder die Nachtigallen einen Wettstreit beginnen. Kindisch heißt man die Schriften frommer Männer. Kindlich müssen sie auch sein, denn solche Leute wissen nichts von der Welt Schlauigkeit, und ihr Leben ist unmittelbar in des Vaters Arm.

Laßt Euch nicht wieder herausreissen, geliebter Freund, und treibt rein und klar die Blüthen Eures gottgeschaffnen Geistes an's rechte Tageslicht hervor. 281


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