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Wenn das Licht in Alwin's Geiste durch Nebelwolken auf Stunden und Tage wieder verdeckt ward, redete ihm Walter freundlich zu, und brachte ihm den steten Kampf in Erinnrung, welchen Himmel und Erde um unsern Besitz mit einander bestehn.
Was wär't Ihr nur für ein Rittersmann, pflegte er alsdann zu sagen, wenn sich Euer Feind nie zur Wehr setzte. Die stille Flur giebt wackern Kämpfern keine Freude, wohl aber das ersiegte Feld. Nur immer kühner, immer zerstörender in Eures Feindes Mitte gedrungen, in Eure Laster und Lüste, 262 so wird's Euch auch immer heller, und Ihr fühlt das edle Siegskränzlein immer näher ob Euerm Haupte wehn. Sollte es einmal ganz still in Euch werden, dann seid besorgt, dann untersucht's genau, welche Kraft eigentlich in Euch bezwungen sei, ob die rechte, ob die schlechte. Bis dahin guten Muth im Kampf. Kann der Feind die Liebe in Euch angreifen, so ist sie auch in Euch da.
Alwin dichtete in dieser Zeit folgendes Lied.
Es wird mir noch gelingen,
Zu Dir mich aufzuschwingen,
Du ew'ges Liebeslicht.
Dem schwächsten Deiner Sprossen
Bliebst Du ja nie verschlossen,
Auch mir verschlossen nicht.
Du willst Dich gern gestalten,
Gern neu in Zweigen walten,
In neuer Blüthen Pracht. 263
Nimm hin mich! Treib' und dränge,
Was Dir gefällt! Versenge
Was mishagt Deiner Macht.
Wenn's um mich spielt und wandelt,
In mir von Thorheit handelt,
Du bleibst getreu und rein,
Durchstrahlst jedwedes Bildniß,
Schaffst Gärten aus der Wildniß,
Aus Nächten Sonnenschein.
Kein Leben ist begonnen,
Wo Tod nicht erst gesponnen
Umher sein Trauerhaus.
Nie hat man Freud' erfunden
Als ringsum erst gebunden
Von wunderlichem Graus.
Halt mich nur fest, du Schrecken!
Du Tod, magst nur mich necken!
Faß mich, Du Erdenschlund!
Willkommen doch wird heißen
Der Gärtner bald mein Gleissen,
Mich Blümlein schön und bunt.
264 Eines Abends war Alwin tief in den Wald hinein gegangen, und konnte den Rückweg nicht wieder finden. Er stand am Fuß einer ziemlich steilen Höhe, von wo aus, meinte er, die Gegend sich besser übersehn lassen würde, weshalb er auch seine Kräfte sammelte, und erneuten Muthes hinan stieg. Durch die Zweige sah es ihm wie Gemäuer entgegen, und in der Hoffnung, auf einen menschlichen Wohnplatz zu treffen, achtete er des Grausens nicht, das von den Buchenzweigen hernieder schwebte, nicht der wachsenden Dunkelheit, und des ununterbrochnen Schweigens umher. Als er oben stand, war die Nacht völlig hereingebrochen, viele Sterne blinkten, und reichten ihm eben Licht genug, die Umrisse einer alten Ritterburg zu erkennen. Drinn war Alles still, und er schritt (eine Brücke konnte er nicht 265 finden,) in den trocknen Graben hinein, den hohen Wall hinauf, über die zerbrochne Mauer fort, bis er auf einem geräumigen Burghofe stand. Hier verkündete das hohe, feuchte Gras die Verödung der einst besuchten Hallen, Nebelgewölke zogen am Himmel herauf, – Alwin hätte gern den Rückweg gesucht, aber, er konnte sich selbst es nicht mehr bergen, der Gang über den öden Wall, das Dunkel im tiefen Graben schreckte ihn zurück. Was er je von schauerlichen Geschichten vernommen hatte, kam jetzt in sein Gemüth, als ständen all die gräßlichen Gestalten hinter ihm, und warteten nur auf sein Umwenden, um ihm höhnisch in's Gesicht zu lachen. Er ging daher lieber angestrengten Muthes vorwärts, und bemerkte, daß ihm ein wunderlicher Glanz entgegenleuchtete. Erst hielt er's für eine Lampe, endlich erkannte 266 er einen reichen Haufen Goldes aus der Tiefe heraufblitzend, weil drüber ein Karfunkel hing, der die blanke Masse mit seinem Scheine bestrahlte. Manchmal war es, als säße eine häßliche, rauhe Gestalt neben dem Schatz, manchmal, als komme das nur von der seltsamen Beleuchtung, und es stehe Niemand bei dem Golde, als er, in dessen Belieben Nehmen und Liegenlassen gestellt sei. Er wollte fassen, er wollte fliehn, wie sich eben in ihm die Begier regte, oder ein unheimliches Gefühl. Da hörte er hinter sich sagen: laßt Euch nicht versuchen, und als er scheu umblickte, faßte ihn Walter freundlich bei der Hand, der Goldesschimmer verschwand, zugleich die unbekannten Schrecken, und er saß neben seinem Freunde auf dem thauigen Rasen, erquickende Nachtkühle um ihn her.
267 Ach, laß Dich nicht betrügen, sagte Walter, Du edles Gemüth. Das hier ist nicht die rechte Pracht, und nicht das rechte Licht, aber ein Ausgeflossnes davon, blind an seinem hohen Ursprung, und sehnt sich doch, wie alle Creatur, der Eitelkeit los zu werden. Deswegen greift Alles nach dem Menschen, in ihm die reine, göttliche Lichtflamme ahnend, durch die es der Verklärung theilhaftig sein will. Aber was wären denn wir, lieber Alwin, wenn wir uns durch den Erdgeist fesseln ließen. Betrüger an ihm und an uns. Denn eben, weil wir ihn verklären sollen laßt uns über ihm stehn bleiben, im Lichte wandelnd, das ihm unzugänglich ist, und nur durch unsre Vermittelung über ihn hinfleußt. Wir sind die täglich erneuten Schöpfer des Erdballes, noch höhern Sinnes Schöpfer in uns selbst, die den göttlichen Lichtfunken 268 gestalten, und mit ihm die sichtbare sowohl, als unsichtbare Welt erquicken. Ich wollte, daß ich nur mich Dir und allen Menschen so recht, so von ganzem Herzen verständlich machen könnte, aber die Sprache versagt allzuoft. Dir und Deines Gleichen thut die Warnung am nöthigsten, denn Euch Poeten hat der Erdgeist besonders lieb, und sieht sich gern in Euern artigen Spielen abgebildet, darum er auch Euch seine Lockungen am kräftigsten vor Augen legt. Du hast mir selbst gestanden, wie unwiderstehlich die Wollust aus schönen Weibergestalten nach Dir fasse, wie Dich der Menschen Preis und Bewundrung nach ganz verkehrten Dingen habe fortlocken können. Eine Gnade der waltenden Macht für Dich, daß Dein Geschick das war, was die Menschen ungünstig nennen. So ward Dein Sinn gewaltsam nach innen gedrängt, und 269 es erschloß sich Dir der reine, liebliche Rosengarten, die Poesie aus Deinen eignen Kräften erblühend, auch durch keine schmeichlerischen Winde umfächelt, damit ihre Gestalt sich nicht nach den Winken der vorbeiziehenden Wandrer formen möge, sondern nur aus dem hervor, was Dir Trost und Erquickung in den Wüsten Deines Lebens verleiht. Danke vor Allem Gott inbrünstig, daß er Dich von dem Florismarte bei Zeiten losgemacht hat. Das war ein gar seltsames und reiches Licht, aber von Argen befangen und verunstaltet. Was er von mir wollte, hätte er nimmermehr bei mir gefunden. Mit dem Kranze des ewigen Friedens hat mich der Geist geschmückt, und als zufällige Gaben blinken auch mancherlei irdische Juwelen dran, als solche, die dem klaren, im rechten Wasser gekühlten Auge von selbst offenbar 270 werden müssen. Wer aber um ihrentwillen die Laufbahn betritt, findet nicht sie, nicht Gott. Anders ist es mit den kunstreichen Leuten, wie etwa mit Raimund, die nicht nach Gold und Goldeswerth, wohl aber nach schönen bunten Kieseln zum schuldlosen Spiele trachten, und plötzlich unversehns des Glaubens hellleuchtenden Karfunkel erfassen, die haben als fromme Kinder ein artig Ergötzen gesucht, und es ist billig, daß sie unbewußt auf des Himmels beste Gabe treffen, weil die Engel ihres Gleichen sind. Aber mit Euerm Florismarte steht's anders. Schon sein feindliches Richten hatte mir ihn gleich von Anfang verdächtig gemacht. Gottes Gaben sind in unendlich reicher Gestaltung ausgetheilt, und Jeder soll sich an der des Andern freuen, und darüber, daß die Sonne sich in so mannigfach gebrochnen Wogen beschaut, 271 in jeglicher ein neues Licht. Hätte Gott sich nur in Florismarte bespiegeln wollen, so hätte er ihn auch nur allein geschaffen. Aber so sind Andere auch da, und wir können nach Kräften unsern verschiednen Tanz beginnen, und wer in sich fühlt, daß er es ehrlich meint, lache nur getrosten Herzens über die Machtsprüche, welche ihm den Weg zum Höchsten verrennen wollen. O, die Machtsprüche! Wenn Einer das Richtschwerdt zu führen denkt, sehe er doch vorher genau zu, ob es ihm Gott in die Hand gab, oder der Teufel. Das letztre ist wahrscheinlicher.
Gute Nacht, lieber Sohn. Geht dort rechts den Wall hinunter. Der Bach im Thale führt Euch graden Weges nach dem Forsthause zurück. 272