Pellegrin (Friedrich de la Motte Fouqué)
Alwin
Pellegrin (Friedrich de la Motte Fouqué)

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Vierzehntes Kapitel.

Es kam bald darauf eine Nacht, in welcher Alwin einen sonderbaren Traum hatte, oder vielleicht war es auch kein Traum. Er selbst konnte nie darüber zur Gewißheit gelangen.

Ihm war zu Muthe, als regte sich in ihm, wie er in seinem Bette lag, eine 155 geheimnißvolle Kraft, die ihn auftrieb durch das dunkle Gemach, die langen Gänge, den mondbeschienenen Hof, immer fort nach dem Gebirge zu. Ich bin wohl ein Nachtwandler, sagte er ein Paarmaal zu sich selbst, aber dann meinte er wieder, es komme ihm nur Alles so vor, und er werde sich beim Erwachen schon zurecht finden. Das Steigen in den Bergen ward ihm schwer, und doch konnte er nicht inne halten, denn vor ihm hin ging's wie sein eigner Schatten, dem er folgen sollte. Ja, zuweilen überfiel ihn eine ängstliche Eile, und er mußte ganz laut sagen: mach', daß wir zur Stelle kommen; es wird gleich Mitternacht sein. Und doch wußte er nicht wohin es eigentlich ging, noch zu welchem Ziel.

Endlich trat er in den hohen Dom, worin am Tage nach seiner Ankunft das 156 Wallfahrtsfest gewesen war. Es kam ihm Alles noch unendlich größer und gigantischer vor: wie zu einem eignen Universum ausgedehnt, die Quadern wie eben so viel Felsen, und doch wankten sie bisweilen vor unverständlichen Worten, die aus einer Todtengruft heraufklangen. Dahin mußte Alwin, und als er die Stufen hinunter kam, sah' er Florismarte vor einer kleinen, wunderlich gestalteten Flamme sitzen, neben ihm eine häßliche Alte, die er sich schon als Zigeunerin im Klosterbau gesehn zu haben erinnerte. Weiter hinunter war Alles dunkel, aber es huschten Gestalten dort umher, und trieben ein unheimliches Spiel.

Buntes Vögelchen! Mätzchen! Kommst Du? sagte Florismarte, und lachte. Alwin mußte still vor ihm stehn bleiben, und mit innerm Entsetzen zusehn, wie Florismarte 157 einen Dolch an weißgebleichten Knochen wetzte, ohne weiter im geringsten auf ihn Acht zu geben.

Bald darauf schwankte Mathilde die Stufen hinunter, mit halbgeschloßnen Augen; es war, als ginge auch vor ihr ein Schatten her. Sie stellte sich vor Florismarte, der sie mit brennenden Augen ansah, während die Alte auf eine wunderliche Manier zu tanzen begann, und einen Becher herbeibrachte, von dem Alwin mit einemmale zu wissen meinte, daß neun Tropfen seines Herzblutes hinein müßten. Die Alte nahm von Florismarte den Kelch, und entblößte Alwin's Brust, dann näherte sie sich Mathilden, prallte aber furchtsam zurück. Nur dreist, sagte Florismarte. sie macht sich nichts mehr aus ihm. Die Alte gab nun Mathilden den Becher in die linke Hand, den Dolch in die rechte: zu gleicher 158 Zeit regte es sich im dunkelsten Theile des Gewölbes noch stärker, zwei unförmliche Schatten schossen herbei, und legten sich an Mathildens Ohren, in welche sie mit einem häßlich schwirrenden Laut hinein zu sprechen schienen. Mathilde glühte von innerm Feuer, ihre Augen schlossen sich auf, aber furchtbar und starr, sie schwang endlich den Dolch mit rasender Gebärde, und schritt auf den festgebannten Alwin zu. Florismarte sah gleichgültig hin. Weiche nur, wenn Du kannst; es gilt Dein Leben. Aber Alwin fühlte sich viel anders bewegt. Er empfand die heißeste Sehnsucht, von Mathildens Hand zu sterben, seine dumpfen Bande schienen sich zu lösen, er riß das Kleid noch weiter von seiner Brust, und neigte sich gegen die Dolchspitze vor. Plötzlich ließ Mathilde das Gewehr fallen, ihre Augen schlossen sich wieder, nur daß 159 reiche Thränen aus den Wimpern hervorströmten. Sie lehnte sich an Alwins Brust, und streichelte seine Wangen. Die Alte stritt unterdeß heimlich mit Florismarte, der den Dolch wieder aufnahm, und ihn gewaltsam in Mathilden's Hand zu drücken strebte. Laßt doch, in's Teufelsnamen, sagte die Alte; sie wachen uns sonst noch Beide auf. Es ist nun einmal für jetzt nichts zu machen. Miserables Volk! fuhr Florismarte auf und stampfte den Boden. Sie sind auch zu gar nichts nutz. Schaff' sie fort.

Die Alte tanzte den vorigen Tanz wieder zurück, und Alwin fühlte sich getrieben, wie vorhin gezogen. Mathilde auch erhob sich von seiner Brust, und ging hinauf, alsdann durch eine andere Thür der Kirche, während er selbst draußen in's schroffe Gebirge kam, und von Klippe zu Klippe taumelte, wobei 160 er Florismarte's ergrimmtes Hohngelächter oftmals dicht neben sich vernahm. Endlich war's, als ginge er über den Hof des Klosterbaues, als krähten die Hähne, als schleuderte ihn eine unsichtbare Gewalt auf sein Lager. Beim Erwachen glaubte er Florismarte's Stimme ganz deutlich sagen zu hören: er hat geträumt, und damit ist Alles vorbei.

Als er sich recht besonnen hatte, graute so eben die Dämmerung; seine Locken waren vom nächtlichen Thaue schwer und feucht. 161


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