Pellegrin (Friedrich de la Motte Fouqué)
Alwin
Pellegrin (Friedrich de la Motte Fouqué)

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Funfzehntes Kapitel.

Die Erinnerung dieses Traumes schien sich wie ein drohender Nebel über die ganze Gesellschaft zu senken. An Mathilden konnte man eine heimliche Scheu nicht verkennen, die sich auch Raimunden mittheilte, und von diesen Punkten aus keinen Einzigen der Gefährten verschont ließ, Florismarte ausgenommen. Dieser führte mit der gewohnten Kraft und Lustigkeit seine Lebensweise fort, nur daß er sich weniger mit Mathilden abgab, seit diese immer in seiner Gegenwart bang' und verlegen erschien. Sie erklärte endlich, daß sie gesonnen sei, auf einige Zeit 162 nach Deutschland zu reisen, um ihr Vermögen so zu ordnen, daß sie beständig in dem Cirkel der Künstler fortleben könne. Ich will mit, liebe Mathilde, sagte Alwin in seiner Unbefangenheit, um die ihn selbst jene nächtliche Schauer nicht hatten betrügen können. Aber er bekam eine abschlägige Antwort. Die Reise, hieß es, daure ja nur kurze Zeit, und Raimund solle Mathilden begleiten.

Du willst mich also nicht gern bei Dir haben? fragte Alwin.

Mißverstehe mich doch nicht, erwiederte Mathilde, aber mich dünkt, es mögte für uns Beide schlimm werden, im Fall wir noch einmal träumen sollten.

Alwin sah sie verwundert an.

Was Du für ein gutmüthiges Kind bist, fuhr sie fort. Du sollst mir nachkommen, auf meinen Gütern feiern wir unsre Hochzeit. 163 Aber still; schon diese Worte waren vielleicht zu viel. Die einen durch Thal und Wald in Grabgewölbe locken, könnten auch wohl in meinem verschloßnen Zimmer lauschen. Nur das noch: es taugt zu meiner Sicherheit, daß Du erst nach mir reisest; Du giltst für mein Unterpfand, und mußt sehn, wie Du Dir, nach etwa drei Wochen oder drüber, loshilfst. Wollte der tapfre Alwin nicht den Rückzug seiner Braut decken?

Diese letzten Worten genügten, um jeden Gedanken der Mitreise aus Alwin's Gemüth zu verscheuchen. Es galt Gefahren, es galt den Schutz Mathilden's, was war da noch zu überlegen, oder nur zu fragen?

Der Tag der Trennung war herangekommen. Mathilde betrieb Alles mit einer ängstlichen Hast, und bemerkte ihren Freund 164 daher eben so wenig, als in den festlichen Zeiten, wo sich lustigere Gegenstände zwischen Beide gedrängt hatten. Nur als schon der Wagen im Hofe hielt, und Alwin bleich und still auf die schöne Gestalt blickte, schmerzlich betrübt, daß er sie nun Morgen vergebens im öden Gebäude suchen werde, – da war's, als erwachte noch einmal alle ehemalige Liebe im Herzen Mathildens. Sie flog an seinen Hals. Nein, sagte sie weinend, sei nicht so sehr betrübt, Du guter, freundlicher Mensch. Wir sehn uns gewiß bald wieder, und dann sollst Du begreifen lernen, wie wahrhaft ich Dein Gefühl theile. Raimund trat herzu, um einen ernsten, traurigen Abschied zu nehmen, und Alwin sah bald darauf die beiden liebsten Erscheinungen seines Lebens zu langer, ungewisser Trennung verschwinden.

Welch ein erstorbnes Dasein, wann uns

165 nichts mehr umgiebt, was dem Herzen unmittelbar angehört! In den letzten Zeiten, wo sich Mathilde immer fremder bezeigte für die Gluth ihrer sonstigen Liebe, hatte Alwin oft daran gedacht, ob es sich nicht besser leben müsse in gänzlicher Abgeschiedenheit von der Welt. Die Gedanken aus der Hütte des Einsiedlers im Harze, wo er zuerst mit Thorwald übernachtete, waren ihm wieder in den Sinn gekommen. Nun erst nach der Trennung fühlte er, wie unendlich tröstend, ja wie nothwendig fast, ihm Mathildens Anblick geworden sei, und sollte sie auch noch fremder und gleichgültiger vor ihm stehn. Freilich wußte er, daß es in einer Siedelei erträglicher sein müsse, als zwischen unbefreundeten Gestalten, die eben durch ihre herzlose Gegenwart die innre Verlassenheit noch drückender bezeichnen.

166 Die drei Wochen, welche er, Mathildens Wunsch zufolge, hier verleben sollte, waren noch nicht ganz vorüber, als in einer stürmischen Nacht dumpfes Geräusch an seine Ohren schlug, Blitze von Fackeln an seinem Bogenfenster vorüber fuhren. Er sprang entsetzt auf. Die Erinnerung an jenen schrecklichen Traum kam ihm in der einsamen Dunkelheit mit tiefem Grausen zurück. Ungewiß ob er wache, seit Mathilden's letztern Aeußerungen Feindliches ahnend, hüllte er sich in seinen Mantel, und umgürtete sich mit seinem guten Schwerdte, das er unter Adalberts Führung so oft gebraucht hatte. Das Getöse ward indeß noch verworrner, aber lauter, er war nun ganz ermuntert, und sah durch's Fenster viele Menschen mit Fackeln, Lanzen, Streitäxten auf dem Hofe; Rauch und Flamme drang aus einem fernen Theil des 167 Gebäudes herüber; auf dem Kreuzganze vor seiner Thüre rauschten Tritte von Fliehenden, und erscholl ängstliches Weibergeschrei. Er eilte hinaus; Männer und Frauen liefen an ihm vorüber, und aus ihren abgebrochnen Worten vernahm er: das Landvolk der umliegenden Thäler bestürme und verheere in fanatischer Wuth ihr Kloster. Vergebens hatte er sich während dessen schon bemüht, einige junge Künstler zur Vertheidigung zu ermuntern, doch gab er die Hoffnung noch nicht auf, Alles durch kecken Widerstand in's Gleiche zu bringen, und schritt getrost nach der Gegend zu, von wo das wildeste Getümmel her scholl. Bei einer Wendung des Kreutzganges fiel ihm grelles Licht in die Augen. Es kam von den Fackeln der Bauern, die im Hintergrunde tobten und raubten. Er faßte seine Klinge fest, und ging vorwärts; da kam ihm ein 168 Mann entgegen mit raschem Tritt, das gezückte Schwerdt in der Hand; es war Florismarte. Gottlob, rief Alwin, endlich einmal ein Bewaffneter! Ich rechnete doch nicht umsonst auf Euch. Stirn auf den Feind. Wir zwei nehmen es mit dem ganzen Gesindel auf. Ein gewaltiger Hieb war die Antwort, der nur zufällig in Alwin's weitem Mantel sitzen blieb, ein zweiter, besser gezielter, folgte, aber der junge Soldat hatte mit Fassung parirt, und drang nun ingrimmig auf den tückischen Gegner ein. Hierher! schrie dieser den Plünderern zu. Hier ist der beste Fang! Der Bursch ist ein Kriegsmann, und verderbt Euch noch Alle! Faßt ihn bei Zeiten! Eine wilde Horde brach mit Geheul heran, Alwin lehnte sich an einen Pfeiler, und vertheidigte sich besonnen, während Florismarte ihn dem tollen Haufen überließ, und den Gang 169 hinauf eilte. Der geübte Kriegsmann fühlte bald, daß er mit schlechten Feinden zu thun habe. Die sich zuerst an ihn wagten, bluteten alsbald, und zogen sich zurück. Davon ward die ganze Menge scheu. Mit lautem Feldgeschrei fuhr er unter sie, ließ rechts und links die Klinge schwirren, und stäubte sie auseinander. Aber das Gekrach stürzender Wände, gebrochner Thüren, das vordringende Geheul rechts und links überzeugte ihn, daß hier an Widerstand nicht mehr zu denken sei. Er ging nach dem Thore zu, die feigen Plünderer wichen seiner blanken Klinge aus, und er gelangte ungestört in's Freie. 170


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