Pellegrin (Friedrich de la Motte Fouqué)
Alwin
Pellegrin (Friedrich de la Motte Fouqué)

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Drittes Kapitel.

In einem fruchtbaren Thale, von reichen Dörfern umgeben, lag Mathildens Schloß. Alwin blickte von der nächsten Höhe an einem stillen Abende da hinunter. Wie er nun so unmittelbar vor dem Ziel all seiner Wünsche stand, erhob sich's bang und zweifelnd in seinem Busen, und doch auch wieder so treibend, daß er keines Schrittes vor oder rückwärts mächtig war, und sich fest gebannt fühlte, fast wie er's von den Helden wunderlicher Mährchen hatte sagen hören. Zugleich kam ihm der Abend in den Sinn, wo er in sein väterliches Schloß heimgekehrt war, um 194 Alles zerknickt zu finden: Vatergruß und Mutterliebe und Liebeshoffnung. Wenn mir's nun Heute wieder eben so ginge, sagte er zu sich selbst. Auch in diesen Gegenden hat das Kriegsfeuer getobt; warum soll denn eben dies Thal ausgenommen sein? In dem sah' er wieder aufmerksamer hin, und die Gehege standen alle friedlich da, jedes kleine und große Feld ummarkend, von den Schornsteinen zog ein blauer Rauch über die benachbarten Gärten fort, in den Kirchen läutete man eben zur Vesper, die Fenster von Mathilden's Fenster blinkten hell der Abendsonne entgegen. Nein, nein, sagte er laut; sei nicht so bang. Wie es sich anläßt, ist Alles gut gegangen. Und doch, als er die Höhe hinab ritt, scheute er den Gedanken, zuerst an's Schloßthor zu klopfen, und sprengte einen Bedienten zur Meldung voraus. Dieser kam alsbald zurück, 195 und berichtete: die Gräfin sei nicht daheim; doch habe sie Befehle zu Alwin's Empfang hinterlassen, und der Castellan des Schlosses warte mit Ungeduld auf seinen vornehmen Gast. – Sie selbst also nicht auf ihren lieben Gast, sprach Alwin in sich hinein; auf irgend eine Weise muß mir doch Alles fehlgehn.

Im Schloßhofe stand der Castellan, geputzt, Bücklinge machend, einen Stallknecht beinah nieder rennend, um Alwin's Bügel durchaus mit eigner Hand zu halten. Die gnädige Gräfin wird untröstlich sein, sagte er, indem er den Ankommenden die Treppe hinauf führte, fürwahr untröstlich, daß sie eben jetzt sich in der Stadt zu befinden geruhen.

Sie hat meine Ankunft noch nicht vermuthet? fragte Alwin.

196 Allerdings, gnädiger Herr, antwortete der Castellan, allerdings, und es sind mir die bestimmtesten Befehle desfalls zu Handen gekommen, auch wofern Ew. Gnaden etwa qua Poet zu erscheinen geruhten, zu Fuß und mit einer Zither in der Hand. Da ist es mir vor acht Tagen begegnet, daß ich einen fremden Lautenisten hier ganz köstlich bewirthet habe, und ihm selbst bei Tafel aufgewartet, weil ich dachte, Ew. Gnaden wären es, und wollten sich etwa den Spaß machen, meine Humanität zu prüfen.

Es ging von einem prächtigen Zimmer in's andre: die Herrlichkeit alter Zeiten schaute von den hohen Wänden hernieder, und Alwin gefiel sich in dem Gedanken, hier mit Mathilden zu wohnen. Ein weitläuftiger Thiergarten zog sich am Fuße des Schlosses hin; die alten Buchen und Eichen rauschten 197 feierlich zusammen; durch ihre Gänge hörte man das Rufen des Wildes. Selbst der altfränkische, devote Castellan schien mit zu diesen Umgebungen zu gehören. Wie sie sich freuen wird! sagte Alwin. Sie glaubt mich noch von jenen geheimnißreichen Schrecken bedroht, und ich bin ihr schon so nah, übersprungen alle Schranken, die unserm Glücke entgegenstanden. Ich will Alles Feindliche vergessen, Florismarte und all' seine Trügereien sollen gar nicht genannt werden. Nur in Mathildens himmlischen Augen soll mein Frieden wohnen. Und sie soll meine Ankunft vorherwissen. Ueberraschungen laufen oft so ungeschickt ab; man fällt in unerfreuliche Umgebungen hinein, man muß die ersten Stunden mit Erklärungen verderben, man betrügt den Ueberraschten um das süße Harren und Ahnen im liebenden Herzen.

198 In dieser Stimmung schrieb er folgendes Sonett an Mathilden, und sandte es am nächsten Tage durch einen Diener in die Stadt voraus:

  Ein üppig Spiel, stets jugendlich entsprossen,
Ein süß Umschlingen unter Weinbeerranken,
Ein heißrer Durst, jemehr die Lippen tranken,
Das hatt' auch ich im Taumelkreis genossen.

  Hohl unten donnerte mit wilden Rossen
Pluton durch's finstre Thal. Der Mauern Wanken,
Der Flüsse Sieden warnte – doch Gedanken
Schwelg'rischer Wollust hielten uns umschlossen.

  Erst wehrten Deine Strahlen dem Verderben,
Doch kaum nur sahn wir sie abscheidend tauchen
In's ferne Meer, war Nacht und Streit begonnen.

  Nun laß vor Dir feindseelge Bilder sterben,
Die Lippen statt unholder Fragen hauchen
Ihr allgewalt'ges Heer von Liebeswonnen. 199


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