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XXVIII.
Das Flagellationssystem als pädagogisches Korrektionsmittel, geschichtlich und psychologisch betrachtet.

Schon bei einigen früheren Rubriken ist des Umstandes gedacht worden, daß von alten Zeiten her die Schläge als Zusatzmittel der häuslichen und öffentlichen Erziehung, so wie des Unterrichtes gebraucht worden sind; sie erhielten sich bis in die neueren Zeiten, wenigstens theilweise. Die meisten Gesetzgeber, Moralisten und Pädagogen ersahen darin nicht nur nichts Schädliches, sondern sehr Nützliches und Nothwendiges. Gleichwohl hat es auch in alten Zeiten an Männern nicht gefehlt, welche die schlimme Seite dabei einsahen und zwar aus verschiedenen Gesichtspunkten. Bei den Persern, Lydern und Aegyptern finden wir die Gewohnheit ziemlich häufig; man erinnere sich bei erstem nur an Cyrus Jugendgeschichte Herodot. – Xenophons Kyropädie..

Daß das Züchtigen der Kinder (jedoch meist nur der Knaben) mit Ruthen oder Geisseln bei den Griechen allgemein war, ersehen wir – wie zum Theil schon angemerkt worden ist – aus vielen Schriftstellern, am besten aber aus Plutarch, der zugleich seine eigenen Ansichten darüber bei mehreren Anlässen mittheilt.

Das Fest der Geisselung vor den Bildern der beiden Dianen war mehr als religiöses Fest, denn als eine eigentliche Strafe, betrachtet; allein in den Schulen selbst ward sie regelmäßig mit nicht geringem Eifer angewendet. Es bestand eine Art wechselseitigen Unterrichts; die besten, gescheidesten und standhaftesten Knaben wurden zu Vorstehern der Klassen ernannt, in welche man sie eingetheilt. Sie diktirten den Fehlenden Züchtigungen und vollzogen sie zugleich. Im reiferen Knaben- und Jünglingsalter geisselten die Pädonomen, oder besondere Aufseher diejenigen, welche sich an öffentlichen Orten etwas zu schulden kommen ließen. Man erlaubte ihnen das Stehlen; wer aber so ungeschickt stahl, daß er dabei ertappt wurde, bekam die Peitsche. Die Irand, oder jungen Aufseher durften in Gegenwart der Eltern und Vorstehern ihre Kameraden bestrafen, wenn sie es verdient; doch blieben sie dafür verantwortlich, ob sie zu scharf oder zu gelinde bestraft. Feiglinge und Schlechte, welche aus solch' moralischen Gründen gepeitscht worden, mußten noch die höhnenden Anmerkungen der stolzen Jungfrauen erdulden. Diese selbst, welche sehr große Freiheit genossen, erhielten öffentlich keine Schläge, sondern die Sorge dafür ward in betreffenden Fällen den Eltern im Innern des Hauses überlassen. Das weibliche Geschlecht ward mit Absicht mehr in Ehren gehalten, um auf das männliche zu wirken und durch einen moralischen Zauber demselben zu imponiren.

Plutarch selbst spricht sich in seiner Abhandlung über » die Erziehung« folgendermaßen aus: Ich behaupte, daß man die Kinder zum Fleiß in nützlichen Wissenschaften durch Ermahnungen und Vorstellungen, aber wahrlich nie durch Schläge und andere schimpfliche Behandlung anhalten müsse. Dieß möchte sich eher für Sklaven, als für Freigeborne schicken. Der Schmerz sowohl als der Schimpf macht sie träge und schreckt sie von der Arbeit ab. Lob und Tadel richtet bei Freigebornen weit mehr aus, als alle Beschimpfung; jenes feuert sie zum Guten an, dieses hält sie vom Bösen zurück.

Welch' groben Unfug man mit dem Peitschen der Kinder und jungen Leute in den Schulen der Römer trieb, darüber belehrt uns vorzüglich der ebenfalls schon angeführte Quintilian, der erste, welcher eine kräftige Opposition dagegen erhob. »Ich wünsche nicht,« sagte er in seinem berühmten Werke, »daß man die Schüler peitsche, obgleich dieß im Gebrauche ist und selbst Chrysipp es nicht mißbilligt. Hiefür habe ich folgende Gründe: Für's erste ist dieser Gebrauch schändlich und nur Sklaven behandelt man so; ja man kann es eine Injurie nennen, für welche die Schüler Genugthuung fordern müßten, wenn sie minder jung wären. Für's zweite hat es, wenn auch ein Kind von also hartnäckiger Gemüthsart ist, daß der Tadel allein es nicht bessert, schlechten Anschein dafür, daß es durch Schläge erweicht werde, selbst durch solche, wie man sie nur den böswilligsten Sklaven angedeihen läßt. Endlich, weil diese Züchtigung völlig unnütz sein dürfte, wenn anders der Lehrer genau seine Pflicht verstände. Allein die Schulmeister sind dermalen so wenig genau bei den Züchtigungen, die sie vornehmen, daß sie, statt die Schüler zu vermögen, das zu thun, was ihnen obliegt, sich bloß darauf beschränken, sie abzustrafen, wenn sie es nicht gethan. Doch, wenn ihr einen kleinen Knaben auch mit Ruthenstreichen im Zimmer haltet, auf welche Weise wollt ihr dann einen Jüngling behandeln, dem ihr doch nicht mit der Ruthe drohen könnet, und dem ihr edlere Beweggründe beibringen müßt, um ihn zum Studium anzutreiben? Fügt diesem allem noch bei, daß denjenigen, welche geschlagen werden, allerlei Zufälle noch zustoßen, welche herauszusagen der Anstand verbietet, und welche durch die Furcht oder den Schmerz hervorgerufen werden; die Schande selbst, welche sie darüber empfinden, verdirbt und drückt ihren Geist zu einem solchen Grade herunter, daß sie das Licht der Sonne fliehen, und mit Eckel angefüllt werden, so zwar, daß wenn man nicht Sorge trägt, ihnen verständige und geschickte Lehrmeister auszusuchen, es nicht beschrieben werden kann, bis zu welchem Uebermaas von Grausamkeit jene schlechte Menschen ihre Gewalt zu züchtigen mißbrauchen, noch wie weit die Furcht geht, welche sie einflößen. Doch ich werde mich nicht länger bei diesem Punkte aufhalten; man weiß ohnehin nur allzuviel davon Institut. orator. L. I. c. 3..

Bei den Juden stifteten einen besonderen Schaden die Stellen in der Bibel, wo vom Züchtigen der Jugend bei der Unterweisung die Rede ist, namentlich die von Salomon und Sirach: »Der Narr lästert die Zucht seines Vaters; wer aber Strafe annimmt, der wird klug werden; züchtige deinen Sohn, weil Hoffnung da ist; aber laß deine Seele nicht bewegt werden, ihn zu tödten; schlägt man den Spötter, so wird der Alberne witzig; straft man einen Verständigen, so wird er vernünftig; den Spöttern sind Strafen bereit und Schläge auf der Narren Rücken; der Jünglinge Stärke ist ihr Preis; man muß dem Bösen wehren mit harter Strafe, und mit ernstlichen Schlägen, die man fühlet; Thorheit steckt dem Knaben im Herzen, aber die Zuchtruthe wird sie ferne von ihm treiben; öffentliche Schläge ist besser, denn heimliche Liebe; die Schläge des Liebhabers meinen es recht gut, aber das Küssen des Haschers ist ein Genäsche; Ruthe und Strafe gibt Weisheit; aber ein Knabe, sich selbst überlassen, schändet seine Mutter; züchtige deinen Sohn, so wird er dich ergötzen und wird deiner Seele sanft thun; die Geissel macht Striemen; aber ein böses Maul zerschmettert Beine und alles; wer sein Kind lieb hat, der hält es stets unter der Ruthe, daß er hernach Freude an ihm erlebt; wer sein Kind in der Zucht hält, der wird sich sein freuen, und darf sich sein bei den Bekannten nicht schämen; wer seinem Kinde zu weich ist, der klagt seine Striemen und erschrickt, so oft es wanket; beuge ihm (dem Knaben) den Hals, weil er noch jung ist; bläue ihm den Rücken, wenn er noch klein ist, auf daß er nicht halsstarrig und dir ungehorsam werde; laß nicht ab, den Knaben zu züchtigen; denn so du ihn mit der Ruthe hauest, darf man ihn nicht tödten, daß er dem Henker unter die Hände komme; du haust ihn mit der Ruthe, aber du errettest seine Seele von der Hölle.«

Diese Stellen, deren Sinn freilich keiner großen Auslegung bedarf, bildeten die Grundidee, von der auch die christliche Pädagogik so lange ausging. Man peitschte und geisselte die Kinder oft bis in's fünfzehnte Jahr, und zwar ohne Unterschied des Geschlechtes, wiewohl, genau erwogen, die Bibel durchaus nirgends bestimmt von Mädchen, sondern blos von Knaben spricht. In der Regel fand diese Strafweise auch mehr bei den letzteren statt.

In dem Mittelalter kultivirten die Mönche, und vom 16. Jahrhunderte an vorzugsweise die Jesuiten die körperlichen Züchtigungen. Bei der Mönchserziehung herrschte im Ganzen so ziemlich bonne foi und die Sache ward mit Ernst betrieben; dagegen die Jesuiten allerlei Nebendinge mit in Verbindung brachten, welche Jedermann bekannt sind.

Im Mittelalter fehlte oft bei Prinzen und Prinzessinnen, Junkern und Fräuleins, Laien und Weltlichen während des Unterrichts die Ruthe und Geissel, selbst bis in's Alter des Erwachsenseins, nie Boileau in der Histor. Flagellant. theilt eine merkwürdige Verordnung mit, nach welcher die Jugend beiderlei Geschlechtes bis nach zurückgelegtem 15. Jahre unter der Ruthe stehen sollte. Nun waren aber in Italien und Spanien Frauenzimmer oft im 12–14. Jahre schon reif und heirathsfähig; somit konnte die eine oder andere noch vor dem Tage der Vermählung die Kinderstrafe bekommen.. Gewöhnlich hießen daher auch die Hofmeister beiderlei Geschlechtes zugleich Zuchtmeister, da der Unterricht nicht so frühe, wie in neuerer Zeit begann und auch länger fortgesetzt wurde. Man sah nichts Anstößiges dabei, und selten fielen bei Bestrafung der mehr Herangewachsenen jene Mißbräuche vor, die der Jesuitismus so gerne aufkommen ließ. Nichtsdestoweniger findet man mehrere, durch die Bedeutsamkeit der historischen Namen, die daran sich knüpfen, besonders bezeichnend gewordene Ausnahmen.

Wem sollte wohl die Geschichte Peter Abälards und der schönen phantasievollen Heloisa und ihrer seltsamen Unterrichtsweise unbekannt sein? Hätte nicht die damalige allgemeine Sitte, Schüler und Schülerinnen, ohne allen Anstand, und ohne alle Rücksicht auf das Alter, für ihr Vergehen oder Unfleiß zu züchtigen, den Oheim Fulbert zu der unklugen Aufforderung an den Lehrer vermocht: Tag und Nacht bei Heloisen zu sein, und, wenn sie nachlässig oder widerspenstig, sie nach Belieben zu bestrafen, so hätte die Sache vielleicht eine ganz andere Wendung genommen. So aber verführte die erhaltene Erlaubniß den Meister Peter ganz naturgemäß zur Anwendung der Ruthe bei der reizenden Schülerin, und sie ließ sich dieselbe gerne gefallen, da nicht, wie Abälard schreibt, der schulmeisterliche Zorn, sondern die Liebe ihn bewog, von Zeit zu Zeit sie ihr zu geben. Er selbst, der große Meister der Philosophie und Gottesgelehrtheit, beschreibt mit poetischem Feuer und sichtbarem Vergnügen noch in der Erinnerung die Süßigkeit jener Züchtigungen, welche auch der schönen Heloisa nicht übel gefallen zu haben schienen Verbera quandoque dabat amor, non ira magistralis, quaeque omnium gaudiorum dulcetudinem superarent.. Freilich in Stunden, wo das Gewissen mehr als die Wollust bei ihr vorherrschte, wurde sie wirklich wiederspenstig und ward von ihm für ihren Ungehorsam alles Ernstes bestraftVergleiche P. Bayle, welcher mit sichtbarem Vergnügen diese Materie beleuchtet..

Ein artiges Gegenstück zu dieser Scene, und zwar in umgekehrtem Verhältniß, bietet die Art und Weise, wie die noch schönere Herzogin Hadewig von Schwaben, Burkards Wittwe, auf Hohentwiel mit ihrem Lehrer, dem jungen Benediktiner Eckehard umging, den sie von St. Gallen her sich hatte kommen lassen. Oft fanden die Ritter und Herren ihn bei ihr allein; sie lasen miteinander die Alten. Einst zürnte sie jedoch über eine Indiskretion so sehr, daß sie schon alle Anstalten getroffen hatte, ihn mit Schlägen zu züchtigen; doch ließ sie sich wieder erweichen, nachdem man ihm schon die Kleider ausgezogen. Vermuthlich war es jedoch auch hier mehr liebender Zorn als Grimm der Gebieterin, was sie zu dieser Strenge getrieben, die sie gleichwohl oft bei andern ihrer Unterthanen anwendete. »Eckehard hatte – sagt Johannes Müller – eine angenehme Lebensart, gute Manieren, eine einnehmende Sprache, durchdringende, redende Augen und eine schöne Größe Schweizer-Geschichte. I. B. 12. Kapitel..

Die andern Mönche beneideten ihn sehr um die Gunst die er genoß, und meinten, es sei ein großes Vergnügen, eine so schöne Schülerin in der Grammatik zu besitzen Pfister: Geschichte von Schwaben II. B. erzählt allerlei Anziehendes über dieß Verhältniß.. Allein diese Schülerin war taktfester als Heloisa, und sie liebte mehr den Ernst der Wissenschaft in Eckehards Gesellschaft als die Tändeleien eines maskirten lehrerlichen Zornes; sie war ebenso stolz und tugendhaft, als schön, und wenn sie dem schönen Eckehard sich auch hingab, sie, die den Horaz als den freundlichen Kenner der Menschen und als den weisesten Lehrer des Genusses liebte, so geschah es gewiß auf die anständigste Weise Eckehard hatte mit einem andern Mönche einst Streit, besonders nachdem er diesem, der sich nächtlicherweile in das Kloster St. Gallen eingeschlichen, um die Sitten der dortigen Mönche zu belauschen, wie einem Wolfe aus dem Schaafstalle heimgeleuchtet hatte. Hadewig, die den Handel sich erzählen ließ, erklärte, ihn genau untersuchen zu wollen, und drohete dem Schuldigen, sollte es auch ihr geliebter Lehrmeister selber sein, scharfe Züchtigung an..

Im Mittelalter und bis in die neueren Zeiten hinein pflegte man auch die Pagen mit Ruthen zu peitschen, was oft von schlimmen Folgen begleitet war. Mehr als eine hohe Gebieterin liebte diesen Punkt des Hausreglements sehr; wenn sie solid war, aus einer anatomischen Neugierde und einem unbestimmten, sinnlichen Gefühle, das zu dem Begriffe von der Nothwendigkeit der Bestrafung sich mischte; war sie aber unreinen Herzens, aus wollüstigem Kitzel, wenn sie auch nichts bestimmtes dabei suchte. Manche Tugend litt auf diesem Wege Schiffbruch, indem die Gefahr bald von der andern Seite kam. Dasselbe Spiel trieben, indem sie das Princip der Hauszucht geltend machten, die gnädigen Herren oft mit den Kammerfräuleins. Asmodäus hatte hier bei dem einen wie bei dem andern Theil sein leidiges Spiel.

Merkwürdig ist, daß die Sucht und Lust des Geisselns der Jugend auch bei nicht-christlichen Völkern und in andern Welttheilen schon in älterer Zeit mehr oder minder sich vorfindet.

Von den Peruanern ist bereits der häufige Gebrauch des Geisselns der jungen Leute angemerkt worden. Die Ureinwohner Brasiliens waren in diesem Punkte vernünftiger; sie züchtigten ihre Kinder niemals mit Ruthen oder Peitschen auf den Unterleib, sondern blos auf die Fußsohlen Erasm. Francisci neupolirter Kunst-, Geschieht- und Sittenspiegel.. Zwei Knaben hielten den Schuldigen bei den Füssen und Händen, auf welchen der Molla mit einem Stecken oft so lange zuschlug, bis das Blut zu den Nägeln herausspritzte Olearius: Moskowitische und persianische Reisebeschreibung.. Auch die Japanesen thaten es sehr selten, und die Neu-Perser Ebendaselbst. gar nicht mehr. Dagegen die Türken, die Tartaren und die Chinesen; erstere auf zweierlei Weise, auf die Hüften und auf die Fußsohlen; letztere auf mannigfache Weise. Die Chinesen hatten die seltsame Sitte, daß statt der Prinzen, die etwas verbrochen hatten, die Hofmeister bestraft und erstere zuzusehen gezwungen wurden; man wollte dadurch einen dreifachen Zweck erreichen: den moralischen Schreck hervorbringen, durch den Anblick eines durch sie veranlaßten Leidens einer dritten schuldlosen Person, das Mitgefühl und die Scheu vor der Wiederkehr des Fehlers wecken und dem durchlauchtigen Sprößling den physischen Schmerz ersparen E. Francisci: 840. Dasselbe geschah mit einem Kameraden Ludwigs XIV.. Die Kinder der Gemeinen wurden natürlich viel weniger geschont.

Auch bei den Caraiben fanden ziemlich raffinirte Geisselungen statt, und wer zu einem Amte sich qualifiziren wollte, mußte noch als Jüngling allerlei blutige Proben darin bestehen; in den Schulen selbst wurden keine Schläge ausgetheilt. Nur ein Heros, der den Streichen muthig trotzte, erweckte bei den braunen Schönen Mitgefühl und verschaffte sich in der öffentlichen Meinung einen Namen Ibid..

Selbst unter den Negern Afrika's gab es eine Art von schwarzem Knecht Ruprecht, in der Person des Mambo Jumbo, welcher aus den Wäldern hervorkam und die Schuldigen peitschte Penny-Magazin. 1833..

In Europa natürlich herrscht der Geschmack des Geisselns der Jugend mit einer Art Systematik; wir übergehen die slavischen Ueber Rußland insbesondere liefern Olearius, Karamsin u. s. w. ebenso die geheimen Nachrichten das meiste hieher Gehörige., wendischen, estischen Vergl. die Schriften von G. Merkel über die Leibeigenschaft u. s. w. in jenen Ländern. und nördlichen Länder, wo sich die Sache schon von selbst verstand, und wo sie von der in einem besondern Kapitel zu behandelnden Rubrik das Peitschen als Mißbrauch der Herrengewalt im Leibeigenschafts- und Sklaverei-Verhältniß betrachtet, zusammenhängt; wir halten uns vorzugsweise an den lateinischen Süden, an England und an Deutschland.

Schon Erasmus von Rotterdam Encomion Moriae. Es befindet sich darin ein eigenes Kapitel (in den besseren Ausgaben mit Kupfern), worin ein in Ruthen-Thätigkeit begriffener Schulmeister geschildert ist., Rabelais Oeuvres de Rabelais (Paris 1820. 3 vol. 12.) in verschiedenen Kapiteln, namentlich im Gargantua. und Montaigne Essais philosophiques B. I. 25 K. Man komme nur einmal – schreibt der ehrliche Meister Michael in dem herrlichen Kapitel über die Kinderzucht an Madame Diane de Foix, Gräfin von Gurson – man komme nur einmal in die Klassen beim Abhören der Lektionen. Da hört man nichts als Schreien der Kinder unter Schlägen, und sieht nichts als zorntrunkene Präzeptoren. Eine vortreffliche Art den zarten und furchtsamen Seelen der Kinder Lust zum Lernen zu machen, sie mit fürchterlicher Kupfernase dazu anzuleiten, die Hände bewaffnet mit der gottlosen Ruthe von abscheulicher Gestalt. Hinzugefügt noch, was Quintlian darüber sehr richtig bemerkt hat, daß das jochgebietende Ansehen sehr gefährliche Folgen nach sich zieht, und vorzüglich bei unserer Art von Züchtigung. Viel anständiger wäre es, wenn die Klassen mit Blumen und Blättern bestreut wären, als mit Fasern von blutigen Birken. haben die unglückliche Manie tüchtig genug verspottet. Nach ihnen kamen besonders Ricelli Guilielmi Ricelli. Dissertatio medica adversus ferularum, slaparum et verberum usum in castigandis pueris. 4. Lipsiae. 1722., Voltaire, Rousseau und ein unbekanntes Mitglied der Akademie.

Voltaire bringt die Ruthe in eine Menge von Schriften hinein, namentlich um den Jesuitismus damit zu verspotten. In der Pucelle d'Orleans, im Candide, in den Contes u. s. w. macht er sich den bisweilen üppigen Scherz darüber zum ordentlichen Geschäft, und er hat an allerlei belletristischen Schriftstellern, wiewohl oft von rein-frivoler Tendenz, Nachahmer darin gefunden. Ernsthaft beleuchtet er die Sache in dem Dictionnaire philosophique, unter der Rubrik Verges Il est abominable, qu'on inflige un pareil châtiment sur les fesses à de jeunes garçons et à de jeunes filles. C'était autrefois le supplice des esclaves. J'ai vu dans des colléges des barbares qui faisaient dépouiller des enfans presque entiérement; une espéce de bourreau, souvent ivre, les déchirait avec de longues verges qui mettaient en sang leurs aines. D'autres les faisaient frapper avec douceur, et il en naissait un autre inconvénient ... Voltaire und noch ausführlicher die Histoire de l'Edit de Nantes erzählen aus der Zeit der Protestantenverfolgung nachstehenden skandalösen Vorfall: Die Jesuiten waren allenthalben diejenigen, welche am meisten den schimpflichen Strafen das Wort redeten, wenn es weibliche Ketzer betraf. Sie riethen besonders dazu, die jungen Mädchen durch Ruthenstreiche zu Aenderung des Glaubens zu bewegen. Ein besonderer Skandal dieser Art fiel zu Uzès vor; auf ihr Betreiben ließen die Nonnen eines Klosters, in welche man hugenotische Frauenzimmer eingesperrt hatte, eine obrigkeitliche Kommission kommen, und vor derselben sieben dieser armen Geschöpfe von 14–21 Jahren förmlich entblöset, stäupen. Die ältern unter diesen warfen den Furien ihre Heuchelei und die Verletzung der Würde ihres eigenen Geschlechts in starken Ausdrücken vor. Diese Scenen wiederholten sich in einer Reihe von Städten mit älteren und jüngeren Frauenspersonen und andere Gräuel gesellten sich meist noch zu der zugefügten Beschimpfung. Die Jesuiten, die Dragoner und die Nonnen lösten einander im Geschäfte ab.

Die Histoire de l'Edit de Nantes erzählt auch unter anderem noch von einem Volksaufstande, der dadurch erregt worden, daß man in einem Hause sehr oft erbärmlich schreien hörte und Mißhandlungen unbekannter Personen befürchtete. Als man hineingedrungen, fand man einen 21jährigen jungen Menschen und ein Mädchen von 19 Jahren, welche beide bis in dieses Alter hinein von ihrem Vater in der Wohnung die ganze Zeit über eingeschlossen, und fast täglich, auf die kleinste Veranlassung hin, mit Ruthen gestäupt wurden; das Mädchen erschien bis auf's Hemd ausgezogen, und in großer Verwirrung und kläglicher Lage; der Junge war nach und nach ganz blödsinnig geworden. Man brachte Beide in ein anderes Haus. Der Vater klagte bei den Gerichten, jedoch fruchtlos.
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Auch Fenelon in seinem bekannten pädagogischen Werke De l'Institution des Filles. spricht sich über den Gegenstand aus. Während Voltaire, wo er von Geisselungen spricht, mehr unterhalten wollte, liefert uns Rousseau dagegen, mit gefahrvollem Kennerblick in die Geschichte der Seele und der Geschlechts-Entwicklung eingehend, mehr als ein pikantes Gemälde von der großen Gefahr der Anwendung des fraglichen Korrektionsmittels.

Als Knabe von 8 Jahren war er der Ansicht der verständigen und noch immer interessanten Mademoiselle Lambercier, eines Frauenzimmers von 30 Jahren, anvertraut; da sie Mutterpflicht an ihm und den übrigen Kameraden übte, gebrauchte sie auch die Mutterrechte und Jean Jacques erhielt einst, nachdem er vorher mehr gewarnt worden, auf ihrem Schoose die Ruthe. Statt Schmerz zu fühlen, empfand er blos Wollust und suchte neuen Anlaß für eine Repetition der Strafe; Mademoiselle Lambercier war aber eine feine Psychologin und eine ehrenhafte Dame; sie hatte bei der Sache einen rein-pädagogischen Zweck verfolgt; sein Zittern auf ihrem Kniee, als sie ihn abermal stäubte, verrieth ihr den innern Zustand des Knaben; sie erschrak über die Entdeckung und wendete das Instrument ferner nicht mehr an Confessions I..

Allein diese Unvorsicht, vor welcher Rousseau in seinem Emil, wie in seinen Bekenntnissen nicht genug warnen konnte, hatte höchst merkwürdige Folgen für einen beträchlichen Theil seines Lebens. Er suchte die Gesellschaft junger Frauenzimmer seines Alters auf, um Spiele mit ihnen zu treiben, worin der weibliche Theil als Schulmeisterin figurirte; er flehete die kleine Demoiselle Goton auf den Knieen um die Ruthe, als um die höchste Liebesgunst an; sie selbst gestattete ihm niemals Repressalien. Von Mademoiselle Bulson, einem älteren Frauenzimmer, gestäupt zu werden, hätte er sein Leben hingegeben. Man lese nur einmal seine Schilderungen darüber nach. Als bei einer Durchreise des Herzogs von Savoyen in Genf, Mademoiselle Lambercier einen Falltritt that und ihre noch reizenden Formen vor dem ganzen Publico enthüllt lagen, ward Rousseau, der sich seine Stäuperin unter seiner eigenen Ruthe dachte, ganz konvulsivisch ergriffen. Eine ungeheure Passion verzehrte ihn bis in das Mannesalter. Jedes Frauenzimmer dachte er sich als Lehrerin oder Stiefmutter, und selbst in den Armen der Liebe träumte er sich, da er seinen lächerlichen Wunsch nicht mitzutheilen getraute, wenigstens in Gedanken, unter die Geissel seiner Gebieterin Man vgl. darüber Wieland in seinen Aufsätzen über Rousseau. Der große Dichter macht sich nach seiner Art lustig über den armen Jean Jacques.. Selbst in seiner Nouvelle Heloise kann er den ihn überwältigenden Geschmack nicht verbergen; er bittet mehrmals als St. Preux Julien für die begangenen Delikte (namentlich nach der Trunkenheits-Affaire) um förmliche Züchtigung. Man muß jene Stellen durch einige andere in den Confessions erklären, um sie recht zu verstehen.

Louvet de Couvray, der edle Girondin, in seinem liebenswürdig-frivolen Romane Les aventures de Faublas. hat in dem einen Kapitel, wo der Held der Geschichte mit der kleinen Gräfin de Lignone Versteckens und Schulmeisterleins spielt, diese Sache ebenfalls aufgefaßt und auf geistreiche Weise parodirt. Diese, wie die Rousseau'schen Geständnisse, so üppig anziehend sie für eine schwelgerische und so gefahrvoll namentlich für eine jugendliche Phantasie sie auf den ersten Anblick auch sich darstellen, haben doch eine überaus ernste Seite und beweisen, daß das Strafmittel bei der Erziehung, von welchem die Rede, bei einer die übrigen Verstandeskräfte überwiegenden Phantasie gar leicht zur brennenden Lunte, geschleudert in ein Pulverfaß, werden kann.

Auch die geistreiche und schöne Madame Roland, durch ihre Tugend wie durch ihr Unglück so berühmt, theilt in ihren Bekenntnissen Mémoires de Mme. Roland, T. I. merkwürdige Anekdoten aus ihrem eigenen Leben mit. Ihr Vater, ein jähzorniger Mann, schlug das ebenfalls heftige, bisweilen sehr eigensinnige Töchterlein häufig mit der Ruthe; diese Strafe machte sie aber immer verstockter und wüthender. Eines Tages, als wieder solch' eine Execution vor sich gehen sollte, erreichte ihr Delirium den höchsten Grad; sie schrie, kniff und schlug um sich wie eine Rasende und erregte dadurch bei dem Vater einen nur um so stärkeren Zorn. Da sah sie plötzlich ihre Mutter weinen. Diese Thränen entwaffneten sie. Sie entblößte nun – wie sie selbst mit vieler Naivität erzählt – ihren Körper, legte sich quer über das Bett und empfing ohne Widerstand und schweigend die väterliche Züchtigung. Von der Zeit an ward jedoch die Sache nicht mehr wiederholt, da der Vater sich von dem Unpraktischen derselben überzeugt hatte und solche Aenderung im Erziehungssystem wirkte vortheilhaft auf ihren Charakter.

Viele Kinderwärterinnen und Ammen von gemeinerm Stande, wie auch Bonnes und Kindermädchen in vornehmen Häusern liebten es, die Kinder recht oft auf die Hüften zu klatschen oder zu peitschen; sie behaupteten, daß dadurch das Fleisch aufgetrieben und die Form voller werde; somit wurde selbst aus Spekulation die Ruthe verwendet.

Man hat den französischen Gouvernanten vielfach nachgeredet, daß sie ungemein gern die ihnen anvertrauten weiblichen Zöglinge mit Ruthen stäupten und ihren Drohungen bei dem geringsten Anlaß häufig die unanständig-doppelsinnige Phrase gebrauchten: Prenez garde, Mademoiselle, ou nous irons dans les Pays- Bas.

Das Geisseln der Kinder mit Ruthen in den Schulen und in der Privaterziehung hörte seit der Revolution großentheils, wenn auch nicht überall, auf; es widerstritt den Sitten der Franzosen, jedoch mehr vom Gesichtspunkt des Ehr- als jenem des Schamgefühls, und weil man darin mehr eine Brutalität als eine Sittlichkeitsverletzung ersah. Die Restauration brachte, wie wir schon an andern Stellen bemerkt, in Folge des mönchischen Systemes, den Mißbrauch wieder D'atroces flagellations et des corrections pernicieuses ont lieu encore dans quelques écoles obscures du royaume. Lanjuinais. Avertiss. II., namentlich in den kleinen Seminarien und Pensionaten, so wie bei den geheimen Kongregationen und Direktionen Vgl. unter Andern Jouy: l'Hermite de Guiane, so wie den Prozeß von Mingrat u. dgl. Depuis l'expulsion des Jésuites il n'a guère été question en France, au moins dans la capitale, de fouetter les jeunes gens dans les collèges, ni dans les pensions, et jamais la jeunesse ne s'est montrée plus studieuse, plus intelligente, plus disposée à tout ce qui est honnête et louable. Cependant l'on continua, dit on, dans les maisons des ( grands) frères des écoles chrétiennes et dans celles des petits frères dits de l' Abbé de la Mennais. – Lanjuinais: la Bastonnade et la Flagellat. p. 59–60.. Ebenso geschah dieß in Belgien, wo die französische Geistlichkeit Einfluß übte. Selbst in den Christenlehren wurde mit erwachsenen Mädchen der Ruthenspuck getrieben; der Vater eines derselben klagte bei der Behörde gegen einen Deserviten, der sich das Recht solch' unanständiger Züchtigungen herausgenommen hatte; allein als Angestellter in einem Departement unter Villèle, sah er sich genöthigt, die Klage zurückzunehmen, wollte er nicht seine Stelle verlieren. Unglücklicher als dieses Mädchen, war vor der französischen Revolution ein Fräulein, welches einem solchen Faun zur Unterweisung mit ausgedehnter Vollmacht übergeben wurde und von ihm tagtäglich so eifrig die Ruthe erhielt, daß sie durch Flucht sich retten wollte, zum Fenster heraussprang und dabei Arme und Beine brach Chronique scandaleuse de Paris.. Eine Menge Karrikaturen, wo die ehrwürdigen Leute mit Ruthen in der Hand abgebildet zu sehen waren, erschienen darüber zu Paris und Brüssel.

In England, dem klassischen Lande der Freiheit, war das Peitschen, Geisseln und Prügeln von Alters her sehr im Schwunge und ist es zur Stunde noch, trotz dem, daß es hier keine Jesuiten gibt. Die Hauserziehung wird mit ungemeiner Strenge getrieben und die Flagellation bei beiden Geschlechtern angewendet. Am längsten dauert sie bei dem männlichen Geschlecht. In den großen Kollegien standen vor noch nicht langer Zeit selbst 18–21 jährige Leute noch unter der Ruthe Gäde's Reisen durch England u. s. w..

Die Memoiren Trélawney's, des berühmten Freundes von Byron, liefern von dem Innern der englischen Schulzucht in manchen Anstalten ein überraschendes Gemälde und entheben jeder fernern Ausführung.

In vielen Schulen der östreichischen Monarchie und Ungarns ist die körperliche Züchtigung der Jugend ebenfalls noch beibehalten; am meisten hängen die Klosterpensionate und Nonnenschulen daran. Eine vornehme und liebenswürdige Dame hat dem Verfasser selbst erzählt, daß sie noch im 14. bis zum 16. Jahre von den Klosterfrauen gepeitscht worden sei; ebenso erhielten viele ihrer Freundinnen von demselben Alter sehr oft die Ruthe; die Nonnen, meinte sie, hatten ein besonderes Vergnügen daran, sie über sich zu legen. Eine andere erzählte ebenfalls von solchen Pensionaten, daß die, welche am meisten durch Fülle des Körpers sich ausgezeichnet, jener Gefahr zunächst ausgesetzt gewesen seien. Die Nonnen hätten sie nicht so fest geschlagen, als gestreichelt und gekitzelt. Halbe Stunden lang hätten sie die Mädchen auf dem Schoose behalten, die Formen mit den Händen befühlt, geküßt u. s. w., unter exstasischen Ausrufen von Bewunderung ihrer Schönheit. Ellrichs liefert pikante Züge über diesen Gegenstand und noch vor Kurzem klagte ein ausgezeichneter Ungar über diese unanständige Gattung von Korrektion junger Frauenzimmer.

Das Anstellen von männlichen Personen, als Mädchenschullehrer, ein anderer, bedeutsamer Uebelstand, hat in vielen deutschen Staaten aufgehört, in andern dauert es noch fort. Wir halten dieß für unzweckmäßig und unschicklich, besonders wenn die beliebte Strafweise, wie in alter Zeit, fort in diesen Schulen angewendet wird, was häufig noch geschieht, selbst der statutenmäßigen Beschränkungen zum Trotz. Für Bildung weiblicher Naturen und für Bestrafung der Unarten und Vergehen von jungen Mädchen gehören, selbst wenn man körperliche Züchtigungen beibehalten wollte, durchaus weibliche Personen.

Am meisten Mißbrauch mit dem Peitschen und Geisseln ließen sich in Deutschland wie überall, die Jesuiten zu Schulden kommen und brachten der Jugend, die ihren zahlreichen Kollegien anvertraut war, unberechenbare Nachtheile. Sie bildeten den Geschmack des Peitschens in einer Art und Allgemeinheit aus, wie sie vorher nie bestand La maison de Saint-Yon (des Jesuites) theilt Lanjuinais (60–61) mit – était rénommée avant 1789, pour les rudes flagellations correctionelles et journalières qui s'y distribuaient aux jeunes gens renfermés par ordre arbitraire, par lettres de petit cachet.

Les bons frères s'y acquittaient sévèrement de leur métier de bourreau, n'était ce pas accomplir un voeu sacré, un dévoir de conscience? La tradition conserve encore le souvenir de leur patois ridicule, et celui de leurs formules prédisposantes, lorsqu'après avoir salué méthodiquement le captif, et avoir déposé leurs chapeaux à grands bords rabattus, ils attiraient le respectable martinet et prononçaient avec l'accent du pays la formule solemnelle: il faut, monsieur, que je vous fessions et que si vous regimbissies, je recommencissions.

Vgl. damit auch die Memoires historiques sur l'orbilianisme et sur les correcteurs des Jésuites, avec la rélation d'un meurtre singulier commis (à Paris) 1759 en un (de leurs) collèges, et quelques autres anecdotes. 1761. 12.

Vgl. Proscription des verges des écoles; Dialogue entre Pamphile et Orbilius. 12. 1675.
. Der Hang so vieler ihrer Glieder zur Päderastie hing damit genau zusammen. Wir wollen die Menge dahin bezüglicher Vorfälle in ihrer Erziehungsgeschichte nicht wiederholen; die Chronique scandaleuse des Ordens wimmelt davon. Die Erinnerung an eigene Erfahrungen bestimmte in Frankreich mehr als einen Parlamentsrath gegen denselben, als die großen Fragen seiner Auflösung oder seines Fortbestands erörtert wurde Vgl. darüber Wolf, Geschichte der Jesuiten, welcher einen angesehenen Mann erzählen läßt, wie er und seine Kameraden oftmal in dem Kollegium blos deßhalb sich entkleiden mußten, damit die Patres an ihrer Nacktheit sich ergötzen konnten und wie sie zur Abwechslung bisweilen von ihnen mit der flachen Hand geschlagen worden.. In Deutschland trieben sie es besonders arg. Der »blaue Mann« bildete eine stehende Strafrubrik für gröbere Vergehen oder Nachlässigkeiten. Nicht nur Knaben, sondern selbst Jünglinge bis in's 18. und 20. Jahr, welche ihre Gymnasien besuchten, waren der Ruthe unterworfen. Einige Professoren vollzogen sie mit eigener Hand Wir schalten hier eine sehr kurzweilige Anekdote ein von einem Abentheuer, welches Gavin, in Betreff solcher eigenhändiger Züchtigungen mittheilt. Ein Jesuit, welchem die Erziehung eines jungen Menschen von Stande anvertraut war?, glaubte sich über einige Vergehen desselben beklagen zu können und konnte die Kollegienzeit nicht abwarten, sondern er begab sich mit einer tüchtigen Ruthe unter dem Mantel frühe Morgens in das Hotel, wo derselbe wohnte und gedachte ihn noch im Bette zu überraschen und daher um so bequemer abzustrafen. Unglücklicher Weise verfehlte er das rechte Zimmer und kam in das einer jungen hübschen Dame, welche er aufdeckte und im Eifer derb und so lange züchtigte, bis die Art des Geschreies und einige andere Kennzeichen ihm endlich ihr Geschlecht und seinen Irrthum verriethen. Beschämt schlich er sich von dannen, nicht ohne augenscheinliche Todesgefahr durch die Bedienten des Ehemannes., andere an Orten, wo mehr Ordnung und Schicklichkeit herrschte, ließen sie durch einen unbekannten, maskirten Mann, der unter einem blauen Mantel das Werkzeug versteckt hielt, und daher dem Akte selbst den berühmten Namen gab, in dem Gange vor der Schulstube, jedoch meist in seinem Beisein, vornehmen. Nur wenige Jünglinge konnten sich rühmen, das Gymnasium zu verlassen, ohne einmal in diesen Fall gekommen zu sein. Sehr oft erlitten sie die Schillinge für angeknüpfte Liebschaften; die jungen Mädchen, welche das fromme Schaaf zu verleiten das Unglück gehabt, bekamen meist dann zu Hause ebenfalls die Ruthe, in Folge ergangener Aufforderung an die Eltern von Seite der allgewaltigen Patres. Dergleichen Dinge waren Festessen für dieselben.

In einem zu Augsburg öffentlich aufgeführten Schauspiele von Jahn Etwas wider die Mode ohne ärgerliche Karessen und Heurathen – heißt die interessante Sammlung der Dramen dieses vielbekannten Professors. wird einem jungen Freigeiste, nachdem er in seiner Ruchlosigkeit entlarvt worden, wörtlich die Ruthe zur Strafe diktirt Der Jesuit Engelgrave in seinem Lucae Evangel. Tom. VI. p. Pascha, welches ein junges unbändiges Pferd zum Sinnbild und die Umschrift aus Virgil:
... viamque insiste domandi Dum faciles animi juvenum, dum mobilis aetas, sich gewählt, bringt eine Menge denkwürdiger Dinge de virga pueris debita.

Selbst der alte Kirchenlehrer und berühmte Schulpatron, Gregorius M., mußte ihnen in ihren Kram dienen; dieser macht nämlich bei seiner Abhandlung über die Bundeslade die Bemerkung: in derselben sei neben dem süßen Manna auch die Ruthe Aarons gelegen; dadurch habe Gott der Herr zu verstehen gegeben, daß die Lehrer des Gesetzes, welche durch die Gesetzestafeln angedeutet wurden, d. h. alle treuen Schullehrer bei ihren Zöglingen nicht allein das Manna süßer und liebreicher Worte gebrauchen, sondern auch die Ruthe der Züchtigung nicht vergessen sollten.
. Ueberall, wo sie die Hausfreunde und Gewissensräthe der Frauen spielten, wußten sie dieses Bußmittel besonders für die Mädchen in Ehren zu erhalten. Man besitzt ganze Gedichte und Vorschriften darüber. Der ehrwürdige, aber kaustische Bucher behauptet: »das Ruthengehen habe zu den Turnierspielen der christlichen Mütter in Baiern gehört Geschichte der Jesuiten..« Einen besondern Glanz erwarb sich die von Jesuiten gebildete s. g. heilige Krescenzia von Kaufbeuern, über welche in Scherz und Ernst mancherlei gedruckt erschienen ist. Sie rieth, wo sie nur um Rath gefragt wurde, zur Ruthe. Als einst ihre eigene Baase sie über die Art und Weise konsultirte, wie sie ihrer siebzehnjährigen, bereits ihr über den Kopf wachsenden und verliebten Tochter, eines bildschönen Mädchens, Meister bleiben könnte, ersuchte Krescenzia ihr dieselbe nur zuzuschicken; das Rezept selbst werde dieselbe mit nach Hause bringen. Als Mariele, so hieß das arme Kind, bei der Muhme erschien, ward sie von ihr mit einer ungeheuern Ruthe empfangen, tüchtig durchgestäupt und mit einem Uriasbriefe an die Mutter entlassen, worin die fleißige Wiederholung dieses pädagogischen Heilmittels bis in's 19. Jahr als unumgänglich nothwendig dargestellt wurde. Mariele mußte auch wirklich der stärkeren Gewalt sich fügen, und gebrach es der Mutter an Zeit oder Kraft, so supplirte die Muhme; erst der Ehestand machte sie mündig. Diese Geschichte ist buchstäblich wahr, und von der Aufklärungsparthei in Baiern seiner Zeit mannigfach mit bittern Spöttereien auf die Jesuiten und das Klosterwesen aufgefrischt worden. Auch Bucher stichelt darauf in einer Gelegenheit Verschiedene Flugblätter, die jetzt selten geworden sind, erschienen darüber im Publikum..

Noch lustiger trieben es die sogenannten » Stiefel-Nonnen« in Augsburg, von den kleinen Stiefeln also genannt, welche sie im Winter tragen durften. Diese hatten eine Knabenschule, worin Zöglinge von 6–10 Jahren sich befanden. Dieselben mußten, wenn sie etwas verbrochen, in ein Ofenloch kriechen; die Nonnen zogen ihnen die Beinkleider herunter und gaben ihnen die Ruthe in dieser Situation. Bronner, der bekannte Verfasser der Fischer-Idyllen und Professor der Mathematik zu Kasan und Aarau, befand sich in der Zahl derer, welche durch diese Fuscula canina gegangen; auch theilt er eine Menge anderer curieuser Beispiele aus eigener Erfahrung mit F. X. Bronners Lebensgeschichte in 3 Bänden..

Am allertollsten sah es jedoch in vielen Landschulen aus, wo oft verstickte Genies und zerlumpte Magisters, welche ehedem bei den Jesuiten studirt hatten, Lehrerstellen in Knaben- und Mädchenschulen (damals waren beide Geschlechter vereinigt) durch ihre Verwendung erhielten. Die Mädchen wie die Knaben wurden hier unverschämt vor einander entblößt und mit Ruthen gezüchtigt. Die Geschichte der Samstagsschule und des Hundestalles, von Magister Sampson, ein in der Darstellung meisterhaftes pädagogisch-humoristisches Gemälde Buchers, schildert diesen Gräuel mit stark aufgetragenen Farben Geschichte der Jesuiten in Baiern V.Band.. Die meisten Leute priesen die Verdienste solcher Jugendmörder, statt einen Anstoß daran zu nehmen, und wer dagegen öffentlich seine Stimme zu erheben wagte, ward als Neuerer, Aufklärer, Freigeist verschrieen. Alle schlimmen Erscheinungen oder mißlungenen Resultate des neueren Erziehungs-Systems wurden von den Jesuiten und den Anhängern ihres Systems als Folgen vernachläßigter Schulzucht hingestellt. Die Ruthe, schrieben sie in den Apologieen ihrer Erziehungs-Theorie, war ein unerläßlicher, integrirender Theil des Ganzen.

Welche Abscheulichkeiten in Jesuitenschulen mit Zöglingen nicht selten, in Folge der Anwendung solches Grundsatzes, getrieben worden, enthüllte die schauerliche Untersuchung gegen Pater Marell, der eine große Zahl meist adelicher Knaben aus den vornehmsten Häusern zur Päderastie verführte. Die Jesuiten hatten die Sache der Oeffentlichkeit zu entziehen gewußt; allein in neueren Zeiten kamen die Akten heraus, wurden jedoch, um größeres Skandal zu vermeiden, als Manuscript gedruckt Patris Marelli Amores. Aus den Staatsarchiven bearbeitet und herausgegeben von Ritter K. H. v. Lang, ehemals Generalsekretär der Münchener Kongregation des Jesuiter-Ordens, welcher bekanntlich in Baiern sehr spät aufgehoben wurde..

Die ehrwürdigen Patres trieben mit der Sache des Ruthengebens nicht selten in der Schule selber Scherz. Sie nannten eine Tatze auf die Hand mit der Ruthe den Positiv; einen Spanner auf die angezogenen Beinkleider (eine Unsitte, die auch in sehr gut organisirten Schulen neuester Zeit noch beibehalten wird) den Komparativ; den Schilling in seiner Reinheit den Superlativ. Bisweilen wurde auch beim Diktiren der sogenannten frakten Versübungen das Distichon:

Virga trahit virgam, trahit altera virgula virgam
Et sic ex Virga nascitur inde dolor

als Parodie die Entschuldigung eines wegen Trunkenheit vor den Rektor geforderten Studenten, unter vielem Gelächter, erzählt:

Gutta trahit guttam, trahit altera guttula guttam,
Et sic ex gutta nascitur ebrietas

Vergleiche E. Münch: Ueber die Freiheit des Unterrichts..

Ein Gegenstück zu Marell lieferte in Baiern, kurz vor der Juli-Revolution, der belgische Priester Abbé de Zinserling zu Gent, woselbst er als Pädagog und Publizist der apostolischen Faktion sich auszeichnete. Ueber die schaamlosen Züchtigungen, welche er mit Knaben hatte vornehmen lassen, und welchen er, wenn auch nicht immer sichtbar persönlich, doch mehrmals durch ein Glasfenster zugesehen hatte, ward ein Prozeß eingeleitet, der freilich kein befriedigendes Ergebniß bot, weil die politische Partheiung sich mit in die Sache mischte. Sogar Advokaten der liberalen Opposition, wie van de Weyer und A. Gendebien widerstritten hier, gegen ihre bessere Ueberzeugung, der Wahrheit und vertheidigten den Flagellanten in kunstreichen Vorträgen. Allein ob auch gleich der Angeklagte losgesprochen ward, so thaten doch die für den Abbé höchst beschimpfenden Entscheidungsgründe die eigentlichen Gesinnungen der Richter dar, welche, um nicht Opfer der herrschenden Stimmung in Flandern, unter Klerus, Adel und Pöbel, zu werden, formell anders redeten, als sie innerlich dachten.

Auch die Schüler der aufgehobenen Jesuiten wirkten in ihrem Geiste fort. In vielen katholischen Gymnasien, Schulen, Pensionaten etc. ward der blaue Mann angewendet, und wo auch keine förmliche Schillinge ausgetheilt wurden, erhielten sich die nicht minder beliebten Spanner in Kraft. E. Münch erzählt in den Miscellaneis flagellatoriis zur Tuba mirum spargens sonum schauerliche Anekdoten darüber. Mehrere Jünglinge wurden durch die unaufhörliche Flagellation zur Selbstbefleckung gereizt; einer von ihnen, den derselbe persönlich gekannt hat, ließ sich von seinen Kameraden selbst und von Mädchen für Geld peitschen, verführte auch andere Knaben und Jünglinge; endlich starb er – als Pfuscher im Arzneiwesen wegen Ermordung einer angesehenen Frau, dem Vernehmen nach in Ungarn am Galgen.

Der Verfasser kennt ähnliche Fälle, und er selbst war von solchen Menschen in seiner Jugend angegangen worden, gegen Geschenke sie bis auf's Blut zu peitschen. Einer der bei einem flagellomanen Priester studierte, suchte, statt die Strafe zu vermeiden, geflissentlich die Anlässe auf, welche sie ihm zuzogen. Jemehr er Prügel erhielt, desto mehr hatte er Vergnügen daran; er warf sich oft zur Erde, nachdem er Händel angefangen und ließ sich selbst von kleineren Kameraden stundenlang schlagen; als später, noch im 16.–18. Jahre, mehrmals zuchtpolizeilich die Flagellation über ihn wegen Diebereien verfügt wurde, nahm auch seine Verworfenheit zu. Er ward gänzlich abgeschwächt, und in der Folge im höchsten Grade epileptisch.

Ein pädagogischer Schriftsteller, Dr. Maier, behauptete: die Ruthen und Stecken seien Schulschwerter, welche Gott der Herr nach dem Sündenfall den Präceptoren in die Hände gegeben; diese sollten sie nicht umsonst führen, sondern die Bösen damit züchtigen; Ruthen und Stecken seien ferner die Schulscepter, vor welchen die Menge der Kinder ihre Häupter zu verneigen hätten; endlich die Schulwaffen, mit welchen man den Teufel und die Lüste aus den Herzen der Jugend treiben müsse.

J. M. Groß: die wohlbestellte Schule. 4. 1719. Pfeiffer, in der Theelogia medica bei der Rubrik affectus erotici und A. Mökker in dem Traktate de pia et liberali Educatione Liberorum sind ebenfalls große Apologeten der Ruthe. Dagegen ein sehr gelehrter und verständiger Magister, Misander in seinem » wohlbestallten Priester« gegen das Prügeln und Geisseln der Jugend sehr sich vereifert und schauderhafte Gemälde von der Backel- und Ruthenfertigkeit so vieler Lehrer entwirft.

Aber nicht allein bei den Katholiken in Jesuiten- und andern Schulen, so wie bei der Hauserziehung wurde die körperliche Züchtigung angewendet; auch bei den Protestanten herrschte die löbliche Sitte und man findet die Nothwendigkeit derselben in einer Menge von Büchern vertheidigt.

Die Ruthen behaupteten auch hier beim öffentlichen Unterricht im Mittelalter und noch bis in's 18. Jahrhundert hinein einen solchen Grad von Wichtigkeit, daß sogar ein eigenes Fest gefeiert wurde, an welchem die Schüler in den Wald zu ziehen und Birken zu sammeln hatten, aus welchen sie so fort die Werkzeuge ihrer Schmach selbst zu binden und abzuliefern hatten. Mit halb Trauernden halb Scherz-Gesängen über ihr Geschick durchzogen sie die Straßen Schwarz, Geschichte der Erziehung..

Man erinnert sich auch wohl noch der statistischen Tabellen, welche bei einem deutschen Schulmeister gefunden wurden, und in welchen sämmtliche während vierzigjähriger Amts-Praxis ausgetheilte Prügel, Ruthenhiebe, Spanner, Kläpse, Ohrfeigen u. s. w. gewissenhaft verzeichnet waren.

Von der Pedanterie und Unschicklichkeit der Schulstrafen älterer Zeit lieferte Schlez in seinen Volksbüchern, namentlich über die Schulen zu Traubenheim und Corrigenhausen, und über Gregorius Schlaghard und Richard Ehrlich vortreffliche Gemälde.

Die meisten neueren Erzieher unter beiden Religionspartheien haben sich mit Macht wider den langen Unfug erhoben und selbst Niemeier nimmt blos noch für einzelne Fälle die Anwendung jenes Werkzeuges, zu Bändigung der thierischen Natur in Schutz In dem bekannten Werke: Grundsätze der Erziehung..

Die Gründe, worauf sie sich stützen, sind der mannigfachsten physischen, psychischen und moralischen Art, ob sie auch gleich nicht immer deutlich genug ausgesprochen werden. Mehrere haben wir theilweise schon bei Schilderung der Jesuitendisciplin berührt. Für's erste ist die den jugendlichen Körpern zugefügte Gewaltthat an und für sich schon eine sklavische, die Natur entweihende Behandlung, den physischen Schmerz nicht gerechnet, den man natürlich mit Absicht dabei hervorzubringen sucht, der aber, bei Uebertreibung der Maasregel in der Züchtigung von Kleinen, leicht für die Gesundheit die größten Nachtheile erzeugen kann. Nach diesem kömmt die Verletzung des Schaamgefühls, einer Sache, welche einmal zerstört, durch nichts in der Welt sich wieder ersetzen läßt. Sodann kömmt der Umstand, daß durch die Entblößungen und Züchtigungen bei beiden Geschlechtern der Geschlechtstrieb früher hervorgelockt und gefährliche Flammen, ja selbst Verkehrtheiten der Natur in der Art und Weise der Befriedigung des Geschlechtstriebes entzündet werden können.

Am allerunzweckmäßigsten ist noch das Zuziehen oder die Gegenwart dritter Personen, wodurch man den Eindruck und Zweck der Strafe noch zu vergrößern und sicherer zu erreichen hofft. Endlich bringt die vielberührte Züchtigungsart, den sie Ausübenden selber oft in große Gefahr, und vernichtet die nothwendige Vertraulichkeit in den einen und andern Familienverhältnissen.

Eine längere Gewohnheit des Gezüchtigtwerden zu Hause oder in der Schule hat nicht selten die Jugend mit der Idee so vertraut gemacht, daß spielend und scherzweise selbst in vorgerückteren Jahren wiederholt worden ist, was früher als Strafe angenommen wurde; wir wissen dieß nicht aus Rousseau allein, viele hundert Beispiele in den geheimen Annalen der Pädagogik liegen dafür vor. Knaben und Mädchen trieben das beliebte Schulmeisterspiel bis zu einem gefahrbringenden Grade, und jugendliche Flagellanten Clubbs, bald aus Angehörigen des einen oder andern, bald beider Geschlechter zugleich, bildeten sich. Der Verfasser hat noch vor wenigen Jahren einen merkwürdigen Prozeß gelesen, welcher, aus Rücksicht für viele dabei betheiligte Familien, geheim gehalten worden ist. Eine Menge junger Frauenzimmer von 14–17 Jahren waren mit in die Sache verwickelt.

Die Flagellanten wurden nach und nach Tribaden, oder das übermäßig erhitzte Blut suchte und fand auf eine Weise Erleichterung, die noch tugendhaft genannt werden konnte, wenn sie in Folge gewöhnlicher Verführung vor sich ging.

Als ein merkwürdiger psychologischer Zug erscheint auch der Hang mancher Stiefältern zur Geisselung der ihnen anvertrauten Kinder; der Begriff »Stiefvater und Stiefmutter« ist in manchem Lande mit dem des »viel Schlägegebens« ordentlich identisch geworden. Egoismus und Lieblosigkeit, Grausamkeit und Sinnlichkeit erscheinen dabei gleichsam vermischt. Das weibliche Geschlecht hat darin wirklich den Vorzug. Der Verfasser kennt zahlreiche Geschichten, die in diesen Punkt einschlagen, und das menschliche Herz in seinen Sonderbarkeiten und Manieen seltsam genug beleuchten. Freilich gehört dieß mehr einer vorübergegangenen Periode an, wo das Schlagen oft bisweilen über das Alter der Mündigkeit hinaus fortgesetzt wurde. Auch findet man, was wir andeuteten, mehr bei der raffinirten Bildung als bei der gewöhnlichen, oder bei besonderen Temperaments- und Gemüthsstimmungen.

Zeugnisse aus weiblichem Munde sind vorhanden, wie seltsam das Verhältniß von Stiefkindern zu Stiefältern in Bezug auf die häusliche Disciplin sich gestaltet. Es gab Frauen, welche eine besondere Wollust daran fanden, ihre Stiefsöhne und Töchter zugleich so oft als möglich unter dem Vorwande mütterlicher Bestrafung unter die Ruthe zu bekommen, während diese Neigung bei den Männern mehr auf den weiblichen Theil ausschließlich sich erstreckte. Verführungen und Ehebrüche, oder Onanie und Selbstmord gingen oft daraus hervor. Der Verfasser hat früher einen berühmten Offizier gekannt, welcher nicht nur im 12. und 14., sondern noch im 20. Jahre mit den Epaullettes von seiner Stiefmutter, welche die Sache leidenschaftlich trieb, die Ruthe erhielt. Die psychologischen Folgen davon, an denen er in seiner Jugend litt, können wir nicht mittheilen. Ein anderer, der ebenfalls unaufhörlich Prügel bekam und häufig seine bereits mannbaren Schwestern und Cousinen wegen Ballaffairen oder Liebschaften noch züchtigen sah, ward im höchsten Grade zu ausschweifender Geschlechtsliebe, vereinigt mit der unmäßigsten Flagellationswuth, gesteigert; er begann mit Kammerjungfern und Küchenmädchen, und endigte mit allem, was ihm unter die Hände fiel. Noch in späteren Jahren bezahlte er in W. und in M., so oft die Polizei aufgegriffene Freudenmädchen durchpeitschen ließ, dem einen und andern Agenten einen Dukaten für die Erlaubniß, zusehen zu dürfen.

Vor wenig Jahren erhing sich ein junger Mensch von 16 Jahren, welchen seine Stiefmutter in des Vaters Abwesenheit völlig nackt sich entkleiden ließ und mit einer Stallruthe durchhieb, aus Schaam und Verzweiflung. Der Verfasser hat auch vor zwölf Jahren eine hübsche Putzmacherin gekannt, welche noch vor Kurzem beinahe täglich von ihrem Stiefvater die Ruthe bekam, so oft sie ihm, der in sie verliebt war, Ursache zur Eifersucht gab. Niemals konnte er an ihrem Fenster ohne ein malitiöses Lächeln vorübergehen, welches von dem bis unter die Ohren erröthenden Mädchen wohl verstanden ward. Als der Vater einst einen flüchtigen Carbonaro, den dreihundertsten der berühmten neuen Fabier vom Jahr 1821, im Gartenhaus bei ihr ertappte, prügelte er diesen furchtbar durch, das Mädchen aber, auf mehrere Tage eingesperrt, erhielt eine doppelte Disciplin von rächender Hand.

Aus Italien, Spanien und Frankreich liefert die geheime Sittengeschichte mehr als eine Geschichte von Clubbs, worin Geschwistern und Verwandte wechselseitig sich geisselten. Es wurden Pfandspiele damit in Verbindung gebracht; das verlierende gab ein Kleidungsstück ab, und so ging es bei allen einzeln fort, bis zur letzten Hülle. So viel Stücke nun sich vorfanden, so viel Ruthenhiebe wurden ausgetheilt, dem Herrn stets durch ein Frauenzimmer, dem Frauenzimmer durch einen Herrn. Oft blieb es nicht bei diesen, wenn auch unanständigen, doch im Ganzen schuldlosen, Scenen Eine Art solchen Spiels, jedoch mit Weglassung der Flagellation, trieben im 17. Jahrhundert auch französische Offiziere mit schönen Damen zu Barcellona. Vergl. ( Menzels) enthüllte Geheimnisse des Beichtstuhls nach Gavin's Passe-par-tout etc..

Der Geschmack an der Sache war durch das häufige Züchtigen von Seite der Eltern angebaut worden, und üppige Tafel, müssiges Leben, verdorbene Lektüre hatten die Phantasie schwelgerisch und die Sinne trunken gemacht. Der Verf. selbst hat Frauen gekannt, welche mit großem Vergnügen die detaillirte Geschichte ihrer Geisselungen durch väterliche, mütterliche oder lehrerliche Hand ihm mittheilten; andere erzählten mit eben so großem, wie viele Schillinge sie einst in ihrer Jugend ihren auf Jesuiten- oder doch Quasi-Jesuiten-Gymnasien studirenden Liebhabern zugezogen und berechneten die Zahl der Schläge im Ganzen, welche ihre Amours während einer gewissen Reihe von Jahren nach sich gezogen. In diesen Erzählungen lag etwas so Frivoles und Boshaft-Sinnliches, trotz der Poesie, welche die Reminiscenzen ihnen darzubieten schienen, daß der Verfasser immer höchst unangenehm davon berührt wurde und eine mindere Achtung gegen die betreffende Person zu hegen begann. Noch andere, welche mit ihm die Theorie des Schlagens der Kinder verwarfen und ernsthaft die Sache sezirten, setzten auseinander, welch' schlimme Erfahrungen sie gemacht und welch' starke Neugierde und sinnliche Lust sie in sich verspürt, wenn eine Schwester, eine Freundin oder ein Bruder bestraft wurden, und wie viele Frauenzimmer, die in einer und derselben Kammer schliefen, es liebten, sich zur Kurzweil durchzupeitschen. Mangelte etwa eine Ruthe oder Peitsche, so nahmen sie den Pantoffel oder den Ellstab zu Hülfe. Endlich gab es junge Personen weiblichen Geschlechts, welche in Gärten sich mit Rosenzweigen schlugen und milesische Attituden aufführten. In Paris wurden während der französischen Revolution mehrere dergleichen Associationen entdeckt, zu welchen man angesehene und tugendhafte Frauenzimmer verlockt hatte. Man verehrte darin Sappho als die Schutzgöttin; ihr Bildniß zierte den Altar, in einem Saale, wo alles darauf berechnet war, die Sinne und die Phantasie einzuschwelgern. Die Flagellation eröffnete die Orgien; die schändlichsten Geschlechtsverirrungen beendigten sie. Tiefer Haß gegen die Männer war das erste Prinzip, welches ihnen eingeprägt wurde La Galerie des Femmes. Hambourg 1799. enthält eine belletristische Bearbeitung des in den Hauptzügen wahren Faktums..


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