Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++
Die Regel des Chorherrn-Ordens rührt vom heil. Augustin. Das Verfahren bei den Geisselungen glich dem vieler anderen. Am strengsten verfuhr man mit den Apostaten, welche die Wiederaufnahme begehrten. Jeder, der in einem solchen Falle sich befand, kam in weltlicher Kleidung vor die Kirchenthüre, zog sich bis auf's Hemd aus, und ging mit bloßen Füssen und bloßem Haupte, mit einer Ruthe oder Gerte in der Hand, durch den ganzen Hof. Nachdem er in das Kapitel eingetreten, warf er sich auf die Kniee, bat den Abt und die Religiosen um Vergebung und begehrte mit thränenden Augen, daß man ihm die Disciplin geben möchte. Nachdem er sie von den Händen des Priors empfangen, ward ihm als Pönitenz auferlegt, die Disciplin fortan alle Tage zu bekommen, sein Stimmrecht zu verlieren, seinen Platz unter den Novitzen zu erhalten, niemals wieder Messe zu lesen, auf den Knieen vor einer kleinen Bank zu essen u. s. w.
Bei den Mönchen von St. Anton zu Viennois waren die Strafen bedeutend milder. Nie geisselte man bis auf's Blut, ausser in seltenen Fällen bei den Novitzen. Zu Ruthen wurde erst dann gegriffen, wenn Jemand freche oder ungebührliche Worte gegen seinen Superior sich erlaubt hat. Bisweilen konnte man die körperliche Züchtigung in andere Mortificationen verwandeln.
Die französische Kongregation oder die von St. Généviève und die regulirten Chorfrauen oder Kanonissinnen hatten besondere Eigenthümlichkeiten; letztere nahmen es in Vielem gar nicht sehr genau; doch wurden Ruthen und Geisseln immer noch bei den jüngeren Nonnen für Nachlässigkeit und Trägheit angewendet. Das Schulfieber verleitete oft zu Lügen und Ausflüchten, so daß die Aebtissin sich genöthigt sah, die Schwestern in ihren Zellen selbst zu wecken und in diesem Falle bekamen sie immer doppelt die Ruthe, erstlich, weil sie faul gewesen; zweitens, weil sie eine Kränklichkeit erdichtet hatten. Jeden Freitag ging regelmäßig eine Geisselung vor sich; die Aebtissin empfing, um den Anderen desto mehr Muth zu machen, ebenfalls ihren Theil. Apostasie oder Bruch des Keuschheit-Gelübdes ward mit einer vierzigtägigen strengen Gefängnißstrafe und mit der großen Disciplin gesühnt.
Die eigentlichen Augustiner oder Eremiten vom heiligen Augustin hatten mit den regulirten Chorherren heftige Streitigkeiten über die Frage: ob der große Kirchenvater und Bischof von Hippon ihnen angehört habe oder nicht? Sie stellten solches durchaus in Abrede. Die lächerlichsten Dinge kamen in den darüber gegenseitig herausgegebenen Schriften zum Vorschein.
Bei ihren Pönitenzen hatten sie vier verschiedene Grade. Selbst Doktoren und Baccalauren, wenn sie gegen die Regel sich verfehlt, mußten in dem Kloster, welchem sie ursprünglich angehört, auf ergangene Vorladung, erscheinen und die Geissel empfangen. Oft ereignete sich der Fall, daß einer dabei in Ohnmacht verfiel oder die Sprache verlor; bisweilen auch weigerte sich der Eine und Andere sich zu entkleiden, aus Schaam oder Hartnäckigkeit; dann wurde er in's Gefängnis geworfen und mit doppelt strenger Disciplin belegt. Wer log, schimpfte, schwur, lästerte, einen Religiosen beleidigte oder mit einem Frauenzimmer allein sprach, ward, wenn er nicht Priester war, mit den Ruthen auf den nackten Leib gehauen. Gotteslästerung, Empörung und Trunkenheit, Offenbarung der Ordens-Geheimnisse zogen die furchtbarste Pönitenz zu, welche der Schuldige kaum auszuhalten vermochte.
Man liest sehr merkwürdige Schilderungen solcher Scenen, wo ein Doktor die leidende Hauptrolle spielte. Statt des stolzen Mäntelchens erschien er in einem schlechten Rocke und mußte bis auf die Hüften sich entblößen, wie einer der Spießruthen laufen soll; statt der Thesen trug er eine Hand voll Birkenruthen; statt des schwarzen Baretes hatte er eine Plattmütze oder Calotte auf dem Haupt. Zu den Füssen des Priors hingestreckt, seine Sündenschuld bekennend, mußte er demüthig um die Geisselung, und wenn diese vorüber war, um die Lossprache von dem Banne bitten.
Eine eigene Abtheilung von Augustinern bildeten die Baarfüsser oder Unbeschuheten, entstanden aus einer Reform der Eremiten gegen Ende des 16. Jahrhunderts. Ihre ursprüngliche Heimath war Spanien; von diesem aus verbreiteten sie sich durch Frankreich und Italien. Die Disciplinen, welche sie gebrauchten, unterschieden sich nicht viel von denen ihrer Vorgänger. Dreimal in jeder Woche hatte unter den Novitzen eine Geisselung statt; die Unbeschuhten waren so vernünftig, das Zuviel für ebenso wenig, als das Zuwenig, in seinen Rückwirkungen auf die Schultern, gleichwie das Uebermaaß der Nahrungsmittel in Bezug auf den Magen, zu betrachten.
Die außerordentlichen Uebungen der Novitzen und Professen hörten nach drei Jahren auf, und die gewöhnlichen Freitags- und Kapitel-Disciplinen traten an ihre Stelle. Bei Bestrafung von Vergehen wurden dem Schuldigen sogenannte Kugeln angezogen, welche von hinten offen oder geschlitzt waren, damit die Züchtigung desto bequemer vorgenommen werden konnte. Zuerst schlug ihn der Prior, dann, unter Absingung des Miserere, folgten die übrigen Fratres, jeder mit einer eigenen Disciplin.
Die schweren Verbrecher kamen bei den Augustinern nicht in ein Loch voll Gestank und Moder, wie an vielen Orten, sondern blos in recht feste Verwahrung; sie bekamen zwar fast jeden Tag Stäupen und Prügel, aber diese nicht in so starkem Grade, wie viele andere, z. B. Bruder Cäsarius in Speyer, welchen sein Kerkermeister so hart mitnahm, daß er unter seinen Streichen todt blieb. Alle drei Nationen des unbeschuhten Augustiner-Orden kamen in der Geisselungsart überein; die strengste unter ihnen war unstreitig die spanische.
Die Frauenklöster dieser Observanz, deren Alter man sehr hoch hinaufsetzte, und welche im Verlauf der Zeit allerlei Reformen erfuhren, verehrten die heilige Monica, die Mutter des Stifters, mit besonderer Andacht. Sie geisselten sich zwar auch, aber wie die Männer, mit Maaß und Ziel. Am schärfsten erhielten die Novitzinnen von der Mutter Lehrmeisterin die Ruthe bei der sogenannten Humiliation. Als Professinnen wurden sie gelinder bestraft. Sie sollten zwar ihren Körper für den Seelenbräutigam durch Bearbeitung der Haut rein und sauber machen; allein er sollte mehr geglättet und gescheuert, als mißhandelt und verstümmelt werden. Das beschauliche Leben und die mystische Union nahmen einen beträchtlichen Theil der Zeit und der Regeln ein.
Die Klosterfrauen von Calatrava von der Feuillantin Antoinette d'Orleans und dem Kapuziner, Pater Joseph, gemeinsam gestiftet, bieten keine besondere Bußmerkwürdigkeiten dar. Die Annonciaden dagegen erzählten ihrer Gründerin, Maria Vittoria Fornari aus Genua, viel Seltsames nach. Der Teufel hatte sie auf alle Weise versucht und mißhandelt; er warf sie auf die Erde, schlug, rüttelte und schleppte sie im Hause herum; trieb die Dienstmädchen zum Bette heraus oder erschreckte die Töchterleins, welche mit ihr in der Kammer schliefen. Fornari gebrauchte daher außer dem Fasten allerlei Mortificationen, um den lästigen Gast herauszubringen. Sie hüllte sich in ein härenes Hemd und zerfleischte sich den Leib mit gewaltigen und blutigen Geisselungen so lange, bis sie ohnmächtig wurde. Sie wendete, was vielen Leuten ohne Mühe so sehr gelingt, alles an, um sich vor der Welt recht lächerlich und verächtlich zu machen. Einen der lumpigsten Bettler erklärte sie zum Ehrenkavalier, und spazierte mit ihm Arm in Arm herum; mit Bettlern setzte sie sich in schlechter Kleidung auf die Straße, und bekam gemeinsam mit ihnen, wenn sie unverschämt wurden, von der Polizei den Staupbesen.
Ihr Beichtvater, Pater Zenon, ein Jesuit, welcher allerlei Gründe hatte, sie zu einer vollkommenen Devoten zu machen und welcher ihre herrlichen Anlagen zum Mysticismus zu verwenden gedachte, war der eigentliche Urheber all' dieser Dinge und hatte sie auf solche Weise zugerichtet. Um ihre Geduld zu prüfen, gab er der jungen Wittwe ein Bauernmädchen als Aufseherin und Mentorin, welchem sie blindlings zu gehorchen hatte. Es konnte sie auszanken, ja sie züchtigen, wie ein Kind, wenn sie nicht alles that, was sie verlangte. Bisweilen mußte sie, um in dem innerlichen Gebete sich zu üben, zu einem andern jungen Mädchen, welches die Sache besser los hatte, zum förmlichen Unterricht. In Gegenwart mehrerer andern Frauenzimmer hieß die Lehrerin sie niederknieen und das Paternoster hersagen, und wenn sie nur ein Wort verdrehte, bekam sie Ohrfeigen, daß sie blutroth davon wurde und man drohte ihr mit noch Schlimmerem, wenn es nicht besser gehen würde.
Hinlänglich eingeschult und eingearbeitet, legte sie nun mit Hülfe ihres Paters Hand an's Werk und errichtete zuerst ein kleineres, dann ein größeres Kloster zu Ehren Mariä Verkündigung. Man kann denken, in welchem Geist dieser neue Orden sich bewegt, dessen Mitglieder abwechselnd die Himmlischen, die Blauen und die Himmelblauen hießen. Fornari studirte auf die ausgesuchtesten Bußübungen.
Die Visitantinnen waren von Françoise Fremiot de Chantal gestiftet. Diese, ebenfalls eine junge Wittwe, hatte besonders durch die Schriften des heil. Franz von Sales die erste Anregung zum beschaulichen Leben und zur Devotion und später von ihm eine s. g. Methode erhalten. Ihr Orden, den sie mit der Hülfe eben dieses heiligen Mannes, zu Stande brachte, zeichnete sich mehr durch innerliche Demüthigung, als äußerliche Strenge aus. Die Novitzinnen bekamen zwar ebenfalls Züchtigungen mit Ruthen und Geisseln, aber noch mehr liebte man es, den Fehlenden den Mund zu knebeln, lächerliche Zettel auf die Stirne zu heften, oder große Brillen aufzusetzen und Holzstücke an die Nase zu binden. Bisweilen, wenn es mit den Verbeugungen, in welchen man besonders häufige Uebungen anstellte, nicht recht gehen wollte, wurde die Betreffende, gleich einem Esel, mit Steinen und Blöcken belegt, bis ihr Hals recht tief sich senkte, oder zwei junge starke Schwestern hielten sie an den Armen und drückten ihr den Kopf herunter, ganze Stunden lang. Das allzulange Liegenbleiben im Bette ward zuerst damit bestraft, daß die Novitzin den Kopfpfuhl mit ins Refektorium bringen, das zweitemal, daß sie der Länge nach auf den Boden sich legen und zu den Nonnen sagen mußte: liebe Schwestern, habt Barmherzigkeit mit mir deßhalb, daß ich so träge bin; das drittemal ward sie wie ein kleines säugendes Kind behandelt, eingewickelt und mit Brei gefüttert; wenn sie ferner sich verging, erschien die Mutter Novitzenmeisterin mit einer tüchtigen Ruthe vor ihrem Bette und maß ihr einen scharfen Schilling auf. Es gab jedoch Nonnen, welche die ganze Regel zu läppisch und zu weichlich hielten und den Visitantiner-Orden mit einem strengeren vertauschten; so erklärte einst eine: sie zöge die Geissel und das Cilicium des heiligen Franziskus von Assisi dem Honig und Zucker des heil. Franz von Sales vor.
Die Ursulinerinnen, welche gewöhnliche, kongregirte und Kloster-Ursulinerinnen als Abtheilungen zählten und von den Jesuiten ihre Regel erhalten hatten, auch mit denselben in Verbindung standen, widmeten sich ausschließlich dem Unterrichte von Kindern sowohl, als größeren Mädchen, zumal dürftigen Dienstmädchen; sie benahmen sich als der vernünftigste unter allen weiblichen Orden. Die Züchtigungen sowohl der Novitzen, als der Nonnen und der Eleven waren mild und selten. Oft schlug man den Flehenden bloß mit einer Ruthe auf die Hände. Von flagellatorischem Mysticismus war hier keine Rede. Am strengsten wurden Apostaten und Entlaufene gegeisselt. Einige Abtheilungen von Ursulinerinnen hatten den Unterricht ausschließlich ohne alle eigentliche Regel und ohne Disciplin. Der Orden im allgemeinen war sehr zahlreich durch verschiedene Länder namentlich durch Deutschland erbreitet Pragm. Gesch. d. M. O. V. und VI..