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III.
Die ersten Erscheinungen des Flagellantismus als allgemeines Bußsystem in Italien. – Der Beichtstuhl. – Die mystischen Andachtsübungen u. s. w.

Die Italiener gaben in dem Flagellations Fanatismus den ersten bedeutenden Anstoß; von ihnen aus verbreitete er sich über die meisten übrigen Länder. Die Heiligen Pardulph, Romuald, Rodulph, Dominikus der Gepanzerte und Petrus Damiani können als die Kirchenväter dabei betrachtet, werden. Pardulph, Benedektinermönch und Abt zu Karl Martells Zeiten, pflegte sich während der Fastenzeit ganz nackt auszuziehen und von einem seiner Schüler mit Ruthen peitschen zu lassen. Er aß niemals Fleisch und wusch sich nur in Krankheitsfällen; bei solchen pflegte er vor dem Gebrauch des Bades Einschnitte in das eigene Fleisch zu machen. Bei seiner Begräbniß gab es allerlei Verwirrungen, worunter wohl die scherzhafteste war, daß man das Maaß für den Leichnam um anderthalb Schuh zu kurz genommen hatte. Der Prior der Klosters war so wüthend, daß er die Handwerksleute, welche daran Schuld trugen, mit Peitschenhieben bezahlen ließ.

Der Abt Romuald, Gründer des Ordens von Camaldoli, pflegte nicht nur sich selbst, sondern auch seine Mönche entsetzlich zu prügeln. Es träumte ihm bisweilen, daß der Teufel ihn peitsche; wir wissen nicht, ob es der Teufel oder ein Heiliger war, welcher ihn dazu trieb, seinen eigenen Vater mit Ketten zu belegen und mit Ruthen zu schlagen, blos aus dem Grunde, weil dieser Lust hatte, das Mönchshandwerk aufzugeben. Der Vater, viel vernünftiger als der Sohn, wich endlich der Nothwendigkeit.

Noch ein sonderbarerer Mann war der Bischof Rodulf von Eugubio; er legte sich oftmal eine Pönitenz von hundert Jahren auf und entledigte sich derselben binnen zwanzig Tagen mit Hülfe von großen Besenschlägen und anderer Disciplinen. Jeden Tag betete er den ganzen Psalter, und meist in seiner Zelle, beide Hände mit dicken Ruthen bewaffnet, die er unbarmherzig auf sich spielen ließ.

Aber auch er war ein Stümper im Pönitenzgeschäfte, verglichen mit Dominicus Loricatus, dessen Leben und Thaten die Kirchenhistoriker vielfach beschäftigt haben. Ganz entkleidet und durch beide Hände mit furchtbaren Ruthen sich den ganzen Körper blutig zerhauen, war blos ein gewöhnliches Tagewerk bei ihm; in den Fasten that er ein Mehreres, und die Pönitenz von hundert Jahren wurde ununterbrochen vorgenommen. Wenigstens dreimal jedes Tags nahm er den ganzen Psalter vor, während er sich aus Leibeskräften disciplinirte. Seine Schüler und Biographen konnten nicht genug die Fertigkeit anpreisen, welche er im Gebrauch der Hände besessen, und er theilte blos seinen Vertrautesten das Geheimniß mit, in der kürzesten Zeit die größtmöglichste Summe von Streichen auszutheilen und dabei Psalter zu beten. Er brachte es, was letzteren Punkt betrifft, bisweilen sogar auf zwölf des Tages. Selbst sein würdigster Schüler und Nachahmer, Damiani, erklärt, daß er vor Furcht gezittert habe, als er diese schauervolle Unmöglichkeit bewahrheitet erfunden. Bisweilen gebrauchte er ganz eigenthümlich verfertigte Riemen, statt der Ruthen. Nie verließ er das Kloster, ohne eine Geissel im Busen zu verstecken, und er mochte übernachten, wo er wollte, so gab er sich, so gut er konnte, die Disciplin. Mangelte die Gelegenheit oder wehrte es der Anstand, sich nackt auszukleiden, so gab er dadurch Ersatz, daß er sich an den Leib, an Beine und Schenkel schlug, oder Faustschläge an Kopf und Hals und Ohrfeigen von der kräftigsten Sorte versetzte.

Diese Praxis hatte ihn so blaß, mager und eingefallen gemacht, daß er wie ein Gespenst umher lief und seine eigenen Freunde ihn oft nicht gleich erkannten.

Den höchsten Ruhm in Theorie und Anwendung des Flagellantismus erreichte jedoch Petrus de Damiani, Kardinalbischof von Ostia, früher Dominikanermönch zu Fonte Avellana. Er kann als der eigentliche Begründer des ehrwürdigen Systems betrachtet werden, und ein kraftvolles Leben und ein ausgezeichnetes Talent verschwendete er, um aus alter und neuer Zeit Beispiele des Geisselns und Belege für die Zweckmäßigkeit seiner Folgen aufzufinden, die heilige Lehre aller Welt anzupreisen und so viel Eingeweihte, als möglich, zusammen zu treiben. Mit einer Konsequenz ohne Gleichen bildete er die Theorie der freiwilligen Disciplin aus. Vor keinem, wie vor ihm, beugte Gretser so verehrungsvoll seine Kniee, und ganze Bände sind von der Schilderung seiner Verdienste angefüllt. Tag und Nacht schwebte ihm das Bild seines großen Meisters, Dominicus Loricatus vor Augen, und er weinte mehr als einmal blutige Thränen über seine Unfähigkeit, ihn zu erreichen, geschweige zu übertreffen.

Diese Unfähigkeit der menschlichen Natur stellte sich ihm auch bei Andern dar, und trieb ihn allmählig wider Willen zu Ermäßigungen in den Pönitenz-Statuten, die er seiner Kongregation gegeben. Ueberdieß fand er von Außen allerlei verdrießlichen Widerstand. Mehrere Mönche von vernünftigem Ansichten, sodann der Kardinal Stephan u. A. traten schriftlich wider ihn auf und verwarfen die von ihm vorgeschlagene Disciplinweise, besonders wegen der damit verknüpften unanständigen Entblößung; denn die zu Züchtigenden oder die Selbstzüchtiger zogen sich nackt aus. Sodann erklärte sich die florentinische Geistlichkeit in Masse gegen seine Pönitenzübungen, als eine gefährliche Neuerung in Kirchensachen.

Damiani erließ demnach Rundschreiben an die Mönche seines Ordens, und ersuchte sie, von allzu anhaltender Geisselung, als schädlich für die Gesundheit, abzustehen. Er verordnete auch, daß Niemand zur eigenen Disciplin sollte gezwungen werden können; derjenige aber, welcher dem heiligen Eifer dafür nicht zu widerstehen vermöchte, sollte an einem Tage höchstens 40 (in der Fasten- und Weihnachtszeit 60) Psalmen lang sich geisseln dürfen.

In Damiani's Kongregation war der löbliche Gebrauch eingeführt, daß, wenn ein Mönch starb, die übrigen Brüder für ihn sieben Tage hindurch fasteten, sieben Disciplinen, jede zu 100 Schlägen gerechnet, und 700 Kniebeugungen durchmachten; überdieß wurden dreißig Psalmen nach gewöhnlicher Weise dazu abgesungen. Starb dagegen eine Novize, noch ehe er die ihm auferlegte Buße hatte vollbringen können, so vertheilte man auf die billigste Weise von der Welt die ganze Buße zu gleichen Theilen unter die Brüder, und jeder schlug sich sein Prorata freudigen Gemüthes herunter.

Unser würdiger Kardinal unterhielt einen besonders lebhaften Briefverkehr mit einer sehr frommen Dame, einer gewissen Gräfin Blanka. Gegen diese, welche vermuthlich in seine Ideen eingegangen und entweder seine Zuchttochter oder eine eigene Quälerin ihres Leibes nach seinen Regeln geworden war, tauschte er seine Ideen über das Geisseln aus.

Er erlebte das Vergnügen, daß viele vornehme Frauenzimmer vom Lesen seiner Schriften, namentlich des salbungs- und erquickungsvollen Traktates »vom Lobe der Geisseln und der Disciplin« dahin gerissen, und vielleicht auch durch Blanka's Beispiel ermuthigt, eben so rüstig als die Männer zur Züchtigung des Fleisches schritten, und namentlich die Disciplin der hundert Jahre längere Zeit in vielen Städten Italiens zur Mode in den Privathäusern ward. Antonius von Padua prieß mit lauten Zungen diesen edlen Entschluß.

Der Kardinal hatte großen Aerger über die Beschränkungen, welche die öffentliche Meinung der verständigen Mehrzahl ihm auferlegte. Er fand in der heiligen Schrift ausdrücklich die Bestätigung seiner Lehre; er erklärte es für einen Widerspruch, das Geisseln an und für sich zu billigen und nützlich zu finden, und dann doch eine gewisse Zahl von Schlägen festzusetzen; er meinte: wenn eine Disciplin von 50 Schlägen erlaubt und gut sei, so müsse dieß mit einer Disciplin von 60, 100-200, ja 1000 und 2000 Schlägen noch mehr der Fall sein; denn es sei unvernünftig, den größten Theil einer Sache zu tadeln, deren kleinsten man doch gutgeheißen habe.

Den Vorwurf wegen Unanständigkeit bei der Entblößung erklärte Damiani für eine pure Heuchelei und er wies zur Widerlegung auf das Beispiel Christi hin; jener Vorwurf, meinte er, sei eine Herabwürdigung desselben und der Schaam Adams und Evas nach dem Falle zu vergleichen. Der Unstern für die Aufgeklärtem wollte es nun noch, daß mehrere der Gegner seines Pönitenzsystems plötzlichen Todes dahin starben; der Kardinal säumte nicht, solches als gerechte Strafe des Himmels für die vermessene Verspottung des Geisselns hinzustellen, und der Wahnsinn behielt sein Recht. Die Mönche, erschrocken, setzten ihre Freitagsübungen in den Klöstern weiter fort.

Durch Damiani's und Dominikus Beispiele und Schriften wurden die Geisselungen immer mehr in Italien verbreitet und drangen von da aus auch in andere Länder. Bereits hie und da sah man feierliche Umzüge mit Gebeten und Kasteiungen für Abwendung drohender Landplagen. Von dem Gebrauche der Geisseln erhielten letztere nach und nach sogar den Namen (Flagella Dei); Geissel und Landplage wurden identisch im Volksbegriff. Der heil. Antonius von Padua, auf den wir später etwas ausführlicher kommen werden, wird als der eigentliche Urheber solcher Prozessionen betrachtet Gretser. – Boileau. – Förstemann..

Zu gleicher Zeit nahm die Flagellation als Absolutionsbestandtheil im Beichtstuhle und bei geistlichen Uebungen so wie als geistliche Strafe für begangene Verbrechen, außerhalb der Klöster überhand. Man trifft jedoch davon auch in früheren Perioden mancherlei Spuren. Es wurde förmlich Sitte, daß die Beichtväter ihren Pönitenten nach vollendetem Akte, wie wir schon früher bemerkt, die Disciplin gaben, entweder in der Sakristei, oder hinter dem Altare, oder auch wohl in ihrer eigenen Wohnung. In verschiedenen Werken über die Beichte und Buße finden sich Vorschriften der Kirche oder der Kasuisten, wie die Sache vorzunehmen sei; auch die Frauenzimmer waren davon nicht ausgenommen. In einer höchst seltenen und seltsamen Schrift liest man die merkwürdige Bestimmung: Adeliche Damen, die im Banne sich befinden und davon die Lossprache wünschten, soll man nicht ganz entkleiden und auf das bloße Fleisch, sondern über ein sehr dünnes Kleid geisseln; es komme nicht auf die Stärke der Schmerzen, sondern auf die Demuth der Büßenden an. Nichts destoweniger trieben die Geistlichen an vielen Orten und in vielen Ländern den bisherigen Brauch fort und gaben den Damen die Disciplin nach eigenem Belieben, bald secundum supra, bald secundum sub. Michael Scot In dem Werke Mensae Philosophicae. und nach ihm Menage In der Curiositäten-Sammlung Menagiana, woselbst die Sache auch in Versen zu lesen ist. theilen deßhalb eine ergötzliche Anekdote mit.

Ein Ehemann, dem man übrigens nachredete, daß er sehr von Eifersucht behaftet sei, führte seine junge, hübsche Frau zur Beichte. Nachdem das gottselige Werk geschehen, sollte einer der wesentlichen Bestandtheile des Sakraments, die Buße, gleich in loco seine Erledigung erhalten. Der Priester hatte ihr eine Disciplin verordnet und er nahm die Dame, welche in den Gebrauch sich willig fügte, mit hinter den Altar, wo die Executionen vor sich zu gehen pflegten. Schon hatte sie sich in gehörige Stellung versetzt, um die Streiche zu empfangen, als den Gatten seine vorherrschende Leidenschaft anwandelte und er, scheinbar voll Mitleid, ausrief: »O Herr! seht nur, wie zart sie ist. Lasset mich für sie die Pönitenz empfangen!« Die Schöne, sei es, daß ihr das Spiel, welches nun verdorben worden, kurzweilig gedäucht, oder daß sonst irgend eine Bosheit ihr in den Sinn gekommen, rief mit vieler Laune aus: »Nun gut; schlagt nur recht tüchtig zu, ehrwürdiger Herr, denn ich bin eine große Sünderin!«

Ein Frauenzimmer in England, die wegen Galanterien sich berüchtigt gemacht und als Zuhälterin eines Priesters, großes Aergerniß unter der Gemeinde gebracht hatte, setzte sich einst freventlich auf das Grab des heil. Osanna. Aber, o Schrecken! sie vermochte nicht mehr aufzustehen und schien wie angenagelt oder vom Schlage gerührt, bis man eine tüchtige Tracht Ruthenhiebe ihr zugetheilt Boileau..

Ein merkwürdiges Beispiel in dieser Hinsicht gaben der heil. Edmund, nachmals Erzbischof von Canterbury und der heil. Bernardin v. Siena. Ersterer ward während seiner Studienzeit zu Paris von einem hübschen Mädchen zur Ungebühr versucht; er sagte in der Herzensangst zu, ließ die Schöne in sein Zimmer kommen, empfing sie aber so fürchterlich mit der Geissel, daß sie am ganzen Körper keinen gesunden Fleck mehr hatte. Der andere hatte das Unglück, einer reizenden Bürgersfrau seiner Vaterstadt zu gefallen. Sie rief ihn eines Tages, als er in einen Bäckerladen treten wollte, um Brod zu kaufen, in ihre Wohnung herauf und machte ihm einen ungeziemenden Antrag. Der neue Joseph ward blutroth; aber unsere Potiphar, vermeintlich klüger, als die erste, hatte das Zimmer hinter ihm zugeschlossen und setzte ihm fortwährend heftig zu. Unser Heiliger erfand jetzt einen ganz eigenen Ausweg. Er erklärte sich überwunden, ersuchte jedoch die Dame, sich völlig auszuziehen, damit der verabredete Scherz bequemer getrieben werden könne. Ohne Argwohn folgte sie; als sie nun aber in einer Situation sich befand, worin aller Widerstand unmöglich, zog er aus seiner Tasche eine Geissel hervor, womit er so stark und so lange auf sie zuhieb, bis sie sich von aller Leidenschaft geheilt erklärte. Die Frau war durch diesen Akt so sehr zerknirscht, daß sie ihrem Manne Alles gestand, ihm fortan die unverbrüchlichste Treue schwur, den keuschen Seelenarzt aber nur um so feuriger und reiner liebte. Der Ehemann selbst bewahrte ihm, wie natürlich, Zeitlebens dankbare Hochachtung P. Natalis Catal. Sanctorum.– L. Surii Vitae Sanctorum. (Nov.).

Selbst von vornehmen und fürstlichen Personen lesen sich dergleichen zum Beichtstuhl und zu den geistlichen Privatübungen gehörigen Scenen. Daß der heil. Ludwig (IX.) täglich sich von seinem Beichtvater die Disciplin geben ließ, ist bekannt. Der Pfaffe schlug so stark zu, daß der König in der Folge doch etwas froh war, in seinem Nachfolger einen mildern Pönitentiärius erhalten zu haben. Auch Kaiser Heinrich II., Gemahl der keuschen Kunigunde, ließ sich von Zeit zu Zeit die Disciplin verabreichen. König Heinrich III. von England ließ sich zur Versöhnung des Zorns seiner Prälaten und zur Beschwichtigung des Widerstandes seiner Vasallen von Priestern, die Grafen Raymund von Provence und Gilles v. Venaissin, so wieviele Andere, von dem Pabste selbst zu ähnlichen Zwecken discipliniren.

Unter den Fürstinnen, welche keine Scheu trugen, durch die blindeste Unterwerfung unter mönchische Zucht, dem herrschenden Zeitgeschmack zu huldigen, erzählt die Geschichte besonders zwei sehr seltsame, von der heiligen Brigitta von Schweden und der heil. Elisabeth von Thüringen. Erstere, die heil. Brigitta, eine Prinzessin von Geburt und Wittwe des Königs Sueno, behauptet in der mystischen Litteratur eine ausgezeichnete Stelle. Merkwürdigerweise drücken ihre Offenbarungen, welche viel Poetisches, Gemüth und bisweilen selbst Geistvolles enthalten, ihre besondere Passion für die Materie des Geisselns in einer Reihe von Kapiteln aus. Eine Legende von ihr erzählt, daß sie schon als 10 oder 12jähriges Mägdlein die Gewohnheit gehabt habe, ganz entblößt vor einem Kruzifixe zu beten. Ihre Muhme überraschte sie einst in dieser Situation und hieß, da sie Unrath witterte, eine Ruthe ihr bringen. Das Mägdlein unterwarf sich geduldig dem Bevorstehenden; allein kaum hatte sie die ersten Streiche verkostet, als, durch irgend ein mirakulöses Zeichen, ihr Erleuchtung zukam und sie über den kostbaren Schatz belehrt wurde, den sie im Hause besaß. Von nun an hatte Brigitta keine Störung mehr in ihren Andachtsübungen zu befürchten, und sie konnte sich unbedenklich an- und abziehen und sich selbst so oft und so lange die Ruthe geben, als sie nur wollte.

In den Revelationen sind scharfsinnige und ausführliche Untersuchungen über die Geisselung Christi und über den größeren oder geringeren Grad ihrer Schmerzhaftigkeit, über die Zahl der Streiche u. dgl. enthalten und Brigitta giebt die Resultate mit einer erstaunenswerthen Bestimmtheit und mit ängstlicher historischer Treue an.

Am konsequentesten blieb sie ihrem flagellatorischen Prinzipe ihrer Tochter gegenüber. Katharina war allmählig zu einer schönen Jungfrau herangewachsen. Sie ging redlich in die Andachtsübungen der Mutter ein, fühlte aber doch, da die Gestalt eines jungen, von ihr leider durch Länder und Meere getrennten Mannes, Wurzel in ihrem Herzen gefaßt, Sehnsucht nach der Welt und ihren Freuden. Oft hatte sie nächtlicher Weile Versuchungen, welche sie quälten. Sie klagte ihren Zustand der Mutter, und diese wußte alsbald Rath. Sie ersuchte ihren Beichtvater, sich des armen Mädchens anzunehmen und ihm einen tüchtigen Schilling zu geben. Der Priester bequemte sich zur Sache und die schöne Katharina bekam in Beisein der Mutter, welche sie zur Standhaftigkeit ermunterte, in ihrem Schlafzimmer die Ruthe. Anfänglich war sie heroisch genug, den hochwürdigen Zuchtmeister zu bitten, sie ja nicht zu schonen, und derselbe ließ sich väterlich die Kommission recht angelegen sein, bis zuletzt es ihr denn doch zu viel wurde und sie die Erklärung gab: sie spüre, daß die Versuchung völlig gewichen Diese Geschichte kann man buchstäblich in der den Revelationen vorangesetzten Vita St. Brigittae et St. Catharinae Suecensis, verfaßt von geistlicher Hand, lesen.. Nicht so gut kam die arme Landgräfin Elisabeth, Tochter des ungarischen Königs Andreas, eine Frau von ausgezeichneter Schönheit und lieblichem Wesen, mit ihren Exercitien weg. Sie war, schon von zarter Jugend an in schwärmerischer Frömmigkeit befangen, dem Mysticismus ganz in die Arme gefallen. Sie zermarterte ihren zarten Leib mit Bußübungen jeder Art. Als Gemahlin des Landgrafen, eines schönen ritterlichen Fürsten, der sie sehr liebte, trieb sie die Sache weiter fort, und das Geisseln spielte stets die Hauptrolle. Oft schlich sie sich mitten in der Nacht aus der ehelichen Kammer, weckte ihre Frauen und ließ sich in einem besonderen Zimmer von ihnen die Disciplin geben, bis dieselben mit Thränen sie um Barmherzigkeit gegen sich selbst beschworen. Nachmals begab sie sich ganz unter die Leitung des berüchtigten Dominikanermönchs, Konrad von Marburg, der in Deutschland die Inquisition, jedoch nur auf kurze Zeit, einzuführen versucht hatte. Dieser Gewissensrath übte eine tyrannische Gewalt über sie aus, auf eine Art, die wohl an keinem Hofe ihres Gleichen hatte. Sie mußte blindlings ihm folgen, wie ein Kind, und sie that es willig und gottergeben. Einst, als sie Besuch von fürstlichen Verwandten hatte und auf den Befehl Konrads, zu seiner Predigt oder Homilie zu kommen, nicht erschienen war, gerieth er in solchen Zorn, daß er sich ihrer Seelcuratorschaft gänzlich zu begeben und von ihr zu scheiden drohte. Elisabeth bat ihn auf den Knieen um Verzeihung und erklärte sich zu jeder Strafe bereit. Diese blieb nicht aus; sie und ihre vier Hofdamen, welche die Veranlassung ihres Ungehorsams gewesen sein mußten, wurden bis auf das Hemd ausgezogen und mit Ruthen gezüchtigt. In späterer Zeit, nach des Gemahles Tod, ward die Behandlung noch strenger, und selbst die Aufseherinnen, denen Konrad sie anvertraute, erlaubten sich manches Schimpfliche gegen sie. Konrad, welcher für sich selbst und seinen Orden sparte, bestrafte sie mehr als einmal selbst für ihre Freigebigkeit. Am grausamsten benahm er sich jedoch gegen sie, als sie einst mit ihrer vertrautesten Freundin und bisherigem Kammerfräulein Irmtraud, gegen sein Verbot ein benachbartes Kloster besucht, welches nicht das Glück hatte, dem gottesfürchtigen Manne zu gefallen. Er behauptete, es sei durch diesen Besuch ein Bruch der Regel vorgegangen und hielt eine exemplarische Bestrafung für nothwendig. Beide, die Fürstin und die Zofe, mußten sich auf die Kniee werfen, und während Konrad das Miserere betete, empfingen sie von der Hand seines Gehülfen, des Laienbruders Gerhard, mit einer großen und dicken Ruthe eine nach der andern einen Schilling, Elisabeth einen so doppelt scharfen, daß die Striemen nach 4 Wochen noch sichtbar waren. Sie litt es mit schweigender Demuth, stärker hierin, als König Ludwig der Heilige, welcher bei einer ähnlichen Operation sich über die Härte seines Beichtvaters etwas empfindlich gezeigt. Als der Schenk von Argula, ihr alter treuer Freund und Vertrauter, sie nämlich nach dieser Zeit besuchte, sein Mißvergnügen über die zu weitgetriebene Unterwürfigkeit gegen den Mönch und das zweideutige Geschwätz der Leute ihr nicht verhehlte, welche in ihrer Verbindung mit Konrad ein Liebesverhältniß witterten, zeigte sie, die weibliche Schaam zur Bekräftigung der Wahrheit überwindend, dem Ritter die Striemen an ihrem Leibe, mit den Worten: seht da die Liebe, die der heilige Mann zu mir trägt, und die ich zu ihm trage! Der Schenk ging gerührt von dannen, über den frommen Wahnsinn der sonst so verständigen Freundin tief erseufzend.

Merkwürdig ist, daß Elisabeth bisweilen auch selbst die Ruthe gegen ihr Geschlecht brauchte, gegen Weiber, die ihr boshaft schienen, oder gegen faule Dienerinnen. Der Geschichtschreiber der Heiligen, Laurentius Surius, hat uns die meisten dieser Dinge mit seiner gewohnten Gewissenhaftigkeit berichtet; andere gehen aus den Thüringhessischen Chroniken und den noch vorhandenen, bei Anlaß der Kanonisirung gebrauchten Aussagen der vier Kammerfräuleins Menchen: Scriptor. rer. germanic. hervor, welch' letztere mit vollem Rechte sagen konnten: Quorum ego pars ipsa fui, quaeque ipsa miserrima vidi (sensi) Am vollständigsten hat die Geschichte des Lebens und der Leiden Elisabeths der Generalsuperintendent Justi sowohl besonders, als in mehreren Aufsätzen (in Pölitz's Annalen) beschrieben. VergL damit auch Menzel: Gesch. der Teutschen und Raumer: Gesch. der Teutschen und Raumer: Gesch. der Hohenstaufen, III. u. V..

An diese zwei erlauchten Mystikerinnen reihen wir eine dritte, die Herzogin Hedwig von Polen. Dieselbe versuchte sich in jeder Art von Selbstpeinigung, in Disciplinen, Cilicien, Fasten u. s. w. Doch lassen wir unsern gelehrten Surius über sie sprechen. »Um Christo, der für alle gestorben ist, leben zu können, tödtete Hedwig die Glieder ihres Leibes auf das härteste mit Geisseln ab. Sie nahm das Kreuz der täglichen Züchtigung auf ihre Schultern und schritt Christus mit männlicher Brust nach, weil sie sich aus Liebe zu ihm nicht fürchtete, ein Opferlamm zu werden, in Erinnerung der unermeßlichen Liebe, welche ihn bewogen, für das Heil Aller sich kreuzigen zu lassen. Mit dem Dolche der Leiden erstach sie das Laster, bändigte sie die thierischen Triebe, zähmte sie den Muthwill der äußern Sinne und zwang sie den innern Menschen zu Einschlagung des Gnadenwegs und zum Wandeln auf dem Pfade der Tugend und Vollkommenheit.

»Da sie jedoch Christo, welcher unsertwillen völlig entblößet ans Kreuz geschlagen wurde, nicht so ganz nachfolgen konnte, darin, daß auch sie sich völlig entblößete, so strebte sie wenigstens auf das standhafteste ihm darin nachzuahmen, daß sie die dünnsten und schlechtesten Kleider anzog, welche sie kaum zur Nothdurft bedeckten und blos in demjenigen bestanden, was unsere durch die Sünde verdorbene Natur schlechterdings nicht entbehren kann. Ab warf sie dagegen allen Prunk von kostbaren Seide- und Pelzstoffen, an denen sie Ueberfluß hatte. Im Winter und Sommer, in Hitz und Kälte, trug sie ein einziges Gewand und einen einfachen Mantel auf ihrem Leibe, der von Fasten ganz abgemergelt war. Unter ihrer schmutzigen und bleichen Haut, welche durch die unaufhörlichen Geisselstreiche eine ganz eigene Farbe erhalten hatte, und stets mit Striemen und Wunden überdeckt war, schienen nichts mehr als Knochen übrig zu sein. Aber sie achtete nicht den Frost, der den Außenleib quälte; sie fühlte nur die heilige Liebe im Innern brennen.«

Ihre Verwandten, ihre Schwestern, ihre Dienerinnen, ja ihr eigener Beichtvater hatten schwere Noth, um sie nur einigermaßen zur Nachsicht gegen sich selbst zu vermögen. Nicht einmal Schuhe konnte man ihr während der schlechtesten Jahreszeit anbringen. Das Geisseln, wiewohl allmählig gar nichts mehr vorhanden war, was gegeisselt werden konnte, nahm gar kein Ende und bildete ihr tägliches Hauptmahl Surius: de Discipl. T. V. C. 10, 13..

Ohngefähr auf dieselbe Weise trieb es Maria v. Cugny. Tag und Nacht beugte sie vierzig Tage lang 1001 Mal die Kniee, rief die heilige Jungfrau an, und betete den Psalter. Wenn dann der Geist sie ergriff, nahm sie eine tüchtige Ruthe und schlug sich damit bei jeder Verbeugung. Gewöhnlich strömte bei den letzten paar hundert Streichen das Blut von ihr, was sie zugleich als Sühnopfer für die Sünden Anderer darbrachte Gretser: Virgidemia. C. V..

Selbst die heilige Hildegard zu Köln, diese herrliche, geistreiche und gemüthvolle, mit ächt prophetischem Blicke, mit schätzbaren Kenntnissen und praktischem Verstande begabte Frau, war nicht frei von dieser Verirrung des Mysticismus. Sie redet ungewöhnlich viel von der Ruthe, wenn sie den geistlichen Herren schreibt. Freilich ist die Sache meist in geistlich-mystischem Sinne zu nehmen. Es war ihr Ernst bei ihren Reformationsversuchen. In ihren Schriften liegt ein Schatz von Weisheit und Begeisterung.

Gretser füllt ganze Kapitel mit ähnlichen Beispielen bei Männern und Frauen an, wie die hier mitgetheilten, und was

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er etwa vergessen haben mochte, trägt Thiers Critique de l'histoire des Flagellans. nach. Wir begnügen uns jedoch mit dieser Auswahl.

Merkwürdig bleibt, daß viele solcher begeisterter Flagellomanen selbst im Traume keine Ruhe hatten und darin ebenfalls die Disciplin empfingen. Das »Agonisticum spirituale« unseres Jesuiten enthält ein eigenes Kapitel über solche Traum- und Visions-Geisselungen. Sodann kommen auch noch in Lebensbeschreibungen mancher Heiligen oder in den Legenden von Laien, Priestern und Mönchen Geisselungen vor, welche durch die Jungfrau Maria oder durch Engel und Heilige vollzogen worden. Endlich sah mehr als ein frommes Gemüth mit leibhaftigen Augen, wie bisweilen der Teufel selbst für seinen Uebermuth von Heiligen gepeitscht wurde.


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