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Eine Rache

Zur Zeit König Philipps des Zweiten lebten in Madrid zwei Liebespaare, welche durch eine gemeinsame Freundschaft verbunden waren und in gleicher Weise durch ein Unglück äußerer Verhältnisse bekümmert wurden, denn es schien nach allem menschlichen Ermessen nicht möglich, daß sie das gewünschte Ziel einer jeden Liebe erreichten, nämlich ein glückliches und frohes Zusammenleben und ein Aufziehen geliebter Kinder.

Der eine junge Mann hieß Don Diego und seine Geliebte hatte den Namen Silvia. Die beiden stammten aus vornehmen und wohlhabenden Familien, sie waren die einzigen Kinder ihrer Eltern, sie waren beide gesund, schön und wohlerzogen, und es sprach nichts gegen ihre Verehelichung, das in unserm heutigen Sinn verständig gewesen wäre; aber eine alte Feindschaft trennte die Stämme, und es war nach den Begriffen der Zeit unmöglich, daß Don Diego die Hand der Geliebten von ihrem Vater erhielt.

Der andere Jüngling hieß Don Ferrante und seine Geliebte wurde Lucrezia genannt. Bei diesem Paar lag ein andrer Hinderungsgrund vor. Don Ferrante war arm und entstammte einer unadligen Familie; er war durch Tüchtigkeit und vielleicht auch durch andere Eigenschaften schnell in die Höhe gekommen als Vertrauter des ersten Ministers des Königs. Donna Lucrezia hatte noch einen Bruder, Don Alfonso, der einmal das Vermögen der Familie erhalten sollte; sie selber war also vermutlich gleichfalls einmal arm; trotzdem hätte ihr Vater sie nie dem Don Ferrante gegeben, denn seine Familie gehörte zu den vornehmsten des Königreiches.

Weder Don Diego und Don Ferrante, noch Donna Silvia und Donna Lucrezia waren von Hause aus miteinander befreundet gewesen. Aber da die Eltern der beiden Damen Nachbarn waren, so traf es sich, daß die jungen Männer einander begegneten, als sie nachts auf der Straße ihren Geliebten aufwarteten; und die Gleichheit ihrer Lage schuf denn so zuerst zwischen ihnen, dann zwischen den Mädchen ein näheres Verhältnis, wie ja die Jugend leicht bereit ist zu Freundschaftsbündnissen, wenn nur Gelegenheit zum Austausch von Gedanken und Plänen vorhanden ist, oder zu gelegentlicher Hilfeleistung, indessen das reifere Alter mehr auf Übereinstimmung der Gesinnungen und Willensneigungen achtet.

In einer Nacht hatte eine Verabredung bestanden, daß die beiden Jünglinge vor den Fenstern der Mädchen stehen sollten, um mit ihnen nach gewohnter Art zu sprechen. Die Damen warteten auch beide hinter den Gittern auf ihre Freunde, aber nur Don Diego kam; er trat zunächst vor Donna Lucrezias Fenster, um den Freund zu entschuldigen, der Minister hatte ihm in letzter Stunde eine wichtige Arbeit übergeben, welche er in der Nacht fertigstellen mußte.

Während Don Diego nun so mit der Geliebten des Freundes sprach – er hatte sich auf den Vorsprung der Grundmauer geschwungen, wo er mit den Fußspitzen stand, indem er sich mit den Händen an den nach außen gebogenen Stäben des Fenstergitters festhielt – wurde die Haustür schnell aufgerissen, ein Mann mit gezogenem Degen stürzte heraus, rief ihm zu, er solle sich wehren, und indem Don Diego kaum Zeit gewann, auf den Fußsteig zurückzuspringen und sich in Verteidigung zu setzen, warf er sich ihm auch schon ungestüm entgegen. Don Diego erkannte Donna Lucrezias Bruder. Er verteidigte sich und rief ihm zu, es liege ein Irrtum vor; der andere hörte nicht auf seine Worte, schrie, er sei ein Feigling, kämpfte rücksichtslos; im Haus wurde es lebendig, Lichter erschienen in den Zimmern, Fenster wurden geöffnet, man rief, Geräusch von Schritten auf der Treppe wurde gehört; vergeblich erneuerte Don Diego in abgebrochenen Worten seine Erklärung; Leute kamen aus der Haustür und wollten sich gleichfalls auf ihn stürzen; es blieb ihm nichts übrig, als nun ernstlich zu kämpfen, denn es ging um sein Leben; und als geschickter Fechter brachte er seinem Gegner einen Stoß bei, daß er zu Boden sank, wendete sich gegen die Bedienten, welche auf ihn eindrangen; die wichen zur Seite, als sie seine Entschlossenheit sahen, machten sich beflissen um den Gefallenen zu schaffen, und so konnte Don Diego mit ein paar Sprüngen im Dunkel verschwinden.

Der Getroffene starb auf der Stelle an seiner Wunde. Man hatte Don Diego erkannt, und so klagte der Vater ihn an. Man ergriff ihn, stellte ihn vor Gericht; er konnte nicht erklären, weshalb er am Fenster gewesen, denn er durfte das Verständnis des Freundes mit Donna Lucrezia nicht verraten, die Richter mußten annehmen, daß der Gefallene habe die Ehre seiner Schwester gegen einen unredlichen Liebhaber verteidigen wollen; das erschwerte seinen Fall; und so wurde denn Don Diego, obwohl er nur aus Notwehr gehandelt hatte, zum Tode verurteilt.

Der alte Vater der Donna Lucrezia wohnte der Gerichtssitzung bei. Als das Urteil verlesen war, das alle mit abgenommener Kopfbedeckung angehört hatten, strich er sich mit zitternden Händen über das dünne weiße Haar und begann mit bebender Greisenstimme: sein Sohn sei tot und werde durch die Hinrichtung seines Mörders nicht wieder lebendig; seine Tochter sei entehrt und müsse ins Kloster gehen. Er bitte die Richter um die Gnade, dem Verurteilten aufzuerlegen, daß er Donna Lucrezia heirate. So werde er wenigstens Enkel bekommen, wenn auch freilich sein Name aussterbe.

Die Richter berieten unter sich über das Verlangen des alten Mannes, dann entschieden sie in einem Zusatz zu ihrem Urteil, daß der Angeklagte von der Todesstrafe frei sein solle, wenn er nach dem Wunsche des Vaters Donna Lucrezia eheliche.

Don Diego dachte an seine Liebe zu Donna Silvia, an die Stunden, welche er unter ihrem Fenster mit ihr gesprochen, an die Hoffnungen, die er bei aller Unmöglichkeit sich ausgemalt hatte, daß er einst mit ihr zusammen in Liebe und Glück leben werde; die Tränen kamen ihm fast bis an die Augen, aber er unterdrückte sie tapfer und sagte, er schätze zwar Donna Lucrezia als eine keusche. vornehme und schöne Dame, und er fühle sich sehr geehrt durch den Wunsch des alten Mannes, dem er ohne sein Wollen ein solches Übel angetan, aber er könne Donna Lucrezia nicht ehelichen, denn er liebe eine andere, und lieber wolle er in den Tod gehen, als der untreu werden. Der Vorsitzende der Richter antwortete ihm verdrießlich, er habe noch eine Woche Bedenkzeit im Kerker, und er könne vielleicht das große Glück, das ihm durch das Angebot werde, im Laufe dieser Woche noch begreifen. Dann gab er einen Wink und Don Diego wurde abgeführt.

Donna Silvia hatte durch eine vertraute Person, welche auf ihre Bitte der Rechtshandlung beigewohnt, alles, wie es vor sich gegangen, gehört. Sie fand einen Weg, um die Gefängniswärter zu bestechen, daß sie ihr erlaubten, den Gefangenen zu besuchen und zu sprechen; und so verkleidete sie sich in männliche Tracht, verließ heimlich das elterliche Haus und wurde zu dem Geliebten geführt. Er lag in einer engen Zelle, mit einer schweren Kette an die Wand angeschlossen, wie ein gewöhnlicher Verbrecher; denn sein Widerstreben hatte die Richter aufgebracht; sie hatten besondere Anweisung gegeben, seinen Stand nicht zu berücksichtigen, und der Wärter hatte ängstlich die Befehle erfüllt, denn es wurde öfters nachgesehen, ob sie auch befolgt würden. Als die beiden sich zum erstenmal nach dem Unglück wiedersahen, da weinten sie und konnten lange nicht sprechen. Aber endlich setzte sich Donna Silvia auf die schlechte Pritsche, und Don Diego setzte sich neben sie, und dann sagte sie, daß sie wohl wisse, er wolle Donna Lucrezia nicht ehelichen wegen seiner Liebe zu ihr selber. Und freilich werde diese Ehe ein großer Schmerz für sie sein, denn sie habe immer im stillen gehofft, daß ein Wunder vielleicht ihnen beiden ermöglichen werde, daß sie sich angehören könnten, aber noch elender wäre sie, wenn er nun stürbe; denn weil sie ihn liebe, so scheine ihr, daß er wichtiger sei wie sie, und sie denke immer, daß ein Mann doch noch anderes habe wie die Liebe, und das wolle sie nicht, daß das alles zugrunde gehe ihretwegen. Und so redete sie noch manches, das klug und besonnen war und gegen ihr eignes Gefühl ging, denn ihr Gefühl war, ihm zu sagen, daß sie mit ihm zusammen sterben wolle.

Don Diego dachte an seine Eltern, an den König, dem er sich schuldig war; mit trocknem Auge stand Donna Silvia vor ihm und sprach, daß wir Gott verantwortlich sind für dieses Leben, das er uns doch gegeben. Auch sein Auge blieb trocken, aber es brannte ihm, wie ihr das Auge brannte. Er nahm ihre Hand in die kettenklirrende seine, küßte sie, die kalt und leblos war, und versprach ihr, zu tun, was sie ihm befehle, und was auch seine Pflicht sei. Sie lächelte hilflos, wendete sich und ging; aber hinter der Tür warf er sich auf die Erde, krallte sich mit den Fingern in den feuchten Boden und weinte unterdrückt, als wollte es ihm das Herz abstoßen.

Nun gab Don Diego den Richtern kund, daß er den Willen von Donna Lucrezias Vater erfüllen wolle. Donna Lucrezia machte keine Einwendungen. Don Diego wurde freigelassen, und noch an demselben Tage, wo er das Gefängnis verließ, wurde die stille und traurige Hochzeit gefeiert. Don Diego hatte ein Staatsamt inne, dessen Arbeiten er bis nun in der nachlässigen Weise erfüllt hatte, welche bei einem vornehmen jungen Herrn jener Zeit natürlich war. Nach seiner Verheiratung widmete er seine ganze Zeit seinem Dienst und solchen Studien, welche ihn für seine Tätigkeit weiterbilden mußten. Es wurde von ihm gesprochen, daß er ehrgeizig sei, daß er eine große Laufbahn erstrebe. Don Ferrante machte einmal gegen den Minister eine Bemerkung über ihn, welche in solchem Sinne gedeutet werden konnte, der Minister antwortete ihm lächelnd: »Den Mann können Sie freilich nicht verstehen, mein Lieber.«

Der freundschaftliche Verkehr zwischen Don Diego und Don Ferrante ging wie früher. Don Ferrante war oft im Hause des Freundes, er sprach viel mit Sennora Lucrezia, die früher seine Geliebte gewesen war. Wir wissen nicht, was Don Diego fühlte, ob ihm nicht die Vertraulichkeit der beiden unpassend erschien; aber jedenfalls sagte er nichts und trug eine immer gleichmütige Miene zur Schau.

Man muß bedenken, daß die Spanier in einem solchen Fall ganz anders empfinden, wie die kälteren nördlichen Völker, daß Eifersucht bei ihnen leichter erregt wird, vielleicht weil leichter Grund für sie ist; und daß Eifersucht in Spanien eine wilde Leidenschaft ist. Wie auch immer das Benehmen Don Diegos mochte zu erklären sein, jedenfalls muß man daran denken, wenn man die Handlungsweise der Donna Silvia begreifen will.

Sie spürte, daß man anfing über Don Diego zu lächeln. Jeder hütete sich zwar, etwas zu sagen, das ihm denn große Unannehmlichkeiten hätte zuziehen können; aber es ist ja nicht nötig, daß unmittelbar oder verblümt in solchen Angelegenheiten etwas herausgesprochen wird; wo die Möglichkeit einer Lästerung vorliegt, da verstehen sich die Menschen auch ohne Worte. Donna Silvia wurde von heftiger Angst ergriffen, daß Don Diego von den ungesprochenen Vermutungen der Menschen Kenntnis bekommen könne und daß dann ein Unglück geschehe. Sie wollte ihn bewahren, und ergriff dazu ein Mittel, das wohl recht gefährlich war und vielleicht kindlich genannt werden kann; sie wußte es nämlich durch Bewegungen und Blicke zu bewirken, daß Don Ferrante meinte, sie habe nun, nachdem ihr Geliebter ihr genommen, ihre Liebe ihm zugewendet.

Was den unmittelbaren Erfolg betrifft, so war ihre Rechnung jedenfalls richtig gewesen. Don Ferrante ließ sich durch seinen Ehrgeiz bestimmen und wendete sich ihr zu, man wußte bald, daß er ihr den Hof machte, und die Aufmerksamkeiten, welche er für Sennora Lucrezia hatte, konnten nun nicht mehr übel gedeutet werden.

Aber im weiteren Verlauf der Handlung kam es denn zu Geschehnissen, welche Donna Silvia nicht geahnt. Sie hatte bis dahin nur den zärtlichen, rücksichtsvollen und vornehmen Don Diego gekannt und hatte gemeint, daß nach seiner Art alle Männer seien. Don Ferrante aber war von einem ganz anderen Schlage. Vielleicht war der Grund eine Gemeinheit seiner Seele überhaupt, vielleicht auch nur, daß er Donna Silvia nicht liebte, jedenfalls verwendete er kaltblütig alle die Listen und Mittel, welche in einem Liebesverhältnis der Unedle und Gleichgültige zu seiner Verfügung hat, und welche ja meistens vom weiblichen Teil gebraucht werden, da der männliche gewöhnlich leidenschaftlicher verliebt ist; er bestürmte sie mit dem Vorwurf, daß sie ihn nicht liebe, er tat plötzlich kalt; er erweckte ihr Mitleid; er spielte den Eifersüchtigen und verlangte den Beweis, daß die Eifersucht unbegründet sei; er wünschte auf die Probe gestellt zu werden, daß er ihr Vertrauen verdiene; und so verstrickte er in kurzer Zeit die geradsinnige und einfache Silvia derart, daß sie ihm, den sie gar nicht liebte, ohne es zu wollen, die letzte Gunst gewährte.

Wir können uns ihre Verzweiflung und Gewissensvorwürfe denken. Sie beschuldigte sich, daß sie gegen ihre Eltern gefehlt, noch mehr, daß sie ein schändliches Unrecht gegen Don Diego begangen. Ihre Angst wuchs, daß ihr Vergehen Folgen haben könnte, durch welche sie und ihre Familie öffentlich entehrt würden. Und zu allem kam noch ein unbestimmtes Grauen vor Don Ferrante. Denn trotz ihrer Unschuld fühlte sie doch nun, wo sie solche dumpfen Sorgen nicht mehr unterdrückte, weil sie ja doch nicht mehr zurück konnte, daß Don Ferrante ein schlechter Mensch war, daß er sie nicht liebte, und daß er sie und ihre Nachgiebigkeit zu einem bestimmten schlechten Zweck verwenden wollte.

Als sie in solchen fürchterlichen Gedanken allein in ihrem Zimmer saß, bald aufsprang und gedankenlos aus dem Fenster starrte, bald eine Handarbeit nahm und wieder fortlegte, bald sich wieder setzte mit ratlosem Gefühl, auf den Boden sah und sich vergeblich anstrengte, ihren Geist auf das Finden eines Ausweges zu lenken, da führte eine Dienerin Sennora Lucrezia ein, welche ihr einen freundschaftlichen Besuch machen wollte.

Sennora Lucrezia umarmte sie, küßte sie auf beide Wangen, drückte sie auf einen Stuhl, setzte sich ihr gegenüber, blickte ihr in die Augen, lachte, nahm ihre Hände und streichelte sie, und begann dann eine lange Rede.

Deren Inhalt war, daß Don Ferrante ihr alles erzählt habe, daß sie aber gar nicht eifersüchtig sei, denn Donna Silvia sei doch ihre liebste Freundin. Sie weinte einige Tränen und fuhr fort, nun wisse auch Donna Silvia, wie Liebe tut, und werde verstehen, wie ihr, Lucrezia, zumute sei an der Seite eines ungeliebten Gatten. Donna Silvia saß erstarrt auf ihrem Stuhl, Sennora Lucrezia sprang auf, kniete vor ihr nieder, nachdem sie ihr kostbares Seidenkleid flüchtig mit der Hand glattgestrichen hatte, legte die Arme um sie, und sah zu ihr hoch mit stehendem Gesichtsausdruck. Sie fuhr fort und sagte, sie beide seien in einer außergewöhnlichen Lage, und sie müßten einen großen Sinn zeigen, es könne noch alles gut werden, und sie drei könnten glücklich sein, wenn sie nur wollten. Als sie das Folgende sprach, da wagte sie nicht mehr, Silvien in die Augen zu sehen; sie erhob sich, legte ihr Gesicht an Silviens Wange und flüsterte ihr ins Ohr, sie müsse Don Ferrante insgeheim sprechen, und das sei in ihrem Hause unmöglich, wo der widerwärtige Don Diego ihre unschuldigsten Bewegungen überwache. So möge denn Donna Silvia erlauben, daß sie sich mit Don Ferrante bei ihr treffe, denn da würde niemand Argwohn schöpfen.

Donna Silvia schämte sich selber über die gefühlte Niedrigkeit der andern, denn völlig verstand sie nicht die schändlichen Absichten der beiden; sie schob aber ihr tiefes Unglücksgefühl auf den Kummer darüber, daß Don Ferrante Lucrezien erzählt hatte, was geschehen war. Auf Lucreziens Worte wußte sie nichts zu erwidern, hilflos sah sie sich im Zimmer um, und nur konnte sie nicht den Blick auf die andre richten. Die aber faßte das Schweigen als Zustimmung oder stellte sich wenigstens so, als ob sie es tue, klatschte in die Hände, küßte sie auf beide Wangen, flüsterte ihr eine bestimmte Stunde für den nächsten Tag ins Ohr, und ging dann, zum Abschied Blicke werfend und mit der Hand winkend.

Als Don Ferrante und kurze Zeit danach Donna Lucrezia am nächsten Tag zu der verabredeten Zeit kamen, da hatte sie aber ihren Entschluß gefaßt, denn einiges wenigstens hatte sie in der Zwischenzeit von dem Sinn der beiden erraten.

Es stand ein großes Himmelbett im Hintergrund des Zimmers. Auf dieses wies sie mit dem Finger und erinnerte Don Ferrante an die Nacht, welche er mit ihr zusammen verbracht hatte. Dann sagte sie, daß sie ihrem Vater alles gestehen wolle und sie hoffe, daß er ihr nun die Erlaubnis geben werde, sich mit Don Ferrante zu vermählen. Aber freilich müßten sie denn nun alle ein Opfer bringen; denn sie habe immer gehofft, daß sie dürfe unvermählt bleiben, nachdem Don Diego, der ihr Geliebter gewesen, eine andere Gattin heimgeführt; und so bitte sie auch Donna Lucrezia und Don Ferrante, ihrer früheren Liebe nun gänzlich zu entsagen, indem ja denn nicht nur Donna Lucrezia, sondern auch Don Ferrante durch das heilige Band der Ehe anders verbunden sei.

Don Ferrante ergriff ihre Hand, führte sie an den Mund, und beteuerte mit den zärtlichsten Worten seine Neigung zu ihr. Aber dann sagte er, sie dürfe nicht Unmögliches von ihm verlangen, er liebe auch Lucrezien und Lucrezia liebe ihn. Er wollte noch mehr sprechen, aber Donna Silvia unterbrach ihn und sagte mit ruhiger Stimme, wenn dem so sei, so seien die weiteren Worte unnütz. Sie habe Sennora Lucreziens Bitte erfüllen müssen, da sie ja ihre Geschichte wisse; und so wolle sie denn ihnen eine Stunde Zeit geben, sich ungestört zu unterhalten. Hierauf verließ sie das Zimmer.

Don Ferrante verriegelte hinter ihr und küßte Lucrezien; diese war über die letzte Rede der Donna Silvia und über ihren Gesichtsausdruck wohl etwas beunruhigt; aber schnell vergaß sie alle Besorgnis in der lebendigen Gegenwart des Geliebten.

Donna Silvia war in die Waffenkammer hinaufgegangen und hatte sich einen Degen ausgesucht, welcher ihrer Hand und ihrem Zweck tauglich schien, eine nicht allzu lange, dreikantige und ganz dünne Klinge. Sie wartete eine lange Weile, bis sie annehmen konnte, daß das Paar sich seinen ersehnten Entzückungen überließ, öffnete leise eine Tapetentür und trat in das Zimmer; sie schlug den Vorhang des Himmelbettes zurück, und mit einem einzigen Stoß ihrer guten Waffe durchbohrte sie beide Körper.

Dann zog sie den Vorhang wieder vor, kleidete sich für die Straße an, rief ihre Dienerin und befahl der, ihr zu folgen, und ging zu dem Haus des Don Diego. Den bat sie, mitzukommen, führte ihn an das Bett, zeigte ihm die beiden und sagte ihm: »So habe ich uns beide gerächt.«


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