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Am Tor des Gefängnisses zu O – – schellte an einem Abend ein Bauer namens Carlsen. Der Schließer öffnete; er kannte den Mann und wollte ihn freundlich begrüßen; aber der sagte kurz angebunden: »Ich habe meine Frau gemordet. Ich stelle mich.«
Verwundert ließ der Beamte den Mann ein, schloß hinter ihm sorgfältig das Tor und führte ihn zum Leiter der Anstalt. Er versuchte ein Gespräch anzuknüpfen, aber Carlsen schwieg hartnäckig.
Der Leiter des Gefängnisses saß gerade mit seiner Familie beim Abendbrot, als der Schließer mit dem Mann eintrat. Verdrießlich erhob er sich. Der Schließer stand in dienstlicher Haltung bei der Tür und hielt den Andern am Ärmel. Er sagte: »Melde gehorsamst, bringe den Bauern Carlsen, der sich selbst des Gattenmords bezichtigt.«
Die Frau des Hauses und die beiden Kinder blickten die zwei Männer erschrocken an. Der Herr ging in sein Arbeitszimmer, die Männer folgten ihm; er setzte sich an seinen Schreibtisch und schrieb den Bericht auf. Erst sprach der Schließer; dann sollte der Bauer erzählen. Er sagte nur: »Ich habe meine Frau gemordet. Ich stelle mich«. Als ihn der Andere nach den näheren Umständen fragte, wiederholte er nur seine Worte und fügte hinzu. »Das andere können die Herren unter sich ausmachen. Ich bin geständig, ich will meine Tat nicht verhehlen.«
Im Ort entstand am andern Vormittag, als das Geschehene bekannt wurde, eine Aufregung. Carlsen war ein sehr großer und breitschultriger Mann von außergewöhnlichen Kräften, der immer mit vorgebeugtem Kopf und finsterem Gesicht ging. Die Leute sagten, daß sie ihm immer schon das Schlimmste zugetraut haben. Er war in zweiter Ehe vermählt gewesen. Seine erste Frau hatte man vor etwa anderthalb Jahren an ihrer Bettlade erhängt gefunden, dann hatte er in unanständiger Eile die zweite Frau geheiratet, die er nun in schrecklicher Weise ermordet. Sie lag in der Wohnstube auf der Diele, der Schädel war ihr bis auf die Zähne mit einer Holzaxt gespalten; die Mordwaffe lag neben ihr. Die Wohnstube war abgesperrt gewesen, Carlsen hatte den Schlüssel dem Gefängnisleiter übergeben. Damals schon, bei dem Tod der ersten Frau und der eiligen Heirat, hatten manche Leute gemunkelt, es liege nicht Selbstmord vor, sondern der Gatte sei der Mörder. Nun wurde das als sicher angenommen, und aus zufälligen Vorkommnissen, welche neu gedeutet wurden, und Vermutungen und Schlüssen bildete sich schnell in der Bevölkerung ein Charakterbild Carlsens als eines rohen, zuchtlosen, ja, fast tierischen Verbrechers.
Der Richter, welcher die erste Untersuchung leiten mußte, war ein junger Mann, der mit heutigen Anschauungen noch nicht lange die Universität verlassen hatte. Er sagte sich, daß da ein interessanter Fall vorlag, der psychologisch angefaßt sein wollte. Es war ihm klar, daß er sich nicht durch Erzählungen und Urteile durfte einnehmen lassen, welche in dem Städtchen umliefen, daß nur die Tatsachen sprechen durften, die reinen Tatsachen.
Aber an Tatsachen war nun eben Nichts vorhanden, als daß man die erste Frau erhängt gefunden hatte und daß Carlsen fest dabei blieb, sie habe sich selbst getötet; und daß die zweite Frau mit zerspaltenem Schädel neben der Axt in der Stube gelegen, welche der Mann selber abgeschlossen hatte, und daß er den Mord an dieser zweiten Frau gestand. Nichts weiter war aus ihm herauszubekommen, als daß er sie ermordet hatte; er sagte Nichts über die Begleitumstände, Nichts über Ursachen und Gründe; er sagte immer nur: »Ich habe meine Frau ermordet. Ich will meine Tat nicht fortlügen. Das Andere müssen die Herrn unter sich ausmachen«. Zeugen wurden vernommen, ob Unfrieden zwischen den Eheleuten geherrscht habe, ob der Mann trinke, ob ein Teil Anlaß zu Eifersucht gegeben, ob ein Teil verschwendet habe, und so weiter nach allen möglichen Ursachen einer solchen Tat: kein Zeuge konnte irgend Etwas aussagen, das irgend einen Anhalt gegeben hätte.
Die Voruntersuchung wurde abgeschlossen. Der Verbrecher wurde in das Landesgefängnis gebracht. Der Gefängnisgeistliche bemühte sich um ihn, er sprach von den Qualen des Gewissens, von Erleichterung durch das Geständnis, vom irdischen und himmlischen Richter; auch ihm eröffnete sich der Mann nicht.
Nun war da ein Rechtsanwalt, der noch nicht allzu lange seine Tätigkeit ausübte. Er wurde Carlsen als Verteidiger gegeben.
Als er den Gefangenen das erste Mal besuchte, fiel ihm seine besonders bleiche Farbe auf. Er sagte: »Sie sind an die freie Luft gewöhnt und an harte körperliche Arbeit. Ich kann mir vorstellen, daß es für Sie hier sehr schwer ist.« Im Gesicht des Gefangenen leuchtete Etwas auf, er sagte: »Ja, die Menschen wissen ja Nichts von Einem«. Dann verfinsterten sich seine Mienen; er fuhr fort. »Es ist gut so«.
Als der Mann so sprach, da wurde dem Verteidiger eigentümlich zu Mute. Er war ein junger Mann, er hatte das Leben noch vor sich. Gestern hatte er sich verlobt mit dem Mädchen, das er schon als Student geliebt; der Tag der Heirat war festgesetzt; es dichtete und träumte in ihm unbestimmt von Glück, Frieden, Heiterkeit – als der Mann so sprach, da war es ihm, als ob er sich schämen müsse.
Er war einer von denen, welchen das Herz auf der Zunge liegt. Er sagte: »Ich muß mich vor Ihnen schämen, wenn Sie so sprechen.«
Erstaunt, fassungslos sah ihn Carlsen an. Dann ging er erregt in der Zelle auf und ab. Dann ergriff er die Hand des Verteidigers und sprach: »Herr Rechtsanwalt, ich habe meine Frau gemordet. Ich weiß, daß ich bestraft werden muß. Ich will meine Strafe auf mich nehmen. Weshalb fragen mich denn die Herrn noch? Ich will meine Strafe auf mich nehmen.«
Der Rechtsanwalt erwiderte ihm: »Ich bin fünf Jahre jünger wie Sie, Sie haben Schreckliches durchgemacht, da sind Sie reifer. Aber ich habe solche Dinge studiert. Wenn ich Alles weiß, dann sehe ich mehr, als Sie sehen können. Sie können Ihre Tat nicht selber beurteilen. Einem Andern würde ich sagen: mir dürfen Sie Alles erzählen, ich bin wie ein Beichtvater und darf von Ihren Geständnissen keinen Gebrauch gegen Sie machen. Ihnen sage ich das nicht, denn Sie sind ein stolzer Mann.«
Carlsen schwieg. Dann sagte er: »Ja, man hat seinen Stolz.«
Der Rechtsanwalt fuhr fort: »Ich muß Sie verteidigen. Sie haben getan, was Sie getan haben, und ich will Sie nicht herauslügen –«
Der Andere wurde rot: »Ich will auch nicht herausgelogen werden. Ich will meine Strafe.«
Der Rechtsanwalt fuhr fort: »Aber ich muß wissen, was Sie eigentlich getan haben. Sie sind doch kein Mörder.«
»Nein, ich bin kein Mörder«, sagte Carlsen.
»Nun, auch ich will richtig handeln«, schloß der Rechtsanwalt. »Ich bin für Sie verantwortlich. Ihnen mag es gleich sein, ob Sie zu hart bestraft werden; vielleicht ist es Ihnen nur jetzt gleich, und nachher nicht mehr, wenn es zu spät ist; aber ich muß dafür sorgen, daß Ihre Strafe im richtigen Verhältnis zu Ihrer Tat steht.«
Der Mann schwieg lange. Dann sagte er: »Ich will Ihnen Alles erzählen. Ich vertraue Ihnen, daß Sie öffentlich nur berichten, was ich Ihnen erlaube. Sie geben mir vorher an, was Sie in Ihrer Verteidigungsrede sagen wollen. Aber lassen Sie mir Zeit, mich zu sammeln. Ich bin das Knören nicht gewohnt. Kommen Sie morgen wieder.«
Am andern Tag erzählte der Mann Folgendes:
»Ich bin als Junge immer für mich allein gewesen. Sie wissen, wie es auf dem Dorf ist, da haben die Jungen schon mit den Mädchen zu tun. Das paßte mir nicht. In der Schule war ich der Erste. Der Lehrer sagte, ich habe Kopf, ich solle das Seminar besuchen, aber ich wollte nicht anderer Leute Diener sein. Nun, wie das so ist, da war ein Mädchen im Dorf, ihr Vater war Schreiber beim Landrat, die hatte etwas Feineres, in die verliebte ich mich. Ich sagte zu meiner Mutter: ›Die will ich heiraten.‹ Meine Mutter erschrickt, spricht: ›Du kennst deinen Vater, der gibt das nicht zu.‹ Ich sage: ›Dann gehe ich ins Wasser, das drückt mir das Herz ab, wenn ich das Mädchen nicht haben soll.‹ Nun, an einem Abend bringen sie den Vater tot nach Hause, er hat ein Hornissennest angepflügt, die Hornissen fallen über die Gäule her, mein Vater will sie vom Pflug abhängen, da wird er umgerissen, die Gäule über ihn hin, er hatte einen Schlag auf das Herz bekommen. Wie das Trauerjahr vorüber ist, heirate ich das Mädchen. Herr, kein Hemd hatte sie auf dem Hintern. Meine Mutter hat mich gewarnt: ›Das ist keine Frau für dich, die macht dich unglücklich. Du bist noch zu jung; du hast noch nicht die Umsicht, warte noch.‹ Aber wenn der Mann verliebt ist, Herr, Sie wissen ja, da hat er den Verstand nicht mehr an der Leine. Meine Frau paßte nicht auf einen Hof, die wollte immer in der Stube am Fenster sitzen und nähen. Ich dachte, wenn sie erst ihr ordentliches festes Essen hat und kommt in die Luft, dann kriegt sie Farbe. Immer Kopfschmerzen. Nichts war in Ordnung. Glauben Sie, daß sie das Melken gelernt hat? Bis um sieben lag sie im Bett. Und, Herr, ich hatte mich geschont, ich wußte, ich bin von Gott nicht zum Mönch bestimmt, aber sie weinte und schrie. Die letzten Jahre lag sie immer im Bett. Der Arzt sagte, es ist Hysterie, das kommt bei solchen Personen. Aber sie hatte ein gutes Gemüt. Ein Andrer hätte den Stock genommen; aber sie konnte doch nichts dazu, sie war nun einmal so, und den guten Willen hatte sie ja. Auf mir lag die ganze Last, sogar die Eier habe ich zählen müssen; die Andern lachten mich aus und sagten, ich bin ein Windelwäscher. Ja, die Windeln hätte ich auch gewaschen, aber Kinder waren nicht da; und wozu arbeite ich denn, wenn ich keine Kinder habe?
Nun, da hatte mein Nachbar ein Mädchen. Er war ein großer Bauer, er sagte: ›Art gehört zu Art, mein Mädchen hättest du nehmen sollen, mit der wärst du ein Mann geworden.‹ Ich wußte wohl, was er dachte, man hat doch seine Augen, das Heu war hitzig, er hätte sie gern unter die Haube gebracht, aber es fand sich keine rechte Gelegenheit. Sie war etwas jünger wie meine Frau, aber sie war eine werkhafte Person, das flog ihr nur alles so von den Händen. Herr, es heißt ja: ›Wer ein Weib ansieht, ihrer zu begehren, der hat schon die Ehe mit ihr gebrochen in seinem Herzen.‹ Ich habe gekämpft, Herr, aber wenn mich die Person anblitzte mit ihren dunklen Augen, dann war mir, als würde ich in einen Kessel mit kochendem Wasser geworfen. Ja, Herr, es war eben so, es kamen Feuer und Stroh zusammen. Aber Keiner hat Etwas erfahren, das war ganz heimlich unter uns.
Meine Frau wußte wohl, was mir alles fehlte, sie wird ja auch wohl Etwas geahnt haben, denn einer Frau kann man in solchen Geschichten nichts vormachen, aber gesagt hat sie mir kein Wort. Aber ich selber, Herr, Sie müssen nicht glauben, daß das Liebe war mit der Andern, ich schämte mich, und sie war mir zuwider, aber wenn sie mich nur mit dem Finger anrührte, dann drehte sich mir alles vor den Augen wie ein Feuerrad, und ich sah Nichts mehr. Und die Liebe zu meiner Frau, ja, die war auch fort, ich dachte immer: wenn sie doch tot wäre, dann könnte ich eine Frau heiraten, bei der ich meine Ordnung hätte. Aber dann tat sie mir immer auch leid, denn sie hatte keinen schlechten Charakter, sie klagte sich auch immer selber an, und das konnte ich nicht hören, so schnitt es mir ins Herz. Sie sagte oft, was ich selber dachte: ›Wenn mich doch der liebe Gott erhörte, dann würde mit dir alles gut.‹
Ja, Herr, der Mensch hat sich nicht in der Hand. Wie sie mir das einmal wieder sagt, da sage ich: ›Wer immer vom Sterben spricht, der lebt noch lange.‹ Wie ich das heraus habe, da bin ich über mich selber erschrocken; aber was soll ich tun, das gesprochene Wort bringen keine zehn Pferde mehr zurück. Ich tue grob und sage: ›Nimm regelmäßig deine Tropfen ein, dann wird es schon besser.‹ Sie sieht mich so an, so sonderbar, dann sagte sie: ›Wenn du aber wieder heiratest, das versprichst du mir, das Mädchen vom Nachbarn heiratest du nicht.‹ – ›Die Betze kommt mir nicht ins Haus‹, sage ich noch, und damit gehe ich aus der Kammer.
Dann war es, wie ich nach ein paar Stunden wieder in die Kammer kam, wir waren gerade in der Heuernte, da fand ich sie an ihrem Bettpfosten erhängt. Sie hatte sich richtig die Beine hochgezogen und einen Schwung gegeben.
Sie war noch nicht unter der Erde, es schläft Alles im Haus, ich sitze allein in der Wohnstube und lese in der Bibel; da klopft es ans Fenster, ich schiebe auf, da steht die Andere; ehe ich mich es versehe, ist sie eingestiegen und steht im Zimmer, da sagt sie: ›Dazu bin ich dir gut genug gewesen, nun bin ich auch gut genug, daß du mich heiratest.‹ Ich werde verlegen, ich sage: ›Meine Frau steht noch nebenan‹; sie antwortet: ›Du meinst wohl, ich weiß nicht, was du denkst? Das weiß ich ganz genau. Aber da habe ich auch noch ein Wort zu sagen. Glaube nicht, daß du ein freier Mann bist.‹ Da hätte ich ihr nun eine Ohrfeige geben sollen und die Haustür aufschließen und sie aus der Tür stoßen. Aber ihre Hand berührte meinen Arm, und da wurde das Andere so stark, daß ich Nichts mehr dachte; sie hatte ihre Besinnung, sie blies das Licht aus, sie hat das alles ganz genau vorher gewußt. Die Frauen wissen da viel besser Bescheid wie wir, die wissen vorher genau, was sie wollen.
Nun Herr, ich sage es Ihnen, und es ist wahr, ich wollte sie nicht heiraten. Sie stieg durch das Fenster zurück, da würgte es mich vor Ekel. Ich hatte ein ordentliches Mädchen im Auge, das auf sich hielt, ich dachte, die wollte ich freien, wenn die Trauerzeit vorüber war. Die Andere, ja, die wollte ich abquittieren. Weshalb wollte sie mich denn haben, die Hure, sie wußte doch, daß ich sie nicht liebte! Da gab es doch noch Andere! Weshalb mußte ich es denn sein!
Herr, das sage ich Ihnen, was ein Weib will, das setzt es durch. Sie hat mir gesagt, sie will es allen Leuten erzählen, was wir vorgehabt haben, sie will mich anzeigen, sie hat gesagt, ich hätte meine Frau selber ums Leben gebracht, weil ich eine Andere heiraten wollte, und dann war ich immer wieder schwach; und zuletzt sagte ich mir. ›Es ist ja doch alles eins, dein Leben ist doch verpfuscht, heirate die Hure, dann hast du Ruhe vor dem Stachel des Fleisches, und in der Wirtschaft ist sie tüchtig, und Kinder kommen doch nicht, das ist nun einmal nicht, und schließlich hast du ja doch auch nicht das ewige Leben, dann hast du Frieden.‹ Aber wenn ich jetzt zurück denke, dann war es wohl hauptsächlich, weil ich mich scheute, daß die Leute Alles von mir wissen sollten. Herr, das Weib hat keine Scham, selbst die Beste nicht. Scham hat nur der Mann.
Also, nun Heirat. Sie wollte gleich. Ich ließ ihr ihren Willen. Werden Sie es mir glauben? Ich hatte Angst. Ich bin ein großer, starker Kerl, wenn ich ihr die Hand auf die Schulter legte, dann hätte ich sie zusammen drücken können. Aber ich hatte Angst. Und nach der Heirat, da habe ich die Hölle gehabt.
Sie wußte genau, wie sie mich fassen konnte. Vor den Leuten war sie dienstbeflissen, war sie gehorsam, sie war zärtlich, sie wußte, daß ich die Schleckereien vor den Leuten nicht ausstehen konnte, aber ich konnte sie auch nicht fortstoßen, denn dann hätten die Leute ja gesehen, daß es nicht in Ordnung war. Und wenn wir dann allein waren, dann nannte sie mich immer: ›Du Schuft.‹ Sie sagte: ›Du Schuft, tu dies, du Schuft, tu das.‹ Ich habe mir die Lippen blutig gebissen, die Leute sollten Nichts merken. Wenn ich Etwas gegen sie gesagt hätte, dann hätten die Dienstboten Alles gehört; ich habe ein hölzernes Haus, das ist hellhörig. Ja, auch im Bett sagte sie ›du Schuft‹.
Was soll ich sagen? Ich habe mit den Knechten im Holz gearbeitet, ich komme als Erster zurück, um beim Füttern aufzupassen, ich trete in die Wohnstube und will die Axt an die Wand lehnen. Da sagt sie: ›Du kannst es wohl nicht ohne mich aushalten, du Schuft, deshalb mußt du wohl von der Arbeit fortlaufen, du Schuft!‹ Da war es soweit, da kochte der Topf über, ich habe Nichts gesehen und Nichts gedacht, mir war, als ob ein Anderer handelte. Ich hörte, wie ich schrie: ›Ich kann es wohl ohne dich aushalten, du Hure!‹ da lag sie schon. Wie ich zugeschlagen habe, das weiß ich selber nicht.«
Der Mann schwieg. Dann sagte er: »Nun habe ich so viel durchgemacht, damit meine Sachen nicht in die Mäuler der Menschen kommen. Ich weiß, ich soll auf vorbedachten Mord an beiden Frauen angeklagt werden, und das ist ja auch nicht Anders möglich. Wenn Sie es durchsetzen können, daß ich nur wegen Totschlag verurteilt werde, dann ist es gut. Aber Sie dürfen Nichts vorbringen, was ich Ihnen eben erzählt habe.«
Der Rechtsanwalt versprach ihm, was er verlangte. Dann ging er an seine Arbeit. Es glückte ihm, den Staatsanwalt zu bestimmen, daß er die Frage an die Geschworenen auch auf Totschlag stellte. In seiner Rede wußte er, ohne das Geheimnis preis zu geben, den Geschworenen das Urteil beizubringen, daß der Angeklagte bei der zweiten Frau nicht mit Überlegung und Vorbedacht gehandelt habe und daß bei der ersten Frau der Verdacht nur durch seine Tat an der zweiten rege geworden sei, denn der Arzt hatte bezeugt, daß ihre seelische Erkrankung in vielen Fällen zu Selbstmordanwandlungen führe. So wurde der Mann nur zu einigen Jahren Gefängnis verurteilt.
Als er seine Strafe abgebüßt hatte, verkaufte er seinen Hof und wanderte aus. Er war damals ein Mann von etwa fünfunddreißig Jahren. Nach langer Zeit bekam der Rechtsanwalt einen Brief von ihm: es ging ihm gut in der Fremde, er hatte wieder geheiratet und hatte vier Kinder, und er dankte dem Rechtsanwalt von Herzen, daß er ihm das neue Leben möglich gemacht hatte.