Paul Ernst
Geschichten von deutscher Art
Paul Ernst

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Mutter und Sohn

Bei einer Stadt Mitteldeutschlands lebte auf einem kleinen Hof ein Mann, der einige Äcker und Wiesen hatte, zwei Kühe und drei Ziegen hielt und die übrige geringe Wirtschaft von Schweinen und Federvieh, und sich hauptsächlich durch Lohnfuhren mit einem Gespann ernährte; der Besitz war so, daß er die Arbeiten mit seiner Frau allein besorgen mußte.

Der einzige Sohn der Leute wurde zu den Soldaten eingezogen; kurze Zeit darauf starb die Frau an einer plötzlichen Krankheit, und der Mann, welcher etwa in der Mitte der Fünfzig stand, war in seinem Hauswesen ganz allein. Da er auf die Dauer nicht mit den teuern Dienstboten wirtschaften konnte, so sah er sich nach einer tüchtigen Frau um und fand eine solche auch, die in jeder Hinsicht paßte, nur war sie freilich für seine Verhältnisse noch sehr jung, sie hatte kaum das zwanzigste Jahr vollendet. Der Sohn war mit der Heirat nicht zufrieden, denn er hatte gedacht, wenn er von den Soldaten loskomme, so würde er selber heiraten und das Wesen übernehmen; so schrieb er denn nur einen kalten Brief und kam nicht zur Hochzeit. Wie er entlassen war, suchte er sich eine Stellung in der Stadt bei einem großen Droschkenunternehmer und besuchte auch dann nicht den Vater und die neue Mutter.

Inzwischen wurde der Vater wegen Holzdiebstahls im Wiederholungsfalle angeklagt und zu einem Jahre Gefängnis verurteilt. Man muß solche Vergehen bei dieser Art von Leuten nicht so schwer nehmen; ein Holzdiebstahl wiegt in ihrer Moral nicht viel und erscheint als durchaus läßlich; der Mann hätte nicht einen baren Pfennig veruntreut oder in seiner Jugend als Kutscher bei fremden Herrschaften gar ein Körnchen Hafer seinen Pferden entzogen. Nach der Verurteilung schrieb er an seinen Sohn, daß der nach Hause kommen müsse, um sich des Wesens anzunehmen, da der Knecht Nichts tauge, den er angenommen; es gehöre ja doch später einmal Alles ihm selber, da er mit seiner zweiten Frau keine Kinder habe.

Der junge Mensch ging mit dem Brief zu seinem Herrn und bat um seine Entlassung. Der Herr hätte ihn gern behalten, denn er war ein fleißiger, ordentlicher und ruhiger Mann, wie sie heute selten sind, besonders unter den Kutschern, welche so viel Verführung zum Trinken haben; aber er sah selber ein, daß das nicht ging, und so zahlte er ihm denn seinen Lohn aus und entließ ihn. Der junge Mensch packte seine Sachen, brachte den Koffer zum Bahnhof und fuhr ab; auf der Station stieg er aus, nahm den Koffer auf den Rücken und ging durch die kleine Stadt zu seinem väterlichen Hause.

Im Hof war die Kutsche angespannt, es war eine Hochzeitsfuhre bestellt. Der Knecht, im Staat und mit der rosa Schleife auf dem linken Arm, stand vor dem einen Pferd, hatte es am Zügel und schlug ihm mit der Peitsche um die Füße, indem er schrie: »Ich will dir helfen tückschen.« Man sah, daß er schon getrunken hatte, obwohl es erst elf Uhr war. Der Sohn kannte den Gaul und wußte, daß er vorsichtig behandelt werden mußte, weil er biß; aber sonst war er ein gutes Tier, das Ehrgeiz hatte; man kam am besten mit ihm aus, wenn man ruhig war und ihn lobte. Wie er den angetrunkenen dummen Knecht und das zitternde, verängstigte Tier sah, überkam ihn die Wut; er faßte den Menschen am Kragen, der ließ verwundert los, er schleuderte ihn fort, daß er strauchelte und fiel, dann faßte er selber in den Zügel und klopfte beruhigend den schwitzenden Hals des Tieres. Der Knecht war wieder aufgestanden, blieb von weitem stehen und rief: »Wer bist Du denn? Ich soll dir wohl Eins in die Zähne geben?« Ein kräftiges junges Weib trat in die Tür, mit bräunlich schönem Gesicht, die gesunden vollen Arme in die Hüften gestemmt, und rief: »Bist du der Franz?« Der Sohn bejahte und beruhigte das Pferd weiter. »Na, dann kann ich ja gehen«, sagte patzig der Knecht und ging in den Pferdestall, indem er noch einmal zurückrief: »Das Trinkgeld will ich dir schenken, das es bei der Hochzeitsfuhre gibt.« Franz bat die Stiefmutter, seinen Koffer ins Haus zu bringen, gab ihr den Schlüssel und trug ihr auf, seinen guten Anzug und frische Wäsche herauszupacken, damit er sich gleich umziehen könne. Sie sagte: »Es war Zeit, daß du kamst.« Er begütigte das Pferd weiter, wartete, bis der fremde Bursche den Hof verlassen hatte, hängte jedem Pferd den einen Sielen ab, und ging ins Haus. Er zog sich schnell um, dann setzte er sich auf den Bock und fuhr los.

So kam er gleich in die Arbeit hinein, und da er von früher her ja genau Bescheid wußte, wo Alles stand und lag, so ging gleich am ersten Tag Alles so ruhig und genau seinen Gang, als sei es immer so gewesen.

Nur war es ihm unmöglich, »Mutter« zu sagen zu der Frau; er dachte immer bei dem Wort an seine richtige Mutter, die gebückt und verarbeitet war und häufig über allerlei Leiden klagte, und da wollte ihm das Wort als unpassend nicht über die Lippen; er sagte dafür »Frau«, wie wenn sie seine Herrin gewesen wäre, und sie duldete schweigend die wunderliche Anrede, indem sie wohl sein Gefühl verstand. Er mußte seinem Vater zugeben, daß sie tüchtig und fleißig war und mehr leistete, wie seine rechte Mutter geleistet hatte; und endlich sagte er sich, daß er ihr ja doch nicht grollen dürfe, sie habe eben den Mann geheiratet, um eine Versorgung zu haben – sie war eine arme Waise gewesen –, und tue nun ihre Arbeit; nur für ihn sei es freilich ein Unglück, aber daran habe ja doch die Frau nicht denken können.

Aber sehr viele Gedanken machen sich ja diese Art von Leuten nicht, welche von schwerer Arbeit in der freien Luft müde werden und das Wenige, das sie an Nachdenken leisten können, verwenden müssen, um ihre Tätigkeit vernünftig zu leiten; und indem ihr Leben ganz mit der Natur im Einklang ist, haben sie auch nicht die Art von Sorgen und Vorbedenken wie wir; sondern auch die Zuverlässigsten und Gründlichsten von ihnen leben doch in gewisser Art in den Tag hinein, indem sie den vorhandenen Zustand als unabänderlich empfinden und nur ihre einfache und gewohnte Pflicht innerhalb ihrer gegebenen Grenzen tun.

Hier aber erwuchs nun das Unglück bei den Beiden. Denn ihre Lage war außergewöhnlich und widerspruchsvoll, und um in ihr ohne Verfehlung zu leben, hätten sie bewußter Klarheit, beständiger Überlegung und nie nachlassender Willensanspannung bedurft. Sie lebten wirtschaftlich wie ein jung verheiratetes Ehepaar, und nach ihrem Alter, ihrer Gesundheit und der einfachen, natürlichen Gesinnung wäre auch möglich gewesen, daß sie ein solches Ehepaar waren; aber sie waren Mutter und Sohn, und jede Liebesbeziehung zwischen ihnen war ein Verbrechen, nicht nur vor ihrem Gewissen oder vor der Kirche, sondern auch vor dem Staat.

Franz schlief im Pferdestall auf der Bühne, wo der Knecht früher geschlafen hatte. Drei Uhr des Morgens stand er auf, fütterte seine Pferde, striegelte und putzte; dann klopfte er am Fenster der Schlafkammer und weckte die Frau, die sich den Rock überwarf und gleich das Kaffeewasser ansetzte, dann in den Stall zu den Kühen ging, um ihnen Futter vorzuwerfen und zu melken. Gegen halb fünf tranken sie zusammen Kaffee, sie gab ihm den Brotbeutel, den sie inzwischen zurechtgemacht hatte, und er fuhr mit dem Geschirr fort; es waren damals gerade die Holzfuhren zu machen, und er mußte den ganzen Tag fort bleiben und kam erst Abends nach Hause. Abends besorgte er seine Pferde, aß schweigend das Abendbrot mit der Frau zusammen am Küchentisch, und ging müde zu Bett.

Am Sonntag wurden die nötigen Dinge besprochen, und der eigentlichen Erholung waren ein paar Stunden am Sonntagnachmittag gewidmet, um die Kaffeezeit, indessen im Stall die Pferde müßig stampften und sich mit den Schwänzen schlugen. Franz besaß einen einzelnen Band von Schillers Werken, den, in welchem der Wallenstein abgedruckt war; in diesem pflegte er dann zu lesen, indessen die Frau ruhig neben ihm saß und an einem Kleidungsstück ausbesserte.

An einem solchen Nachmittage, als die Beiden schon lange stumm nebeneinander gesessen hatten, fragte die Frau einmal, was das für ein Buch sei, in dem er lese. Er legte den Finger auf die Zeile, sah auf und suchte es ihr zu erklären; aber er wußte nicht recht, was das bedeutete, was in dem Buche geschrieben war; er schob es ihr zu, sie stand halb auf und sah hinein, auch er sah hinein und las ihr, mit dem Finger die Zeilen verfolgend, falsch betonte Verse vor; ihr Haar berührte sich, in der körperlichen Nähe erwachten alle ihre Sinne, und so geschah denn alles Weitere.

Sie weinte dann, er stand am Fenster und biß sich auf die Lippen. Zuletzt trocknete sie sich mit der Schürze die Tränen ab, stellte den Kaffee auf den Tisch und sagte. »Das ist nun einmal gewesen und ist nie wieder.«

Aber schon in der nächsten Nacht kam er zu ihr, und sie wehrte ihm nicht.

Nun vergingen ihnen Monate in dem gedankenlosen Glück befriedigter Jugendkraft und ermüdender körperlicher Arbeit, bis dann in einer Nacht das Kind kam. Franz nahm es der Mutter ab und kehrte nach einiger Zeit zurück; es wurde Nichts unter ihnen darüber gesprochen, was er getan. Einige Wochen darnach kam auch der Alte zurück, als ein elender Mann; seine Natur, die so lange an freie Luft und heftige körperliche Arbeit gewöhnt gewesen war, hatte das Gefängnisleben nicht vertragen können. Er kam in den Hof, sah in die Ställe, trat dann ins Haus und gab seiner Frau die Hand. »Du bist alt geworden«, sagte sie. »Ja,« erwiderte er, »ich mache es nicht mehr lange. Es war unrecht, daß ich Dich geheiratet habe; du wirst eine junge Witwe.« Sie seufzte. Er sagte nach einer Pause, nachdem er sich am Herd gesetzt und die Schuhe von den geschwollenen Füßen gezogen hatte: »Ich hätte Dich dem Franz geben sollen, das wäre besser gewesen.« »Für drei Leute wäre das besser gewesen«, erwiderte sie.

Franz kam am Abend nach Hause, besorgte die Pferde, trat in die Küche und gab seinem Vater die Hand. Der Vater sah die Beiden an. »Ihr wäret ein gutes Paar geworden,« sprach er. Jetzt schoß der Frau plötzlich die Flamme ins Gesicht.

Beim Abendessen sagte der Sohn, daß er nun wieder in die Stadt gehen wolle. Der Alte antwortete, er brauche einen Knecht, denn er könne nicht mehr viel leisten; aber wenn der Sohn in der Stadt mehr verdiene, so wolle er ihn nicht halten. Dann erwähnte er, daß er ihm den Knechtslohn für das abgelaufene Jahr geben wolle. Der Sohn schüttelte den Kopf und erwiderte: »Lohn nehme ich nicht, ich bin hier Herr gewesen in der Zeit.« Wieder wurde die Frau rot. »Was hast du denn, du steckst ja immer die rote Fahne auf?« fragte der Alte argwöhnisch verwundert. Die Frau antwortete Nichts.

Franz ging wieder zu seinem alten Herrn in Dienst. Er tat alle Arbeit ruhig und zuverlässig wie früher; aber er war noch stiller und zurückhaltender geworden, so daß ihn sein Herr einmal fragte, ob er denn etwas Besonderes auf dem Herzen habe.

Er hatte seine Taten auf dem Herzen.

Wie wir schon bei seinen Handlungen immer bedenken müssen, daß wir nicht den Maßstab eines Menschen von unserer Art anlegen dürfen, der überlegt, prüft und mit bewußten Absichten und Gedanken seine Taten tut, so müssen wir uns auch seine Gewissensvorwürfe nicht so vorstellen, wie sie bei Einem von uns sein würden. Wollte der Erzähler sie schildern, so würde er entweder in eine läppische Sentimentalität geraten oder in die kindischen psychologischen Analysen, welche unsere Zeit so liebt, die ja im Grunde nichts weiter sind wie die Selbstdarstellungen belangloser Literatenempfindungen.

Jedes Wesen in solcher Lage wird sich wahrscheinlich durch Selbstrechtfertigung zu behaupten suchen, indem es die Schuld auf Jemand anders schiebt. Franz kam bei allem Grübeln immer wieder auf den Gedanken: »Weshalb hat Gott mich zu diesen Verbrechen getrieben?« Er wußte, daß er ein ordentlicher Mann war, viel besser wie die meisten Anderen, daß die Frau besser war wie die meisten von Ihresgleichen, dennoch hatten sie Beide zwei Verbrechen begangen, über die sie selber, wenn sie von Andern getan wären, die härtesten Worte gesagt hätten; sie erschienen ihnen aber ganz einfach und natürlich, daß sie sich erst klar machen mußten, ehe sie zum rechten Urteil über ihre Taten kamen, was die andern Menschen sagen würden, wenn sie Alles wüßten. Er war ruhig über seine Taten und war doch nicht ruhig; vielleicht kann man sagen, seine Unruhe lag hauptsächlich im Verstand, der Gründe für Gottes Absichten suchte, und nicht im Gefühl, das ganz zu schweigen schien. Aber endlich wurde auch das Gefühl wach. Er ging an einem Abend an einem Hans vorbei, ans dessen geöffneten Fenstern das Geschrei eines Neugeborenen ertönte. Da plötzlich erwachte das dünne Geschrei seines Kindes in seinem Ohr, wie er es damals eingewickelt und fortgetragen hatte, das so lange geschlummert hatte, wie sein Gefühl geschlummert hatte; es war ihm, als richteten sich ihm alle Haare zu Berge, und er mußte an sich halten, um nicht sinnlos vor Entsetzen zu brüllen und fortzulaufen.

Von nun an bekam er das Geschrei des Kindes nicht wieder aus dem Gedächtnis, und jene andere gedankliche Unruhe wurde zurückgedrängt.

Er hatte den Einfall, ob es ihm helfen könne, wenn er in die Kirche gehe. Er sang mit der Gemeinde, hörte die Predigt, aber das nützte ihm Alles Nichts, er konnte auch mit großer Anstrengung die Predigt nicht verstehen; das waren Worte, die an ihm vorbeirauschten. Vielleicht hatten diese Worte einmal eine Bedeutung gehabt; aber der Prediger wußte nichts von dieser Bedeutung und die Gemeinde wußte nichts von ihr; so war das Alles tot.

Er beschloß, den Prediger in seiner Wohnung aufzusuchen. Ein freundliches Dienstmädchen mit weißer Schürze und weißem Häubchen öffnete ihm und führte ihn zu dem Studierzimmer des Herrn Pastors. Der Pastor gab ihm die Hand und lud ihn zum Sitzen ein. Er wußte nicht, was er sagen sollte, und drehte den Hut in der Hand herum; der Pastor nahm ihm den Hut ab und legte ihn auf den Tisch und begann das Gespräch, er habe ihn bis jetzt noch nicht in der Kirche gesehen, aber er freue sich nun, daß er ihn selber besuche, und er hoffe, ihm behilflich sein zu können. Der Pastor war ein guter Mann mit einem dünnen blonden Vollbart. Ein Kind kam ins Zimmer und wurde wieder hinausgeschickt, weil es störte. Franz schwieg noch immer. Der Pastor fragte, wie die Ernte ausgefallen sei. Da blickte er auf und sah den Pastor mit einem so gramverzerrten Gesicht an, daß der entsetzt vom Stuhle aufstand. Es verging eine Zeit, während der ging der Pastor im Zimmer auf und ab. Dann setzte er sich neben den Mann, und indem alles Pastorale von ihm abfiel und nur der gute und etwas schwache Mensch übrigblieb, nahm er seine Hände und sagte: »Sie wollen mir Etwas gestehen und können es noch nicht. Ich kann Ihnen da nicht sagen, was Sie tun sollen. Aber wenn Sie jetzt mir auch nichts sagen können, so wissen Sie, daß ich zu jeder Tag- und Nachtzeit für Sie zu sprechen bin.« Die gut gemeinten Worte rührten Franzen an das Herz. Er sagte. »Ich danke Ihnen, Herr Pastor. Sie wissen, daß ich ein Verbrecher bin, aber Sie stoßen mich nicht von sich.« Damit ging er.

Es kam ein Brief von der Frau, wenn er den Vater noch einmal sehen wolle, so müsse er schnell kommen. Er reiste und fand den Vater auf dem Sterbebett, und so, als ob er nur noch gewartet hätte, um ihm seine letzten Anweisungen zu geben. Er sagte: »Du kannst mit deiner Mutter nicht zusammen leben«; dabei sah er ihn scharf an; »sie muß wieder in Dienst gehen; vielleicht findet sie einen Witmann, der sie heiratet; sonst weißt du, was du ihr schuldig bist.« Dann wendete er sich zur Wand und entschlief.

Die Witwe drückte ihm weinend die Augen zu. »Er ist gut zu mir gewesen,« sagte sie, »er hat Alles gewußt.«

»Er hat Alles gewußt?« rief Franz erschrocken. Sie nickte.

Nun kam die Beerdigung und alles Andere; Franz hatte seine Sachen geholt und war auf seinem Elternhof eingezogen, die Frau suchte nach einem Dienst.

Er brütete viel und hatte keine Frische mehr zur Arbeit. An einem Abend, wie er mit der Frau in der Küche zusammensaß, sagte er: »Ich muß es dem Gericht anzeigen.« »Tu, was du meinst,« antwortete sie gleichgültig, »dann komme ich auch in Ruhe.«

So machte er sich den andern Tag in seiner Sonntagskleidung auf, ging aufs Gericht, wurde vor einen Herrn geführt und erzählte dem Alles, so gut er konnte. Der Herr hörte ruhig zu, spielte mit einem Bleistift, wiegte zuweilen mit dem Kopf, ein Beamter schrieb die Erzählung auf. Am Schlusse las der Beamte sein Nachgeschriebenes vor, da mußte er unterzeichnen. Dann sagte der Herr, er müsse ihn gleich in Verhaft nehmen Er sprach: »Wenn nur die Pferde gut behandelt werden.«

Im Gefängnis wurde ihm klar, daß er nicht richtig gehandelt hatte. Er hätte vielleicht doch lieber Alles dem Pastor sagen sollen; aber er wußte ja, daß der ihm auch nicht helfen konnte. Der Richter hatte ihm auf sein Befragen gesagt, er könne vielleicht zehn Jahre Zuchthaus bekommen, die Frau vielleicht vier Jahre. Nun, dann war er also sechsunddreißig, wenn er herauskam. Er konnte dann ja nach Amerika gehen; den Hof hätte er doch vorher verkaufen sollen, der wurde jetzt verschleudert, und sein Vater hatte es sich sauer werden lassen.

Er hatte gedacht, Gott wolle, daß er sich selbst anzeige; denn wer eine solche Tat getan, der muß bestraft werden; und wenn Gott ihn die Tat hatte tun lassen, so mußte er wohl den Willen haben, durch die Strafe ihn zu sich zu führen; denn er und die Frau waren nicht bei Gott, das wußte er; aber der Pastor und der Richter waren auch nicht bei Gott. Nun aber, wenn das auch nicht das Richtige gewesen war, so konnte er nicht mehr denken, er war zu müde; und dann war wohl Alles gleich.

Es schien keinerlei Möglichkeit zum Selbstmord in der Zelle zu sein; er biß sich zuletzt die Pulsadern an beiden Händen durch und ließ sich verbluten.


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