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Wanderer! wenn du nach Garacs kommst, wohin dich jetzt meine Erzählung versetzt, so ziehe deine Sandalen aus; ich sage dies nicht, weil in diesem Dorfe der Oberstuhlrichter Paul Nyúzó wohnt, und daher dieser Ort, besonders wenn du zu seinem Bezirke gehörst, dir heilig genug sein muß, um ihn auf oberwähnte Weise zu verehren; sondern darum, weil du gute, starke, juchtene Stiefeln anziehen sollst, ohne welche du im Spätherbst schwerlich bis ans Ende der Gasse zu gehen vermöchtest.
Der Boden gleicht dem schönsten Lehm; wo du hintrittst, bleibt deines Fußes schönste Spur zurück, so daß, wie die Erde trocknet, du einen Metallguß darnach herstellen kannst, und doch ist im ganzen Dorf kein Bildhauer, ja nicht einmal ein Töpfer zu finden. Es war ein charakteristisches Merkzeichen des Ortes, in welchem der Oberstuhlrichter wohnt, daß dort Niemand seine Straße geraden Weges gehen konnte, so kreuz und quer standen die Häuser, so wunderbar schlängelte sich der leere, bald engere, bald breitere Platz, den man Gasse nannte, und der diesen Titel wenigstens ebenso sehr verdient, als die Wohnungen der Bauern, zwischen denen er sich hindehnte, den ihrigen, wenn man sie Häuser nannte. Unwillkürlich wurdest du traurig, wenn du an diesen Hütten mit zerfetztem Dache und einsinkenden Mauern vorüber mußtest und die bleichen eingefallenen Gesichter des Volkes sahst, das in diesem Dorfe wohnt, und das, so schien es, sich in den Marken desselben nie wohlbefunden hatte, ausgenommen wenn es einzeln auf den Friedhof am Ende des Dorfes hinausgetragen wurde, um unter dessen hohen Kreuzen zum erstenmale auszuruhen, seitdem es auf die Welt kam. Baufällig war selbst die Kirche, dieser Palast Jener, denen auf dieser Erde nur Hütten zu Theil geworden sind, denn die niederen Mauern, von dem verfaulten Schindeldach gegen die ätzende Gewalt des Regens schon längst nicht mehr geschützt, wurden nur durch Stützen vor dem Einsturze bewahrt. Der Thurm, der zum Eingange der Kirche diente, war an mehreren Stellen geborsten und trug nur mit Mühe das doppelte eiserne Kreuz auf seinem hohen Dache, die Glocken waren längst herabgenommen und hingen unter einem hölzernen Balken; Alles zeigte Verfall, Alles trug die Spuren der Armuth an sich. Die Kirche und die Wohnung des Geistlichen, die wenn möglich in noch ärmerem Zustand neben derselben stand, umgab von drei Seiten ein Teich mit Rohr und Schilf bewachsen; rückwärts standen ein paar bescheidene Denksteine hingegangener Pfarrer, und wenn du zufällig Sonntags hieherkamst, als eben geläutet wurde, während im Teich die Kröten ihr ewiges Lied traurig weiter sangen, und die armen Bewohner des Dorfes zur einsturzdrohenden Kirche pilgerten, erfüllte dein Herz eine Traurigkeit, für deren Bezeichnung man keine Worte finden könnte.
Indessen haben wir nur die eine Seite des Bildes betrachtet. Von einem höheren Gesichtspunkte betrachtet, d. h. wenn man die Dächer betrachtete, welche sich über den Lehmhütten erhoben, bot das Dorf einen ganz anderen, ja wirklich herrschaftlichen Anblick dar. Die Garacs, Bamér, Andorfy, Nyúzó und ich weiß nicht wie viele adelige Geschlechter, welche durch ihre Großmütter, Mütter oder Frauen in den Besitz dieses Dorfes gekommen waren – denn das Dorf vererbte sich auch auf Weiber – hatten adelige Curien gebaut, eine schöner als die andere, und wenn bei diesen Baulichkeiten das Material eben auch von der Straße genommen wurde, so konnte man sich doch unter Palästen glauben, wenn man sie mit den Hütten des Dorfes verglich.
Die schönste dieser Curien, die einen so wohltätigen Einfluß auf das Dorf ausübten, war ohne Zweifel das Wohnhaus des Oberstuhlrichters Nyúzó, und wenn ich auch meinen Lesern nicht zum Wegweiser diente, so würden sie doch in Garacs nirgends einsprechen als hier, wenn sie die schön ausgebesserte Umzäunung und die giftgrün angestrichenen Wände sähen, deren Farbe die grellblauen Säulen des Ganges noch mehr hervorheben. Sechs Fenster gehen auf die Gasse. Freilich ist nur ein Drittheil des Daches mit Schindeln gedeckt, aber nachdem der Oberstuhlrichter wieder auf drei Jahre gewählt worden, ist es wahrscheinlich, daß jene zwei Drittheile, die bis jetzt mit Stroh gedeckt sind, binnen Kurzem eingeschindelt sein werden. Aus dem Kamine steigt so dicker Rauch auf, daß wir unwillkürlich an ein gutes Nachtmahl denken müssen.
Nyúzó war beiläufig seit einer Stunde von Porvár zurückgekommen, die Restauration, die wir mit Tengelyi zugleich verlassen, ging später mit ungewohnter Schnelle ihrem Ende zu. Sobald der Adel verständigt wurde, daß sich unter Bántornyi's Leuten Unadelige befänden, erklärte er sich beinahe einstimmig gegen ihn, und schon um 12 Uhr ward Réty mit großer Majorität zum Vicegespan ausgerufen. Sobald seine Frau dies erfahren, setzte sie sich mit Macskaházy in den Wagen und fuhr nach Hause; denn sie hatte eben Nachricht von den Ereignissen zu Tiszarét bekommen. Wegen des zweiten Vicegespans, Krivér, gab es gar keinen Anstand; denn Édesy, der dieses Amt bis jetzt bekleidet hatte, war freiwillig zurückgetreten, und nachdem jene Partei, die hinsichtlich der ersten Beamten besiegt ward, sich hier ebenso zurückzog, wie dies in allen Comitaten zu geschehen pflegt, war der übrige Theil der Restauration in zwei Stunden abgethan. Worauf der Obergespan, von dem angeblich durch Viola verübten Raube ebenfalls unterrichtet, den betreffenden Oberstuhlrichter und Geschworenen alsobald zur Untersuchung und Verfolgung des Räubers ausgeschickt hatte.
Der Taksonyer Obergespan glaubte in diesem Augenblicke, der Oberstuhlrichter und sein Geschworener befänden sich in Begleitung von Panduren und Commissären schon in Tiszarét; wir, die wir in sein Zimmer eintreten, finden den verdienstvollen Mann ruhig an seinem großen eichenen Tische, und säße der Geschworene Keniházy nicht neben ihm, so würde uns vielleicht nicht einfallen, daß wir den Oberstuhlrichter in dem amtlichen Auftrag sehen, einen Räuber einzufangen. Unsere Leser werden sich hierüber nicht mehr verwundern, wenn sie die zahlreichen Gründe erfahren, welche unseren verdienstreichen Beamten bewogen hatten, statt nach Tiszarét, wohin er geschickt war, gerade nach Hause nach Garacs zu gehen.
Zuvörderst hatte Nyúzó, um seine Verehrung für den Obergespan und seinen Diensteifer kund zu thun, gleich nach der Restauration sich auf den Weg gemacht, um seinem Auftrage zu genügen; doch kann kein Gerechter fordern, daß die Amtspersonen des Tiszaréter Bezirkes mit hungrigem Magen bis Tiszarét fahren und nicht früher nach Garacs gehen sollten, welches um gute anderthalb Stunden näher bei Porvár liegt! Ueberdies waren die Panduren Pista und János in Garacs, der Commissär wahrscheinlich in Sz.-Vilmosch, und der Geschworene Keniházy bemerkte sehr treffend, daß das hochlöbliche Comitat doch nicht verlangen könne, daß sie selbst Viola fangen sollten? Es dunkelte bereits, und um diese Zeit pflegt ein vernünftiger Mensch, besonders wenn ihm, wie in diesem Falle Nyúzó, eine ganze Bande Rache geschworen hat, Räuber eher zu vermeiden als zu suchen; endlich, und dieser Grund war vielleicht nicht ohne Wirkung auf unsere verdienstreichen Beamten, nachdem der Raub an Tengelyi war verübt worden, nahmen Nyúzó und der Geschworene es nicht sehr zu Herzen, wenn die Uebelthäter erst dann der Gerechtigkeit in die Hände fallen sollten, wenn die geraubten Gegenstände sich nicht mehr in ihren Händen befänden. Kurz, Nyúzó hatte hundert Gründe, denselben Tag nicht nach Tiszarét zu gehen, und wer ihn jetzt sah in seinem alten ledernen Schlafsessel, die Pfeife im Mund, am großen Tische, auf welchem schon sein Vater Urtheile geschrieben, und auf dem zwei leere und ein angebrochener Weinkrug die Beschäftigung des jetzigen Hausherrn kundgaben, während eine halbaufgezehrte Schüssel Kocsonya, ein bis zum Knochen geschnittener Schinken und der Primsenkäse, Primsenkäse, eine eigene Gattung Käse, der in Ungarn erzeugt und in kleinen hölzernen Gefäßen verkauft wird. von dem, o Schmerz! nur das Holzgefäß übrig geblieben war, an die Genüsse des Mittagsmahles erinnerten, – der konnte nicht sogen, daß Nyúzó Unrecht gehabt, nach Hause zu gehen.
Nyúzó lehnte sich zurück in seinen Stuhl, die Seele versank in glückliche Träume, wie sie nur ein Stuhlrichter haben kann, der auf drei Jahre neugewählt ist. »Wir sind geblieben,« sprach er zuweilen hohnlächelnd und schlug auf den Tisch. »Na wartet,« und er biß die Zähne übereinander, daß die kurze Pfeife sich bis zur Stirne erhob. Seine Brust erfüllte die Empfindung unbeschreiblichen Glückes; er hätte das halbe Comitat aus Freuden geprügelt. Manchmal beschlich seine Seele Traurigkeit. Das ist die Natur der Menschen. Wenn die Freude unseren Augen Thränen entpreßt, so wissen wir nie, ob nicht Schmerz unser Herz erfüllen werde, noch ehe die Freudenthränen über unsere Wangen herabgeperlt sind; und für Nyúzó war dieses Haus so voll von Erinnerungen. Der Tisch, bei dem er saß, war es nicht derselbe, auf welchem er vor 45 Jahren gleich nach seiner Geburt zum erstenmale und, wie im Comitat Viele sagen, zum letztenmal war gewaschen worden? Hatte er nicht an diesem Tische seine schmerzlichsten und glücklichsten Stunden verlebt, diejenigen nämlich, in welchen er von einem Togaten Togatus, protestantischer studiosus theologiae. lesen und von einem Gerichtstafelbeisitzer »Färbeln« gelernt hatte? Hatte er nicht an diesem Tische seine geliebte Gattin niedergesetzt, als er sie in sein Haus brachte und sich aus Freuden so besoff, daß er sich bis auf den heutigen Tag nicht zu besinnen vermochte, wie er am selben Tage ins Bett gekommen? Und die vielen fröhlichen Zechgelage und schweren Urtheile, deren Schauplatz dieser Tisch gewesen, und deren Wein- und Tintenspuren bis auf diesen Augenblick geblieben waren! In den Sinn kamen ihm die 70 fl. 42 kr., die er auf der Restauration ausgegeben, in den Sinn kam ihm sein süßer Vater, der ebenfalls Stuhlrichter in dem Bezirke gewesen, und ihm in diesem Zimmer oft und oft den Schopf gebeutelt, und er dachte an das Gebräme seines Pelzes, welches ihm die Cortes zerrissen, und daß die Frau vor zwei Jahren zwei Vorderzähne verloren. Aber inmitten dieser Gedanken lächelte seine Lippe wieder. »Wir sind geblieben,« sprach er halb für sich und die Sorge flog weit weg von seiner Stirne. »In meinem Bezirke sind viele Juden,« so dachte er bei sich, »und wenn mein theurer Vater nicht gestorben wäre, könnte er jetzt nicht Oberstuhlrichter sein?« Das zerrissene Gebräme hatte ohnedies nichts gekostet und wird wahrscheinlich einen ähnlichen Nachfolger finden, und wenn seine Frau ein paar Zähne verloren, so sind es doch nur die vorderen, und einen so guten Tokány Tokány, eine ungarische Nationalspeise. wie sie kocht doch Niemand in Ungarn, und Alles in Allem genommen, gibt es doch keinen glücklicheren Menschen im Comitat als ihn. Der Geschworene, der seine beiden Ellbogen auf den Tisch gestützt hatte, sang seit einer halben Stunde sein Favoritlied:
»Wer Nyúzó nicht liebt,
Haj! haj! haj!
Den soll der Teufel holen,
Haj! haj! haj!«
Aber obgleich seine Stimme immer stärker und schneidender wurde, konnten doch Jene, die näher mit ihm bekannt waren, daran, daß ein nur halb ausgeleertes Glas Wein vor ihm stand, erkennen, daß er nicht ganz bei sich sei. Auch sein Gesicht bewies das, denn obgleich seine Augen offen standen, war der Ausdruck seines Gesichtes dennoch der eines Nachtwandlers.
»Du, Bandi,« sprach endlich der Oberstuhlrichter, den des Geschworenen ununterbrochener Gesang in seinen Träumen etwas zu stören begann.
Der Andere sang weiter, nur wurde die Stimme stärker.
»Bandi, sage ich dir, brülle nicht so.« Bandi starrte den Redenden an, aber sein Gesang wurde noch lauter.
»Er ist besoffen,« dachte Nyúzó, stand nicht ohne Schwierigkeit auf, trat zum Geschworenen und schüttelte ihn bei den Achseln, worauf der Andere den Kopf erhob, wie ein aus dem Schlaf Erwachender und staunend ausrief: »Na, was gibts?«
»Wir sind geblieben,« sprach der Oberstuhlrichter, in dessen Kopfe, wie es scheint, an diesem Tage kein anderer Gedanke Platz hatte, worauf der Geschworene zu lachen begann, lang, laut und wanderschütternd.
»Was lachst du?« sprach endlich Nyúzó, dessen Gesicht plötzlich den ganzen richterlichen Ernst zurückgewann.
»Darüber lache ich,« antwortete der Andere und lachte fort, »daß sie sich gegen uns gerüstet haben und wir doch geblieben sind.«
»Richtig, Bruder, wir sind geblieben,« sprach der Stuhlrichter wieder lächelnd, »so ist es, dem Klugen gehört die Welt.«
»Und dem Scharfsinnigen,« ergänzte der Andere und leerte das halbvolle Glas.
»Richtig, wir sind geblieben, na, wartet,« sprach der Oberstuhlrichter und schlug mit der Faust auf den Tisch, »einen Anderen habt ihr zum Stuhlrichter gewollt, wir werden schon sehen, wer Recht gehabt hat.«
»Und wen haben sie statt meiner gewollt?« fuhr der Andere fort, sich ebenfalls zu edlem Zorn entflammend, »den Vincenz Görögy, der eben jetzt aus der letzten Schule kommt.« Dies war für den Geschworenen ein um so größeres Gebrechen, weil er selbst nie in der letzten Schule gewesen.
»Der Tengelyi soll besonders auf sich Acht haben,« fiel Nyúzó ein, und auf seinem Gesicht war all' jene Bitterkeit zu sehen, die es in nüchternen Augenblicken charakterisirte, »ich hatte mir schon längst vorgenommen –«
»Es ist recht gut, daß er kein Edelmann mehr ist,« sprach der verdienstvolle Geschworene, »man kann ihm jetzt umso leichter zu Leibe.«
Und der Andere brummte: »Und wir werden ausgeschickt, um ihm seinen Verlust wieder einzubringen!«
»Ja und bei später Nacht, im schlechten Wetter, wo jeder ehrliche Mensch zu Hause bleibt,« fuhr der Geschworne ergänzend fort, »und die Räuber können den Menschen aus jedem Busch erschießen, wer hat je so was gehört!«
Der Geschworene würde wahrscheinlich seine weisen Bemerkungen fortgesetzt haben, wenn nicht Wagengerassel im Hofe die Aufmerksamkeit in Anspruch genommen hätte.
»Was kann das sein?« sprach der Oberstuhlrichter nachdenkend, »ich habe geglaubt, daß noch Niemand weiß, daß ich nach Hause gekommen bin.«
»Es werden Supplicanten sein,« sprach Keniházy ruhig, und schenkte sich ein frisches Glas Wein ein, »jetzt werden sie nach einander kommen, wir sind ja geblieben.«
Macskaházy, der in die Bunda gewickelt hereintrat, schnitt alles weitere Errathen ab.
»Du bist es, Freund,« sprach Nyúzó, drückte den mageren Fiskal an seine Brust und küßte ihn zweimal so, daß in einem anderen Lande die schönste Frau damit hätte zufrieden sein können, »gut, daß du kommst, jetzt können wir preferenceln.«
» Servus humillimus,« schrie der Geschworene, der dieses einemal das Aufstehen mehr schwer als nothwendig erachtete.
»Heute spielen wir nicht,« sprach Macskaházy, der sich kaum aus Nyúzó's Umarmungen loswinden konnte. »Wir müssen gleich fort.«
»Fort und wohin?« fragte Nyúzó.
»Ja wohin?« wiederholte Bandi, »heut' gehen wir keinen Schritt, wir preferenceln, nicht wahr, Pali?« Pali, Paul.
»Freilich gehen wir nicht,« sprach dieser, indem er wieder nach Macskaházy griff, der über den Zustand, in welchem er die beiden Beamten sah, bedenklich das Haupt schüttelte, »wenn Du nicht gutwillig bleibst, so nehmen wir dir die Räder deines Wagens weg, nicht wahr, Bandi?«
»Ja, wir nehmen ihm die Räder weg, und dann kann er gehen, wohin es ihm beliebt.«
Achselzuckend sprach Macskaházy: »Ihr hättet den Freudensuff über Eure Wiedererwählung wohl auch später feiern können.«
»Glaubst du vielleicht, daß ich besoffen bin,« schrie Nyúzó, »daß mein Verstand hin ist? Verfluchter Advocat! Wer ist der erste Vicegespan? Réty! und der zweite? Krivér und –«
»Ich weiß es, aber um Gotteswillen rede nur vernünftig!«
»Und wer ist der Geschworene?« brüllte Bandi. »Keniházy András, Éljen!«
»Gut also, reden wir vernünftig,« sprach der Oberstuhlrichter, indem er sich zusammennahm, »wo sollen wir also hin?«
»Nach Sz.-Vilmosch.«
»Und warum?« fragte Nyúzó weiter.
»Viola ist dort, wir müssen ihn heute fangen oder nie, bis morgen hat er die geraubten Schriften schon weiter gegeben.«
Mit Würde antwortete Nyúzó: »Wir fangen ihn morgen.«
»Aber wenn ich sage, daß wir die Schriften morgen nicht mehr bei ihm finden.«
»Umso besser,« antwortete der Andere ruhig, »in der Nacht soll ich gehen? Den Hals soll ich brechen? Blos damit ich Herrn Tengelyi seine Schriften verschaffe? Er soll selbst darnach gehen, wenn es ihm beliebt.«
»Freilich, er soll selbst darum gehen, wenn es ihm beliebt,« wiederholte der Geschworene lachend. Macskaházy warf einen verzweiflungsvollen Blick auf die zwei verdienstvollen Beamten, endlich nahm er Nyúzó am Arm, führte ihn zu einem Fenster und sprach mit ihm lange und leise, indeß der Geschworene seinen Kopf wieder auf die Hände stützte und zur alten Melodie zurückkehrend leise zu singen begann:
»Wer Bandi nicht liebt, haj, haj, haj!
Den soll der Teufel holen, haj, haj, haj!«
»Wenn es so ist,« sprach Nyúzó nach einiger Zeit, während welcher, wie es schien, Macskaházy seine ganze Beredsamkeit erschöpft hatte, »so ist die Sache freilich anders; Bandi, höre, geh' hinaus und sag' den Panduren, sie sollen gleich satteln.«
»Das ist was Anderes,« sprach dieser, indem er der Thüre zuwankte, »die Panduren können wir ausschicken.«
»Aber warum hast du denn das nicht gleich gesagt?« sprach der Oberstuhlrichter, der jetzt viel nüchterner schien, als noch kurz vorher Macskaházy gehofft hatte.
»Ich kann ja doch nicht Alles deinem Geschworenen vertrauen. Schicke deine Panduren nach Sz.-Vilmosch voraus und laß dem Commissär sagen, daß er und die Panduren und ein paar Männer mit eisernen Gabeln bei der Csárda am Wald uns erwarten sollen. Deinen Geschworenen laß hier, er könnte uns nur ungelegen sein.«
»Du hast Recht; aber wenn uns Czifra betrügt und das Ganze nur eine Schlinge ist, um uns ins Verderben zu locken?« und Nyúzó wurde blässer. »Viola hat mir Rache geschworen, und Czifra gehört zu seiner Bande.«
»Fürchte nichts, es ist ja nicht nothwendig, daß wir gar so nahe hingehen, ich liebe die Flintenschüsse auch nicht; übrigens ist Czifra verläßlich und in unseren Händen.«
Nach einer Weile trat Keniházy ein und sagte, daß die Panduren schon nach Sz.-Vilmosch aufgebrochen seien.
»Also gehen wir,« sprach Macskaházy, indem er die Bunda wieder umnahm.
»Also gehst du auch, mein Pali?« sprach der Geschworene staunend, als er Nyúzó ebenfalls in der Bunda sah.
»Aber was kannst du denn machen ohne mich?«
»Wir probiren Etwas,« sprach Nyúzó lachend, »du gib auf das Haus Acht.«
Die Beiden setzten sich in den Wagen, Czifra, der indessen auf dem Gange gewartet, saß wieder auf, der Wagen rollte fort.
»Sonderbar,« dachte Keniházy, »ein Stuhlrichter ohne Geschworenen,« und Nyúzó's verlassene rechte Hand ging in das Zimmer zurück, schüttelte öfter das gedankenschwere Haupt, trank ein Glas rothen Wein und sang weiter:
»Wer Bandi nicht liebt, haj, haj, haj!
Den soll der Teufel holen, haj, haj, haj!«
bis endlich der Schlaf den begeisterten Sang schloß, und in Nyúzó's Curia nur das Gebell der Hunde die große nächtliche Stille unterbrach.