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24

Das Stubenmädchen klopfte an Nr. 47 des ›Großherzogs von Oldenburg‹ und öffnete auf das matte »Herein«.

Der Herr mit dem Tuch um das Gesicht sah sie böse an. »Was wünschen Sie?«

»Die Zeitungen werden gewünscht. Darf ich Sie mitnehmen?«

»Da liegen Sie«, brummte Bruno Nissen und wandte sich von ihr ab, dem Fenster zu, als interessiere ihn dort eine Straßenszene.

Das Mädchen nahm die Zeitungen auf und blickte böse zu dem Gast hinüber: wenn einer auch Zahnschmerzen hatte, so unhöflich brauchte er einem hübschen Mädchen gegenüber nicht zu sein.

»Wollen Sie das Mittagessen auch auf das Zimmer haben, Herr Jensen?«

»Ja, viel essen werde ich wahrscheinlich nicht. Ah!« Er verzerrte das Gesicht wie im Schmerz.

Das Mädchen, etwas mitleidig geworden, empfahl allerlei Mittel. »Meine Großmutter nimmt immer Pain-Expeller. Sie schwört darauf.«

»Hat Ihre Großmutter überhaupt Zähne?« fragte er lachend.

Das Mädchen ging amüsiert; Herr Jensen mit den Zahnschmerzen konnte ganz lustig sein.

Bruno Nissen schloß sofort hinter ihr ab. Er war zufrieden: es klappte alles. Die Morgenzeitungen hatten nur kurz das Ableben Uhlenwoldts berichtet; die Meldung mochte kurz vor Redaktionsschluß gekommen sein. Von einem Morde war nirgends die Rede. Es war möglich, daß er sich geirrt hatte, wenn die Kriminalen nicht eine besondere Taktik verfolgten.

Das Mittagsblatt, das er telephonisch zu sich heraufbestellte, wußte schon vom Mord zu erzählen, und daß man dem Täter auf der Spur sei. Er lachte: »auf der Spur« waren sie immer. Nur reichte die Witterung nicht immer bis zum Ziel.

Aber unter den ›letzten Nachrichten‹ stand: »Wie wir in letzter Minute erfahren, ist in der Sache Uhlenwoldt bereits eine Verhaftung vorgenommen worden. Es ist nicht ausgeschlossen, daß der Fall eine sensationelle Wendung nimmt. Mehr zu erfahren, war unserem Sonderberichterstatter, der gleich an den Tatort eilte, nicht möglich. Wir werden unsere Leser auf dem laufenden halten.«

Eine Verhaftung? Es konnte sich nur um Johnny handeln, der unvorsichtig gewesen war. Aber den hatte er nicht zu fürchten, Johnny würde nicht reden.

Alles war bis jetzt gut gegangen. Er segnete noch heute seinen Einfall, in jener Nacht nicht zu Wirth zu gehen, wo Nottebohm und Johnny auf ihn warteten, sondern zur Elbchaussee zu fahren.

Vor dem Chauffeur hatte er einen betrunkenen Engländer gemimt. Und der hatte ihm geglaubt; sonst hätte er ihm nicht ein so unverschämtes Fahrgeld abgefordert. »Very-well«, hatte er nur geknurrt und anstandslos geblecht. Nein, auch der Chauffeur würde nichts aussagen, weil er sonst seine Stellung riskierte.

Der Einbruch bei Nottebohm war ein Kinderspiel gewesen. Man brauchte kein Turner zu sein, um in das Kammerfenster einzusteigen, und das Versteck kannte er. Sonderbar übrigens, daß keiner von seiner Bande jemals dies Ding gedreht hatte! Sie hatten Angst vor dem Alten, der zuviel von ihnen wußte.

Aber er hatte keine Angst vor dem Wirt des ›Fröhlichen Wandsbecker‹.

Das Mittagessen verzehrte er restlos; er vergaß ganz, daß er ein zahnkranker Mann war. Die Flasche französischen Kognaks, die er sich bestellt hatte, konnte ihm geholfen haben.

Hier war er sicher. Wenn er so dumm gewesen wäre, in der Hafengegend zu bleiben, hätte ihn eine Razzia längst aufgespürt. In dem guten Hotel im Mittelpunkt der Stadt, dicht am Hauptbahnhof, vermutete man ihn nicht. Er hatte sich bei Timmermanns seine feinste Kluft angezogen. Die übrigen Sachen hatte er in einen Koffer gepackt, den er in einem Hausflur niedergestellt hatte. Sicher war er längst gestohlen, und der Täter würde sich nicht melden.

Schmunzelnd betrachtete er die kleine unscheinbare Handtasche dort auf dem Stuhl: unter der Wäsche lag ein Vermögen, Nottebohms erspartes und ergaunertes Geld, das er keiner Bank aus Furcht vor einer Kontrolle anvertraut hatte. Das Geld reichte für viele Jahre aus, wenn er vernünftig lebte – und das mußte er einstweilen. Nur vorläufig nicht durch Geldausgaben auffallen! Am besten, er fuhr nach einem Kurort; in Thüringen oder im Schwarzwald fiel ein Erholungsreisender nicht auf.

Vergnügt vor sich hinpfeifend, ging er auf und ab. Vor dem Spiegel stellte er fest, daß sein unrasiertes Gesicht – er war im Versteck bei dem Tätowierer nicht zum Rasieren gekommen – miserabel zu seinem eleganten Anzug paßte. Der Gegensatz war auffällig und konnte gefährlich werden.

Da er sich dem Stubenmädchen nicht allzu häufig zeigen wollte, bestellte er durch das Zimmertelephon einen Friseur auf sein Zimmer.

Der Friseur, ein redseliger Herr, hatte noch nicht seinen Hut abgelegt, als er fragte: »Bleibt der Herr längere Zeit in Hamburg?«

»Ich weiß noch nicht, ob sich's lohnt.«

»Was Unterhaltungen betrifft, so kann ich Ihnen Tips geben, mein Herr.« Er zwinkerte vertraulich.

»Ich verzichte. Bei meinen Zahnschmerzen habe ich keinen Mumm.«

Der Friseur ließ heißes Wasser in sein Becken laufen.

»Der Herr ist noch nicht lange hier, wie?«

»Seit gestern. Aus Berlin.«

»Dachte ich mir. Man merkt's an der Aussprache.

Schafskopf! dachte Nissen erbittert.

»Da geschieht natürlich mehr als bei uns«, fuhr der andere fort und in seinem Ton lag eine Art von Entschuldigung. »Die Tresoreinbrecher sind wohl noch nicht überführt?«

Während Bruno die Serviette eingesteckt bekam, brummte er: »Woher soll ich das wissen?«

»Ich dachte, ganz Berlin spricht davon?«

»Ich kümmere mich nicht um Spitzbuben. Ich bin Geschäftsmann.«

Der andere begann, ihn einzuschäumen. »Worin reist der Herr, wenn ich fragen darf?«

»In Banknoten.«

Ein Klex Seifenschaum fand auf Brunos Mund seinen Platz, und er schnauzte den Ungeschickten an.

»Verzeihung. Tausendmal Verzeihung. Aber wenn der Herr so gute Witze macht! Man erkennt doch gleich den Berliner. Reisender in Banknoten! Großartig.«

Bruno biß sich ärgerlich auf die Lippen. Was für eine Dummheit, sowas zu sagen! Dieser schwatzhafte Kerl würde seinen großartigen Witz heute all seinen Kunden erzählen. Und dann genügte es, daß einer mißtrauisch wurde.

»Die Oberlippe lassen Sie frei«, befahl er wütend.

»Sehr wohl, mein Herr. Die kleinen Bärtchen werden wieder hochmodern. Gerade wie bei den Damen das längere Haar.« Er strich sein Rasiermesser am Riemen ab, ehe er fortfuhr: »Hat der Herr schon von unserem neuesten Kriminalfall gehört? In der Butenfleeth haben sie einen Großkaufmann ermordet. Aber der Herr kennt die Straße wohl nicht?«

»Nein.«

»Der Herr sollte doch etwas ruhiger sitzen. Ein Schnitt ist so leicht geschehen.«

»Ich bin ja ganz ruhig.«

»So ein Mörder«, fuhr der Friseur während des Schabens gemütlich fort, »läuft nun durch die Straßen und denkt, keiner findet ihn. Und doch dauert es nur kurze Zeit. Unsere Kriminalpolizei arbeitet erstklassig, alles, was recht ist. Kein Auto kann das Stadtgebiet verlassen, ohne kontrolliert zu werden. Die Hafenbehörden liegen auf der Lauer. Die Bahnhöfe werden überwacht – – – Verzeihung, jetzt habe ich den Herrn doch geschnitten. Einen Augenblick. Das werden wir gleich haben.«

Bruno fühlte kaum den kleinen brennenden Schmerz auf der Wange. »Was reden Sie da eigentlich alles zusammen?« unterbrach er den Schwätzer, außer sich vor Wut und Nervosität. »Ist denn überhaupt schon ein Steckbrief erlassen?«

»Steckbrief? Sie meinen, bei dem Mord in der Butenfleeth? Soviel ich weiß, noch nicht. Ich sprach nur so im allgemeinen.« Er schäumte seinen Kunden zum zweitenmal ein. »Darf ich gegen den Strich rasieren?«

»Sie dürfen.«

»Das wird nicht lange dauern. Er wird sich nicht lange seiner Freiheit freuen. Er und seine Mitverschworenen. Denn auch hier sollen mehrere beteiligt sein. Man hört so allerlei im Geschäft. Und da heißt's erbarmungslos: mitgegangen, mitgefangen, mitgehangen. Sie sind aber nervös! Um ein Haar hätte ich Sie wieder geschnitten. Sie müssen wirklich ruhiger sitzen.«

Endlich war die Qual des Rasierens überstanden, und Bruno Nissen drängte den Redeeifrigen hinaus, mit dem Hinweis auf seinen notwendigen Mittagsschlaf.

Stöhnend wischte er sich den Schweiß ab. Dies war ein Stück Folter gewesen.

Er trank Kognak aus der Flasche und warf sich, wie er war, auf das Bett. Aber der Schlaf, der ihm über die nächsten Wartestunden hinweghelfen sollte, kam nicht. Er sprang auf und setzte sich ans Fenster, eine Zigarette nach der anderen rauchend.

Während er, halb durch den Vorhang gedeckt, auf die Straße und das lebhafte Treiben blickte, zuckte er zweimal zusammen. Das eine Mal glaubte er, mitten auf der Mönckebergstraße, Hanne zu sehen. Und dann schien das blonde Mädchen, daß Litte Friese hieß, in einem Auto vorüberzufahren und nach oben zu blicken. Es war jedesmal ein Irrtum, aber es genügte seinen Nerven.

Eigentlich war es sonderbar, daß er nicht an die Gefahren dachte, die ihm von Männern drohten. Immer waren es diese beiden Mädchen, die er am meisten fürchtete.

Er griff wieder zum Kognak und kühlte sein Gesicht mit Wasser. Aber er spürte keine Erleichterung. Jeder Schritt auf dem Korridor, jedes Geräusch im Nebenzimmer durchzuckten ihn wie elektrische Schläge.

Der Nachmittag dehnte sich endlos: aber einmal kam doch die Dämmerung und mit ihr ein leiser Regen – wie bestellt, dachte er.

Er nahm die Handtasche und ging langsam hinunter. Niemand begegnete ihm.

Der Portier murmelte unter dem Eindruck des Trinkgeldes ein paar höfliche Worte. Bruno verließ ruhigen Schrittes das Hotel, in dem er so peinvolle Stunden verlebt hatte.

Es gab nichts Auffälliges. Niemand hielt ihn an. Niemand stand hinter ihm, als er die Fahrkarte nach Berlin löste. Niemand hinderte ihn, seine Zigarettenvorräte zu ergänzen und eine große Zeitung zu kaufen, hinter der er sein Gesicht verbarg.

Es gab nur einen Fehler in der Rechnung: die Bahnsperre war noch nicht aufgemacht. Seine Uhr war wieder mal falsch gegangen.

Da er sich nicht in den Wartesaal wagte, blieb er an der Sperre stehen. Als er einmal hinter der Zeitung vorlugte, glaubte er Hanne drüben an den Fahrplänen stehen zu sehen, die ihm zuwinkte.

Unsinn, es war nur ein Spiel seiner verbrauchten Nerven. Wenn sie ihm auf die Spur gekommen wäre, würde sie nicht dort bleiben. Er riß sich zusammen.

Endlich wurde die Sperre geöffnet, und er trat als erster hindurch. Er ging den Bahnsteig ganz langsam entlang, stieg aufs Geratewohl ein und schritt den Gang weiter, bis er in einem Abteil zweiter Klasse erschöpft in die Polster sank.

Er sah nach der Bahnhofsuhr. Es fehlten immer noch zehn Minuten – – das war eine lange Zeit. Aber dann war alles vorüber.

Er nahm wieder die Zeitung vor sich und beschloß, in dieser Haltung bis zur Abfahrt zu verbleiben.

Vielleicht wäre es besser, schon in Wittenberge auszusteigen, nicht am Lehrter Bahnhof in Berlin, wo man ihn wie ein bestelltes Paket in Empfang nehmen konnte. Anderseits in dem kleinen Ort war ein Untertauchen schwierig.

Als er soweit in seinen Erwägungen war, riß eine grobe Hand das Zeitungsblatt fort, und er starrte in Nottebohms blutunterlaufene Augen.

Ehe er eine Bewegung der Abwehr machen konnte, schlug der Alte mit unerhörter Kraft auf ihn ein. »Du Lump! Du Räuber! Wo ist mein Geld?«

Einen Augenblick sank Bruno Nissen betäubt zusammen; aber dann raffte er sich, der Gefahr bewußt, auf und schlug zurück.

Ein wilder Ringkampf entstand, bei dessen Anblick die eben eintretenden Reisenden entsetzt zurückwichen. Man hörte Rufe nach den Beamten.

Bruno, der sich losgerissen hatte, benützte die Verwirrung und drängte sich, die Tasche in der Wand, durch den Gang.

Rasend vor Wut hob Nottebohm seine Waffe und schoß, ohne zu zielen, mehrere Male auf den Flüchtling, der plötzlich zusammenbrach.

Draußen schrie eine gellende Mädchenstimme: »Hilfe! Er mordet ihn! Zu Hilfe!«

Als Nottebohm, die rauchende Waffe noch in der Hand, aus dem Wagen sprang, packten ihn ein paar Beamte.

»Er ist der Mörder!« schrie Hanne. »Haltet ihn fest! Laßt ihn nicht los!«

Dann fiel sie hintenüber, einem heranstürmenden Schupomann gerade in die Arme.

*

Von diesen Dingen erfuhr Detlev Huygens viel später, als er, von seinem Nervenfieber genesend, in dem hellen Sanatoriumszimmer in Blankenese lag, in das Blau des Himmels blickend und den frischen Duft der regenfeuchten Blätter draußen tief einatmend.

Litte Friese, die neben ihm saß, fragte: »Darf Herr Ortmann nun weiter erzählen? Oder bist du zu müde?«

»Nein, Liebste, ich muß alles hören.«

»Viel ist nicht zu berichten«, meinte der Kommissar. »Für uns war das Wichtigste, daß wir uns von der Tatsache des Doppelgängers überzeugen mußten.«

»Ich habe immer daran geglaubt«, unterbrach ihn der lange Lesley, der in einem Korbstuhl am Fenster saß; aber er wagte nicht, Litte dabei anzusehen.

»Sie standen Herrn Huygens auch näher. Übrigens hätte dieser tolle Bursche mit dem harmlosen Namen Nottebohm gar nicht sein Schießeisen zu zücken brauchen: Bruno Nissen war umstellt und wäre nie aus Hamburg herausgekommen. Wir warteten nur auf die anderen Mitglieder der Bande, die, wie wir wußten, hinter ihm her waren. Ihr Anwalt hat uns wertvolle Winke gegeben.«

»Bruno hat mit dem Tode bezahlt?« sagte Lesley.

»Ja, und höher kann man es wohl nicht. Am Ende war er nur ein Verführter. Wenigstens behauptet es die Hanne, die einzige aus dem ›Fröhlichen Wandsbecker‹, die frei herumlaufen darf. Bestätigt wird es durch Nottebohm, der in seiner ersten Raserei alles verriet. Jetzt markiert er den Stummen, und seine Spießgesellen schieben alles auf den Toten. Aber dazu haben sie alle viel zu viel auf dem Kerbholz.«

»Das ist entsetzlich. Wollen wir nicht von anderen Dingen reden?« Litte sah ihn bittend an.

»Zum Beispiel von dem Alibi?« fragte Ortmann lächelnd.

»Bitte«, wehrte sie errötend ab.

»Ich darf kein Amtsgeheimnis verraten. Aber einmal werden Sie es Ihrem Gatten erzählen, und dann werden Sie ein gutes Wort für mich einlegen, weil ich Ihnen glaubte, nein, weil ich Ihnen glauben wollte.«

»Sie taten Ihre Pflicht«, sagte Huygens, ihm die Hand reichend.

»Sie machten es mir verteufelt schwer, menschlich zu denken. Und als Kriminalist muß ich noch heute sagen: schade um so einen lückenlosen Indizienbeweis!«

Alle lächelten.

»Die Unschuldigen sind immer die Gefährdetsten – das habe ich daraus gelernt. Was ist nun noch zu sagen? Der Tod Ihres Onkels. Er wird, fürchte ich, ungeklärt bleiben, wenn nicht ein Geständnis erfolgt, was ich nicht annehme. Nach dem Ergebnis der Mordkommission bleibt die Möglichkeit offen, daß es sich um einen Unglücksfall handelt. Wahrscheinlich ist er nachts aufgestanden und hingestürzt, wobei sein Kopf auf die Ofenecke aufschlug. Halten wir uns daran.«

»Ich wollte, ich könnte daran glauben«, sagte Litte für sich. »Ich könnte sonst nie mehr jenes Zimmer betreten.«

Detlev Huygens richtete sich auf. »Dazu wirst du auch nicht mehr kommen, Litte. Wir müssen neu anfangen, wenn es überhaupt einen Sinn haben soll. Das alte Haus wird abgebrochen und ein neues gebaut, in dem Licht und Luft ist. Nichts soll mehr an das Vergangene erinnern.«

»Das wird gut sein«, begann der Kommissar wieder. »Wissen Sie übrigens – und deswegen kam ich eigentlich heute her – daß Sie in einer größeren Gefahr schwebten, als Sie je ahnten?« Er erzählte die Pläne der Bande. »Es wäre der größte Schurkenstreich geworden. Und er war nicht aussichtslos: nach dem Tode von Uhlenwoldt waren Sie das einzige Hindernis.«

»Ein Mann zuviel …« murmelte Huygens.

»Wie?« fragte Ortmann verwundert.

Litte erhob sich.

»Es war nichts von Bedeutung. Aber nun müssen Sie uns entschuldigen. Ich fürchte, es wird ein bißchen viel für ihn.«

Ortmann stand sofort auf. »Ich hätte mich sowieso gleich verabschieden müssen. Ich muß heute noch nach London, um einen unangenehmen Mitbürger unschädlich zu machen. Leben Sie wohl, und vergessen Sie! Aber das wird Ihnen in Ihrem neuen Glück wohl nicht schwerfallen.«

»Hoffentlich«, erwiderte Litte, ihn ernst ansehend. »Und nun – auf Wiedersehen!«

Als sie mit Detlev allein war, sagte sie: »Ich glaube, wir haben den armen Lesley heute schlecht behandelt. Wir müssen es morgen gut machen, nicht wahr?«

Sie hatte ein Lächeln Detlevs erwartet und erschrak, als sie sein ernstes Gesicht sah. »Was ist dir, Detlev? Hat es dich sehr angegriffen?«

»Nein«, antwortete er, die Augen schließend. »Nun ist alles vorüber. Wir wollen glücklich sein und arbeiten.« Plötzlich drückte er ihre Hand fester.

»Ich muß dir noch etwas gestehen. Die größte Furcht dieser letzten Zeit war für mich … aber sieh mich jetzt nicht an … die größte Angst hatte ich bei dem Gedanken, daß dieser Mensch vielleicht mein Zwillingsbruder sein könnte.«

Beinahe hätte sie aufgeschrieen. »Detlev, wie kommst du darauf?«

»Natürlich war es nur ein böser Alptraum. Der Spuk ist nun vorbei. Aber, wenn es so gewesen wäre, ich glaube, ich hätte es nie ertragen.«

Litte beugte sich über ihn und küßte ihn. Dann ging sie ans Fenster und starrte hinaus.

Nun wußte sie, daß sie das Geheimnis bei sich bewahren mußte, ein ganzes Leben hindurch …

 

Ende

 


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