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14

»Treten Sie nur ein und schließen Sie die Türe«, mahnte Uhlenwoldt mit seinem kurzen, knarrenden Lachen. »Es steht kein Geist vor Ihnen.«

Litte Friese folgte mechanisch seinen Worten und blieb drinnen am Türrahmen stehen. »Sie – hier?« brachte sie mühsam hervor.

»Wie Sie sehen. Wundern, Sie sich?«

»Ich habe mir in letzter Zeit das Wundern ziemlich abgewöhnt«, sagte sie langsam. »Immerhin hätte ich eher geglaubt, daß der Bismarck-Roland durch die Straßen spazierte, als daß Sie solche Ausflüge machten.« Beinahe hätte sie hinzugesetzt: Außer, wenn Sie nach Finnland Sprit schmuggeln.

»Sieh mal an! Den Humor haben Sie noch nicht ganz und gar verloren.«

»Sie erlauben wohl, daß ich Platz nehme; ich bin nicht ganz auf der Höhe.«

Er sah belustigt zu, wie sie mit ihrem Taschentüchlein erst den Stuhl abstaubte, ehe sie sich setzte. »Jetzt fehlt nur noch mein Herr Neffe hier. Dann wäre Huygens & Huygens versammelt.«

Sie blickte rasch zu ihm auf. »Suchen Sie ihn hier?«

Er wich ihrem Blick aus. »Ich lasse mich nicht gern ausfragen. Nehmen Sie an, daß ich Sie hier erwartet hätte.«

»Das ist ausgeschlossen.«

»Dann möchte ich die Gegenfrage stellen: wie haben Sie das hier herausgefunden?«

»Zufall.«

»Sie verstehen sich miserabel auf's Lügen. Sie dürfen dabei nicht rot werden.«

Litte Friese sah ihn trotzig an. »Ich wurde nicht deswegen rot.«

»Außerdem«, fuhr er fort, »ist es leichter zu erklären, wenn ein Mann in diese Budike gerät, als wenn eine junge Dame das tut.«

»Bei Ihnen ist das genau so rätselhaft.«

Uhlenwoldt trat einen Schritt näher an den Tisch, an dem sie saß. »Sie sagten, daß ich nie ausgehe. Das stimmt nicht, wie Sie wissen sollten. Einmal habe ich sogar mit einer gewissen Dame ins Theater gehen wollen.«

»Ja«, entgegnete sie schnippisch, »aber Sie hatten das Pech, daß diese junge Dame nicht mit fremden Herren ausgeht.«

»Bin ich Ihnen so fremd? Bin ich zu alt für Sie?«

»Nein. Es ist nicht deswegen, und das wissen Sie ganz gut.« Sie hatte ein Zittern in seiner Stimme gespürt, das sie mißtrauisch machte. War hier eine Gefahr vorhanden, die sie nicht ahnte?

»Sie sind schön, Fräulein Friese«, sagte seine unterdrückte Stimme, in der sie Leidenschaft beben spürte. »Sie sind doppelt schön, jetzt, wo Sie zornig sind.«

»Glauben Sie, daß ich das gern höre?« Unter seinen abtastenden Blicken erschauerte sie leicht, und sie streifte unwillkürlich den kurzen Rock über die Knie.

»Nein. Das zeigen Sie deutlich genug. Und vielleicht ist es nicht klug von Ihnen, das so deutlich zu zeigen.«

Sie fühlte die Drohung in seinen Worten und sah, daß er wieder einen Schritt näher trat. Aber ihre Blicke, die sie fest auf ihn gerichtet hielt, bannten ihn noch.

»Es war auch nicht klug von Ihnen«, fuhr seine zitternde Stimme fort, »hier herauf zu kommen.«

»Warum nicht?« fragte sie so ruhig, wie ihr klopfendes Herz es ihr erlaubte.

Sie bemerkte ein gefährliches Aufglitzern in seinen Augen und stand plötzlich auf.

»Wir können unser Gespräch wohl wo anders fortsetzen, Herr Uhlenwoldt, nicht wahr?«

»Wollen Sie schon gehen?«

»Erwarteten Sie etwas anderes?«

Sie ging zur Türe, die sie, wie sie wußte, nicht verschlossen hatte und versuchte, sie aufzuklinken; aber sie rührte sich nicht, wie sehr sie auch daran rüttelte. Im Schloß steckte kein Schlüssel. Es mußte also von außen ein Riegel vorgeschoben sein.

Ihre Augen flammten vor Wut. »Augenblicklich lassen Sie mich heraus, oder ich rufe Hilfe.«

»Das dürfte nicht viel nützen. Hier im Hause jedenfalls wird Sie niemand hören wollen.«

Ihre Blicke glitten zum Fenster; da draußen mußte ja noch der junge Detektiv sein, auf den sie sich verlassen konnte. Aber zwischen ihr und dem Fenster stand Uhlenwoldts massige Gestalt. Es war ausgeschlossen, daß sie dort heran kam.

»Wollen Sie nun nicht etwas freundlicher zu mir sein?«

»Jetzt, wo Sie mir eine Falle gestellt haben, gemeinsam mit diesem Kerl da?«

»Ja, gerade jetzt.«

Sie trat beiseite, so daß sie den Tisch zwischen sich und dem Manne hatte, der aufmerksam allen ihren Bewegungen folgte.

»Wenn der hier wäre, den wir beide hier suchen, würden Sie das nicht gewagt haben«, stieß sie hervor.

Sie hatte das aufs Geratewohl, aus der Not ihrer Lage heraus, gesagt, aber sie merkte sofort die Wirkung.

Er stutzte und sah sie verdutzt an. »Wen suchen wir beide denn hier?« fragte seine unterdrückte Stimme.

»Detlev Huygens. Wen sonst? Machen Sie mir doch nichts vor.«

»Was gibt Ihnen das Recht, ihn hier zu vermuten?«

Sie wußte sofort, daß Uhlenwoldt nicht an Detlevs Doppelleben glaubte und daß er, auf andere Kundschaft gestützt, ihn nicht erwartet hatte. Also war doch ein anderer im Spiel? Eine neue Hoffnungswelle überströmte sie.

Aber sie verebbte, als er fortfuhr: »Und was gibt Ihnen das Recht, ihm nachzuspionieren?«

»Sie selber. Sie haben mich doch beauftragt. Außerdem habe ich noch ein größeres Recht.«

»Ein größeres? Ich verstehe Sie nicht recht. Immerhin ersehe ich daraus, daß Sie nicht nur die Sorge um die Firma hierher gebracht hat.«

»Nein«, erwiderte sie fest. »Es geschah nur um Detlevs willen.«

»Detlev?« wiederholte er stockend. »Sieh mal an! Reden Sie in diesem Ton von ihm?«

»Ja, das tue ich. Und, um nicht weitere Mißverständnisse aufkommen zu lassen, sage ich Ihnen auch gleich, daß ich seine Braut bin.«

Uhlenwoldts Gesicht veränderte sich im Augenblick. Einige Minuten schwieg er. »Steht es so?« stammelte er endlich. Im Ton seiner Worte lag mehr Enttäuschung als Zorn, und sie fühlte sofort, daß sie jetzt die Oberhand hatte.

»Sorgen Sie sofort dafür, daß ich hier heraus kann. Ich spreche kein Wort mit Ihnen, ehe die Türe nicht offen steht.«

Ohne ein Wort zu sagen ging er zur Türe und klopfte, erst vorsichtig, dann laut und dröhnend. Aber niemand meldete sich.

Litte Friese, die ihn scharf beobachtete, glaubte zuerst an eine List und war auf ihrer Hut.

Aber Uhlenwoldts Zorn war ehrlich. Seine Fäuste schlugen so schwer gegen die Türe, daß sie sich bog. Als sie dennoch nicht aufging, zog er sein Taschenmesser hervor, klappte eine Klinge auf und schob sie in die Türritze. Nach einem kurzen Ruck flog die Tür auf.

»Es ist nur eine Holzkrampe«, sagte er mehr für sich. »Aber wir wollen Freund Nottebohm nicht noch einmal in Versuchung bringen.«

Seine festen Hände rissen das Querholz draußen ab, als sei es aus Papier.

Erst jetzt, als sie diesen neuen Beweis seiner Kraft sah, überkam sie das Gefühl der Gefahr, in der sie sich befunden hatte, und sie hatte gegen einen Schwächeanfall anzukämpfen.

»Warum gehen Sie nicht?« fragte er düster.

»Lassen Sie die Türe breit auf!« befahl Litte Friese. »So. Und nun sagen Sir mir ehrlich, wen Sie hier suchen.«

Er wiegte den schweren, häßlichen Kopf hin und her, ohne zu antworten.

»Reden Sie doch! Sie wissen doch anscheinend, worum es geht.«

»Wenn Sie Detlev hier suchen«, sagte er endlich, »dann suchen Sie vergebens. Sie können getrost heimgehen.«

»So ist es doch ein anderer?« rief sie glücklich.

»Hier gibt es auch keinen anderen, wenigstens jetzt nicht. Das habe ich schon festgestellt.«

»Aber er muß hier sein. Ich weiß es. Dann muß er hier versteckt gehalten sein?«

»Versteckt gehalten? Was für eine Phantasie! Sieht mein Neffe so aus, als ob er sich verstecken ließe?«

Sie stampfte in ihrer Erregung mit dem Fuß auf. »In dieser Verbrecherbude ist alles möglich.«

»Wo sollte er hier wohl versteckt sein?«

»Vielleicht da drüben. Da ist doch noch eine Türe.«

»Sehen Sie doch selber nach.«

Einen Augenblick fürchtete sie eine neue Falle. Aber dann ging sie doch an ihm vorüber auf den Flur und öffnete vorsichtig die andere Türe.

Sie sah in eine kleine Kammer, die zwei Feldbetten, einen Stuhl, allerlei Gerumpel und einen Berg Flaschen enthielt. Enttäuscht trat sie zurück.

»Alles, was Sie glauben, ist Spuk«, beantwortete Uhlenwoldt ihren fragenden Blick. »Aber der Spuk wird bald verfliegen. Dafür will ich sorgen. Und dann werde ich mit Ihnen reden.«

»Warum nicht jetzt? Sehen Sie denn nicht, wie ich unter diesen Zweifeln leide?«

»Ihre Nerven sind kaputt. Das ist es. Und Sie müssen sich ausruhen. Ich gebe Ihnen vierzehn Tage Urlaub, und mein Neffe soll sich Ihrer etwas annehmen.«

Sie sah ihn unsicher an. »Kann ich Ihnen glauben?«

Da sagte er etwas, was ihr instinktiv die Wandlung seines Wesens klar machte. »Also so lieben Sie ihn, daß Sie sich hierher … hierher … wagten?«

»Ist das nicht selbstverständlich?«

Plötzlich sah sie, wie sich seine Rechte ihr entgegenstreckte. Es war eine schwerfällige, fast demütige Gebärde, und sie begriff, wieviel sie den herrischen Mann kosten mußte. »Können Sie mir verzeihen?« stammelte er undeutlich.

Mit einiger Überwindung ergriff sie seine Hand. »Ich will es versuchen.«

»Mehr kann kein Mensch … ich danke Ihnen. Und Sie sollen sich nicht mehr über mich zu beklagen haben. Sagen Sie das auch – ihm.«

»Ich werde ihm nichts von alledem sagen.«

Er machte ihr Platz, und sie ging die Treppe hinunter, in die Rauchschwaden des Lokals hinein.

Am Treppenabsatz stand Nottebohm, der sie aus seinen schiefen, gelben Augen verwundert ansah. Wahrscheinlich hatte er die letzte Auseinandersetzung mit angehört.

Sie empfand einen brennenden Wunsch, ihm ins Gesicht zu spucken; aber sie bezwang sich.

Als sie unten in der Wirtschaft war, sah sie das junge, flachsblonde Mädchen, das einen Gast bediente und, wie es schien, böse zu ihr herüberblickte.

Die Erinnerung an jenen unseligen Sonnabend bestürmte sie so stark, daß sie beinahe hinübergelaufen wäre, um dieses Mädchen zu stellen.

Aber ehe sie sich dazu entschließen konnte, drehte sich der Gast, der vor der Theke stand, um, und sie erkannte den Detektiv, der ihr also aus Besorgnis gefolgt war.

Sie verstand sofort, daß sie ihn hier nicht erkennen durfte, und beschloß, ins Geschäft zurückzueilen, um auf seinen Anruf zu warten. Vielleicht gelang ihm hier die Lösung des Rätsels.

Mit einem tiefen Aufatmen betrat sie die Straße.

Oben trat Nottebohm gleichzeitig in das Zimmer, wo Uhlenwoldt auf ihn wartete.

»Wir wollen unsere Zeit nicht vergeuden. Wer ist dieser Mann, nach dem ich Sie fragte, ehe diese junge Dame kam?«

Der Wirt, der anfangs eine vertrauliche Miene aufgesetzt hatte, sagte in einem Tone höflichen Bedauerns: »Ich weiß nur, daß er Bruno Nissen heißt.«

»Heißt er wirklich so?«

Nottebohm grinste. »Wenn ich alle meine Gäste danach ausfragen wollte, steht meine Bude morgen leer. Wer zahlt, ist mein Gast. Punktum. Streusand drauf.«

Uhlenwoldt setzte sich auf die Tischkante. »Und was tut er? Ich meine natürlich, außerhalb seiner Verbrechen?«

»Oh«, machte der andere bedauernd. »Wer wird gleich von solchen Sachen sprechen?!«

»Es sind Verbrechen. Das wissen Sie ebenso gut wie ich.«

»Als er zu mir kam, war er ein stellungsloser Artist.«

»Sagen Sie doch lieber Gelegenheitsarbeiter, wie es in den Polizeiberichten immer heißt. Also: er war nichts, ist nichts und hat nichts. Und daraufhin haben Sie, ausgerechnet Sie, ihn aufgenommen?«

»Man hat doch auch ein Herz, sozusagen.«

»Lassen Sie sich nicht auslachen«, fuhr Uhlenwoldt grob dazwischen. »Sie haben nicht mehr Gemüt als ein Pflasterstein.«

Nottebohm ließ sich achselzuckend in den Stuhl nieder, den Litte Friese vorhin abgestaubt hatte. »Sie fragen mehr, Herr, als ich beantworten kann.«

Uhlenwoldt betrachtete ihn stirnrunzelnd. Aus diesem alten Burschen war nicht viel herauszubekommen. Er änderte seine Taktik. »Wenn er nichts hat, wird es ihm wohl gleich sein, wo er sich aufhält, wie?«

Nottebohm sah ihn blitzschnell an. »Ich verstehe, Herr. Er soll machen, daß er hier wegkommt?«

»Ja, und nicht mehr zurückkommen. Deutschland ist groß, und anderswo ist auch noch Platz.«

Nottebohm lächelte listig. »Das klingt ganz plausibel. Aber Reisen kostet heutzutage viel Geld.«

»Das wird man ihm geben. Kann er Englisch?«

»Jeder Artist kann Englisch.«

»Das erleichtert die Sache.«

Wieder schwiegen beide, und es sah aus, als ob jeder die Widerstandskraft des anderen abschätze, wie zwei Boxer im Ring.

Nottebohm war der erste, der die Geduld verlor. »Er soll also verschwinden?«

»Verschwinden? Wie meinen Sie das?«

»Wie soll ich es wohl meinen?« kam die Gegenfrage zurück, die im harmlosesten Ton gestellt war.

»Na«, meinte Uhlenwoldt mit einem kurzen Auflachen.

»Wenn man Sie so in Ihrer ganzen Schönheit ansieht, kann man allerlei darunter verstehen. Gewaltsames, zum Beispiel. Kriminelles, wenn Sie das besser begreifen. Aber davon darf keine Rede sein.«

»Ausgeschlossen. Wozu auch das Risiko.«

Uhlenwoldt nahm eine Zigarre aus seinem Etui und zündete sie umständlich an.

Der Wirt schnupperte. »Ein prima Kraut, Herr. Sowas Feines ist man im ›Fröhlichen Wandsbecker‹ nicht gewöhnt.«

»Glaube ich«, bestätigte Uhlenwoldt, »aber Sie kriegen trotzdem keine.«

»Das war es wohl nicht, war wir besprechen wollten? Ich habe meine Zeit nämlich nicht gestohlen«, setzte er unwirsch hinzu.

»Du lieber Gott, wenn Sie auch noch die Zeit stehlen wollten!«

Nottebohm stand auf. »Also kurz: wieviel ist Ihnen die Sache wert?«

»Welche Sache?«

»Daß Bruno Nissen verschwindet? Davon reden wir doch? Billig wird es nicht zu machen sein, das sage ich man lieber gleich. Er ist ein guter Junge im Grunde, und wir haben uns aneinander gewöhnt. Wir werden uns vermissen. Also wieviel?«

»Nicht allzu viel. Das Reisegeld nach New York – die ›Berengaria‹ fährt übermorgen – natürlich Zwischendeck. Oder dachten Sie erster Klasse auf der ›Europa‹? Und etwas Zehrgeld für den Anfang.«

»Damit wird er nicht zufrieden sein, Herr, und ich auch nicht. Ich habe nämlich auch noch ein Wörtchen mitzureden.«

»Ich verstehe, weil Ihnen sein feiner Verdienst entgeht. Nein, davon kann keine Rede sein.«

Nottebohms Augen bekamen einen grünlichen Schimmer der Wut. »Sie sollten sich das doch nochmal überlegen, Herr Uhlenwoldt.«

»Meinen Namen wissen Sie also auch?«

»Den wußte ich, als Sie eintraten. Sie sind nicht so unbekannt, wie Sie glauben. Überlegen Sie doch mal: wie wollten Sie Bruno Nissen ohne mich hier fort kriegen?«

»Sehr einfach. Durch die Polizei.«

Die Hände des Wirts ballten sich zu Fäusten. »Polizei?« schrillte seine Stimme auf. »Vielleicht haben Sie genug Grund, die Polizei aus dem Spiel zu lassen.« Er zögerte einen Augenblick, in das zornige Gesicht des anderen blickend, und setzte dann in ganz anderem, beinahe gemütlichem Ton hinzu: »Der Pickbube ist ein flinkes Schiff.«

»Was wollen Sie damit sagen? Werden Sie deutlicher.«

»Ich wollte nur sagen, daß es Ihnen gehört und daß es eins der flinksten Schiffe ist, das je über die Ostsee gefahren ist und – geschmuggelt hat.«

»Schmuggelt es nach Deutschland?« fragte Uhlenwoldt mit unnatürlicher Freundlichkeit.

»Das gerade nicht.«

»Nun also!«

»Und da sind noch andere Sachen, Herr.« Seine Lider schlossen sich fast über den lauernden Augen. »Sie sollten sich die Summe doch lieber überlegen, ehe anderes bekannt wird, Herr.«

Uhlenwoldt sprang vom Tisch. »Wollen Sie mich erpressen, Sie Hund?«

Der andere zuckte zusammen, als hätte er den erwarteten Schlag bekommen. Seine drohende Miene wurde jäh unterwürfig. Offenbar hatte er seinen Fehler eingesehen.

»Wir werden ein anderes Mal darüber sprechen, wenn wir beide ruhiger sind. Soll ich ins Geschäft kommen, oder treffen wir uns lieber am dritten Ort? Denn hierher werden Sie sich wohl nicht mehr bemühen wollen. Ich stehe zur Verfügung, Herr.«

Uhlenwoldt würdigte ihn keiner Antwort; er stülpte seinen Hut auf und ging an dem dienernden Wirt vorüber hinaus.

Der Detektiv unten blickte ihm mit einer deutlichen Verwunderung nach.

Da das bedienende Fräulein in einer Seitenkammer verschwunden war, die man auf den ersten Blick nicht sehen konnte, verließ auch er seinen Stehplatz an der Theke und schlenderte, das Glas in der Hand, auf und ab, bis er vor der Kammertüre stand.

Er hörte den heftigen Streit eines Mannes mit einer Frau, ohne die einzelnen Worte verstehen zu können. Die Mädchenstimme gehörte natürlich dieser kleinen Blonden an; aber wer war der andere, der dort versteckt war?

Plötzlich vernahm er hinter sich energisches Räuspern. Als er sich umdrehte, sah er den Wirt, der ihn drohend anblickte.

»Gemütliches Lokal hier«, sagte er, einen tiefen Schluck nehmend.

»O ja«, erwiderte Nottebohm, »aber manchmal kann es auch höllisch ungemütlich werden.« Seine Augen ließen keinen Zweifel darüber, wie er über den neugierigen Gast dachte.

»Glaube ich nicht. Gemütlichkeit ist die Grundlage aller Fleegenwirtschaften.«

»Hat der Herr schon bezahlt?« fragte der Wirt die zurückkehrende Hanne.

»Ich trinke noch eins«, sagte der Detektiv schnell, sein Glas leerend.

»Nicht nötig, Herr, und bezahlen brauchen Sie auch nicht.«

»Meinen Sie, ich lasse mir von Ihnen etwas schenken?«

Der andere legte einen Fünfzigmarkschein hin, um durch das Wechseln Zeit zu gewinnen.

Aber die List verfing nicht. Der Wirt steckte ihm den Schein in die offene Jackettasche und schob ihn zur Türe.

»Hier bin ich tohuus«, brummte er dabei, »und hier kommt mir kein Rauch in die Küche.«

»Gemütliches Lokal, wie gesagt«, meinte der Detektiv. »Also auf Wiedersehen, Vater Nottebohm!«


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