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Suron ist interessiert

Hansten-Jensen bemerkte Surons lebhaftes Interesse und wich aus.

»Ich weiß nichts Bestimmtes,« sagte er, »aber ich weiß, daß Herr Christensen große Geschäfte vorhatte, und da ist es ja denkbar, daß er bedeutende Summen bei sich trug.«

Surons Gesicht verriet eine gewisse Unruhe.

»Wenn Christensen gestern abend ein kleines Vermögen bei sich hatte,« sagte er, »dann bekommt die Sache ein ganz anderes Gesicht. Denn er zeigte seine Brieftasche reichlich viel. Dabei sieht es ihm gar nicht ähnlich, prahlerisch aufzutreten, ich war über sein Benehmen sehr erstaunt. Er machte einen ganz verwirrten Eindruck. Er hat wohl in der letzten Zeit kolossal gearbeitet und hat sich überanstrengt.«

»Schon möglich,« meinte der Detektiv, »um so mehr eilt es, daß wir ihm zu Hilfe kommen. Sie kennen seine Sekretärin, Fräulein Aino Erko?«

»Ja.«

»Haben Sie sie heute schon gesprochen?«

»Ja, vor einer Stunde. Sie ist sehr unglücklich über das Verschwinden ihres Chefs. Die arme Kleine ist außerdem von einem privaten Kummer betroffen worden. Sie hat ein Telegramm aus Kotka bekommen, daß ihr Vater todkrank ist. Ein altes Sprichwort sagt, daß ein Unglück selten allein kommt.«

Hansten-Jensen war erstaunt über die vielen Unglücksfälle, die plötzlich über das arme Fräulein Aino hereingebrochen waren. Doch sagte er gefaßt:

»Vielleicht kann Fräulein Erko uns Aufschluß darüber geben, wieviel Geld und welche Wertpapiere etwa Jos bei sich gehabt hat. Das ist für unsere Nachforschungen von großer Wichtigkeit.«

»Darüber habe ich Fräulein Erko bereits befragt,« antwortete Suron. »Sie meint, daß der Chef nur einige tausend Kronen bei sich gehabt hat. Von Wertpapieren weiß sie nichts.«

Hansten-Jensen sann eine Weile darüber nach, wie wenig Annebyes und Fräulein Erkos Angaben übereinstimmten. Außerdem hatte der Detektiv den Eindruck bekommen, als ob Suron gern das Vorhandensein einer größeren Summe verneinen wollte. Das eine wie das andere veranlaßte ihn, weiter in ihn zu dringen. Ihm ahnte, daß sich hier ein Geheimnis verbarg.

»Wir können vielleicht mal bei Herrn Christensens Bank anfragen,« sagte er. »Arbeitet er nicht mit der Aktienbank?«

Da aber lachte Suron beinahe überlegen.

»Sonderbar, wie unpraktisch die Herren von der Polizei manchmal sind,« sagte er. »Ich glaube kaum, daß die Bank Ihnen Aufschlüsse gibt, wenn Sie auch Ihre Legitimationskarte vorzeigen. In diesen Zeiten der Spekulation ist Diskretion ja von äußerster Wichtigkeit. Wo aber ist Asbjörn Krag?«

»Ich habe ihn heute noch gar nicht gesehen. Doch habe ich ihm einen Bescheid im Hotel hinterlassen. Wir werden ihn aber bald treffen. Haben Sie Zeit?«

Suron warf einen forschenden Blick auf seine Freunde, die ganz von Valborg und Estella in Anspruch genommen waren.

»Ich habe nichts Besonderes vor,« antwortete er zögernd.

»Aber Sie sind müde?«

Suron lächelte.

»Ich müde!« sagte er. »Ich kann drei Tage und Nächte unterwegs sein, ohne daß man es mir anmerkt, und dies waren erst die ersten vierundzwanzig Stunden.«

»Dann darf ich Sie vielleicht bitten, mir Gesellschaft zu leisten. Mein Auto hält draußen.«

»Wohin soll es denn gehen?«

»Zur ›roten Constance‹. Dort können Sie mir von Nutzen sein. Und Sie wollen einem guten Freund doch gern einen Dienst erweisen, nicht wahr?«

Suron erhob sich sofort bereitwillig.

»Ich begleite Sie,« sagte er. »Ich werde mein möglichstes tun, um bei der Aufklärung mitzuhelfen.«

Er entschuldigte sich bei seinen Freunden, die sich indessen in jenem Zustand der Seligkeit befanden, wo man leicht und sorglos durchs Leben gleitet und sich ohne Gemütsbewegung mit seinen Freunden trifft und von ihnen scheidet. Suron und Hansten-Jensen bestiegen das Auto.

In dieser Zeit der allgemeinen Wohnungsnot konnte man mit Recht die rote Constance um die Wohnung beneiden, die sie sich verschafft hatte. Die Villa lag etwas abseits von der Straße, in einem großen Garten. Es war ein altes Holzgebäude mit zwei Reihen Fenstern. Die unteren waren mit Jalousien bedeckt, wie man sie an französischen Häusern sieht. Vor den oberen hingen von innen dicke, hellgrüne Vorhänge. In der Dezemberkälte wirkte das kleine Haus warm und behaglich.

Durch einen schmalen Gang kamen die beiden Herren zu der Eingangstür, die sich auf der Rückseite des Hauses befand. Davor war ein kleiner Hof. Kaum hatten sie geläutet, als die Tür von einem Bedienten geöffnet wurde. Ein geschickter Theaterregisseur hätte ihn nicht besser ausstatten können. Englischer Stil, etwas korpulent, unbewegliches Gesicht, würdevoll, diskrete grüne Livree mit schwarzen Knöpfen.

Er verbeugte sich steif.

»Gnädiges Fräulein empfangen nicht,« sagte er.

»Donnerwetter, Johnny!« rief der Detektiv, indem er dem Bedienten gemütlich die Schulter klopfte. »Haben uns lange nicht gesehen.«

Johnny zog die Augenbrauen hoch, genau wie ein Bedienter in einem amerikanischen Filmdrama.

»Sie sind dick geworden, Johnny,« fuhr der Detektiv fort. »Damals, Sie wissen wohl, waren Sie viel schlanker –«

Johnny machte eine neue, nicht weniger steife Verbeugung und sagte:

»Die Herren sind willkommen, ich werde Sie melden.«

Damit stieg er schnell die Treppe hinauf und die beiden folgten ihm. Hansten-Jensen sagte lachend:

»Wie soll man so einen eigentlich nennen? Bedienter, Beschützer, Liebhaber oder Ehemann? Ich weiß wirklich nicht.«

Die teppichbelegte Treppe, die verschleierten Lampen, die Gobelins an den Wänden machten auf den Besucher den eleganten und behaglichen Eindruck, den solch ein Taubenschlag machen muß. Aber die ganze Umgebung war auch von wirklichem Geschmack geprägt. An den Wänden des Vestibüls hingen alte wertvolle Kupferstiche, und allein der Schirmständer aus gehämmertem Messing war ein kleines Kunstwerk.

Johnny öffnete die Tür zum Salon.

Es war mehr ein Atelier als ein gewöhnlicher Raum. Er ging durch die ganze Breite des Hauses; in der einen Ecke stand ein Flügel, weiße Statuetten überall, weiche Teppiche, Bilder an den Wänden usw. Es fiel kein Tageslicht herein, aber elektrische Lampen mit grasgrünen Schirmen verbreiteten eine angenehme, gedämpfte Beleuchtung.

Aus dem Dämmer der einen Ecke löste sich eine Gestalt. Es war ein Herr, mit einem Whiskyglas in der Hand.

Es war Asbjörn Krag.

»Willkommen, meine Herren,« rief er ihnen entgegen, »dies ist ein ganz vorzüglicher Whisky.«

Hansten-Jensen blieb erschrocken stehen.

»Gestern war Jos hier unzurechnungsfähig,« dachte er bei sich, »ist heute Asbjörn Krag an der Reihe? Diese Norweger sind unberechenbar.«


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