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Sagen der Chassidim
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20. Der gottgefällige Tanz

Der heilige Baal-Schem, seligen Angedenkens, saß einmal Freitag abends mit seinen Schülern beim Mahl, mit dem der Einzug des Sabbats gefeiert wird. Er pflegte bei solchen Mahlzeiten mit seinem ganzen Wesen bei Gott, gesegnet sei sein Name, zu sein. Er war nicht mehr auf dieser Welt, sondern alle seine heiligen Gedanken waren beim Allmächtigen. Kaum war der Segensspruch über den Wein gesprochen, als der Baal-Schem plötzlich in Gelächter ausbrach. Die Schüler waren darüber höchst erstaunt, denn sie hatten bei ihm dergleichen noch nie erlebt. Sie wagten aber aus Ehrfurcht nicht, ihn nach dem Grunde seines Lachens zu fragen, und schwiegen. Doch mitten in der Mahlzeit fing der heilige Baal-Schem wieder zu lachen an, und die Schüler waren von neuem erstaunt. Und so geschah es dreimal. Niemand wußte die Ursache dieses Gebarens.

Unter den Schülern befand sich der heilige Rabbi Wolf Kizes, den der Baal-Schem sehr liebte. Rabbi Wolf durfte ihm jeden Sabbatabend die Tabakspfeife anzünden, und der Baal-Schem pflegte ihm dabei zu erzählen, was er während des Sabbats alles im Geiste erlebt hatte. Als nun der Sabbat zu Ende ging, baten alle Schüler den frommen Rabbi Wolf, er möchte den Baal-Schem fragen, welche Bewandtnis es mit seinem Lachen gehabt habe. Rabbi Wolf fragte den heiligen Baal-Schem danach, doch dieser gab keine Antwort, sondern befahl allen Schülern, die Werktagskleider anzuziehen und mit ihm ein wenig aus der Stadt hinauszufahren.

Die Schüler taten so, wie ihnen geheißen, doch sie wußten nicht, wohin er mit ihnen fahren würde. Der Baal-Schem fuhr mit ihnen die ganze Nacht durch und kam erst am Morgen in die Stadt Kozienice. Dort begab er sich mit seiner Begleitung in das Haus des Gemeindevorstehers, der ihn und seine Schüler mit großen Ehren aufnahm, denn der Name des heiligen Baal-Schem war damals groß in der ganzen Welt. Bald kamen ins Haus alle angesehenen Gemeindemitglieder, doch der Rabbi begann sein Morgengebet zu verrichten. Und als er damit fertig war, befahl er, daß man ihm den Buchbinder Reb Schabsai und dessen Weib hole. Darüber waren alle sehr erstaunt, denn Reb Schabsaj war zwar ein ordentlicher Mensch, doch durchaus einfach und ungebildet. Als der Buchbinder und seine Frau vor dem heiligen Baal-Schem standen, sagte dieser: »Ich bitte dich, erzähle mir alles, was du am letzten Freitagabend gemacht hast. Du sollst aber nichts verheimlichen.«

Darauf antwortete der Buchbinder Rab Schabsaj: »Ich bitte Euch, Rabbi, vielleicht habe ich etwas nicht recht getan, so mögt Ihr es mir sagen. Ich will Euch aber alles erzählen, wie es gewesen ist. Ich bin Handwerker und habe mich immer von der Arbeit meiner Hände ernährt und noch niemals fremder Hilfe bedurft. Es war bei mir Sitte, daß ich schon am Donnerstag alles anschaffte, was wir für den heiligen Sabbat brauchten. Am Freitag begab ich mich immer schon um zehn Uhr früh in den Tempel und las das Hohelied und die Psalmen bis zum Abend. Und so feierte ich den Sabbat nach meinem ganzen Vermögen. Jetzt aber, da ich alt geworden bin, habe ich nicht mehr die frühere Kraft und kann nicht viel arbeiten, und so mußte ich meine ganze Habe verkaufen, um mich zu ernähren. Und zuletzt kam es so, daß ich nichts mehr zu verkaufen hatte, um mir für den Erlös wenigstens ein Stück Brot für den Sabbat zu kaufen. Den ganzen letzten Donnerstag hoffte ich noch, daß der Allmächtige mir etwas bescheren würde, womit ich den Sabbat begehen könnte. Denn hätte er meine Lage jemandem offenbart, so wäre mir geholfen: das heilige Volk der Juden würde es ja nicht zulassen, daß ich am Sabbat faste. Da ich aber nicht wollte, von der Gnade eines Wesens aus Fleisch und Blut etwas zu nehmen, hatte ich beschlossen, am Sabbat lieber zu fasten. Der Herr könnte mir aber auch im letzten Augenblick noch helfen. Nun fürchtete ich, daß mein Weib die Sache den Nachbarn erzählen könnte; darum nahm ich ihr, bevor ich in den Tempel ging, das Versprechen ab, niemandem etwas von unserer Lage zu erzählen. Auch sagte ich ihr, ich werde später als sonst aus dem Tempel heimkommen, denn ich wollte abwarten, bis alle gegangen sind: wäre ich mit den andern Menschen heimgegangen und hätte mich jemand gefragt, warum in meinem Haus kein Licht brennt, so wüßte ich nicht was zu antworten.

Ich ging also wie gewöhnlich um zehn Uhr ins Bethaus und las das Hohelied und die Psalmen. Mein Weib begann indessen das Haus aufzuräumen, den Staub abzuwischen und die Stube zu kehren. Und beim Aufräumen fand sie ein Paar Ärmel, in denen silberne Knöpfe steckten. Diese Ärmel hatten wir vor sehr langer Zeit verloren, und nun kamen sie ganz plötzlich wieder zutage. Sie verkaufte sofort die Knöpfe, und der Erlös reichte gerade, um alles für den Sabbat anzuschaffen: Weißbrot, Lichter, Fische und alles übrige, wie es bei uns im Hause immer Sitte war. Sie hatte aber diesmal längere Lichter gekauft, denn sie wußte, daß ich später als sonst aus dem Bethause kommen würde. Wie ich nun abends heimgehe, sehe ich schon aus der Ferne, daß es bei mir im Hause sehr hell ist, und sage mir: mein Weib hat sich sicher nicht beherrschen können und hat etwas den Nachbarn erzählt, und diese haben ihr Lichter geschenkt. Und wie ich ins Haus komme, sehe ich den fein gedeckten Tisch mit Brot und Wein, und ich denke mir, daß das doch sicher das Geschenk eines Wesens von Fleisch und Blut ist; und doch hatte mir mein Weib mit Handschlag gelobt, niemandem ein Wort zu sagen. Ich wollte aber nicht den Sabbat stören und sie gleich zu Beginn streng fragen, woher alle die Dinge kämen. Darum begrüßte ich sie wie sonst, sprach das Gebet über den Wein und setzte mich essen. Doch während der Mahlzeit sagte ich ihr: &›Du hast dich doch nicht beherrschen können und die Prüfung nicht bestanden!‹ – Doch sie erwiderte darauf: &›Kannst du dich noch erinnern, daß wir einmal vor Jahren ein Paar Ärmel mit silbernen Knöpfen verloren haben? Diese habe ich jetzt gefunden und verkauft, und der Erlös reichte gerade für den Sabbat.‹

Nun sah ich, daß der Herr niemanden verläßt, der auf ihn statt auf menschliche Hilfe baut. Und als ich das begriff, wurde ich voller Freude ob der großen göttlichen Gnade, und ich nahm mein Weib bei der Hand und tanzte mit ihr eine ganze Weile. Und so tat ich dreimal vor großer Freude, daß der Herr mir alles gegeben hat, was ich für Sabbat brauchte, ohne daß ein Wesen von Fleisch und Blut mir hat helfen müssen. Nun bitte ich Euch, Rabbi, wenn es nicht recht von mir war, daß ich mit meinem Weib am Sabbat tanzte, so sagt es mir. Ich tat es aber aus vollem Herzen, um den Herrn zu loben.«

Als der Buchbinder mit seiner Erzählung fertig war, sagte der heilige Baal-Schem zu seinen Schülern: »Glaubt mir, es war eine große Freude in allen Himmeln und bei allen Heerscharen!« Nun verstanden die Schüler, warum er dreimal gelacht hatte.

Dann fragte der Baal-Schem die Frau des Buchbinders, was sie lieber haben möchte: Reichtum, daß sie ihr Leben in Ehren beschließen könnte, oder einen Sohn. Denn die Buchbinderleute waren kinderlos und schon in älteren Jahren. Und die Frau sagte, daß sie lieber einen Sohn haben möchte. Der Baal-Schem versprach ihr darauf: »Du wirst einen Sohn gebären, und sein Name wird leuchten auf der ganzen Welt. Du sollst ihn Israel nennen, so wie ich heiße, und wenn er zur Welt kommt, sollst du mich wissen lassen. Dann werde ich zur Beschneidungsfeier kommen und werde sein Pate sein.«

Und so geschah es. Die Frau des Buchbinders wurde Mutter des berühmten Maggids Israel von Kozienice, und was dieser für ein heiliger Mann und Wundertäter gewesen ist, ist jedem bekannt. Er war sein Leben lang schwach und kränklich, weil er von alten Eltern geboren war. Er lag fast immer im Bette, doch sooft die Stunde des Gebets kam, sprang er auf wie ein Löwe. Sein Segen sei auf uns, und es möchte uns vergönnt sein, Gott zu dienen und viel Freude zu erleben. Amen. Aus dieser Geschichte kann man lernen, wie wichtig es ist, den Sabbat zu heiligen, denn dadurch kann man der Gnade teilhaftig werden, berühmte Wundertäter und Gelehrte zu Söhnen zu haben. Amen.


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