Georg Ebers
Serapis
Georg Ebers

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Neuntes Kapitel.

Die Stadt Alexandria war bis in ihre Grundtiefen erregt. Zusammenrottungen der Christen und Heiden, Handgemenge zwischen Beiden und Eingriffe der bewaffneten Macht in blutige Händel gab es von früh bis spät an den Mittelpunkten des öffentlichen Lebens; aber wie bei den schwersten Schicksalsschlägen, welche ein Haus betreffen, nach wie vor den unbedeutenden Anforderungen des Lebens Rechnung getragen wird, wie das Spiel der Kinder fortgeht, wenn der Vater auf dem Sterbebette liegt, so forderten auch in der erregten und gefährdeten Großstadt die kleinen Lebensinteressen des Einzelnen ihr Recht.

Wohl erlitt der Strom des Handels und Wandels manche Stockung, aber er kam nicht zum Stillstand. Der Arzt besuchte den Kranken, Genesende machten an freundlicher Hand den ersten Versuch, aus dem Schlafgemach in das Viridarium zu wanken, und Almosen wurden gespendet und empfangen. Der Haß machte sich breit auf allen Wegen, aber auch die Liebe behauptete ihren Platz, festigte alte und knüpfte neue Bande. Angst und Sorge bedrückten viele Tausende, Andere suchten aus der allgemeinen Unruhe Vortheil zu ziehen, und wie Viele gingen leichten Herzens aus und suchten Genuß und Vergnügen.

Im Hippodrom wurden Rosse eingefahren, in den Lusthäusern zu Kanopus gab es Gastmähler, Musik und Gelächter genug, im Volksgarten, welcher das Paneum umgab, wettete man bei Hahnen- und Wachtelkämpfen um rothes Gold oder ärmliches Kupfer. So setzt das Kind von dem Dache des elterlichen Hauses, welches noch aus der Flut hervorragt, die das Dorf verschlungen, ein Borkenkähnchen, sein Spielzeug, auf das entfesselte Element; so läßt der Knabe, während schwarzes Gewölk sich drohend zusammenballt, den bunten Drachen steigen; so zählt der Alte, dem der Tod die Knochenhand schon auf das stockende Herz legt, das zusammengescharrte Vermögen; so tanzt am Fuße des Vulkans auf dem wankenden Boden die fröhliche Jugend.

Wer kümmert sich um das Ganze?

Jeder Einzelne hat an sein Sondersein und dessen Forderungen zu denken. Was der Mensch für sich selbst bedarf und begehrt – das Größte und Kleinste – hat für ihn doch höhere Bedeutung und süßeren Reiz als die Anforderungen des großen Körpers, an dem er nicht mehr ist als ein Tröpfchen Blut oder eine Wimper am Auge.

Im Hause des Porphyrius weilte Olympius, der Mann, dessen Geist und Wille schon einmal tief in die Geschicke der Stadt eingegriffen hatte, und auf dessen Wink auch heute halb Alexandria harrte.

Der Kaufherr und die Seinen theilten die Gesinnung dieses Parteihauptes und nannten sich seine Bundesgenossen; aber auch unter ihnen verlangte das Kleine im Leben sein Recht, und Gorgo, die Mitkämpferin im Streite für die alten Götter, dachte nur noch mit getheilter Aufmerksamkeit an die große Sache, der sie mit Begeisterung anhieng, weil ein Jugendgespiele, auf dessen Besuch sie ein Anrecht hatte, länger ausblieb als billig.

Gestern hatte sie mit ganzer Seele die »Klage der Isis« gesungen und eifrig um Agne's Mitwirkung geworben: aber obgleich auch heute ihre Stimme schön zur Geltung gekommen war, so hatte sie doch, wenn in den Seitengemächern eine Thür gegangen oder im Garten laut gesprochen worden war, bald den Gesang unterbrochen, bald bei demselben mit so viel weniger lebhafter und wahrer Empfindung mitgewirkt als gestern, daß Karnis sie gern mit aller Schärfe getadelt haben würde. Aber das gieng nicht an, und so machte er seiner Unzufriedenheit Luft, indem er seinem Sohne zuraunte:

»Da sieht man wieder, daß die erstaunlichsten Gaben und das beste Können nichts helfen, wo man Kunst und Leben noch zu sondern vermag, wo Beide nicht Eins geworden sind, wo man die Kunst nicht als Erstes und Letztes im Dasein, sondern mehr zum Vergnügen oder zum Spiele betreibt!«

Agne war ihrem Vorsatze treu geblieben und hatte bescheiden, aber bestimmt erklärt, es sei ihr unmöglich, den Isistempel zu betreten, und diese Weigerung war ruhig und ohne ernsten Widerspruch zu erwecken hingenommen worden. Die Bitte Gorgo's, den Gesang von gestern heute mit ihr zu wiederholen, hatte sie nicht abschlagen mögen, denn Alles deutete darauf hin, daß man von ihrer Mitwirkung bei dem Feste der Göttin abgesehen habe. Wie konnte sie wissen, daß der bärtige Philosoph, welcher gestern ihrem Zwiegesang mit Gorgo als athemloser Lauscher gefolgt war, es auf sich genommen hatte, ihre Bedenken zu zerstreuen und sie zum Nachgeben zu bestimmen.

Olympius legte auf ihre Mitwirkung schweres Gewicht, denn Alles, was zu den alten Göttern hielt, sollte sich im Heiligthume der Isis vereinigen, und je glänzender und würdiger die Festfeier ausfiel, desto höher mußte die Begeisterung der Heiden wachsen, welche die nächste Zeit auf harte Proben zu stellen verhieß. Aus dem Tempel sollten die Tausende, deren Herz den alten Göttern ergeben war, in feierlichem Aufzuge vor die Präfektur ziehen, und wenn sie in der rechten Stimmung die Stadt durchwallten, so war zu erwarten, daß sich ihnen Alles, was nicht christlich oder jüdisch war, anschließen werde. So konnte es zu einer Kundgebung von erstaunlicher Großartigkeit kommen und dem Cynegius, dem Botschafter des Kaisers, deutlich gezeigt werden, wie die Mehrzahl der Bürger gesinnt sei und was es heiße, hier die Dinge auf die Spitze zu treiben und Hand an den Haupttempel der Stadt zu legen.

Er, der gewaltige Redner, der in seiner Geistesarbeit ergraute Philosoph, hielt es für leichtes Spiel, die thörichten Bedenken eines eigensinnigen Mädchens zu besiegen. Wie der Sturm leichtes Gewölk, so wollte er sie mit der Macht seiner Gründe zerstreuen, und wer diesen bärtigen Mann mit dem gewaltigen Zeuskopfe, der gedankenschweren Stirn und breiten Brust, aus welcher der Strom der Rede nach seinem Gefallen bald mit bestrickendem Zauber, bald mit Alles fortreißender Kraft hervorquoll, auf die bescheidene, zage Jungfrauengestalt Agne's zutreten sah, der konnte nicht zweifeln, wem von Beiden der Sieg zufallen werde.

Olympius hatte heute zum ersten Mal Zeit gefunden, ausführlicher mit seinem alten Freunde Karnis zu sprechen, und während die Mädchen mit dem kleinen Papias in den Garten gegangen waren, um ihm dort die Schwäne und zahmen Gazellen zu zeigen, sich erst über Alles unterrichtet, was er über die Christin zu wissen begehrte, und sich dann nach den Lebensschicksalen des Sängers erkundigt.

Dieser empfand es als eine Gunst, daß sich der berühmte Gelehrte, das Haupt seiner Gesinnungsgenossen in der zweiten Stadt der Welt, welcher das Amt eines Oberpriesters des Serapis bekleidete und vor dessen überlegener Geisteskraft er sich schon als Studirender gebeugt hatte, seiner bescheidenen Person erinnerte und ihm zu erzählen erlaubte, wie er, der gelehrte Sohn eines reichen Hauses, zu einem wandernden Sänger geworden.

Olympius war des Karnis Freund gewesen, als dieser auf der Hochschule, statt sich, nach dem Wunsche seines Vaters, mit der Rechtskunde zu befassen, sich dem Studium der Musik mit allem Eifer hingegeben und schon damals als Sänger, Lautenschläger und Führer heidnischer Chöre geglänzt hatte.

In Alexandria war die Kunde vom Tode seines Vaters zu Karnis gelangt. Bevor er dann diesen Ort verließ, hatte er Herse, welche ihm weder an Herkunft noch an Vermögen gleichstand, geheirathet und war mit ihr in seine Heimat Tauromenium auf Sizilien übergesiedelt, um dort eine Erbschaft anzutreten, deren Größe und Bedeutung ihn selbst überrascht hatte.

Zu Alexandria war ihm das Theater eine weit vertrautere Stätte gewesen, als das Museum und die hohe Schule des Serapeums. Als Liebhaber hatte er dort in den Chören gesungen und ihre Führer häufig vertreten.

In früherer Zeit war das Theater seiner Vaterstadt Tauromenium weit berühmt gewesen: aber bei seiner Heimkehr hatte er es in einem traurigen Zustande wiedergefunden. Die meisten Bewohner der herrlichen Stadt am Fuße des Ätna waren zum Christenthum übergetreten, und mit ihnen die reichen Bürger, auf deren Kosten die Stücke ausgestattet und die Chöre erhalten worden waren. Wohl kamen kleine Aufführungen noch immer zu Stande, aber die Sänger und Schauspieler darbten, und in dem schönen, großen Theater kam nichts mehr zur Darstellung, was seiner Vergangenheit würdig gewesen wäre.

Das schnitt dem reichen jungen Musikfreunde in's Herz, und mit der ihm eigenen lebendigen Rührigkeit wußte er bald diejenigen unter seinen Mitbürgern, welche den alten Göttern treu geblieben waren und Sinn für die Ton und Dichtkunst Griechenlands bewahrt hatten, für seine Pläne zu gewinnen.

Das Theater sollte der Mittelpunkt des Widerstandes der Heiden gegen die Christen werden, es sollte mit den Kirchen den Wettkampf aufnehmen, die Abgefallenen wieder anlocken und die Treugebliebenen in ihrer Gesinnung bestärken. Von der Bühne aus sollte das griechische Volk Tauromeniums an die Macht seiner alten Götter, an die Größe seiner Vergangenheit erinnert werden.

Zu diesem Zweck war es nöthig, das verkommene Heiligthum neu zu gestalten, und nachdem Karnis einen großen Theil der erforderlichen Mittel vorgestreckt hatte, wurde ihm die Leitung des Theaters übertragen.

Er widmete sich dieser Aufgabe mit ganzer Seele und brachte es auch bald dahin, daß die Bühne von Tauromenium und die musikalischen Vorträge im Odeum dieser Stadt die Bürger anzogen und wegen ihrer künstlerischen Vollendung weit und breit von sich reden machten.

Freilich mußten solche Erfolge mit großen Opfern erkauft werden, und Karnis zauderte trotz Herse's Einspruch niemals, wenn es galt, den Rückgang seiner Schöpfung durch neue Vorschüsse aufzuhalten.

So vergingen einige zwanzig Jahre; dann aber kam der Tag, an dem sein reiches Erbe erschöpft war, und ihm folgte die Zeit, in der die christliche Gemeinde Alles aufbot, um dem heidnischen Ärgerniß in ihrer Mitte den Todesstoß zu geben. Während der Vorstellungen kam es öfter und öfter zu blutigen Schlägereien zwischen den Christen, welche in das Theater gedrungen waren, und den heidnischen Zuschauern, und endlich untersagte ein Dekret des Kaisers Theodosius die Aufführung von heidnischen Schauspielen und Musikstücken. –

Das Theater von Tauromenium, dem Karnis sein ganzes Vermögen theils geschenkt, theils vorgestreckt hatte, existirte nicht mehr, und die Wechsler, welche, nachdem seine eigenen Mittel erschöpft waren, für die durch ihn noch blühende Kunststätte auf seine Bürgschaft hin Summe auf Summe geborgt hatten, pfändeten ihm sein Haus und seinen Grundbesitz ab und würden ihn in das Schuldgefängniß geworfen haben, wenn er sich nicht dieser Schmach durch die Flucht entzogen hätte.

Gute Freunde waren den Seinen behülflich gewesen, ihm zu folgen, und vereint mit diesen hatte er dann seine Sängerfahrten begonnen. Dabei war es ihm oft recht kümmerlich ergangen, aber er hatte es verstanden, der Kunst und den olympischen Göttern treu zu bleiben.

Dem Allen war der Philosoph mit Theilnahme und manchem Zeichen der Zustimmung gefolgt, und als Karnis endlich mit feuchten Augen seine Erzählung schloß, legte ihm Olympius den Arm auf die Schulter, zog ihn an sich und rief:

»Brav, brav, alter Genosse! Wir halten treu zu der gleichen guten Sache! Du hast das Deine für sie geopfert wie ich das Meine. Aber noch brauchen wir nicht zu verzweifeln. Siegen wir hier, so erheben die Freunde an tausend Orten das Haupt. Der Stand der Gestirne in der vergangenen Nacht und die Opferschau dieses Morgens lassen auf große Umwälzungen schließen. Was heute am Boden liegt, kann schon morgen mächtig die Schwingen regen! Den Sturz des Größten stellen alle Vorzeichen in Aussicht, und was wäre heute noch größer als Rom, die alte Zwingherrin der Völker? Diese Tage bringen wohl kaum die Entscheidung, aber von ihnen hängt dennoch Gewaltiges für uns ab. Mir träumte von dem Falle des Kaiserthums und einem großen Griechenreiche, das schön und mächtig, unter dem Schutze der olympischen Götter, aus seinen Trümmern emporwachse, und an die Verwirklichung dieses Traumes soll Jeder von uns Alles setzen. Du hast uns ein leuchtendes Beispiel glorreichen Opfermuthes gegeben, und ich danke Dir dafür im Namen aller Gesinnungsgenossen, ja, der Götter selbst, denen ich diene! Hier gilt es jetzt zunächst, den Streich abzuwenden, welchen der Bischof durch die Hand des Cynegius – sie hat ja schon das köstliche Heiligthum des apameischen Zeus zu Fall gebracht – gegen uns zu führen beabsichtigt. Zieht der Gesandte unverrichteter Sache ab, dann neigt sich die Schale tief, tief zu unseren Gunsten, dann hört es auf, Thorheit zu sein, an den Sieg unserer Sache zu glauben.«

»Lehr' uns wieder hoffen!« rief der Sänger. »Schon damit ist viel gewonnen; nur sehe ich nicht, wie dieser Aufschub . . .«

»Wir brauchen Zeit, und die schafft er,« entgegnete Olympius. »Vorbereitet ist Alles, aber nichts fertig. Alexandria, Athen, Antiochia und Neapolis sollen die Mittelpunkte der Erhebung werden. Der große Libanius ist kein Mann der That, aber er billigt unsern Plan. Kein Geringerer als Florentius hat es auf sich genommen, unter den heidnischen Offizieren für uns zu werben; Messala und die mächtigen Generale Fraiut und Generid, die Gothen, sind für die alten Götter einzutreten bereit. Es wird unserem Heere an Führern nicht fehlen . . .«

»Unserem Heere?« fragte Karnis erstaunt. »So weit ist die Sache gediehen?«

»Ich rede von dem Heere der Zukunft!« rief der Gelehrte begeistert. »Es zählt noch keinen Mann, aber es besteht schon aus vielen Legionen. Was stark ist an Geist und Leib, die gelehrte Jugend und das Landvolk mit den gewaltigen Armen, sie bilden den Kern unserer Schaaren. Ein Maximus hatte im Fluge das Heer gesammelt, das dem Gratian Thron und Leben raubte, und dem Theodosius um ein Haar erlegen wäre, und was war er mehr als ein ehrgeiziger Rebell, was hat seine Anhänger zu ihm gelockt als Hoffnung auf Antheil an der Beute? Aber wir, wir werben mit den höchsten Ideen, den heißesten Wünschen der Herzen, und als Siegespreis zeigen wir den alten Glauben, die alte Freiheit des Geistes, die alte Schönheit des Lebens. Die Menschheit, um welche die Christen werben, diese bunte Flickendecke von eklen Barbaren, sie mag ihr Dasein fristen wie ihr's gefällt; wir aber sind Griechen, sind als solche das denkende Haupt und die fein und schön empfindende Seele der Welt. Das Staatsgebäude, welches wir nach dem Sturze des Theodosius und des römischen Reiches auszurichten gedenken, soll hellenisch sein, ganz hellenisch. Das alte Nationalgefühl, welches die Griechen stark machte gegen die Millionen des Darius und Xerxes, es soll uns neu durchdringen, und wir weisen die Barbaren von uns, wie der Patrizier es dem geringen Manne wehrt, sich zu seinem erlauchten Hause zu zählen. Die griechischen Götter, griechischer Heldenmuth, griechische Kunst und Wissenschaft werden sich unter uns um so schneller wieder aus dem Staube erheben, je gewaltsamer man ihre nie erlahmende Schwungkraft hinuntergedrückt hat.«

»Wie mir das an's Herz greift!« rief Karnis. »Das alte Blut rinnt wieder schneller, und hätt' ich noch einmal ein halbes Tausend Talente zu opfern . . .«

»So gäbest Du sie hin für unser neues Griechenreich,« fiel Olympius freudig ein. »Und wie Du, wackerer Mann, so denken zahllose andere Freunde. Was schon dem herrlichen Julianus gelungen sein würde, hätten ihn nicht Meuchler so jung auf die Bahre gestreckt, uns wird es glücken, denn Rom . . .«

»Rom ist noch immer gewaltig.«

»Rom ist ein Koloß, zusammengekittet aus tausend Blöcken, und unter diesen giebt es hundert und mehr, welche nur noch locker am Mörtel hängen und sich lieber heute als morgen von dem Körper des garstigen Unholds lösen möchten. Unser Aufruf bringt sie zum Abfall, und sie stürzen uns entgegen, und wir wählen aus ihnen die Besten. – Zeit – nur wenige Monate Zeit, und das Heer strömt in der campanischen Ebene am Fuße des Vesuvius, zu Land und zu Schiffe, zusammen; Rom öffnet uns, die wir ihm die alten Götter zurückbringen, freiwillig die Thore, der Senat proklamirt die Absetzung des Kaisers und mit ihr die Republik, Theodosius zieht uns entgegen; aber die Idee, für welche wir in's Feld stürmen, fliegt uns voran und pocht an die Herzen der Soldaten und Offiziere, welche gern, ach wie gern, den erhabenen Olympiern opfern möchten und nur gezwungen die Wunden des gekreuzigten Juden küssen. Sie fallen ab, sie gehen von dem Labarum, welches Konstantin zum Siege führte, zu unseren Feldzeichen über, und diese Feldzeichen, sie sind schon da, sind vorhanden; man hat sie in dieser Stadt verfertigt, und wohlverborgen stehen sie im Hause des Apollodor. Hohe Dämonen hielten sie meinem Schüler Ammonius entgegen, als er in ekstatischer Verzückung sich Eins fühlte mit Gott, und nach seiner Angabe ließ ich sie bilden.«

»Und was stellen sie dar?«

»Die Büste des Serapis mit dem Modius auf dem Haupte. Sie wird von einem kreisförmigen Rahmen umgeben, auf dem die Zeichen des Thierkreises, und um sie her die Bilder der großen Olympier zu sehen sind. Das Haupt unseres Gottes ist das des Zeus, das Getreidemaß aus seinem Haupte stellt den künftigen Segen vor, den der Landmann erwartet. Der Thierkreis verheißt uns günstige Sterne, und die Gestalten, welche ihn bilden, sind nicht gewöhnlich, sondern reich an schöner Bedeutung. Die Zwillinge sind der Seefahrer Führer Kastor und Pollux, neben dem Löwen sieht man Herkules, der ihn bezwingt, die Fische sind die Freunde der Musik, die Delphine. Auf der Wage schnellt die Schale mit dem Kreuze hoch in die Luft, und die andere ist mit dem Lorbeer des Phöbus Apollon und dem Donnerkeil des Zeus belastet, kurz, unsere Standarte wird Alles entfalten, was dem Griechen theuer ist und seine Seele mit Ehrfurcht erfüllt. Oben auf dem Rahmen schwebt mit dem Siegeskranze die Nike. Sind erst an allen Mittelpunkten der Bewegung die rechten Führer gefunden, dann werden die Feldzeichen und mit ihnen auch Waffen für das Landvolk versandt. Für jede Provinz ist eine Versammlungsstelle in Aussicht genommen, das Losungswort wird vertheilt und der Tag des Aufbruchs bestimmt.«

»Und sie strömen herbei,« fiel ihm Karnis in's Wort, »und ich und mein Sohn, wir werden unter ihnen nicht fehlen! O schöner Tag, o großer, erhabener Tag! Wie gern will ich sterben, wenn es mir noch zu erleben vergönnt wird, daß vor den weit geöffneten Thoren aller Tempel in griechischen Landen den olympischen Göttern wieder auf bekränzten Altären Opfer rauchen und beim Schall hellenischer Lauten und Flöten begeisterte Jungfrauen und Jünglinge den Reigen schlingen und die Stimmen zum Chore vereinen! Dann, ja dann wird es wieder Licht in der Welt, dann heißt Leben wieder Genießen und Sterben Abschied nehmen von einem seligen Feste!«

»So, so soll es werden!« rief Olympius, berauscht von dem lauten Widerhall des eigenen Enthusiasmus, und drückte dem Sänger die Hand. »Schenken wir den Griechen wieder das Leben und lehren wir sie den Tod wie in alten Zeiten verachten. Das Dasein verkümmern, im Tode Seligkeit suchen, das überlassen wir den Barbaren, den Christen! . . . Aber die Mädchen sind mit dem Gesang zu Ende. Es giebt heute noch viel zu thun, und zuerst werde ich die Bedenken Deiner widerspenstigen Schülerin zerstreuen.«

»Das wirst Du doch so gar leicht nicht finden,« versetzte Karnis. »Gründe sind stumpfe Waffen im Kampfe mit Weibern.«

»Nicht immer,« entgegnete der Philosoph. »Man muß das Schwert nur recht zu handhaben wissen! Laßt mich allein mit dem Kinde verhandeln. Die Sängerinnen sind hier wie ausgestorben; schon mit dreien haben wir es versucht, aber sie waren alle schlecht geschult und gewöhnlich. Diese da wird, wenn sie ihre Stimme mit der Gorgo's vereint, tief auf die Herzen der Menge wirken. Wir brauchen begeisterte Schaaren, und sie hilft sie uns schaffen!«

»Wohl, wohl. Aber Du selbst, Olympius, der Du die Seele der großen Umwälzungen bist, auf welche wir hoffen, Du solltest fern bleiben von diesem Feste. Überhaupt! Ein Preis ist auf Dein Haupt gesetzt, und wenn Dich Porphyrius auch schützt, so wimmelt es doch in seinem Hause von Sklaven. Sie kennen Dich, und wenn Dich einer, verlockt durch den goldenen Köder . . .«

»Sie verrathen mich nicht,« lächelte der Philosoph. »Sie wissen, daß Damia, ihre greise Herrin, und ich über die Dämonen der obern und untern Sphäre gebieten, und daß sie ein Wink von ihr wie von mir vernichtet – aber fände sich unter ihnen dennoch ein Ephialtes, so rettet mich ein Sprung in die Thüre dort. Unbesorgt, Freund, Orakel und Sterne verheißen mir einen andern Tod als durch den Verrath eines Sklaven!«


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