Georg Ebers
Serapis
Georg Ebers

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Fünftes Kapitel.

Karnis und seine beiden Begleiter blieben lange aus. Die Lust, auf den Panzerreiter zu warten, war Dada bald vergangen, und nachdem sie eine Zeitlang mit dem kleinen Papias wie mit einem Hündchen gespielt hatte, begann sie sich zu langweilen und es auf dem stillen Schiffe unerträglich zu finden. Als dann die Sonne sich zum Untergange neigte und die Anderen endlich wiederkamen, erinnerte sie Karnis an sein Versprechen, sie in Alexandria umherzuführen, aber Herse gebot ihr, sich bis zum nächsten Tage zu gedulden. Da brach Dada, die heute empfindlicher und reizbarer war als sonst, in Thränen aus, warf den Spinnrocken, welchen ihre Pflegemutter ihr reichte, in den See und versicherte schluchzend, sie sei keine Sklavin, und sie werde davonlaufen und Vergnügen suchen, wo sie es finde. Dabei benahm sie sich so ungeberdig, daß Herse die Geduld verlor und sie heftig zurechtwies. Dann sprang sie auf, warf ein Tuch um und wollte über den Steg auf's Land fliehen; aber es gelang Karnis, sie zurückzuhalten, und nachdem er ihr zugerufen hatte: »Kind, Kind, siehst Du denn nicht, wie müde ich bin?« nahm sie sogleich Vernunft an und versuchte es, ihn heiter anzuschauen; aber das wollte den feuchten Augen nicht recht gelingen, und als sie sich endlich in einen Winkel zurückgezogen hatte, um still vor sich hin zu weinen, wurde dem Alten das Herz weich, und er hätte ihr am liebsten gute Worte gegeben und ihr die Locken gestreichelt; aber er bezwang sich, raunte seiner Frau einige Worte zu und erklärte sich dann bereit, Dada durch die kanopische Straße in das Bruchium zu führen.

Da lachte das Mädchen fröhlich auf, fuhr sich mit der Hand über die nassen Augen, fiel dem Sänger um den Hals, küßte ihm die rauhe Wange und rief:

»Du bist doch der Beste von Allen! Mach' schnell, und wir nehmen die Agne mit; sie soll auch etwas sehen!«

Aber die junge Christin zog es vor, auf dem Schiff zu bleiben, und so machte sich denn Karnis mit Dada auf den Weg. Orpheus folgte ihnen, denn wenn es den Truppen auch gelungen war, den Tumult zu beschwichtigen, sah es in der Stadt doch noch unruhig genug aus.

Verschleiert und ohne auffälligen Putz – dafür hatte Herse gesorgt – wanderte das Mädchen am Arme des Alten durch die Straßen, ließ sich Alles, was ihnen begegnete, von ihm erklären, und war dabei so wohlgelaunt und voll von närrischen Einfällen, daß Karnis seine Müdigkeit bald vergaß und sich dem Vergnügen hingab, ihr so viele ihm bekannte und ihr neue Merkwürdigkeiten zu zeigen.

In der kanopischen Straße gerieth Dada außer sich vor Vergnügen. Da reihte sich ein palastartiges Bauwerk an das andere. Neben den Häuserreihen liefen verdeckte Säulenreihen hin, ein breiter, von Sykomoren beschatteter Fußweg theilte den Damm in zwei Theile, und auf jeder Seite der schönen Allee, in der es von Menschen wimmelte, fuhren prächtig bespannte Wagen auf und nieder, tummelten sich Reiter, gab es auf Schritt und Tritt etwas Neues, Auffallendes zu sehen.

Einer großartigeren Straße hatte sich selbst Rom nicht zu rühmen, und Dada gab ihrem Wohlgefallen lauten Ausdruck, aber Karnis stimmte nicht in dasselbe ein; denn es empörte ihn, daß die Christen den Brunnen inmitten des Fußweges, einen ehrwürdigen Nilgott, auf dem reizende Kindergestalten fröhlich umherkletternd erschienen, entfernt und daß sie die Hermen zur Seite der Fahrstraßen theils umgestürzt, theils verstümmelt hatten. Orpheus theilte seinen Unwillen, und dieser erreichte den Gipfel, als sie auf den Postamenten zu beiden Seiten der hohen Eingangspforte eines besonders stattlichen Hauses an Stelle der Demeter und der Pallas Athene des Antiphilus, welche die schönste Zierde der Straße gewesen waren und von denen der alte Sänger seinem Sohne erzählt hatte, zwei roh gearbeitete Lämmer mit schweren Kreuzen auf den Rücken stehen sahen.

»Wie Ratten, die man mit einem Fallsteine erwischt hat!« rief der Alte. »Und was das Schmählichste ist, ich möchte wetten, daß sie die edlen Zierden der Stadt zerschlagen und in den Schutt geworfen haben. Zu meiner Zeit gehörte dies Haus dem reichen Philippus. Wart' einmal! Ob er nicht gar der Vater unseres Gastfreundes war, denn dieser . . .«

»Der Hausmeister,« versicherte Orpheus, »hat Porphyrius den Sohn des Philippus genannt.«

»Und Philippus ist ein Kornhändler wie Porphyrius gewesen,« fügte Karnis hinzu. »Die Demeter sollte auf den Getraidesegen weisen, dem dies Haus seinen Reichthum verdankte, die Pallas Athene auf die Wissenschaft, welche von seinen Besitzern gepflegt ward. Als ich dort studirte, gehörte in Alexandria jeder Besitzende zu einer philosophischen Schule. Der Geldsack that es hier nicht allein. Heide und Jude, mochte er Kaufherr sein oder nur die Zinsen des väterlichen Erbes verzehren, mußte auch über andere Dinge zu reden verstehen, als über den Preis der Waaren und die kommenden und gehenden Schiffe.«

Während dieses Gesprächs hatte Dada den Arm ihres Führers losgelassen und den Schleier mit der Hand gelüftet, denn zwei Männer waren zwischen den Lämmern, welche den Zorn des Karnis erregt hatten, hindurchgeschritten, und derjenige von ihnen, welcher nun den Klopfer auf das Hausthor fallen ließ, war der Sohn der Maria.

»Sieh, Vater, da ist er!« rief Dada, während die Pforte sich öffnete, weit lauter, als es nothwendig gewesen wäre, um von ihrem Führer verstanden zu werden, und auch der Sänger erkannte Marcus, wandte sich seinem Sohne zu und sagte: »Nun sind wir im Reinen! Porphyrius und der Vater des jungen Christen sind Brüder. Philippus hat sein Haus in der kanopischen Straße dem Letzteren, er wird wohl der Ältere von Beiden gewesen sein, vererbt, und nun gehört es seiner Wittwe, unserer Herbergswirthin Maria. Eins muß man Dir lassen, Kind, Du weißt Dir Anbeter aus gutem Hause zu wählen.«

»Das will ich meinen,« lachte das Mädchen. »Aber dafür sind sie auch stolz! Keinen armseligen Blick hat der große Herr für uns übrig. Bum! da fällt die Thür schon zu! Laß uns weitergehen, Oheim!«

Nachdem der junge Christ den Vorsaal des väterlichen Hauses mit seinem Begleiter betreten hatte, blieb er stehen und sagte im Tone dringender Bitte: »Komm noch einmal mit mir zur Mutter; so darfst Du nicht scheiden.«

»Wie denn sonst?« fragte der Andere rauh. »Sie besteht auf ihrem Willen, ich auf dem meinen. Ihr findet für das Erbgut ja wohl einen besseren Verwalter! Morgen früh brech' ich auf! Die Erde soll mich verschlingen, wenn ich unter diesen toll gewordenen Menschen eine Stunde länger bleibe als nöthig. Übrigens ist Maria Deine Mutter, nicht meine.«

»Aber sie ist auch Deines Vaters Gattin gewesen,« versetzte Marcus.

»Schön,« erwiderte der Andere. »Deßwegen nenne ich Dich auch meinen Bruder. Aber sie, – was sie mir etwa Gutes erwiesen, das habe ich ihr heimgezahlt durch zehnjährige Arbeit. Wir verstehen uns nicht, werden uns niemals verstehen.«

»Doch, doch; ich war in der Kirche und habe – nein, lache nicht – und habe den Heiland gebeten, dies Alles zu schlichten, und er . . . Du hast ja die Taufe empfangen und gehörst zu den Seinen.«

»Zu meinem Unglück. Ihr bringt mich noch durch diese süße Sanftmuth zum Rasen!« rief der Andere heftig. »Ich stehe auf eigenen, kräftigen Beinen, und diese schwielige Hand führt durch, was der Kopf für das Richtige hält.«

»Nein, mein Demetrius, nein! Sieh, Du glaubst an die alten Götter.«

»Freilich,« sagte der Andere mit wachsender Ungeduld. »Du sprichst in den Wind, und meine Zeit ist gemessen. Jetzt pack' ich meine Siebensachen, und um Deinetwillen soll es mir auf ein Abschiedswort nicht ankommen, wenn ich Deiner Mutter das Rechnungsbuch bringe. Bei Arsinoë besitz' ich noch Land genug, das mir gehört, mir allein. Ich hab' es satt, mir von einem Weibe meine Sache, die ich verstehe, um und um drehen zu lassen. Auf nachher, kleiner Marcus! Melde mich nur an; in genau einer Stunde bin ich bei Deiner Mutter.«

»Demetrius!« rief der Jüngling, und versuchte es noch einmal, den Bruder zurückzuhalten; aber dieser machte sich mit einer kräftigen Bewegung von ihm los und durchschritt rasch den mit Blumen bepflanzten offenen Raum, in dessen Mitte ein Brunnen rauschte und um welchen sich viele Zimmer reihten, zu denen auch die seinen gehörten.

Marcus sah dem Stiefbruder traurig nach. Beide dachten und fühlten zu verschieden, um sich je ganz verständigen zu können, und wer sie neben einander gesehen hätte, wäre schwerlich geneigt gewesen, sie für die Söhne des gleichen Vaters zu halten, denn der Eine war das gerade Gegenspiel des Andern. Marcus war schlank und schmächtig, Demetrius dagegen breitschulterig und starkknochig.

Nachdem sich Marcus von dem Bruder getrennt hatte, begab er sich in das weite Frauengemach, wo Maria, nachdem sie die Arbeiten der webenden Sklavinnen in den Werkstätten hinter demselben beaufsichtigt hatte, in dieser Stunde zu weilen pflegte.

Er fand die Wittwe in lebhaftem Gespräch mit einem geistlichen Herrn von hohem Alter und mildem, würdigem Ansehen. Sie hatte die Vierzig überschritten, durfte aber doch noch für eine schöne Frau gelten. Von ihr hatte der Sohn die schlanke, wenig gerundete Gestalt mit den schmalen Schultern, von ihr die leicht geneigte Haltung, die Feinheit der Züge, die Weiße der Haut und das weiche, wellige, rabenschwarze Haar. Die Ähnlichkeit Beider trat noch auffälliger hervor durch den schlichten goldenen Reifen, welcher ihr Haupt wie seines umgab; ja, man würde hier ein seltenes Naturspiel vor sich gehabt haben, wenn nicht das schwarze Auge der Mutter so gar verschieden von dem des Sohnes gewesen wäre, denn ihr Blick war klug und scharf und bisweilen nicht ohne männische Härte, während der träumerische Schimmer, welcher von dem blauen Auge des Marcus ausging, seinem Antlitz eine beinahe weibliche Anmuth verlieh.

Sie mußte mit dem Greise ihr gegenüber ernste Dinge verhandelt haben, denn ihre Wangen waren beim Eintritt des Jünglings leicht geröthet und die feinen, spitzen Finger pochten schnell und leise an die Lehne des Polsters, auf dem sie ruhte.

Marcus küßte erst dem geistlichen Herrn, dann ihr die Hand und berichtete, nachdem er sich mit kindlicher Besorgniß nach ihrem Befinden erkundigt hatte, daß Demetrius später komme, um von ihr Abschied zu nehmen.

»Wie gnädig!« sagte sie kühl. »Du weißt, ehrwürdiger Vater, was ich verlange und was er verweigert. Die Bauern, immer wieder die Bauern! Kannst Du mir erklären, warum gerade sie, die doch das Walten des Herrn weit unmittelbarer fühlen als wir Städtebewohner, warum sie, deren Wohl und Wehe so sichtlich und greifbar in der Hand des Höchsten liegt, sich gegen das Heil so widerspenstig verhärten?«

»Sie hängen am Gewohnten,« versetzte der Greis. »Ihre Saat hat Ernten getragen unter den alten Göttern, und weil sie von unserem Vater im Himmel, den sie nicht zu sehen und zu greifen vermögen wie ihre Götzen, auch nicht mehr als das zehnte oder zwanzigste Korn zu erwarten haben –«

»Immer nur das Mein und Dein, die elenden Güter des Staubes!« fiel ihm die Wittwe seufzend in's Wort. »Demetrius wird die Abgötterei seiner Lieblinge warm genug zu vertheidigen wissen. Hast Du Zeit, mein Vater, so bleib und hilf mir ihn widerlegen!«

»Ich blieb schon zu lange,« versetzte der Priester, »denn der Bischof fordert mich zu sich. Mit Dir, mein Marcus, möchte ich reden. Sprich morgen früh bei mir vor. Der Herr sei mit euch, ihr Lieben.«

Der Priester erhob sich, und als er Maria zum Abschiede die Hand reichte, hielt sie ihn zurück, winkte ihrem Sohn, sich ferner zu halten und sagte leise: »Marcus soll nicht ahnen, daß ich den Irrweg kenne, auf den er gerathen. Red' ihm morgen scharf in's Gewissen. Was gegen die Dirne zu thun ist, nehm' ich selbst in die Hand. Wird es Theophilus gar nicht möglich sein, mir ein Stündchen zu gönnen?«

»Jetzt schwerlich,« entgegnete der Greis. »Du weißt, daß Cynegius hier ist, und wie viel von diesen Tagen für den Bischof und unsere Sache abhängt. Wirf diesen Wunsch doch zu den Toten, ich bitte Dich, Tochter, denn wenn Theophilus Dich auch empfängt, so glaub' ich doch und – zürne mir nicht – muß ich auch hoffen, daß er Dir in dieser Angelegenheit nimmermehr nachgiebt.«

»Nicht?« fragte die Wittwe und schaute bekümmert zu Boden; aber sobald der geistliche Herr sich entfernt hatte, erhob sie den Blick mit eigenwilligem Trotz. Dann ließ sie sich von ihrem Sohne, mit dem sie schon gestern stundenlang über seine Reise nach Rom geredet hatte, erzählen, was er mit Demetrius gesprochen, wie er seine Rosse gefunden, ob er beim nächsten Wettfahren auf den Sieg hoffen dürfe und was er sonst an diesem Tage getrieben. Dabei entging es ihr nicht, daß Marcus ihr weniger frei Rede stand als sonst und das Gespräch wieder und wieder auf seine Reise und das Xenodochium hinzuleiten versuchte; aber sie schnitt ihm immer das Wort ab, denn sie wußte, worauf er zielte, und wollte ihn heute nicht hören.

Die Sklaven hatten längst silberne, dreiarmige Lampen auf die Postamente gesetzt, als Demetrius endlich erschien.

Seine Stiefmutter empfing ihn mit freundlicher Miene und fragte ihn nach gleichgültigen Dingen. Er gab ihr mit schlecht verholener Ungeduld Auskunft, denn er war nicht gekommen, um mit ihr zu plaudern. Sie empfand das deutlich; aber es gefiel ihr, ihn hinzuhalten, und sie that es in einer Weise, welche ihn an seine Knabenjahre und die innere Noth und Pein erinnerte, welche ihm das junge Leben verdorben, als diese Frau an die Stelle seiner guten, zärtlichen rechten Mutter getreten war und sich zwischen ihn und den Vater gestellt hatte. Gerade wie heute war sie ihm damals Tag für Tag begegnet: mit freundlich klingenden Worten, aber kühlem, liebeleerem Herzen. Er wußte, daß sie jedem seiner knabenhaften Irrthümer und kleinen Vergehen einen üblen Sinn untergeschoben und sie auf schlimme Eigenschaften und böse Triebe seiner Seele zurückgeführt, daß sie ihrem Gatten ein zu seinem Nachtheile entstelltes Bild seines Seins und Wesens aufgedrängt hatte, und diese Schuld konnte er ihr nicht vergeben. – Zur Zeit der Ermordung seines Vaters Apelles war er schon den Knabenjahren entwachsen gewesen, und als ältestem Sohn des Hauses hätte es ihm zugestanden, die Leitung des Geschäfts mit seinem Oheim Porphyrius zu theilen, aber der Gedanke, mit der Stiefmutter an einem Orte leben zu müssen, war ihm unerträglich erschienen, und so hatte er, zumal er von früh an dem Landleben geneigt war, Maria das Haus in der kanopischen Straße überlassen, den Oheim bestimmt, den Antheil seines verstorbenen Bruders an dem Geschäfte in baarem Gelde festzustellen und auszuzahlen, und Alexandria endlich verlassen, um die großen Landgüter in der Cyrenaïca zu verwalten.

Nach wenigen Jahren hatte er sich zu einem ausgezeichneten Landwirth herangebildet. Schon lange holten die Grundbesitzer der ganzen Provinz gern seinen Rath ein oder richteten sich nach seinem Beispiel, und das Rechnungsbuch, welches er auf dem Tische vor dem Lager Maria's niedergelegt hatte – drei stattliche Rollen – bewies mit unanfechtbaren Zahlen, daß er es verstanden hatte, die Einkünfte der großen Ländereien, denen er vorstand, zu verdoppeln. Er durfte mit gutem Recht freie Hand für sich verlangen und konnte auch mit aller Entschiedenheit auf seinem Willen bestehen, denn ihn hob das stolze Gefühl des unabhängigen Mannes, der mit widrigen Verhältnissen rücksichtslos bricht, weil er die Mittel besitzt, entweder sorglos zu ruhen oder seine Kraft neuen Unternehmungen zu widmen.

Nachdem Demetrius seiner Stiefmutter lange genug unlustig Rede gestanden, legte er die Hand auf das Rechnungsbuch und bemerkte unvermittelt, daß es nun Zeit sei, von ernsten Dingen zu reden. Er habe schon Marcus erklärt, daß ihre Forderung ihm unannehmbar erscheine. Er sei kein Zauderer und wünsche heute noch zum Abschluß zu kommen, um entweder auf den Gütern weiter nach dem Rechten zu sehen oder sich mit der Bewirthschaftung seiner eigenen Ländereien zu befassen. Beharre Maria auf ihrer letzten Verordnung, so werde er ihr zwar seine Vollmachten zurückgeben, doch sei er bereit, in die Cyrenaïca zurückzukehren, und den neuen Verwalter, den sie bald suchen möge, in die schwierigen Verhältnisse jener Landschaft einzuführen: dann aber werde er mit dem Familiengute nichts weiter zu thun haben. Dies sei sein letztes Wort, und sie würden in dieser Weise – so oder so – ohne einen Bruch für das Leben, den er schon um des Marcus willen nicht wünsche, zum Abschluß gelangen.

Demetrius hatte ernst und leidenschaftlos gesprochen, aber seine Rede schmeckte doch so sehr nach der Bitterkeit, die ihn beseelte, daß es der Wittwe nicht entgehen konnte, und so hob sie denn bei ihrer Antwort hervor, daß es sie schmerzen solle, wenn er ihrem Verlangen Beweggründe, welche sich auf seine Person bezögen, unterlege. Sie habe ihm Großes zu danken und gebe ihrer Erkenntlichkeit mit Freuden Ausdruck. Er wisse, daß das Gut, welches er verwalte, halb mit ihrem Eingebrachten, halb aus dem Vermögen ihres Gatten bezahlt worden sei, daß es ihr zu gleichen Theilen mit ihren Kindern – ihm und Marcus – gehöre, daß aber das Testament ihres Gatten ihr die unbeschränkte Verfügung über dasselbe zuerkenne. Sie sei bestrebt gewesen, dem Vertrauen des Verstorbenen zu entsprechen, indem sie ihm in jungen Jahren die Verwaltung ihres Besitzthums anvertraut habe. Die Einkünfte seien unter seiner Leitung gewachsen, ja sie glaube, daß er es verstehen werde, in Zukunft noch glänzendere Erfolge zu erzielen; aber die Mißstände, welche auf den Gütern herrschten, seien unerträglich und müßten abgestellt werden, auch wenn sich dadurch der Gewinn um die Hälfte vermindere.

»Ich bin Christin!« rief sie, »und bin es mit ganzer Seele. Leib und Leben hab' ich meinem Heiland gewidmet. Was frommten mir alle Schätze der Welt, wenn ich Schaden nähme an meiner Seele; und sie, mein ewiges Theil, muß zu Schaden kommen, wenn ich es dulde, daß heidnische Bauern und Sklaven meine Taschen füllen. Darum bestehe ich darauf fest, unerschütterlich und unbeugsam, daß unsere Sklaven in der Cyrenaïca – und sie bilden eine Heerde von mehr als dreitausend räudigen Schafen – daß unsere Sklaven sich entweder zur Taufe bequemen oder für christliche eingetauscht werden.«

»Das würde heißen . . .« rief Demetrius eifrig.

»Ich bin noch nicht am Ende,« fiel sie ihm in's Wort. »Was die Bauern angeht, welche als Pächter auf unserem Grund und Boden sitzen, so hängen sie sämmtlich – Du bekanntest es gestern – der Abgötterei hartnäckig an. Wir lassen ihnen Bedenkzeit, und der jährliche Kontrakt darf nur denen erneuert werden, welche sich verpflichten, von den alten Opfern zu lassen und sich zu unserem Herrn zu bekennen. Fügen sie sich, so wird es ihnen zum Heile gereichen hier und dort; wenn sie sich weigern, kündigt man ihnen und setzt im nächsten Jahre christliche Pächter an ihre Stelle.«

»Wie ich diesen Stuhl mit einem andern vertausche,« lachte Demetrius, indem er einen Sessel von schwerer Bronze aufhob und ihn auf den harten Mosaikboden des Gemaches niederstieß, daß es dröhnte.

Maria schrak zusammen und fuhr dann in größerer Erregung fort: »Mein Leib kann erbeben, aber meine Seele ist fest, wo ihr ewiges Heil auf dem Spiele steht. Ich verlange – und diesem Verlangen muß nachgekommen werden, sobald mein Bevollmächtigter – Du oder ein Anderer – unsern Grund und Boden wieder betritt: ich begehre, daß alle heidnischen Tempel, jedes Bild der Feld- und Gartengötter, jeder Opferaltar und jeder heilige Stein, mit dem die Bauern Abgötterei treiben, eingerissen, zerschlagen, umgestürzt oder beiseite geworfen werde. Das ist es, was ich verlange.«

»Und wozu ich mich nie und nimmer hergeben werde!« rief Demetrius mit tiefer, grollender Stimme. »Was dem Menschen seit Jahrtausenden heilig und theuer war, fortblasen wie eine Feder vom Mantel, das ist mir zu schwer. Geh hin und thu es selber; Du bringst es zu Stande!«

»Was soll das?« fragte Maria, und richtete sich stolz und mit einem abweisenden Blick in die Höhe.

»Ja, wenn irgend wer, so bringst Du es zu Stande!« wiederholte Demetrius die eigene Rede, ohne sich einschüchtern zu lassen. »Ich habe unsere Ahnenbilder heute gesucht, die ehrwürdigen Bildnisse der Menschen, die unseren Kinderherzen theuer gewesen, die unserer Väter Väter und Mütter waren, die unseres Geschlechtes Größe geschaffen. Wo sind sie geblieben? Da, wohin Du dieses Hauses, dieser Straße, dieser Stadt edle Zierden, unsere Schutzgötter, den Hermes und die Pallas Athene, geworfen. In den Kalkofen sind sie gewandert. Der alte Phabis hat mir's unter Thränen gestanden. Armes Haus, dem man seine Vergangenheit raubte, seine Zier, seinen Schutz!«

»Ich habe ihm dafür etwas Besseres gegeben!« versetzte Maria mit bebender Stimme und sah Marcus mit einem Blicke des Einverständnisses an. »Zum letzten Male sei nun gefragt: Willst Du thun, was ich verlange, oder willst Du es nicht thun?«

»Ich werde es nicht thun!« versetzte Demetrius fest.

»So bedarf es für unsere Güter eines neuen Verwalters.«

»Du wirst ihn finden; aber Dein Land, das auch unser Land ist, es wird zur Einöde werden. Armes Land! Denn wenn Du die Heiligthümer des Feldes vernichtest, wirst Du damit seine Seele töten, sind sie doch die Seele des Feldes! Um das Heiligthum haben sich die ersten Ansiedler geschaart, auf sie und die Götter, die in ihnen wohnen, setzt der Bauer mit Recht seine Hoffnung für das, was er sät und pflanzt, für Weib und Kind und Vieh, für Alles, was ihm gehört. Mit dem Heiligthum zerstörst Du die Hoffnung des Landmanns und mit ihr alle Freudigkeit des Lebens. Ich weiß es, der Bauer glaubt vergeblich zu schaffen, wenn Du ihm die Götter nimmst, die seiner schweren Arbeit Gedeihen geben. Der Landmann: bei der Saat will er hoffen, beim Wachsthum der Frucht will er die Götter sehen, die es fördern, bei der Ernte verlangt es ihn, freudig zu danken. Was ihn hebt und erhält und beglückt, Du nimmst es ihm, wenn Du seine Heiligthümer zerstörst!«

»Wir geben ihm andere, bessere!« versetzte Maria.

»Sorget nur auch, daß sie ihm genehm sind,« entgegnete Demetrius ernst. »Bewegt ihn, das zu lieben, daran zu glauben, darauf zu hoffen, was ihr ihm aufdringen wollt, aber nehmt ihm nicht sein Bestes, bevor ihr ihn geneigt und fähig findet, den Ersatz anzunehmen, den ihr ihm aufzwingt. Laß mich jetzt gehen. Wir sind Beide nicht mehr in der Stimmung, für die Zukunft anzuordnen, was gut ist. Nur mit dem Einen sind wir heute schon fertig: ich verwalte die Güter nicht länger!«


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