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Nachdem Catinat seine Frau der Obhut ihrer indianischen Freundin übergeben und sie noch beschworen hatte, sich um Gottes willen den Fenstern nicht zu nähern, ergriff er sein Gewehr und stürzte die Treppe hinab. Als er vorüber eilte, pfiff eine Kugel durch eine der schmalen Fensteröffnungen und plattete sich an der gegenüberliegenden Wand ab, wie ein kleiner, bleierner Stern. Der Seigneur war bereits unten und sprach mit du Lhut vor der Thür.
»Wirklich, sind es tausend?« fragte er.
»Ja, wir fanden die frische Spur einer großen Kriegerschar, dreihundert zum mindesten. Es sind alles Mohawks und Cajugas und einige Oneidas dazwischen. Wir hatten, da sie uns entdeckten, ein Plänklergefecht von mehreren Stunden auf dem Rückwege und haben fünf Mann verloren.«
»Alle tot, hoffentlich?«
»Ich hoffe es, aber wir wurden hart bedrängt, und es kostete uns große Mühe, nicht abgeschnitten zu werden. Jean Mance hat einen Schuß durchs Bein.«
»Ich sah, daß er verwundet wurde,« bemerkte der Seigneur.
»Wir thäten nun am besten,« fuhr du Lhut fort, »alles in Bereitschaft zu halten, um uns ins Haus zurückzuziehen, wenn sie die Palissaden erstürmen sollten. Wir dürfen kaum hoffen, sie zu halten, wo sie zwanzig gegen einen sind.«
»Alles ist bereit.«
»Mit den Kanonen können wir ihre Kanoes am Vorüberfahren hindern. So wäre es möglich, die Weiber heute abend fortzuschicken.«
»Das beabsichtigte ich. Wollen Sie die Nordseite übernehmen? Vorläufig indessen müssen Sie mit zehn Mann zu mir herüberkommen, und wenn die Hunde ihren Angriff ändern sollten, komme ich zu Ihnen.«
Vom Waldrande her knatterten jetzt die Schüsse unaufhörlich, und die Luft war voll pfeifend dahersausender Kugeln. Die Angreifer waren sämtlich geübte Schützen, Männer, die von ihrer Büchse lebten, und bei denen eine zitternde Hand oder ein unsicheres Auge soviel bedeutete, wie Armut und Hunger. Jeder Schlitz, jede Ritze, jedes Guckloch wurde aufs Korn genommen, und eine über die Palissaden gehobene Mütze flog augenblicklich, wie weggeblasen, von dem Büchsenlauf, der sie trug. Anderseits waren aber auch die Verteidiger in der indianischen Fechtweise geübt und gewiegt in allen Schlichen und Listen, welche ihnen selbst zum Schutz dienen und die Feinde verleiten konnten, sich zu exponieren. Sie hielten sich dicht neben den Schießlöchern, spähten durch kleine Spalten im Holz und feuerten rasch, wenn eine Gelegenheit sich darbot. Ein rotes Bein, das hinter einem Baumstamm gerade in die Höhe ragte, bewies, daß eine Kugel wenigstens getroffen hatte, aber im allgemeinen zeigte sich kaum ein anderes Ziel, als Blitz und Rauch, die zwischen dem Laube aufstiegen, oder höchstens die nur einen Augenblick sichtbare, schattenhafte Gestalt eines Kriegers, der von einem Baum zum andern huschte. Sieben Canadier waren bereits getroffen, aber nur drei waren tödlich verwundet. Die andern vier hielten mannhaft bei ihren Schießscharten aus, obgleich der eine, der in die Kinnlade getroffen war, seine Zähne zugleich mit der Kugel in den Gewehrlauf spie. Die Weiber saßen in einer Reihe am Boden, niedriger als die Schießscharten, jede mit einer Schüssel voll Kugeln und einer Blechbüchse voll Pulver, und reichten den Kämpfenden die geladenen Flinten an den Punkten, wo ein rasches Feuern am notwendigsten war.
Zuerst hatte sich der Angriff auf die Südseite beschränkt; als aber frische Irokesenscharen ankamen, erweiterte sich die Linie und dehnte sich aus, bis endlich die ganze Ostseite unter Feuer stand, welches allmählich auch die Nordseite umschloß. Das Fort war von einem breiten Rauchgürtel umrahmt, außer wo im Westen der breite Fluß vorüberströmte. Drüben am andern Ufer lauerten die Kanoes; und eins, mit zehn Kriegern bemannt, versuchte stromaufwärts vorbei zu kommen, aber ein tüchtiger Schuß in den Bug brachte es zum Sinken, wahrend ein zweiter mit Schrotladung nur vier der Schwimmer übrig ließ, deren hohe Skalplocken aus dem Wasser ragten wie die Rückenflosse irgend eines seltsamen Fisches. Auf der Landseite indessen hatte der Seigneur verboten, die Kanonen noch einmal abzufeuern, denn die breiten Schießscharten zogen das feindliche Feuer auf sich, und die Getroffenen gehörten meistens zur Bedienung der Kanonen.
Der alte Edelmann stolzierte mit seiner weißen Hemdkrause, seinen Spitzenmanschetten und seinem Bernsteinstöckchen hinter der Reihe seiner fast erschöpften, rauchgeschwärzten Leute auf und ab, klopfte auf seine Schnupftabaksdose, machte seine kleinen Witze und sah weit weniger erregt aus, als bei seinem Piquet.
»Wie meinen Sie, daß die Sache steht, du Lhut?«
»Ich meine, sie steht schlimm. Wir verlieren unsre Leute bei weitem zu schnell.«
»Nun, nun, mein Freund, was kann man anders erwarten? Wenn tausend Büchsen auf einen kleinen Platz wie dieser ist, gerichtet sind, so muß eben dieser und jener darunter leiden. Ach, armer Bursch! Bist du auch hin!«
Der ihm zunächst stehende Mann war plötzlich umgefallen und lag jetzt ohne Regung mit dem Kopf in einer Schüssel voll Mais, die von den Frauen herausgebracht worden war. Du Lhut blickte nach ihm hin und schaute sich dann um.
»Er stand vor keiner Schießscharte, und er bekam es in die Schulter,« sagte er. »Wo ist es nur hergekommen? Aha! bei der heiligen Anna, sieh da!«
Er wies nach einem kleinen Rauchwölkchen, das im Wipfel einer hohen Eiche hing.
»Der Schuft kann über die Palissaden sehen. Aber dort oben wird der Stamm kaum dick genug sein, um ihn zu schützen. Dieser arme Kerl wird seine Flinte nicht noch einmal benutzen, obwohl ich sehe, daß sie bereits geladen ist.«
De la Roue legte sein Stöckchen hin, strich die Spitzenmanschetten zurück, hob das Gewehr des Toten auf und feuerte auf den lauernden Wilden. Ein paar abgerissene Blätter flatterten vom Baum, und ein grinsendes, feuerrotes Antlitz erschien einen Augenblick mit gellendem Hohngelächter. Schnell wie der Blitz lag du Lhuts Flinte an seiner Wange, und der Hahn knackte. Der Mann sprang hoch in die Luft und stürzte durch das brechende Gezweig. Siebzig bis achtzig Fuß tiefer streckte sich ein einzelner, dicker Ast in die Luft, und auf diesen schlug er auf, daß es klang, wie wenn ein großer Stein in einen Morast fallt. Quer darüber blieb er hängen, wie ein roter Fetzen, der vom Winde gewiegt wird. Seine Skalplocke wehte zwischen seinen Füßen nieder. Ein Jubelruf der Kanadier erscholl bei diesem Anblick, der aber im Augenblick von dem Mordgeheul der Indianer übertönt wurde.
»Seine Glieder zucken. Er ist noch nicht tot,« rief de la Roue.
»Lassen Sie ihn da sterben,« entgegnete du Lhut ungerührt und stieß eine frische Ladung in den Lauf. »Aha, da ist wieder der graue Hut! Er zeigt sich immer gerade dann, wenn ich nicht geladen habe.«
»Ich sah einen Federhut zwischen den Büschen,« bemerkte der Seigneur.
»Das ist der flämische Bastard. Ich möchte seinen Skalp lieber haben als den von hundert seiner besten Krieger.«
»Ist er denn so tapfer?«
»Ja tapfer ist er. Das läßt sich nicht leugnen, denn wie könnte er sonst ein irokesischer Kriegshäuptling sein! Aber er ist voller Listen, tückisch und grausam. – O mein Gott, wenn alles, was man von ihm erzählt, wahr ist, so übersteigt seine Grausamkeit alle Begriffe, Ich fürchte, mir würde die Zunge verdorren, wenn ich die Dinge nur nennen wollte, die dieser Mann gethan hat. Ah, da ist er wieder!«
Der graue Federhut hatte sich soeben durch eine Lücke im Pulverdampf gezeigt. De la Roue und du Lhut feuerten zu gleicher Zeit, und der Hut flog in die Luft. Im selben Augenblick teilten sich die Büsche, und ein hochgewachsener Krieger sprang heraus, den Verteidigern völlig sichtbar. Sein Gesicht war das eines Indianers, nur um ein paar Schattierungen heller, und ein schwarzer Spitzbart hing über sein Jagdwams hernieder. Er schwenkte verächtlich die Hände, während er einen festen Blick auf das Fort heftete, und sprang dann hinter das Gebüsch zurück. Ein Kugelregen, der rings um ihn her die Zweige wegfegte, folgte ihm.
»Ja, tapfer ist er allerdings,« wiederholte du Lhut mit einem Fluch. »Nach ihrem Schießen zu urteilen, haben Ihre Zinsbauern die Hacke häufiger in der Hand gehabt, als die Flinte, Monseigneur. Die Indianer scheinen sich übrigens auf der Ostseite zusammen zu ziehen, ich denke mir, sie werden binnen kurzem Sturm laufen.«
Auf der von Catinat verteidigten Seite war in der That das Feuer sehr viel heftiger geworden, und es war ersichtlich, daß sich die Hauptmacht der Irokesen dort zusammen zog. Hinter jedem Klotz und Baumstamm, aus jedem Felsspalt und Gebüsch fuhr der rote Blitz mit seinem grauen Wölkchen hervor, und die Kugeln summten in einem ununterbrochenen Strom durch die Schießlöcher. Amos hatte sich etwa einen Fuß über dem Boden ein eignes kleines Loch gebohrt, lag auf dem Bauch und lud und feuerte in der ihm eignen ruhigen, methodischen Weise. Neben ihm stand Ephraim Savage mit fest zugekniffenem Munde, seine Augen sprühten Blitze unter den zusammengezogenen Brauen hervor, und all sein Sinnen war nur auf das »Ausrotten der Amalekiter« gerichtet. Den Hut hatte er verloren, sein graues Haar flog im Winde, große, schwarze Pulverflecken bedeckten sein braunes Gesicht, und eine Schramme auf der rechten Backe zeigte die Stelle, wo ihn eine Indianerkugel gestreift hatte, Catinat betrug sich wie ein gewiegter Soldat. Er schritt unter seinen Leuten auf und nieder mit kurzen Worten der Anerkennung oder des Befehls – feurigen Worten, bei denen das Herz rascher schlägt und die Wange erglüht. Sieben seiner Leute lagen bereits erschossen am Boden, aber während der Angriff hier ärger wütete, ließ er auf den anderen Seiten nach, und der Seigneur mit seinem Sohn und du Lhut brachten ihm zehn Mann zur Verstärkung. De la Roue bot eben Catinat seine Schnupftabaksdose an, als ein gellender Schrei hinter ihnen ertönte. Umblickend sahen sie Onega, das Weib des Schloßherrn, die über dem Leichnam ihres Sohnes die Hände rang. Ein Blick zeigte ihnen, daß die Kugel das Herz durchbohrt hatte und daß er tot war.
Einen Augenblick überzog eine leichte Blässe des alten Edelmannes mageres Gesicht, und die Hand, welche die kleine, goldene Dose hielt, bebte wie ein Blatt im Winde. Dann steckte er sie in die Tasche und unterdrückte jedes äußere Zeichen des Schmerzes, der ihn bis ins innerste Mark getroffen hatte.
»Die de la Roues sterben immer auf dem Felde der Ehre,« bemerkte er. »Mich dünkt, dort bei der Kanone an der Ecke sollten mehr Leute postiert werden.«
Jetzt erklärte es sich übrigens, warum die Irokesen die Ostfront zum Hauptangriff ausersehen hatten. Dort lag die gedeckte Stelle zwischen dem Waldrande und den Palissaden. Eine Kriegerschar konnte sich leicht bis da heranschleichen und sich dort zum Sturme sammeln. Zuerst schlüpfte ein gebückter Krieger und dann ein zweiter, ein dritter über den Gürtel offnen Feldes dazwischen und warf sich in den Büschen nieder. Der vierte wurde getroffen und lag mit zerschmettertem Rückgrat ein paar Schritt vom Waldrande entfernt. Aber eine Menge anderer Krieger wagte trotzdem den Übergang, bis das kleine Gehölz von lauernden Wilden wimmelte.
Amos Greens Zeit war gekommen. Von seinem Standpunkte aus konnte er gerade den weißen Fleck sehen, wo er die Rinde von dem Birkenstämmchen abgeschält hatte, und er wußte, genau darunter lag der Pulversack. Diesen Zielpunkt faßte er jetzt ins Auge, dann senkte er sein Rohr, bis es die Richtung auf den Fuß des Baumstämmchens hatte, so gut er die Stelle zwischen dem Laubgewirr zu erraten vermochte. Der erste Schuß jedoch blieb erfolglos. Aber er zielte noch einmal einen Fuß tiefer. Die Kugel durchbohrte den Sack, und es erfolgte eine Explosion, davor das Herrenhaus bis in seine Grundvesten erzitterte und die Palissaden schwankten, wie Kornähren, über die ein Windstoß fährt. Bis in die höchsten Baumwipfel stieg die mächtige, blaue Rauchsäule. Auf den ersten furchtbaren Knall folgte eine Totenstille, welche nur der dumpfe Ton zu Boden stürzender Körper unterbrach. Dann erscholl ein wildes Freudengeschrei der Verteidiger und ein Rachegeheul der Indianer, während das Feuer vom Walde her wütender denn je wieder aufgenommen wurde. Aber es war doch ein harter Schlag für den Feind gewesen. Von den sechsunddreißig ausgesucht beherzten Kriegern erreichten nur vier wieder den Schutz der Wälder, aber so zerschlagen und verwundet, daß es doch mit ihnen aus war. Die Indianer hatten auch sonst schwere Verluste erlitten, und dieses neue Mißgeschick bewog sie, ihren Angriffsplan zu ändern. Die Irokesen waren ebenso vorsichtig wie tapfer, und am höchsten wurde bei ihnen derjenige Häuptling geschätzt, der am sparsamsten mit dem Leben seiner Mannschaft umging. So ließ denn das Feuern allmählich nach, und außer einem vereinzelten Schuß von Zeit zu Zeit hörte es bald ganz auf.
»Ist es möglich, daß sie den Angriff aufgeben?« rief Catinat freudig erregt. »Amos, ich glaube, Sie haben uns gerettet!«
Aber du Lhut schüttelte den Kopf.
»Ein Wolf würde eher einen angenagten Knochen fahren lassen, als ein Irokese einen Siegespreis, wie Sainte Marie,«
»Aber sie haben große Verluste gehabt.«
»Freilich, aber verhältnismäßig nicht so schwere wie wir. Sie haben vielleicht fünfzig von tausend, und wir zwanzig von sechzig verloren. Nein, nein, jetzt halten sie eine Beratung, und wir werden bald genug mehr von ihnen hören. Aber es mögen immerhin ein paar Stunden darüber hingehen, und wenn Sie meinem Rat folgen wollen, schlafen Sie ein Stündchen. Sie sind nicht, wie ich, gewöhnt, den Schlaf lange zu entbehren, ich sehe es Ihnen an den Augen an; die Nacht aber wird uns wohl allen wenig Ruhe bringen.«
Catinat war in der That im höchsten Grade erschöpft. Amos Green und der Seemann hatten sich bereits in ihre Decken gewickelt und im Schutz der Palissaden zum Schlafen niedergelegt. Der Franzose stürmte ins Haus, um der zitternden Adèle ein paar Trostesworte zu sagen, warf sich dann auf ein Ruhebett und sank in den tiefen, traumlosen Schlaf eines übermüdeten Mannes.
Das neubeginnende Knattern des Gewehrfeuers erweckte ihn endlich. Die Sonne stand schon tief, und das milde, gelbliche Abendlicht färbte die kahlen Wände seines Zimmers golden. Sofort sprang er von seinem Lager auf, ergriff sein Gewehr und eilte in den Hof. Die Verteidiger standen wieder an ihren Schießscharten, während du Lhut, der Seigneur und Amos Green eifrig miteinander flüsterten. Im Vorbeigehen sah er, daß Onega noch immer über den Leichnam ihres Sohnes gebeugt saß und leise und eintönig etwas vor sich hin summte.
»Was gibt's? Kommen sie?« fragte er.
»Sie haben irgend eine Teufelei vor,« sagte du Lhut und lugte seitwärts durch eine Scharte. »Sie sammeln sich am Ostrand, aber sie beschießen die Südfront. Es ist sonst nicht Indianerweise, einen Angriff über offnes Feld hin zu machen, indessen, wenn sie fürchten, daß wir vom Fort Hilfe bekommen, wagen sie es am Ende doch!«
»Der Wald vor uns wimmelt von ihnen,« sagte Amos. »Sie sind im Unterholz geschäftig wie die Biber.«
»Vielleicht werden sie von dieser Seite angreifen und den Angriff durch ein Flankenfeuer unterstützen!«
»Das glaube ich auch,« rief der Seigneur. »Alle Mann an die Ostfront! Und bringt alle Reserveflinten mit! Je fünf Leute bleiben zur Flankendeckung rechts und links!«
Die Worte waren kaum aus seinem Munde, als ein gellendes Geheul vom Walde her erscholl und im selben Augenblick eine Schar von Kriegern hervor stürzte. Brüllend, ihre Tomahawks oder Flinten in der Luft schwingend, rasten sie in hohen Sätzen über das freie Feld. Mit ihren bemalten Gesichtern, die in allen möglichen grellen Farben beschmiert und gestreift waren, den flatternden Skalplocken, geschwenkten Armen, offnem Munde und greulichen Verdrehungen und Wendungen ihrer Leiber glichen sie dem teuflischsten Heere, das je einem Schläfer im Traume das Herzblut erstarren ließ. Einige der vordersten trugen Kanoes, und sobald sie die Palissaden erreichten, lehnten sie dieselben dagegen und schwärmten daran empor, als wären es Sturmleitern gewesen. Andere feuerten durch die Schießscharten und Gucklöcher, Lauf an Lauf mit denen der Verteidiger, während noch andere sich ohne weiteres auf die Palissaden schwangen und furchtlos in den Hof hinabsprangen. Die Kanadier leisteten indes solchen Widerstand, wie man ihn von Männern erwarten kann, welche wissen, daß es für sie kein Erbarmen gibt. Sie schossen, so lange sie Zeit zum Laden hatten und hieben dann mit dem Kolben wütend auf jeden roten Kopf, der sich über den Palissaden zeigte. Ein höllisches Getöse erfüllte den Hof. Das Rufen und Schreien der Franzosen, das Geheul der Wilden, das angstvolle Gekreisch der entsetzten Weiber verschmolz zu einem fürchterlichen Lärm, durch den hindurch die hohe, schrille Stimme des alten Freiherrn erklang, der seine Zinsbauern anflehte, auszuhalten. Den Degen in der Faust, ohne Hut, mit verschobener Perücke, ohne seine gewohnte steife Würde, zeigte ihnen der alte Edelmann an diesem Tage den Soldaten von Rocroy. Er und du Lhut, Catinat, Amos und Ephraim Savage waren stets im Vordertreffen der Verteidigung. Sie kämpften mit solcher verzweifelten Tapferkeit und waren auch mit Schwert und Kolben gegen den kurzen Tomahawk so im Vorteil, daß, obwohl einmal fünfzig Irokesen zugleich über die Palissaden gesprungen waren, sie sie doch fast alle erschlagen oder zurück getrieben hatten. Da plötzlich aber stürzte sich eine neue feindliche Kriegerwoge über die von Verteidigern fast ganz entblößte Südfront. Du Lhut erkannte sofort, daß die Einfriedigung verloren war und es nur noch galt, das Haus zu retten.
»Haltet sie einen Augenblick auf,« schrie er, stürzte dann nach der Messingkanone und feuerte sie in den dicksten Knäuel der Wilden ab. Als sie dann vorübergehend zurückwichen, steckte er einen Nagel in das Zündloch und schlug ihn mit dem Kolben fest. In fliegender Eile sprang er durch den Hof, vernagelte das Geschütz an der anderen Ecke und war am Portal, als eben die Überlebenden der Besatzung, durch den Ansturm der Angreifer zurückgedrängt, dasselbe erreichten. Die Kanadier sprangen hinein, schlugen die schwere, gewichtige Thür zu und zerquetschten dabei dem vordersten Krieger, der ihnen zu folgen versucht hatte, das Bein. Dann konnten sie eine Weile aufatmen und ratschlagen.