Arthur Conan Doyle
Die Réfugiés
Arthur Conan Doyle

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XIII. Der König hat einen Gedanken.

Der König war allein in seinem Kabinett geblieben. In seine düstern Gedanken versunken, grübelte er darüber nach, wie er sein Vorhaben ausführen und zugleich die Opposition beseitigen könne, die so hartnäckig und so allgemein zu sein schien. Plötzlich klopfte es leise an die Thür, die sich zugleich sacht öffnete. Da stand die Frau, die seine Gedanken erfüllte, im Zwielicht vor ihm. Lächelnd, mit ausgestreckten Händen eilte er ihr entgegen.

»Françoise, du hier!« rief er liebevoll. »Endlich einmal ein willkommener Besuch – der allereste an diesem ungemütlichen Tage!«

»Sire, ich fürchte, Sie sind gequält worden.«

»Allerdings bin ich das – unerträglich gequält, Françoise!«

»Ich bringe Ihnen ein Mittel dagegen!«

»Und welches denn?«

»Ich will den Hof verlassen, Sire,« erwiderte Frau von Maintenon gefaßt, »und Sie sollen vergessen, was zwischen uns vorgefallen ist. Lassen Sie mich nach St. Cyr oder nach der Abtei von Fontrevault gehen, dann werden Sie aller Opfer um meinetwillen überhoben sein.«

Der König wurde totenbleich und klammerte sich mit zitternder Hand an ihren Shawl, als fürchte er, sie werde ihren Entschluß auf der Stelle ausführen. Seit Jahren war sein Geist von dem ihrigen abhängig gewesen. An sie hatte er sich gewandt, wenn er des Rates und der Stütze bedurfte. Sogar in Zeiten, wie in der letzten Woche, wo er sie vorübergehend vernachlässigt hatte, war es ihm doch ein Trost gewesen, zu wissen, daß sie in der Nähe war, – die treue Freundin, die immer bereit war, ihm zu vergeben, ihn zu beruhigen, die stets auf ihn wartete und guten Rat und Sympathie für ihn bereit hielt. Daß sie ihn jetzt verlassen – gänzlich verlassen könnte – ein solcher Gedanke war ihm nie gekommen, und es überrieselte ihn ein kalter, beängstigender Schauder.

»Was sagst du, Françoise! Du wolltest mich verlassen!« rief er mit bebender Stimme. »Nein, nein, es ist unmöglich, daß du das im Ernst meinst!«

»Es wird mir das Herz brechen, Sie zu verlassen, Sire,« erwiderte Frau von Maintenon, »aber nicht minder leide ich unter dem Gedanken, daß Sie sich um meinetwillen Ihrer Familie und Ihren Ministern entfremden.«

»Pah! Bin ich denn nicht der König? Kann ich nicht thun, was ich will, ohne Rücksicht auf sie zu nehmen? Nein, nein Françoise, du darfst mich nicht verlassen! Du mußt bei mir bleiben und mein Weib werden!«

Er konnte vor Aufregung nicht weiter sprechen, hielt dabei aber immer noch ihr Kleid fest, als könnte sie ihm entschlüpfen. War sie ihm bisher teuer gewesen, so war sie es jetzt noch viel mehr, da er fürchten mußte, sie zu verlieren. Sie fühlte den Vorteil ihrer Lage und verstand es, ihn zu benützen.

»Einige Zeit müßte doch bis zu unsrer Vermählung verstreichen, Sire,« entgegnete sie. »Und man wird Sie täglich von neuem quälen. Wie könnte ich glücklich sein, wenn ich fühlen müßte, daß ich eine so lange Zeit des Unbehagens über Sie gebracht?«

»Und warum eine so lange Zeit, Françoise?«

»Ein einziger Tag, an dem Sie durch meine Schuld unglücklich sein sollten, wäre schon zu lang. Es macht mich ganz elend, nur daran zu denken. Glauben Sie mir, es ist besser, daß ich Sie verlasse.«

»Niemals! niemals! Du sollst nicht, Françoise! Warum sollten wir denn auch nur einen Tag warten? Ich bin bereit. Du bist es auch. Warum wollen wir uns nicht sofort trauen lassen?«

»Sofort! O Sire!«

»Es soll so sein. Es ist mein Wunsch. Es ist mein Befehl,« sagte der König mit fester Stimme. »So antworte ich denen, die mich von dir treiben wollen. Sie sollen nichts davon erfahren, bis es geschehen ist, und dann will ich denjenigen sehen, der es wagen wollte, meine Gemahlin nicht mit gebührender Achtung zu behandeln. Wir wollen es ganz im Geheimen thun, Françoise. Ich werde sofort den Erzbischof von Paris durch einen zuverlässigen Boten holen lassen, und bei Gott, er soll Mann und Frau aus uns machen, wenn auch ganz Frankreich uns in den Weg träte.«

»Ist das Ihr Wille, Sire?«

»Er ist es! Und in deinen Augen, Françoise, lese ich, daß es auch der deine ist. Wir wollen keinen Augenblick verlieren. Ich preise mich glücklich, daß ich diesen Gedanken gehabt, der ihre Zungen für immer zum Schweigen bringen wird! Wenn alles fertig ist, mögen sie's wissen, aber keinen Augenblick früher. Und nun eile auf dein Zimmer, teuerste Freundin, du herrliche Frau! Wenn wir wieder zusammentreffen, so geschieht es, um einen Bund zu schließen, den dieser Hof und das ganze Königreich nicht werden auflösen können.«

Der König war ganz Feuer und Flamme in der Erregung dieses festen Entschlusses. Keine Spur mehr von Zweifel und Unbehagen war auf seinem Antlitz zu sehen. Lächelnd und leuchtenden Auges schritt er schnell im Zimmer auf und ab. Nach einer Weile trat er an einen Tisch und berührte eine kleine goldene Glocke, um seinen Kammerdiener Bontems herbeizurufen.

»Wieviel Uhr ist es, Bontems?«

»Es ist beinahe sechs, Sire.«

»Hm!« Der König sann einige Augenblicke nach.

»Wissen Sie,« fragte er dann, »wo der Hauptmann von Catinat ist?«

»Er war in den Gärten, Sire, aber wie ich hörte, wollte er heute abend nach Paris reiten.«

»Reitet er allein?«

»Er hat einen Freund bei sich.«

»Wer ist dieser Freund? Ein Offizier von der Garde?«

»Nein, Sire. Es ist ein Freund von jenseit des Meeres aus Amerika, wenn ich recht verstanden habe, der seit einiger Zeit bei ihm ist, und dem er die Wunder von Ew. Majestät Palast gezeigt hat.«

»Ein Fremder! Um so besser. Gehen Sie, Bontems und führen Sie beide zu mir.«

»Ich hoffe, daß sie noch nicht fort sind, Sire. Ich werde sogleich nachsehen.«

Nach zehn Minuten war der Kammerdiener wieder zurück.

»Nun?« fragte der König.

»Ich habe Glück gehabt, Sire,« erwiderte Bontems. »Ihre Pferde standen draußen, und ihre Füße waren bereits in den Steigbügeln, als ich hinunterkam.«

»Wo sind sie jetzt?«

»Sie erwarten die Befehle Ew. Majestät im Vorzimmer.«

»Laß sie eintreten, Bontems, und weise jeden andern, auch den Minister zurück, so lange sie bei mir sind.«

Für Catinat war eine Audienz bei dem Monarchen nichts Ungewöhnliches, aber es überraschte ihn aufs höchste, als Bontems ihm mitteilte, daß sein amerikanischer Gefährte ihn begleiten solle. Noch war er eifrig beschäftigt, demselben Vorschriften und Warnungen über sein Verhalten ins Ohr zu flüstern, als Bontems wieder erschien und sie zum Könige führte.

Mit einem Gefühl der Neugierde, in das sich doch auch eine gewisse Ehrfurcht mischte, betrat Amos Green, dem der Statthalter von New York bisher die erhabenste Verkörperung irdischer Autorität gewesen war, das Privatgemach des größten Monarchen der Christenheit. Die Pracht des Vorzimmers, in welchem er gewartet hatte, die Sammetvorhänge, die Gemälde, die Teppiche, dazu das Gedränge bunt uniformierter Beamter und Gardisten, alles zusammen genommen hatte auf seine Phantasie einen tiefen Eindruck gemacht, und er erwartete, eine wundersame Gestalt mit Scepter und Krone als den geeigneten Mittelpunkt für solch ein Schauspiel zu sehen. Als seine Augen nun auf einen schlichtgekleideten Mann mit hellen Augen fielen, einen Mann, der um einen halben Kopf kleiner war als er, mit einer schmucken zierlichen Gestalt und strammen Haltung, blickte er unwillkürlich rund umher, ob dies auch wirklich der Monarch sei, oder einer jener zahllosen Beamten, die sich zwischen ihn und die äußere Welt stellten. Der ehrerbietige Gruß seines Gefährten zeigte ihm indes, daß dies der König sein müsse. So verbeugte er sich auch und reckte sich dann wieder gerade auf mit der schlichten Würde eines Mannes, welcher in der Schule der Natur erzogen worden war.

»Guten Abend, Hauptmann von Catinat,« redete der König den Offizier an und lächelte ihm freundlich zu. »Ich höre, Ihr Freund ist ein Fremdling in meinen Landen. Ich hoffe, mein Herr, daß Sie manches bei uns gefunden haben, was Sie interessiert und unterhalten hat?«

»Ja, Ew. Majestät. Ich habe Ihre große Stadt gesehen – sie ist wirklich wundervoll. Auch hat mir mein Freund diesen Palast mit seinen Gehölzen und Anlagen gezeigt. Wenn ich nach Hause zurückkehre, werde ich von Ihrem schönen Lande viel zu erzählen haben.«

»Sie sprechen französisch,« bemerkte der König, »und doch sind Sie kein Kanadier.«

»Nein, Sire! Ich bin aus den englischen Provinzen.«

Der König betrachtete mit Interesse die mächtige Gestalt, die kühnen Gesichtszüge und die freie Haltung des jungen Ausländers, und sein Geist schweifte zurück zu dem, was Graf Frontenac von den Gefahren vorausgesagt hatte, die Frankreich aus diesen Kolonien erwachsen könnten. Wenn dieser Mann ein echter Typus seiner Rasse war, so mußten seine Landsleute in der That ein Volk sein, das man lieber zum Freund als zum Feind haben mochte. Sein Sinn war indessen an diesem Abend auf andere Dinge, als auf Politik gerichtet, – so beeilte er sich, Catinat seine Befehle zu erteilen.

»Sie werden in meinem Auftrage nach Paris reiten. Ihr Freund kann Sie begleiten. Zwei sind immer sicherer als einer, wenn ein Königsbefehl zu überbringen ist. Ich wünsche indessen, daß Sie auf den Einbruch der Nacht warten.«

»Zu Befehl, Sire.«

»Lassen Sie nichts von Ihrem Auftrag verlauten und achten Sie darauf, daß niemand Ihnen folgt. Sie kennen doch das Haus des Erzbischofs Harley, des Prälaten von Paris?«

»Ja, Sire.«

»Sie werden ihn ersuchen, sofort herauszukommen und an dem nordwestlichen Seitenthor um Mitternacht einzutreffen. Nichts darf ihn zurückhalten. Sei's Sturm, sei's mondenhell, er muß heute nacht hier sein. Es ist von höchster Wichtigkeit.«

»Ich werde ihm Ihren Befehl überbringen, Sire.«

»Sehr gut. Leben Sie wohl, Herr Hauptmann! Leben Sie wohl, Herr Green. Ich hoffe, daß der Aufenthalt in Frankreich ein recht angenehmer für Sie sein wird.«

Mit einer Handbewegung und dem bezaubernden Lächeln, das ihm schon so viele Herzen gewonnen, entließ er die beiden Freunde.


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