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Nachdem Frau von Montespan die Botschaft ihres Bruders erhalten hatte, legte sie sich beruhigt nieder. Sie kannte Ludwig so genau, wie wenige und wußte, daß es einer seiner Hauptcharakterzüge war, in Kleinigkeiten hartnäckig zu sein. Wenn er einmal gesagt hatte, daß er vom Erzbischof getraut werden wollte, so durfte es auch kein anderer thun, und deshalb konnte, in dieser Nacht wenigstens, die Trauung nicht stattfinden. Morgen war ein neuer Tag, und wenn es ihr dann nicht gelang, des Königs Pläne zu erschüttern, so mußte sie allerdings sowohl ihren Verstand, wie ihre Schönheit eingebüßt haben.
Am folgenden Morgen machte sie umständlich Toilette. Puder und ein wenig Schminke, ein kleines Schönpflästerchen neben dem Grübchen auf ihrer Wange, die weite, lose Robe von veilchenfarbenem Sammet, das Perlenhalsband wurden mit der Sorgfalt eines Kriegers angelegt, der sich zum Entscheidungskampfe wappnet. Keine Nachricht von dem großen Ereignisse der vergangenen Nacht war bisher zu ihr gedrungen. Und doch war der ganze Hof bereits voll davon. Ihr Hochmut und ihre scharfe Zunge hatten sie ganz ohne Freundin und Vertraute gelassen. Sie war deshalb in vortrefflichster Stimmung aufgestanden, ganz nur mit der einen Frage beschäftigt, wie eine Audienz beim König am besten zu erlangen sein würde.
Noch befand sie sich in ihrem Boudoir und legte gerade die letzte Hand an ihre Toilette, als ihr der Page meldete, der König erwarte sie in ihrem Salon. Frau von Montespan traute ihren Ohren kaum, als sie die gute Nachricht vernahm. Den ganzen Morgen über hatte sie sich den Kopf zerbrochen, wie sie sich zu ihm Bahn brechen könne, und nun war er da und wartete auf sie! Noch einen letzten Blick in den Spiegel, dann schnell zu ihm!
Bei ihrem Eintritt stand er vor einem Snyderschen Gemälde, den Rücken ihr zugekehrt. Als die Thür sich hinter ihr schloß, wandte er sich um und ging ihr zwei Schritte entgegen. Mit einem leisen, anmutigen Freudenschrei eilte sie auf ihn zu; ihre weißen Arme breiteten sich aus, Liebe verklärte ihr Antlitz; doch er machte eine zwar sanfte, aber so entschieden abweisende Gebärde, daß sie erschrocken zurückwich. Ihre Hände sanken am Leibe nieder, ihre Lippen zitterten, schweigend schaute sie ihn an, während aus ihren Augen Kummer und Angst sprachen. Seine Züge trugen einen Ausdruck, den sie noch nie zuvor darin wahrgenommen, und ein etwas flüsterte ihrer Seele zu, daß heute wenigstens sein Geist dem ihren überlegen war.
»Sie zürnen mir wieder,« rief sie.
Er hatte beabsichtigt, ihr schroff und ohne Rückhalt seine Vermählung mitzuteilen, aber jetzt, da er ihre Schönheit und Liebe vor Augen hatte, wurde es ihm klar, daß er damit roher gehandelt hätte, als wenn er sie zu Boden schlüge. Mochte es ihr denn jemand anders mitteilen! Sie erfuhr es immer noch früh genug. Zudem gab es dann vielleicht keine Scene, und Scenen waren seiner Seele ein Greuel. Das alles fuhr ihm rasch durch den Sinn, und sie las es ihm ebenso rasch aus den braunen Augen ab.
»Sie kamen her, um mir etwas zu sagen, und können es doch nicht übers Herz bringen. Gott segne das gütige Herz, das die grausame Zunge im Zaum hält!«
»Nein, gnädige Frau,« sagte Ludwig, »ich möchte nicht grausam sein. Ich kann nicht vergessen, daß Ihr Geist und Ihre Schönheit all diese Jahre mein Leben geschmückt und meinen Hof geziert haben. Aber die Zeiten ändern sich, und ich habe Verpflichtungen, welche meinen persönlichen Neigungen vorgehen. Ich halte es daher aus den verschiedensten Gründen für geboten, daß wir uns der Abmachung fügen, die wir neulich schon besprachen, und daß Sie sich vom Hofe zurückziehen.«
»Zurückziehen, Sire? Auf wie lange?«
»Ein für allemal, gnädige Frau.«
Leichenblaß, die Hände geballt, stand sie da und starrte ihn an.
»Selbstverständlich soll alles geschehen, was in meinen Kräften steht,« fuhr er fort, »um Ihre Zurückgezogenheit glücklich zu gestalten. Sie sollen selbst die Höhe Ihrer Pension bestimmen. Ein Palast soll Ihnen in dem Teile Frankreichs errichtet werden, wo Sie sich niederlassen wollen, vorausgesetzt, daß der Ort zwanzig Meilen von Paris entfernt ist. Auch eine große Besitzung –«
»O Sire, wie können Sie denken, daß solche Dinge mich für den Verlust Ihrer Liebe entschädigen könnten?«
Das Herz in der Brust war ihr wie erstarrt. Hätte er heftig und aufgeregt gesprochen, ihr wäre noch Hoffnung geblieben, ihn zurückzugewinnen, wie schon oft zuvor, aber diese sanfte und doch feste Haltung war ihr neu an ihm, und sie fühlte, daß alle ihre Verführungskünste dagegen machtlos waren. Seine Kälte reizte sie aufs äußerste, trotzdem kämpfte sie noch ihre Leidenschaftlichkeit nieder und versuchte das demütige Wesen beizubehalten, das ihrem hochfahrenden, heftigen Charakter so wenig entsprach; aber bald wurde ihr dieser Zwang unerträglich.
»Ich habe mir diese Angelegenheit reiflich überlegt, gnädige Frau,« fuhr Ludwig fort, »es muß sein, wie ich sagte. Es gibt keinen andern Ausweg. Da wir scheiden müssen, ist ein kurzer Abschied der beste. Glauben Sie mir, auch mir wird er nicht leicht. Ich habe Ihrem Bruder befohlen, um neun Uhr abends seinen Wagen am Seitenthor bereit zu halten, weil ich annahm, Sie würden sich lieber nach Einbruch der Dunkelheit entfernen.«
»Um dem lachenden Hof meine Schande zu verbergen. Es war rücksichtsvoll von Ihnen, Sire! Doch hielten Sie es wohl auch für Ihre Pflicht – wir hören ja heutzutage so viel von Pflicht reden, denn wer anders als Sie –«
»Ich weiß, gnädige Frau, ich weiß. Ich bekenne es. Ich habe mich schwer gegen Sie vergangen. Glauben Sie mir, daß alles, was in meiner Macht steht, zur Sühne geschehen soll. Nein, sehen Sie mich nicht so zornig an, ich bitte Sie! Ich wünsche sehr, daß das letzte Beisammensein uns eine freundliche Erinnerung hinterläßt.«
»Eine freundliche Erinnerung!« Alle Sanftmut und Demut war von ihr abgestreift, und ihre Stimme klang rauh vor Groll und Verachtung. »Eine freundliche Erinnerung! Ihnen mag sie wohl angenehm sein, weil Sie die Frau losgeworden sind, die Sie zu Grunde gerichtet haben, weil Sie sich nun mit einer andern abgeben können, ohne daß Sie durch den Anblick eines blassen Gesichts in Ihren Gesellschaftssälen an Ihre Treulosigkeit gemahnt werden! Aber mir –, wenn ich in meinem einsamen Landhause schmachte, von meinem Mann verstoßen, von meiner Familie verachtet, der Spott Frankreichs, fern von allem, was dem Leben Reiz verlieh, fern von dem Mann, um dessen Liebe ich alles geopfert habe – mir wird das eine sehr freundliche Erinnerung sein, das können Sie glauben!«
In des Königs Augen sprühte jetzt ein Zornfunke auf, wie in dem ihren, dennoch bemühte er sich aufs äußerste, sein Temperament zu zügeln. Wenn eine derartige Angelegenheit zwischen dem stolzesten Mann und der hochmütigsten Frau Frankreichs besprochen wurde, so mußte einer von beiden etwas nachgeben. Er fühlte, daß dies seine Sache sei, aber es kam seiner herrischen Natur sauer an.
»Sie gewinnen nichts dabei, gnädige Frau,« sagte er, »wenn Sie Ausdrücke brauchen, die weder für Ihre Zunge, noch für meine Ohren passen. Sie werden mir Gerechtigkeit widerfahren lassen und zugestehen, daß ich befehlen könnte, wo ich bitte, daß ich Sie wie eine Freundin zu überzeugen suche, statt Ihnen als einer Unterthanin zu gebieten.«
»O, Sie erzeigen mir zu viel Gnade, Sire! Unsre zwanzigjährigen Beziehungen genügen kaum, um solche Rücksicht Ihrerseits zu erklären. Ich müßte eigentlich dankbar sein, daß Sie nicht die Bogenschützen der Leibwache auf mich hetzen, oder mich von einer Abteilung Ihrer Musketiere aus dem Palast schleppen lassen! Sire, wie kann ich Ihnen für diese Langmut danken!«
Sie machte ihm einen tiefen Knix; ein bitteres Hohnlächeln verzerrte ihr Gesicht.
»Ihre Worte sind bitter, Marquise.«
»Mein Herz ist bitter, Sire.«
»Nicht doch, Françoise, seien Sie doch vernünftig, ich bitte Sie. Wir beide haben unsre Jugend hinter uns.«
»Die Anspielung auf mein Alter klingt sehr anmutig von Ihren Lippen.«
»Sie verdrehen meine Worte. Dann werde ich nichts weiter sagen. Sie sehen mich vielleicht nie wieder, Marquise. Haben Sie mich nichts mehr zu fragen, ehe ich gehe?«
»Großer Gott,« rief sie, »das soll ein Mann sein? Er soll ein Herz haben? Sind das die Lippen, die mir so oft gesagt, daß er mich liebe? Sind das die Augen, die so zärtlich in die meinen schauten? Können Sie wirklich eine Frau, deren Leben Ihnen gehört hat, von sich stoßen, wie Sie den Palast von St. Germain verließen, als ein prächtigerer für Sie bereit stand? Und dies also ist das Ende aller Gelübde, aller süßen Liebesworte, Beteuerungen, Schwüre – dies!«
»Nicht doch, Marquise, das ist für uns beide schmerzlich!«
»Schmerzlich! In Ihrem Gesicht sehe ich keinen Schmerz. Zorn sehe ich darin, weil ich es wage, die Wahrheit zu sagen, und Freude, weil Sie fühlen, daß Ihre niedrige Absicht erreicht ist. Aber Schmerz sehe ich nicht! Wenn ich nur erst fort bin, dann ist der Weg geebnet, – nicht wahr? Sie können dann wieder zu Ihrer Gouvernante gehen –«
»Gnädige Frau!«
»Ja, ja, mich können Sie nicht einschüchtern! Was mache ich mir aus allem, was Sie mir noch thun können? Aber ich weiß alles. Denken Sie nicht, daß ich blind bin! Und Sie haben sie wirklich heiraten wollen! Sie, der Nachkomme Ludwigs des Heiligen, die Witwe Scarron, das Aschenbrödel, das ich aus Barmherzigkeit in meinen Haushalt aufnahm! Ha! ha! wie Ihre Höflinge lächeln, wie die Dichterlinge Reime schmieden und die Witzlinge zischeln werden! Sie hören natürlich nichts von alledem, aber Ihren Freunden ist es denn doch peinlich!«
»Meine Geduld ist zu Ende,« rief der König wütend. »Ich verlasse Sie jetzt, Marquise, und auf immer.«
Aber in ihrer Wut vergaß sie jetzt jede Furcht und Vorsicht. Sie stellte sich zwischen ihn und die Thür; ihr Gesicht glühte, ihre Augen flammten. Den Kopf neigte sie etwas vorwärts, und ihr kleiner weißer Atlasschuh klopfte auf den Teppich.
»Sie haben Eile, Sire? Sie erwartet Sie natürlich.«
»Lassen Sie mich vorbei, Marquise.«
»Es war wohl eine rechte Enttäuschung, diese Nacht – nicht wahr? Und welch ein Schlag für die Gouvernante! Kein Erzbischof! Keine Trauung! Der ganze nette Plan vereitelt! Grausam! Nicht wahr?«
Ludwig blickte verwirrt auf das wutzitternde, schöne Gesicht, und es fuhr ihm plötzlich durch den Sinn, daß der Schmerz sie vielleicht um den Verstand gebracht habe. Was konnten sonst diese verworrenen Reden vom Erzbischof und von der Enttäuschung bedeuten? Einer so tief Betrübten streng zu begegnen, war seiner unwürdig. Er mußte sie beruhigen und vor allem suchen, von ihr wegzukommen.
»Sie haben einen großen Teil meiner Familienjuwelen in Verwahrung,« sagte er. »Ich bitte Sie, dieselben auch ferner behalten zu wollen, als ein geringes Zeichen meiner Freundschaft.«
Er hatte gehofft, sie zu erfreuen und zu beruhigen, aber im Augenblick stand sie vor ihrem Schmuckschrank und schleuderte ihm die kostbaren Geschmeide vor die Füße. Die roten, gelben und grünen Edelsteine klirrten und klapperten, rollten und sprangen über den Fußboden und schlugen gegen die eichenen Panele am Fuß der Wände.
»Mag doch die Gouvernante sie nehmen, wenn der Erzbischof einmal kommt!« schrie sie.
Immer fester wurde seine Überzeugung, daß sie den Verstand verloren hatte. Da kam ihm ein Einfall, wodurch es ihm vielleicht gelingen möchte, an die weicheren, weiblichen Seiten ihrer Natur zu appellieren. Schnell schritt er nach der Thür, öffnete sie halb und gab einen geflüsterten Befehl. Gleich darauf trat ein Knabe, dessen Haar in langen goldenen Wellen über sein schwarzes Sammetwams fiel, in das Zimmer. Es war ihr jüngster Sohn, der Graf von Toulouse.
»Ich dachte mir,« sagte Ludwig, »Sie würden ihm gern Lebewohl sagen.«
Sie sah ihn starr mit großen Augen an, als habe sie den Sinn dieser Worte nicht begriffen. Dann überwältigte sie plötzlich die Erkenntnis, daß sie nicht nur von ihrem Geliebten, sondern auch von ihren Kindern getrennt werden sollte, daß jenes andere Weib sie sehen und sprechen und ihre Liebe gewinnen würde, während sie weit fort war. Alles Böse und Bittere in ihrer Natur gewann plötzlich die Oberhand in ihr und machte sie momentan zu dem, wofür der König sie hielt. Durfte sie ihren Sohn nicht haben, so sollte er auch niemand sonst angehören! Unter den zerstreuten Schätzen fiel ihr ein juwelenbesetztes Messer ins Auge. Sie ergriff es und stürzte auf den eingeschüchterten Knaben zu. Ludwig stieß einen Schrei aus und eilte ihm zu Hilfe; aber jemand anders war schneller gewesen als er.
Durch die offene Thür war eine Frauengestalt geglitten und hatte den erhobenen Arm gepackt. Ein kurzes Ringen folgte; zwei königliche Gestalten schwankten hin und her, und das Messer fiel zwischen ihnen zu Boden. Der entsetzte Ludwig hob es auf, ergriff seinen kleinen Sohn bei der Hand und stürzte mit ihm aus dem Zimmer. Françoise von Montespan wankte rückwärts nach der Ottomane, denn sich gegenüber erblickte sie das ernsthafte Gesicht, die klaren festen Augen jener andern Françoise, deren Anwesenheit einen Schatten auf jeden Wendepunkt ihres Lebens warf.
»Ich habe Sie vor einer That bewahrt, gnädige Frau, die Sie zuerst und am bittersten beklagt haben würden.«
»Mich bewahrt? Sie – Sie haben mich dazu getrieben!«
Die gestürzte Favoritin stützte sich auf die hohe Lehne der Ottomane, die verschlungenen Hände hinter sich in die Sammetkissen gedrückt. Ihre Lider verdeckten halb die funkelnden Augen, und zwischen den Lippen blitzten die weißen Zähne hervor. Dies war die wahre Françoise von Montespan, ein tigerartiges Geschöpf, das sich zum Sprung zusammenkauert, sehr verschieden von der unterwürfigen, weichen Françoise, die den König so oft durch ihre süßen Worte wieder umstrickt hatte. Frau von Maintenons Hand war bei dem Kampfe verletzt worden. Blut troff von ihren Fingerspitzen hernieder, aber sie achtete des nicht. Der sichere Blick ihrer grauen Augen haftete fest auf ihrer einstigen Nebenbuhlerin, wie man ein launisches, heimtückisches Tier fixiert, das man vermöge stärkerer Willenskraft bändigt.
»Ja, Sie – Sie allein haben mich dazu getrieben,« fuhr die Montespan fort, »Sie, die ich aufnahm, als Sie kaum eine Brotkruste und einen Schluck sauren Weines erschwingen konnten. Was besaßen Sie? Nichts – nichts außer einem Namen, der der Lächerlichkeit verfallen war. Und was gab ich Ihnen? Alles! Sie wissen, daß ich Ihnen alles gab – Geld, Stellung, Zutritt bei Hofe. Alles erhielten Sie durch mich, und nun verhöhnen Sie mich!«
»Ich verhöhne Sie nicht, gnädige Frau! Ich bemitleide Sie aus tiefstem Herzen.«
»Mitleid? Ha! ha! Eine Mortemart wird von der Witwe Scarron bemitleidet! Lassen Sie Ihr Mitleid den Weg Ihrer Dankbarkeit und Ihres Rufes gehen. Dann wird es uns nicht weiter belästigen!«
»Ihre Worte kränken mich nicht –«
»Ich glaube gern, daß Sie nicht zartfühlend sind!«
»Nicht, wenn ich ein gutes Gewissen habe.«
»So! Es hat Sie also nicht gequält?«
»Nicht um dieser Sache willen.«
»Herr Gott! Wie entsetzlich müssen dann die andern Sachen gewesen sein!«
»Nie habe ich auch nur einen bösen Gedanken gegen Sie gehegt.«
»Keinen gegen mich? O Weib, Weib!«
»Was habe ich denn gethan? Der König kam auf mein Zimmer, dem Unterricht der Kinder beizuwohnen. Er blieb, er sprach mit mir. Er wollte meine Meinung über dies und jenes hören. Durfte ich schweigen, oder etwas anderes sagen, als ich meinte?«
»Sie haben ihn mir abwendig gemacht!«
»Ich wäre in der That stolz, wenn ich glauben dürfte, ihn der Tugend zugewendet zu haben.«
»Wie gut klingt das Wort aus Ihrem Munde!«
»Wenn es doch auch aus dem Ihrigen klingen möchte!«
»So haben Sie also – tugendhafteste aller Witwen, nach Ihrem eignen Geständnis mir das Herz des Königs gestohlen?«
»Ich bin Ihnen stets dankbar und freundlich gesinnt gewesen. Sie sind, wie Sie es mir oft vorgehalten haben, meine Wohlthäterin gewesen. Es war nicht nötig, mich daran zu erinnern, denn ich habe es keinen Augenblick vergessen. Dennoch will ich Ihnen nicht verhehlen, daß ich, wenn der König mich über meine Ansicht gefragt hat, die Sünde – Sünde genannt habe, ihm auch gesagt, er würde ein besserer Mann sein, wenn er die schuldvollen Bande löste, welche ihn fesselten.«
»Oder sie mit andern vertauschte.«
»Mit denen der Pflicht.«
»Pah! Ihre Heuchelei widert mich an! Wenn Sie vorgeben, eine Nonne zu sein, warum sind Sie nicht da, wo die Nonnen hingehören? Sie möchten das beste in dieser sowohl wie in jener Welt an sich reißen – nicht wahr? Alles haben, was das Hofleben bietet, und dabei das Klosterwesen nachäffen! Vor mir brauchen Sie das aber nicht. Ich kenne Sie, wie Sie selbst im innersten Herzen sich kennen. Ich war aufrichtig. Was ich that, that ich vor aller Welt. Sie verstecken sich hinter Ihren Priestern und Beichtvätern, Ihren Betschemeln und Meßbüchern, – denken Sie, ich ließe mich dadurch anführen, wie die andern?«
Die grauen Augen ihrer Gegnerin funkelten zum erstenmale. Sie machte eine schnelle Bewegung und hob die Hand wie zur Abwehr.
»Sie mögen von mir sagen, was Sie wollen,« sagte sie. »Das berührt mich nicht mehr, als das sinnlose Geplapper des Papageis in Ihrem Vorzimmer. Aber rühren Sie nicht an heilige Dinge. Ach, wenn Sie doch Ihre Gedanken selbst zu solchen Dingen erheben könnten, – wenn Sie in sich hineinschauen und einsehen möchten, ehe es zu spät ist, wie entwürdigend und entehrend das Leben ist, das Sie geführt haben! Was hätten Sie nicht alles thun können! Seine Seele war in Ihren Händen, wie Thon in denen des Töpfers. Wenn Sie ihn emporgelenkt hätten in höhere Bahnen, wenn Sie alles Edle und Gute, was in ihm schlummerte, zur Entwicklung gebracht hätten – Ihr Name würde geliebt und gesegnet werden in Schloß und Hütte! Aber nein! Sie zogen ihn herab, Sie vergeudeten seine Jugend, Sie entfremdeten ihn seiner Gemahlin, Sie befleckten seine Mannesehre. Ein Verbrechen bei einem so Hochgestellten erzeugt tausende bei andern, denen er zum Vorbild dient. Und für alle, alle fällt die Verantwortung auf Sie! Lassen Sie sich warnen, gnädige Frau, o lassen Sie sich warnen, ehe es zu spät ist! Trotz Ihrer Schönheit können Ihnen wie mir nur noch wenige kurze Lebensjahre bemessen sein. Dann aber, wenn dies braune Haar weiß geworden, diese rosigen Wangen eingesunken, diese glänzenden Augen erloschen sind, dann gnade Gott der sündenbefleckten Seele Françoises von Montespan.«
Einen Augenblick neigte ihre Rivalin das Haupt vor den feierlichen Worten und den ausdrucksvollen Augen. Einen Augenblick schwieg sie, zum erstenmal in ihrem ganzen Leben eingeschüchtert; bald aber gewann ihr höhnischer, trotziger Geist wieder die Oberhand, sie blickte auf und verzog verächtlich die Lippe.
»Ich bin bereits mit einem Beichtvater versehen; ich danke,« sagte sie. »Es ist wirklich verlorene Mühe, mir Sand in die Augen streuen zu wollen. Ich kenne Sie, und kenne Sie gut.«
»Im Gegenteil, Sie scheinen weniger zu wissen, als ich annahm. Wenn Sie mich denn so gut kennen, – bitte, wer bin ich?«
Aller Haß, alle Bitterkeit ihrer Gegnerin klang aus deren Antwort:
»Sie sind,« sagte sie, »die Gouvernante meiner Kinder und die heimliche Maitresse des Königs.«
»Sie irren sich,« antwortete Frau von Maintenon gelassen. »Ich war die Gouvernante Ihrer Kinder und bin die Gemahlin des Königs.«