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45. Kapitel – Die letzten Kämpfe

Die Zeitschrift »Plain English« leitete ich sechzehn Monate, und dann wurde sie mir genommen, und zwar durch eine niederträchtige Intrige, die der Intelligenz derjenigen, die sie anzettelten, sehr wenig zur Ehre gereichte. Diese Leute waren so unklug, sich einzubilden, daß die Zeitschrift »Plain English«, die meine Schöpfung war, viele Artikel von mir enthielt und sorgfältig von mir beaufsichtigt wurde, von einem anderen Herausgeber erfolgreicher geleitet werden könne. »›Plain English‹ ist eine gute Zeitschrift,« sagten diese Leute, »aber wir möchten lieber einen anderen Redakteur haben.« Ebensogut hätten sie sagen können: »Wir mögen Lord Alfred Douglas' Gedichte sehr, aber es wäre uns lieber, wenn sie von jemand anders geschrieben wären.«

Bald darauf gab ich eine eigene Zeitschrift »Plain Speech« heraus, die mehrere Monate allein von Beiträgen aus dem Publikum existierte. Als man mich zwang, die Leitung von »Plain English« niederzulegen, brachte ich eine Nummer von »Plain Speech« heraus, in welcher ich um Beiträge bat und erklärte, daß die erste Nummer die letzte sein würde, wenn ich keine Unterstützung erhielte. Ich nahm meinen Hilfsredakteur mit, der mir bei »Plain English« so gute Dienste geleistet hatte, und auch alle die besten Mitarbeiter. Außerdem gingen sofort sehr viele der Abonnenten von »Plain English« in mein Lager über. Am Schluß des ersten Vierteljahrs erreichte die Abonnentenzahl meiner neuen Zeitschrift fast zweitausend. Das Geld floß mir unerwartet reichlich zu. Auf meine erste Bitte bekam ich ungefähr dreihundertfünfzig Pfund. Ein Mr. Ernest Brown, ein patriotischer Kaufmann in der City, gab mir von Anfang an, bis ich gezwungen wurde, die Zeitschrift eingehen zu lassen, fünfzig Pfund wöchentlich zu ihrer Erhaltung. Sie kostete mich fünfundsiebzig Pfund die Woche, aber die fehlenden fünfundzwanzig Pfund bekam ich leicht zusammen.

Daß ich zum Schluß die Zeitschrift aufgeben mußte, lag einzig und allein an meiner schlechten Gesundheit. Ich bekam einen sehr schweren Anfall von Influenza, an dem ich fast starb, und war nachher viele Monate vollkommen arbeitsunfähig. Diese Krankheit befiel mich, als ich schon von dem aufreibenden Kampf, den die Herausgabe von Zeitschriften wie »Plain English« und »Plain Speech« kostete, ganz zermürbt war. Außerdem fanden damals die Verhandlungen in meinem Prozeß gegen die »Evening News« statt, die die falsche Nachricht von meinem Tod veröffentlichten und die Gelegenheit benutzt hatten, um einen Nachruf in Form eines unerhörten verleumderischen Artikels über mich zu bringen. Die Nachricht meines Todes war auf großen Plakaten in ganz London verbreitet, so daß mir das eigentümliche Erlebnis zuteil wurde, meine eigene Todesnachricht zu lesen und die Zeitung, die sie brachte, zu kaufen. Die Verhandlung in der Klage gegen die »Evening News« fand kurz, ehe ich »Plain Speech« auflösen mußte, statt. Ich konnte mich noch während der zwei Tage, die der Prozeß dauerte, aufrechterhalten, und dann brach ich einige Tage nach der Urteilsverkündung zusammen und war mehrere Wochen sehr schwer krank.

Meine Frau half mir, diesen Prozeß gewinnen, indem sie mich nach dem Gericht begleitete und während der ganzen Verhandlung neben mir saß. Die moralische Unterstützung ihrer Anwesenheit trug sehr viel dazu bei, die Angriffe gegen mich, die sich auf meine Beziehungen zu ihrem Vater stützten, zu entkräften. Dieser Streit zwischen meinem Schwiegervater und mir bildete einen der Hauptpunkte des Plädoyers von Sir Douglas Hogg, der die »Evening News« verteidigte. Doch der Umstand, daß meine Frau im Notfall die Richtigkeit meiner Behauptungen über das Benehmen ihres Vaters mir gegenüber bestätigen konnte, verlieh meinen Antworten bei der Vernehmung Bedeutung.

Bei Beginn der Verhandlung war Richter Horridge mir entschieden feindselig gestimmt. Mein Verteidiger, Mr. Comyns Carr, machte leider den Fehler, der beinahe verhängnisvoll geworden wäre, mich nicht gleich nach seiner Eröffnungsrede zu vernehmen. In England können die Parteien als Zeugen auftreten. Anm. d. Übers. Ich hatte ihm vorher wiederholt gesagt, daß ich den Prozeß niemals gewinnen könnte, wenn ich nicht verhört werden würde, aber er und Mr. Bell zusammen überredeten mich, allerdings sehr contre cœur, ihm zu erlauben, den Prozeß auf seine Weise zu führen. Die Folge davon war, daß Hogg eine verheerende Rede gegen mich halten konnte, in der er mich den Geschworenen in den schwärzesten Farben malte und alle meine gestohlenen Briefe an Wilde verlas, während ich stumm dasitzen mußte, ohne mich verteidigen zu können.

Als ich es nicht länger ertragen konnte, sagte ich Carr, daß wir ebensogut die Klage gleich zurückziehen könnten, wenn ich nicht vernommen würde. Inzwischen hatte er auch eingesehen, welchen furchtbaren Fehler er gemacht hatte, und er bat den Richter, mir zu erlauben, meine Aussage zu machen, weil ich das bisher Gesagte widerlegen könnte. Hogg war natürlich sehr dagegen. Der Richter zögerte, und ich saß auf Kohlen, aber schließlich meinte er: »Ich brauche es zwar nicht zu gestatten, aber da die Geschworenen ihn vielleicht hören möchten, will ich es erlauben.« Ich war gerettet. Wenn er es nicht gestattet hätte, wäre ich für immer erledigt gewesen, denn wenn ich diesen Prozeß verloren hätte (und die meisten Leute dachten, ich würde ihn bestimmt verlieren), hätte ich es nicht überlebt.

Sobald Carr mich vernommen hatte und Hogg sein Kreuzverhör mit mir begann, gelang es mir, einige sehr nützliche und kräftige Bemerkungen über George Lewis einzuflechten. Der Richter sagte hierauf zu Hogg: »Ich glaube in Ihrem Sinne zu handeln, wenn ich diesen Zeugen nicht unterbreche.« Was in anderen Worten hieß: »Er schneidet sich ins eigene Fleisch, aber was geht mich das an?« Ich beachtete ihn nicht, und bald darauf begann eine kleine, noch kaum wahrnehmbare Wendung zu meinen Gunsten einzutreten. Am Abend, als die Verhandlung vertagt wurde, merkte ich schon, daß ich Eindruck auf die Geschworenen gemacht hatte, und selbst der Richter hatte angefangen, die Ohren zu spitzen.

Als ich den Saal verließ, flüsterte mir Carr verzweifelt zu: »Um Himmels willen, seien Sie vorsichtig!« »Machen Sie sich keine Sorgen,« sagte ich, »ich habe schon die Geschworenen auf meiner Seite, und den Richter habe ich auch bereits halb herumgekriegt.«

Die Vernehmung dauerte den ganzen folgenden Tag. Als sie zur Hälfte beendet war, hatte ich den Richter fast gewonnen, während ich die Geschworenen schon in der ersten halben Stunde auf meiner Seite hatte. Danach unterstützte mich Richter Horridge, soviel er konnte. Bei einer Gelegenheit versuchte er, Hogg in die Rede zu fallen, als dieser mir eine sehr peinliche Frage stellte, aber ehe er dazu kam, hatte ich Hogg schon eine verheerende Antwort gegeben. »Also Sie haben Ihre Antwort«, sagte der Richter mit einem Lächeln zu Hogg.

Hogg beging einen großen Fehler, als er eine Anspielung auf mein Buch »Oscar Wilde und Ich« machte. Im selben Augenblick wurde das Buch hervorgeholt, und ich wurde aufgefordert, den Geschworenen eine beliebige Stelle vorzulesen. »Sie haben es aufs Tapet gebracht«, sagte der Richter zu dem verlegenen und ärgerlichen Hogg. Ich las mehrere Stellen mit vernichtender Wirkung für die Gegenpartei vor. Die Frage eines Datums wurde erörtert, und ich sagte: »Ich kann Ihnen nicht das genaue Datum angeben, aber wenn Sie in ›Eve and the Serpent‹ nachschlagen, werden wir es gleich feststellen können.« Sofort war der Richter dabei. »Was ist ›Eve and the Serpent‹?« fragte er. Ich sagte ihm, daß es ein Gedicht von mir sei. Hogg holte es hervor und beschrieb es als einen »schändlichen und unverschämten Angriff auf einen der Richter des Vormundschaftsgerichts«. Inzwischen las der Richter mit augenscheinlichem Vergnügen darin. Ich versuchte, die Wirkung abzuschwächen, indem ich sagte: »Richter Eve war nicht damit gemeint, es war nur ein Spottgedicht auf das Vormundschaftsgericht, und ich benutzte die Tatsache, daß einer der Richter so hieß.« »Na, na, Lord Alfred,« entgegnete der Richter, »seien Sie nicht so ungerecht gegen sich. Sie wissen ganz genau, daß Sie Richter Eve damit meinten.« »Nun, das mag sein«, gab ich nicht ungern zu.

Dann folgte die Schlußrede, die ganz zu meinen Gunsten ausfiel. Dem auf tausend Pfund Schadenersatz lautenden Urteil fügten die Geschworenen die Worte hinzu, daß sie der Meinung seien, meine gestohlenen Briefe müßten entweder zurückerstattet oder vernichtet werden. Dann folgte das unvermeidliche Berufungeinlegen. Der Richter war der Meinung, daß kein Grund zur Berufung vorläge, aber er gestattete, daß der Antrag gestellt wurde, fügte jedoch hinzu, daß dies nur unter der Bedingung geschehen könne, daß der Schadenersatz am nächsten Tag beim Gericht deponiert würde.

Ich schüttelte Carr die Hand und dankte ihm für seine Dienste, aber er sagte bescheiden: »Ich habe nichts dazu getan. Sie haben Ihren Prozeß allein gewonnen.« Die Zeitungen hatten natürlich alle Einzelheiten, die zu meinen Gunsten sprachen, aus ihren Berichten fortgelassen, doch selbst die Ungerechtigkeit der Presse konnte meinen Triumph nicht schmälern. Die Berufung wurde abgewiesen, und ich erhielt meine tausend Pfund. Die »Evening News« mußten natürlich die Kosten bezahlen, die eine ganz stattliche Höhe erreicht haben müssen. Sie machten ihrem Ärger Luft, indem sie Machen, den Verfasser des Nachrufs, entließen.

Ich möchte noch bemerken, daß ich Doktor Byres Muir, meinem Hausarzt, dem kürzlich verstorbenen Monsignore Bickerstaffe und dem katholischen Bischof von Clifton, die alle freiwillig erschienen waren, um für mich Zeugnis abzulegen, zu Dank verpflichtet bin. Zweifellos machten ihre Aussagen einen großen Eindruck auf die Geschworenen. Auch hatte ich dank der Freundlichkeit der Schwester Mary Vincent vom Kloster der Barmherzigkeit in Hull nicht nur die Gebete ihrer Schwesternschaft für mich, sondern auch die der zweitausend Schulkinder, die schon mehrere Wochen vor Beginn des Prozesses und während der ganzen Verhandlung täglich meiner gedachten.


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