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Vorwort

Mit der hier vorgelegten Apologie seines Lebens dürfte der Lord Alfred Douglas das letzte, bislang noch fehlende Glied in jene Kette gefügt haben, die man Oscar Wildes Leben in Legende und Wirklichkeit nennen könnte. Es ist der reale Dorian Gray gleichsam, der die letzten Schleier von einer sehr merkwürdigen und schicksalhaften Freundschaft fallen läßt.

Durch besondere Umstände, die ihn etwas spät über die von Wilde erhobenen Beschuldigungen informierten, kam Lord Douglas erst nach Jahren dazu, diese Vorwürfe zu widerlegen. Man versteht, daß es einem schottischen Edelmann, dessen Ahne bei Culloden gefallen ist und der als letzter seines Stammes dem letzten Stuart, Ruprecht von Bayern, seine Ergebenheit samt Gut und Blut darbringt, auf die überaus empfindlichen Nerven fallen mag, als einer dazustehen, der den armen Wilde in seiner Not ausgenützt oder verlassen hätte. Man versteht, daß er sich in die katholische Kirche begibt, um durch den mächtigen Schalltrichter, den sie bietet, die eigne schwache Stimme zu verstärken, die voll Abscheu und Reue von jener Sünde spricht und auch immer ein bißchen davon, Opfer gewesen zu sein, Verführter und nicht Verführer. Man versteht auch, daß er und warum er schottischer Jakobit wurde. Man versteht es – bis zum Erbarmen mit diesem gehetzten Manne, auf dessen strahlende Schönheit, als er zwanzig Jahre zählte, ein so fatales Licht fiel, und der von da ab bis heute, wo er fast sechzig alt ist, in einem trüben Dunkel lebte wie in einem Gefängnis ohne Mauern, aber doch in einem Gefängnis. Zuweilen öffnet sich die Luke für einen Augenblick Licht, aber gleich wieder schließt sie sich: er erbt ein kleines Vermögen, verliert es; er gründet einen Rennstall, verliert ihn; er heiratet, wird geschieden; hat einen Sohn, er wird ihm weggenommen; er gründet eine literarische Zeitschrift, verliert sie; er kämpft ein Dutzend Prozesse, aber auch wenn er sie gewinnt, hat er sie nicht gewonnen; er wird katholisch, so gut er es vermag, aber muß am Ende sagen, daß seine Frömmigkeit immer schwächer wird.

Und immer größer sein Stolz darauf, wie schön er noch mit vierzig war, und daß die Schönheit seiner Gedichte in englischer Sprache kaum übertroffen werde. Wie selbst seine Feinde zugeben müßten, deren Urteile er als um so bedeutungsvoller widergibt, als sie ja von Menschen kämen, die ihm durchaus nicht wohl wollten. Diese Flucht und Zuflucht in die alle Nichtigkeiten des Tages und Schicksals überdauernde Ewigkeit eines makellosen Werkes, um dessentwillen sich alles rechtfertigt, was man gelebt hat, um des einzigen Trostes willen, das dieses Werk einem Manne gewährt, der nahe dem Ende seines Lebens nur vor Trümmern steht, wird man geneigt sein, an jenem Werke nicht zu kritteln, und ihm den Wert geben, den ihm der Dichter gibt.

Man hat Swinburnes Gedichte »artificial« genannt. Und so auch die Oscar Wildes, die, nur alles was man da sagen kann, wenig eigentümlich waren. Man meint auch des Lord Douglas Gedichte mit diesem Worte »artificial« in solchen minderen Rang zu schieben, eben weil sie das auszeichnet, was man im Technischen formale Vollendung nennt. Aber gibt nicht eben diese artifizielle Vollendung jedem Werke der Literatur die Dauer?

Man wird in Lord Douglas' Erinnerungen wahrnehmen, daß er Schöpfer einiger sehr schöner Gedichte war. Nicht immer dort, wo er es mit einer fast kindlichen Eitelkeit feststellt. Aber im tieferen Grunde, wo ihn die Erinnyen seines Lebens jagen, wenn er sich ihnen stellt oder wenn er, häufiger, vor ihnen flieht in diesem mystischen Dunkel seines Daseins, das zuweilen ein fahles Zwielicht erhellt, in dem Douglas dann einen Schatten an die Wand wirft wie die bizarre Karikatur seines Freundes von einst: Oscar Wilde.

Als ein Bild davon, wie um die Jahrhundertwende die englische Gesellschaft lebte, dachte, handelte, werden diese Erinnerungen des Lord Douglas ihre am meisten befriedigten Leser finden.

Wer sie mit einiger Aufmerksamkeit liest, wird deren zeitweilige Dissonanz mit dem Gedanken sich erträglich machen müssen, daß hier nicht ein leichtsinniger Mensch sich rechtfertigt oder zu bereuen vorgibt und sich mit den Erbärmlichkeiten des Tages herumschlägt, um sich sozial zu rehabilitieren, sondern daß der Dichter von einem Band sehr schöner Gedichte sich dagegen wehrt, nichts als die Episodenfigur eines Skandals gewesen zu sein und darüber mit dem vergessen zu werden, was sein Unsterbliches ist – nicht die zu Gott gerettete Seele, sondern ihre Emanationen, die Gedichte. Aus Schutt und Trümmern eines Lebens reckt sich ein Arm, eine Hand hoch, in der etwas leuchtet wie ein köstliches Geschmeide, das verschenkt sein will: man soll um dieser Gabe willen sich nicht scheuen vor dem, der sie reicht.

Franz Blei


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