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Als Lambert damals den Brief gestohlen hatte, war er unverzüglich mit Wersilow in Verbindung getreten. Darüber, wie Wersilow mit einem Lambert hatte gemeinsame Sache machen können, will ich vorläufig nicht reden, davon später; das war vor allem ein Werk des »Doppelgängers«! Nachdem aber Lambert sich mit Wersilow ins Einvernehmen gesetzt hatte, entstand für ihn die Aufgabe, auf möglichst schlaue Weise Katerina Nikolajewna zu einer Zusammenkunft zu locken. Wersilow versicherte ihm auf das bestimmteste, daß sie nicht kommen würde. Aber Lambert hatte schon seit der Zeit, wo ich damals, vor zwei Tagen am Abend, ihm auf der Straße begegnet war und ihm prahlerisch erklärt hatte, ich würde ihr den Brief in Tatjana Pawlownas Wohnung und in Tatjana Pawlownas Gegenwart zurückgeben – Lambert hatte gleich von diesem Augenblick an eine Spionage eingerichtet, um über alles, was in Tatjana Pawlownas Wohnung vorging, orientiert zu sein; nämlich er hatte Marja bestochen. Er hatte ihr zwanzig Rubel geschenkt, sie am folgenden Tag, nachdem er den Diebstahl des Schriftstücks ausgeführt hatte, zum zweitenmal besucht, endgültig alles mit ihr verabredet und ihr für den zu leistenden Dienst zweihundert Rubel versprochen.
Dies war der Grund, weshalb Marja, als sie kurz vorher gehört hatte, daß Katerina Nikolajewna um halb zwölf zu Tatjana Pawlowna kommen und auch ich anwesend sein würde, sogleich aus dem Hause gelaufen und in einer Droschke eilends mit dieser Nachricht zu Lambert gefahren war. Gerade das war es, was sie Lambert hatte mitteilen sollen – darin bestand der Dienst, den er von ihr verlangt hatte. Und nun hatte es sich zufällig getroffen, daß in diesem Augenblick sich auch Wersilow bei Lambert befand. Und da hatte Wersilow im Nu diesen teuflischen Operationsplan ersonnen. Man sagt ja, daß Irrsinnige in manchen Augenblicken außerordentlich schlau sind.
Der Operationsplan bestand darin, uns beide, Tatjana Pawlowna und mich, vor Katerina Nikolajewnas Ankunft um jeden Preis, wenn auch nur für eine Viertelstunde, aus der Wohnung zu locken. Sie selbst wollten auf der Straße warten und, sowie Tatjana Pawlowna und ich aus dem Hause waren, nach der Wohnung hinauflaufen, die ihnen Marja öffnen sollte, und auf Katerina Nikolajewna warten. Alfonsinka aber hatte die Aufgabe, uns unterdessen mit allen Mitteln aufzuhalten, wo und wie sie wollte. Katerina Nikolajewna aber mußte, wie sie versprochen hatte, um halb zwölf ankommen – also jedenfalls lange vor der Zeit, wo wir zurück sein konnten. (Selbstverständlich hatte Katerina Nikolajewna überhaupt keine Einladung von Lambert erhalten, und Alfonsinka hatte uns angelogen; das war eben die List, die Wersilow ersonnen hatte, und Alfonsinka hatte uns die Rolle der ängstlichen Verräterin nur vorgespielt.) Natürlich war das Ganze ein gewagtes Spiel, aber sie sagten sich ganz richtig: »Gelingt es, so ist es gut; gelingt es nicht, so ist noch nichts verloren, da wir ja das Schriftstück doch noch in Händen haben.« Aber es gelang, und es konnte auch gar nicht mißlingen, da schon allein der Gedanke: ›Wenn es nun alles wahr ist!‹ uns zwingen mußte, mit Alfonsinka davonzulaufen. Ich wiederhole es noch einmal: zum Nachdenken hatten wir keine Zeit.