F. M. Dostojewskij
Der Jüngling
F. M. Dostojewskij

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II

Ich hatte es ja gewußt, daß er sich über mein Kommen ungeheuer freuen würde, und ich versichere, daß ich auch ohne die Wersilowsche Sache an diesem Tag zu ihm gegangen wäre. Es hatte mich an diesem und dem vorhergehenden Tag nur der Gedanke geängstigt, ich könnte dort am Ende mit Katerina Nikolajewna zusammentreffen; aber jetzt fürchtete ich mich vor nichts mehr.

Er umarmte mich voller Freude.

»Nun, und Wersilow! Haben Sie es schon gehört?« fing ich direkt mit der Hauptsache an.

»Cher enfant, mein lieber Freund, das ist so großartig, das ist so edel – kurz, sogar auf Kilian« (das war der Beamte unten) »hat es einen erschütternden Eindruck gemacht! Es ist ja unverständig von seiner Seite, aber eine glänzende Sache, eine große Tat! Den Idealismus muß man bewundern!«

»Nicht wahr? Nicht wahr? Darin sind wir beide, Sie und ich, immer einer Meinung gewesen.«

»Mein Lieber, wir beide sind immer einer Meinung gewesen. Wo warst du denn so lange? Ich wäre bestimmt selbst zu dir gefahren, aber ich wußte nicht, wo du zu finden warst... Denn zu Wersilow konnte ich doch nicht kommen... Jetzt allerdings, nach allem, was geschehen ist... Weißt du, mein Freund: gerade durch solche Handlungen hat er, wie mir scheint, auch die Frauen besiegt, gerade durch diesen Charakterzug, das ist unzweifelhaft...«

»Übrigens, um es nicht zu vergessen, ich habe es eigens für Sie im Kopf behalten. Gestern hat ein elender Possenreißer, als er mir ins Gesicht auf Wersilow schimpfte, über ihn gesagt, er sei ein ›Weiberprophet‹; was sagen Sie zu diesem Ausdruck? Ich habe ihn für Sie im Kopf behalten...«

»›Ein Weiberprophet‹! Mais ... c'est charmant! Haha! Aber das paßt so gut auf ihn, das heißt, es paßt durchaus nicht – pfui!... Aber es ist so treffend... das heißt, treffend ist es ganz und gar nicht, aber ...«

»Lassen Sie es gut sein, lassen Sie es gut sein; Sie brauchen nicht verlegen zu werden, betrachten Sie es lediglich als Bonmot!«

»Ein vorzügliches Bonmot, und, weißt du, es hat einen sehr tiefen Sinn... Ein durchaus richtiger Gedanke! Das heißt, wirst du es glauben... Kurz, ich will dir ein ganz kleines Geheimnis mitteilen. Hast du damals diese Olimpiada betrachtet? Kannst du es glauben, daß sie ein bißchen Herzweh um Andrej Petrowitsch hat, und zwar dermaßen, daß sie sich sogar, wie ich glaube, etwas Hoffnung macht...«

»Sie macht sich Hoffnung! Vielleicht würde ihr das hier recht sein?« rief ich empört und machte eine unanständige Handbewegung.

»Mon cher, schrei nicht so; das ist nun einmal so, und du hast am Ende von deinem Standpunkt aus recht. Übrigens, mein Freund, was war denn mit dir das vorige Mal, als Katerina Nikolajewna hier war? Du schwanktest ja ... ich dachte schon, du würdest fallen, und wollte schon zuspringen, um dich zu halten.«

»Davon ein andermal! Na, kurz, ich wurde einfach verlegen, aus einem gewissen Grund...«

»Du bist auch jetzt rot geworden.«

»Na, Sie müssen auch gleich wer weiß was daraus machen! Sie wissen doch, daß sie mit Wersilow verfeindet ist... na, und diese ganze Geschichte, na, und da geriet ich in Aufregung – ach was, lassen wir das, ein andermal!«

»Lassen wir es, lassen wir es; ich bin selbst froh, wenn ich das alles ruhen lassen kann... Kurz, ich habe ihr schweres Unrecht zugefügt und habe sogar, erinnerst du dich, damals im Gespräch mit dir auf sie gescholten... Vergiß das, mein Freund; auch sie wird ihre Meinung über dich ändern, das fühle ich mit Bestimmtheit voraus... Aber da ist ja auch Fürst Serjosha!«

Ein junger, schöner Offizier trat ins Zimmer. Ich betrachtete ihn mit lebhaftem Interesse, denn ich hatte ihn vorher noch nie gesehen. Das heißt, ich sage ›schön‹, wie das alle von ihm sagten, aber es lag in diesem jungen, schönen Gesicht etwas, was nicht gerade anziehend wirkte. Ich erwähne das als den Eindruck, den ich im allerersten Augenblick, beim ersten Blick auf ihn hatte und der mir für immer geblieben ist. Er war mager, vorzüglich gewachsen, dunkelblond und hatte einen frischen, wenn auch ein wenig gelblichen Teint und einen entschlossenen Blick. Seine schönen, dunklen Augen blickten etwas finster, selbst wenn er sich in ganz ruhiger Gemütsstimmung befand. Aber sein entschlossener Blick stieß gerade deshalb ab, weil man irgendwie das Gefühl hatte, daß diese Entschlossenheit ihn recht wenig kostete. Übrigens verstehe ich mich nicht auszudrücken ... Allerdings besaß sein Gesicht die Fähigkeit, sich auf einmal aus einem finsteren in ein erstaunlich freundliches, sanftes und zärtliches zu verwandeln, und zwar, was das wichtigste war, bei unbezweifelbarer Aufrichtigkeit der Verwandlung. Diese Aufrichtigkeit war es eben, die so anziehend wirkte. Ich möchte noch einen Charakterzug von ihm anführen: trotz aller Freundlichkeit und Aufrichtigkeit wurde dieses Gesicht nie lustig, selbst nicht, wenn der Fürst aus vollem Herzen lachte; man fühlte doch immer, daß eine echte, helle, leichte Lustigkeit nie sein Herz erfüllte... Übrigens ist es sehr schwer, eine Persönlichkeit so zu beschreiben. Ich verstehe das absolut nicht. Der alte Fürst beeilte sich nach seiner dummen Gewohnheit sofort, uns miteinander bekannt zu machen.

»Das ist mein junger Freund Arkadij Andrejewitsch« (wieder Andrejewitsch!) »Dolgorukij.«

Der junge Fürst wandte sich sofort mit doppelt liebenswürdigem Gesichtsausdruck zu mir hin, aber es war offensichtlich, daß ihm mein Name ganz unbekannt war.

»Er ist... ein Verwandter von Andrej Petrowitsch«, murmelte mein schrecklicher Fürst. (Was für Ärger einem diese alten Herren oft mit ihren Angewohnheiten machen!) Der junge Fürst erriet sogleich, wie sich die Sache verhielt.

»Ach! Ich habe schon vor längerer Zeit von Ihnen gehört ...«, sagte er schnell. »Ich hatte das außerordentliche Vergnügen, im vorigen Jahre in Luga die Bekanntschaft Ihrer Schwester Lisaweta Makarowna zu machen... Sie hat mir ebenfalls von Ihnen erzählt...«

Ich war ganz erstaunt: auf seinem Gesicht strahlte eine durchaus aufrichtige Freude.

»Erlauben Sie, Fürst«, sagte ich stockend, während ich meine beiden Hände auf den Rücken legte, »ich muß Ihnen aufrichtig sagen - und es freut mich, daß ich es Ihnen in Gegenwart unseres lieben Fürsten sagen kann -, daß ich sogar den Wunsch hatte, mit Ihnen zusammenzutreffen; und zwar hatte ich diesen Wunsch noch kürzlich, erst gestern noch, aber freilich in einer ganz anderen Absicht. Ich sage das geradeheraus, mögen Sie sich auch noch so sehr darüber wundern. Kurz, ich wollte Sie wegen der Beleidigung, die Sie vor anderthalb Jahren Wersilow in Ems zugefügt haben, zum Duell fordern. Und obwohl ich mir natürlich sagte, daß Sie meine Forderung vielleicht nicht annehmen würden, weil ich eben erst das Gymnasium verlassen habe und noch ein junger Mensch bin, so hätte ich die Forderung dennoch an Sie gerichtet, ganz gleich, wie Sie sie aufgenommen und was Sie darauf getan hätten... und ich muß gestehen, ich habe auch jetzt noch dieselbe Absicht.«


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