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Geistige Eigenschaften der Vögel und ihr Geschmack für das Schöne. – Ehe wir die Frage weiter erörtern, ob die Weibchen die anziehenderen Männchen sich auswählen oder das erste beste annehmen, das ihnen zufällig begegnet, wird es gerathen sein, kurz die geistigen Kräfte der Vögel in Betracht zu ziehen. Ihr Verstand wird allgemein und vielleicht mit Recht als gering geschildert; doch ließen sich einige Thatsachen mittheilen,Ich verdanke Prof. Newton die folgende Stelle aus Adam's Travels of a Naturalist. 1870, p. 278. Wo er von den japanesischen Spechtmeisen in der Gefangenschaft spricht, sagt er: »Anstatt der nachgiebigeren Frucht der Eibe, welche die gewöhnliche Nahrung der Spechtmeise von Japan bildet, gab ich ihr einmal harte Haselnüsse. Da der Vogel nicht im Stande war, sie zu knacken, legte er sie eine nach der andern in sein Wasserglas, offenbar in der Idee, daß sie mit der Zeit weicher werden würden. – ein interessanter Beleg für die Intelligenz dieser Vögel.« welche zu dem entgegengesetzten Schlusse führen. Ein geringes Vermögen des Nachdenkens ist indeß, wie wir es beim Menschen sehen, mit starken Affectionen, scharfer Wahrnehmung und Geschmack für das Schöne ganz gut verträglich, und mit diesen letzteren Eigenschaften haben wir es gerade hier zu thun. Es ist oft gesagt worden, daß Papageien so innig an einander hängen, daß, wenn der eine stirbt, der andere eine lange Zeit hindurch sich grämt. Mr. Jenner Weir glaubt aber, daß in Bezug auf die meisten Vögel die Stärke ihrer Zuneigung bedeutend übertrieben worden ist. Nichtsdestoweniger hat man gehört, daß, wenn einer von einem Paare im Zustande der Freiheit geschossen worden ist, der Überlebende tagelang nachher noch einen klagenden Ton ausgestoßen hat, und Mr. St. John theilt verschiedene Thatsachen mit,A Tour in Sutherlandshire. Vol. I. 1849, p. 185. Dr. Buller erzählt (Birds of New Zealand, 1872, p. 56), »daß einst ein männlicher Königs-Lory getödtet wurde; das Weibchen härmte und sehnte sich, verweigerte die Nahrung und starb an gebrochenem Herzen«. welche die Anhänglichkeit gepaarter Vögel an einander beweisen. Bennett erzählt,Wandering in New South Wales. Vol. II. 1834, p. 62. daß in China eine Mandarin-Ente, nachdem ihr wunderschöner Enterich gestohlen worden war, ganz untröstlich blieb, obschon ihr andere Enteriche, die alle ihre Reize vor ihr entfalteten, eifrig den Hof machten. Nach Verlauf von drei Wochen wurde der gestohlene Enterich wieder gefunden, und sofort erkannte sich das Paar mit ungeheurer Freude wieder. Andererseits haben wir gesehen, daß Staare dreimal im Verlaufe eines und desselben Tages über den Verlust ihres Gatten getröstet werden können. Tauben haben ein so ausgezeichnetes Ortsgedächtnis, daß sie, wie man in Erfahrung gebracht hat, zu ihren früheren Heimstätten nach einem Verlaufe von neun Monaten wieder zurückgekehrt sind; und doch höre ich von Mr. Harrison Weir, daß, wenn ein Pärchen, welches seiner Natur nach zeitlebens verbunden geblieben sein würde, während des Winters für einige Wochen getrennt und mit anderen Vögeln gepaart wird, die Beiden, wenn sie wieder zusammengebracht werden, selten, wenn überhaupt je, sich einander wiedererkennen.
Vögel zeigen zuweilen wohlwollende Gefühle; sie füttern die verlassenen Jungen selbst verschiedener Arten. Dies könnte man aber für einen Mißgriff ihres Instincts halten. Sie füttern auch, wie in einem früheren Theile dieses Buches gezeigt wurde, erwachsene Vögel ihrer eigenen Species, welche blind geworden sind. Mr. Buxton giebt eine merkwürdige Schilderung eines Papageien, welcher die Sorge um einen vom Frost getroffenen und verkrüppelten Vogel einer verschiedenen Species auf sich nahm, seine Federn reinigte und ihn gegen die Angriffe der anderen Papageien vertheidigte, welche zahlreich in seinem Garten herumschwärmten. Es ist eine noch merkwürdigere Thatsache, daß diese Vögel, wie es scheint, eine gewisse Sympathie mit den Freuden ihrer Genossen empfinden. Als ein Paar Cacadus ein Nest in einem Akazienbaum bauten, »war es förmlich lächerlich, das extravagante Interesse zu beobachten, welches die anderen Individuen derselben Species an diesem Geschäfte nahmen«. Diese Papageien zeigten auch eine unbändige Neugier und hatten offenbar »die Idee von Eigenthum und Besitz«.C. Buxton, Acclimatization of Parrots, in: Annals and Magaz. of Natur. Hist., Nov. 1868. p. 381. Sie haben auch ein gutes Gedächtnis; denn im zoologischen Garten haben sie ganz deutlich ihre früheren Herren nach Verlauf mehrerer Monate wiedererkannt.
Vögel besitzen eine scharfe Beobachtungsgabe. Ein jeder gepaarter Vogel erkennt natürlich seinen Genossen. Audubon führt an, daß von den Spottdrosseln der Vereinigten Staaten (Mimus polyglottus) eine gewisse Zahl das ganze Jahr hindurch in Louisiana bleibt, während die andern nach den östlichen Staaten auswandern. Diese Letzteren werden bei ihrer Rückkehr sofort wieder erkannt und stets von ihren südlichen Brüdern angegriffen. Vögel in der Gefangenschaft erkennen verschiedene Personen, wie durch die starke und dauernde Antipathie oder Zuneigung, welche sie ohne irgend eine scheinbare Ursache gegen gewisse Individuen zeigen, bewiesen wird. Ich habe von zahlreichen Beispielen hierfür bei Eichelhähern, Rebhühnern, Canarienvögeln und ganz besonders bei Gimpeln gehört. Mr. Hussey hat beschrieben, in welch' außerordentlicher Weise ein gezähmtes Rebhuhn Jedermann erkannte; und seine Zu- und Abneigung war sehr stark. Dieser Vogel schien »lebhafte Farben sehr gern zu haben und man konnte kein neues Kleid anziehen und keinen neuen Hut aufsetzen, ohne seine Aufmerksamkeit zu fesseln«.The Zoologist. 1847-1848, p. 1602. Mr. Hewitt hat die Lebensweise einiger Enten (directe Nachkommen noch wilder Vögel) sorgfältig beschrieben, welche bei der Annäherung eines fremden Hundes oder einer Katze sich kopfüber in's Wasser stürzten und sich in Versuchen zu entfliehen erschöpften. Sie kannten aber Mr. Hewitt's eigene Hunde und Katzen so gut, daß sie sich dicht bei ihnen niederlegten und in der Sonne wärmten. Sie zogen sich immer vor einem fremden Menschen zurück und thaten dasselbe auch vor der Dame, welche sie pflegte, so oft sie irgend eine bedeutende Veränderung in ihrem Anzuge vorgenommen hatte. Audubon berichtet, daß er einen wilden Truthahn aufzog und zähmte, welcher vor jedem fremden Hunde ausriß. Dieser Vogel entfloh in die Wälder; einige Tage später sah Audubon, wie er glaubte, einen wilden Truthahn und ließ seinen Hund ihn jagen. Aber zu seinem Erstaunen lief der Vogel nicht weg, und als der Hund an ihn herankam, griff er den Vogel nicht an, sondern sie erkannten sich beide als alte Freunde wieder.Hewitt, Über wilde Enten, in: Journal of Horticulture, Jan. 13., 1863, p. 39. Audubon, über den wilden Truthahn, in: Ornitholog. Biography. Vol. I, p. 14, über die Spottdrossel, ebenda, Vol. I, p. 110.
Mr. Jenner Weir ist überzeugt, daß Vögel den Farben anderer Vögel besondere Aufmerksamkeit zuwenden, zuweilen aus Eifersucht und zuweilen als Zeichen der Verwandtschaft. So that er einen Rohrsperling (Emberiza schoeniclus), welcher seinen schwarzen Kopf bekommen hatte, in seine Volière, und der neue Ankömmling wurde von keinem Vogel weiter beobachtet, ausgenommen von einem Gimpel, welcher gleichfalls einen schwarzen Kopf hatte. Dieser Gimpel war ein sehr ruhiger Vogel und hatte sich noch nie zuvor mit einem seiner Kameraden gezankt, mit Einschluß eines andern Rohrsperlings, welcher aber seinen schwarzen Kopf noch nicht erhalten hatte. Aber der Rohrsperling mit dem schwarzen Kopfe wurde so unbarmherzig behandelt, daß er wieder entfernt werden mußte. Spiza cyanea ist während der Paarungszeit von hellbrauner Farbe; trotzdem der Vogel gewöhnlich friedfertig ist, griff er doch eine S. ciris, welche nur einen blauen Kopf hat, heftig an und scalpierte den unglücklichen Vogel vollständig. Mr. Weir war auch gezwungen, ein Rothkehlchen zu entfernen, da es alle Vögel, die nur irgend etwas Roth in ihrem Gefieder hatten, aber keine andern Arten, wüthend angriff. Es tödtete factisch einen rothbrüstigen Kreuzschnabel und tödtete beinahe einen Stieglitz. Auf der andern Seite hat er beobachtet, daß einige Vögel, als sie zuerst in seine Volière gebracht wurden, nach den Arten hinflogen, welche ihnen am meisten in der Farbe glichen, und sich ruhig an ihrer Seite niederließen.
Da männliche Vögel mit soviel Sorgfalt ihr schönes Gefieder und andere Zierathen vor dem Weibchen entfalten, so ist es offenbar wahrscheinlich, daß diese die Schönheit ihrer Liebhaber würdigen. Es ist indessen schwierig, directe Belege ihrer Fähigkeit, Schönheit zu würdigen, zu erlangen. Wenn Vögel sich selbst in einem Spiegel anstarren, wofür viele Beweise angeführt worden sind, so sind wir nicht sicher, ob es nicht aus Eifersucht gegen einen vermeintlichen Nebenbuhler geschieht, obschon einige Beobachter dies nicht daraus folgern. In andern Fällen ist es schwierig, zwischen bloßer Neugierde und Bewunderung zu unterscheiden. Es ist vielleicht das erstere Gefühl, welches, wie Lord Lilford anführt,The Ibis. Vol. II. 1860, p. 344. den Kampfläufer so mächtig zu jedem hellen Gegenstande hinzieht, so daß er auf den jonischen Inseln »auf ein hell gefärbtes Taschentuch herabfährt, ohne Rücksicht auf wiederholt abgefeuerte Schüsse«. Die gemeine Lerche wird aus den Lüften herabgezogen und in großer Anzahl gefangen durch einen kleinen Spiegel, den man in der Sonne bewegt und glitzern läßt. Ist es Bewunderung oder Neugierde, was die Elster, den Raben und einige andere Vögel veranlaßt, glänzende Gegenstände, wie Silberzeug oder Juwelen, zu stehlen und zu verbergen?
Mr. Gould führt an, daß gewisse Colibris die Außenseite ihrer Nester »mit dem äußersten Geschmacke verzieren. Sie befestigen instinctiv schöne Stücke flacher Flechten daran, die größeren Stücke in der Mitte und die kleineren an dem mit dem Zweige verbundenen Theile. Hier und da wird eine hübsche Feder hineingeschoben oder an die äußeren Seiten befestigt, wobei der Schaft immer so gestellt wird, daß die Feder frei von der Oberfläche hervorragt«. Den besten Beweis indessen für einen Geschmack für das Schöne bieten die drei Gattungen der bereits erwähnten australischen Laubvögel dar. Ihre Lauben (s. Fig. 46), wo sich die Geschlechter vereinen und ihre fremdartigen Geberden ausführen, werden verschieden gebaut; was uns aber hier am meisten angeht, ist, daß dieselben von den verschiedenen Species in einer abweichenden Art und Weise verziert werden. Der Atlasvogel sammelt munter gefärbte Gegenstände, solche wie die blauen Schwanzfedern von Papageien, gebleichte Knochen und Muschelschalen, welche er zwischen die Zweige steckt oder an dem Eingange in die Laube anordnet. Mr. Gould fand in der einen Laube einen sehr nett gearbeiteten steinernen Tomahawk und ein Stückchen blauen Cattuns, den sich die Vögel offenbar aus einem Lager der Eingeborenen verschafft hatten. Diese Gegenstände werden beständig anders geordnet und von den Vögeln in ihrem Spiele umhergeschleppt. Die Laube des gefleckten Laubenvogels »wird schön mit langen Grashalmen ausgefüttert, welche so angeordnet werden, daß die Spitzen sich nahezu treffen, und die Verzierungen sind außerordentlich reich«. Runde Steine werden dazu benutzt, die Grasstengel an ihrem gehörigen Orte zu halten und verschiedene zu der Laube hinleitende Pfade zu bilden. Die Steine und Muscheln werden oft aus einer sehr großen Entfernung herbeigebracht. Der Prinzenvogel verziert nach der Beschreibung des Mr. Ramsay seinen kurzen Laubengang mit gebleichten Landmuscheln, welche zu fünf oder sechs Species gehören, und »mit Beeren verschiedener Farben, Blau, Roth und Schwarz, welche, wenn sie frisch sind, der Laube ein sehr nettes Aussehen geben. Außer diesen fanden sich mehrere frisch abgepflückte Blätter und junge Schößlinge von einer rosa Färbung daran, so daß das Ganze einen entschiedenen Geschmack für das Schöne bekundete. Mr. Gould dürfte mit vollem Rechte sagen, daß diese in hohem Grade verzierten Versammlungshallen als die wunderbarsten Beispiele von Vogelarchitectur betrachtet werden müssen, die bis jetzt entdeckt sind« und wie wir sehen, ist der Geschmack der verschiedenen Species gewiß verschieden.Über die verzierten Nester der Colibris s. Gould, Introduction to the Trochilidae. 1861, p. 19. Über die Laubenvögel: Gould, Handbook to the Birds of Australia. 1865. Vol. I, p. 444–461. Mr. Ramsay, in: The Ibis. 1867, p. 456.
Die Weibchen ziehen besondere Männchen vor. – Nachdem ich diese vorläufigen Bemerkungen über das Unterscheidungsvermögen und den Geschmack der Vögel gemacht habe, will ich nun alle die mir bekannten Thatsachen mittheilen, welche sich auf den Vorzug beziehen, welchen nachweisbar das Weibchen bestimmten Männchen giebt. Es ist sicher, daß sich im Naturzustande gelegentlich verschiedene Species von Vögeln paaren und Bastarde erzeugen. Hierfür ließen sich viele Beispiele anführen. So erzählt Macgillivray, wie eine männliche Amsel und eine weibliche Drossel »sich in einander verliebten« und Nachkommen erzeugten.History of British Birds. Vol. II, p. 92. Bis vor mehreren Jahren wurden achtzehn Fälle beschrieben, in denen in Groß-Britannien Bastarde zwischen dem Birkhuhn und dem Fasan vorgekommen waren.The Zoologist. 1853–54, p. 3946. Aber die meisten dieser Fälle lassen sich vielleicht dadurch erklären, daß einzelne Vögel keinen Genossen ihrer eigenen Art fanden, um sich mit ihm zu paaren. Bei anderen Vögeln glaubt Mr. Jenner Weir Grund zur Vermuthung zu haben, daß Bastarde zuweilen das Resultat eines gelegentlichen Verkehrs von Vögeln sind, welche in dichter Nachbarschaft bauen. Aber diese Bemerkungen lassen sich nicht auf die vielen angeführten Beispiele von gezähmten oder domesticierten Vögeln anwenden, welche, trotzdem sie zu verschiedenen Species gehörten und mit Individuen ihrer eigenen Species lebten, absolut vernarrt in einander waren. So erzählt Waterton,Waterton, Essays on Natural History. 2. Series, p. 42, 117. Was die folgenden Angaben betrifft, so ist zu vergleichen: über die Pfeifente Loudon's Magaz. of Natur. Hist. Vol. XI, p. 616. L. Lloyd, Scandinavian Adventures. Vol. I. 1854, p. 452. Dixon, Ornamental and Domestic Poultry, p. 137. Hewitt in: Journal of Horticulture, Jan. 13., 1863, p. 40. Bechstein, Stubenvögel. 1840, p. 230. Mr. J. Jenner Weir hat mir neuerdings einen analogen Fall von Enten zweier verschiedener Arten mitgetheilt. daß aus einer Herde von dreiundzwanzig Canada-Gänsen sich ein Weibchen mit einem einzeln lebenden Bernikel-Gänserich paarte, trotzdem dieser in der äußeren Erscheinung und der Größe so verschieden ist, und sie brachten wirklich hybride Nachkommen hervor. Man hat die Erfahrung gemacht, daß eine männliche Pfeifente (Mareca penelope), welche mit Weibchen ihrer eigenen Species lebte, sich mit einer Spießente (Querquedula acuta) paarte. Lloyd beschreibt die merkwürdige Anhänglichkeit zwischen einer männlichen Brandente (Tadorna vulpanser) und einer gemeinen Ente. Viele weitere Beispiele könnten hier noch angeführt werden. Mr. E. S. Dixon bemerkt, daß »diejenigen, welche viele verschiedene Species zusammengehalten haben, sehr wohl wissen, welche unerklärliche Verbindungen dieselben häufig eingehen und daß sie völlig ebenso gern sich mit Individuen einer Rasse oder Species paaren und Junge erziehen, welche ihrer eigenen so fremdartig wie möglich ist, wie mit ihrer eigenen Stammform«.
Mr. W. D. Fox theilt mir mit, daß er einmal gleichzeitig ein Paar chinesischer Gänse (Anser cygnoides) und einen gemeinen Gänserich mit drei Gänsen besaß. Die beiden Gruppen lebten völlig getrennt von einander, bis der chinesische Gänserich eine der gemeinen Gänse verführte, mit ihm zu leben. Außerdem waren von den aus den Eiern der gemeinen Gänse ausgebrüteten Jungen nur vier reinen Blutes. Die andern achtzehn erwiesen sich als Bastarde, so daß der chinesische Gänserich ganz überwiegende Reize verglichen mit dem gemeinen Gänserich gehabt zu haben scheint. Ich will hier nur noch einen anderen Fall anführen. Mr. Hewitt führt an, daß eine in der Gefangenschaft aufgezogene Wildente, »nachdem sie ein paar Jahre mit ihrem eigenen Enterich gebrütet hatte, sich auf einmal desselben entledigte, nachdem Mr. Hewitt eine männliche Spießente auf das Wasser gebracht hatte. Es war offenbar ein Fall »von Verliebtwerden auf den ersten Blick. Denn das Weibchen schwamm um den Ankömmling liebkosend herum, trotzdem dieser offenbar beunruhigt und von ihren Liebeseröffnungen unangenehm berührt schien. Von dieser Stunde an vergaß das Weibchen seinen alten Genossen. Der Winter zog vorüber und im nächsten Frühjahr schien die Spießente von den Schmeicheleien des Weibchens umgestimmt worden zu sein. Denn sie nisteten zusammen und brachten sieben oder acht Junge hervor.«
Was in diesen verschiedenen Fällen den Zauber gebildet haben mag, außer dem Reize der Neuheit, können wir nicht einmal vermuthen. Indeß spielt zuweilen die Farbe doch wohl eine Rolle; denn um Bastarde vom Zeisig (Fringilla spinus) und dem Canarienvogel zu ziehen, ist es der Angabe von Bechstein zufolge am besten, Vögel ein und derselben Färbung zusammenzubringen. Mr. Jenner Weir brachte einen weiblichen Canarienvogel in seine Volière, wo sich männliche Hänflinge, Stieglitze, Zeisige, Grünfinken, Buchfinken und andere Vögel befanden, um zu sehen, welchen von diesen das Weibchen sich erwählen würde. Aber dasselbe zweifelte nicht einen Augenblick, und der Grünfinke gewann den Preis; sie paarten sich und producierten hybride Nachkommen.
Was die Individuen einer und derselben Species betrifft, so erregt wohl die Thatsache, daß das Weibchen es vorzieht, sich lieber mit dem einen Männchen als mit dem andern zu paaren, nicht so leicht die Aufmerksamkeit, als wenn dies, wie wir soeben gesehen haben, zwischen verschiedenen Species eintritt. Fälle der ersten Art können am besten bei domesticierten oder in Gefangenschaft gehaltenen Vögeln beobachtet werden. Dieselben sind aber oft durch zu reichliches Futter verwöhnt und zuweilen sind ihre Instincte bis zu einem ganz außerordentlichen Grade verderbt. Von dieser letzteren Thatsache könnte ich hinreichende Belege von Tauben und besonders von Hühnern anführen; sie können aber hier nicht einzeln mitgetheilt werden. Verderbte Instincte können auch einige der Bastardverbindungen erklären, welche vorhin erwähnt wurden. Aber in vielen derartigen Fällen war den Vögeln gestattet worden, sich frei auf großen Teichen zu bewegen, und es liegt kein Grund zur Vermuthung vor, daß sie durch reichliches Futter unnatürlich erregt worden wären.
Was Vögel im Naturzustande betrifft, so ist die erste sich Jedermann aufdrängende und am meisten in die Augen springende Vermuthung die, daß das Weibchen zur gehörigen Zeit das erste Männchen, dem es zufällig begegnet, annimmt. Dasselbe hat aber wenigstens Gelegenheit eine Wahl auszuüben, da es fast unabänderlich von vielen Männchen verfolgt wird. Audubon – und wir müssen uns erinnern, daß dieser Forscher ein langes Leben hindurch in den Wäldern der Vereinigten Staaten sich herumgetummelt und die Vögel beobachtet hat – zweifelt nicht daran, daß das Weibchen sich mit Überlegung seinen Gatten wählt. So spricht er von einem Spechte und erzählt, daß das Weibchen von einem halben Dutzend munterer Liebhaber verfolgt werde, welche beständig fremdartige Geberden ausführen, »bis dem einen in einer ausgesprochenen Weise der Vorzug gegeben wird«. Das Weibchen des rothgeflügelten Staars (Agelaeus phoeniceus) wird gleichfalls von mehreren Männchen verfolgt, »bis dasselbe ermüdet sich niederläßt, die Werbungen der Männchen entgegennimmt und bald darauf eine Wahl trifft«. Er beschreibt auch, wie mehrere männliche Ziegenmelker wiederholt mit erstaunlicher Schnelligkeit durch die Luft streifen, sich plötzlich herumdrehen und dabei ein eigenthümliches Geräusch hervorbringen. »Aber sobald das Weibchen seine Wahl getroffen hat, werden die andern Männchen fortgetrieben.« Bei einer der Geierarten der Vereinigten Staaten (Cathartes aura) versammeln sich Gesellschaften von acht oder zehn oder mehr Männchen oder Weibchen auf umgestürzten Stämmen und »zeigen das stärkste Verlangen, sich gegenseitig zu gefallen« und nach vielen Liebkosungen führt jedes der Männchen seine Gattin im Fluge hinweg. Audubon beobachtete auch sorgfältig die wilden Herden der Canadagänse (Anser canadensis) und giebt eine lebendige Beschreibung ihrer Liebesgeberden. Er sagt, daß die Vögel, welche sich schon früher gepaart hatten, »ihre Bewerbung sehr zeitig und zwar schon im Monat Januar erneuerten, während die andern jeden Tag sich stundenlang stritten und coquettierten, bis alle sich mit der Wahl, welche sie getroffen hatten, befriedigt zeigten, wonach, trotzdem sie alle zusammenblieben, doch Jedermann leicht beobachten konnte, daß sie sehr ängstlich waren, sich paarweise zusammenzuhalten. Ich habe auch beobachtet, daß, je älter die Vögel waren, desto kürzer die Praeliminarien ihrer Brautwerbung waren; die Junggesellen und alten Jungfern traten, ob mit Betrübnis oder in der Absicht von der Unruhe nicht gestört zu werden, ruhig zur Seite und legten sich in einiger Entfernung von den übrigen nieder«.Audubon, Ornitholog. Biography. Vol. I, p. 191, 349; Vol. II, p. 42, 271; Vol. III, p. 2. Von demselben Beobachter ließen sich noch viele ähnliche Angaben in Bezug auf andere Vögel anführen.
Wenn wir uns nun zu den domesticierten und in Gefangenschaft gehaltenen Vögeln wenden, so will ich damit beginnen, das Wenige mitzutheilen, was ich in Bezug auf die Bewerbung der Hühner in Erfahrung gebracht habe. Ich habe lange Briefe über diesen Gegenstand von den Herren Hewitt und Tegetmeier und beinahe eine ganze Abhandlung von dem verstorbenen Mr. Brent erhalten. Jedermann wird zugeben, daß diese Herren, welche durch ihre veröffentlichten Werke so wohl bekannt sind, sorgfältige und erfahrene Beobachter sind. Sie glauben nicht, daß die Weibchen gewisse Männchen wegen der Schönheit ihres Gefieders vorziehen; aber man muß den künstlichen Zustand, in welchem sie lange Zeit gehalten worden sind, einigermaßen in Rechnung bringen. Mr. Tegetmeier ist überzeugt, daß ein Kampfhahn, trotzdem er durch das Abstumpfen und das Stutzen seiner Sichelfedern entstellt ist, ebenso leicht von den Weibchen angenommen wird als ein Männchen, welches alle seine natürlichen Ornamente noch besitzt. Mr. Brent indessen giebt zu, daß die Schönheit des Männchens wahrscheinlich dazu beiträgt, das Weibchen anzuregen: und die Zustimmung des Weibchens ist nöthig. Mr. Hewitt ist überzeugt, daß die Verbindung durchaus nicht einem bloßen Zufalle überlassen ist, denn das Weibchen zieht beinahe ausnahmslos das kräftigste, stolzeste und zanksüchtigste Männchen vor. Es ist daher, wie er bemerkt, fast nutzlos, »ein reines Züchten zu versuchen, wenn ein Kampfhahn in guter Gesundheit und gutem Zustande an demselben Orte frei umherläuft; denn fast eine jede Henne wird nach dem Verlassen ihres Ruheplatzes sich dem Kampfhahne nähern, selbst wenn dieser Vogel nicht factisch das Männchen von der Varietät des Weibchens wegtreibt«. Unter gewöhnlichen Umständen scheinen die Männchen und Weibchen des Huhns vermittelst gewisser Geberden zu einem gegenseitigen Einverständnisse zu gelangen, welche mir Mr. Brent beschrieben hat. Hennen vermeiden aber häufig die ostensiblen Aufmerksamkeiten jüngerer Männchen. Alte Hennen von einem kampfsüchtigen Temperament haben, wie derselbe Schriftsteller mir mittheilt, fremde Männchen nicht gern und geben denselben nicht eher nach, als bis sie gehörig zum Gehorsam geschlagen werden. Indessen beschreibt Mr. Ferguson, wie eine kampfsüchtige Henne sofort durch die sanften Bewerbungen eines Shanghai-Hahnes gezähmt wurde.Rare and Prize Poultry. 1854, p. 27.
Wir haben Grund anzunehmen, daß Tauben beiderlei Geschlechts eine Paarung mit Vögeln derselben Rasse vorziehen; und Haustauben hassen alle die hochveredelten Rassen.Das Variiren der Thiere und Pflanzen im Zustande der Domestication. 2. Aufl. Bd. II, p. 119. Mr. Harrison Weir hat vor Kurzem von einem glaubwürdigen Beobachter, welcher blaue Tauben hielt, gehört, daß diese alle anders gefärbten Varietäten, wie weiße, rothe und gelbe wegtreiben, und von einem anderen Beobachter, daß eine weibliche graubraune Botentaube nach wiederholten Versuchen nicht mit einem schwarzen Männchen gepaart werden konnte, aber sich unmittelbar darauf mit einem graubraunen paarte. Ferner hatte Mr. Tegetmeier ein weibliches blaues Mövchen, welches hartnäckig verweigerte, sich mit zwei Männchen derselben Rasse zu paaren, die hinter einander Wochen lang mit ihm eingeschlossen wurden; als es herausgelassen wurde, hätte es sofort den ersten blauen Botentauber angenommen, der ihm Offerten machte. Da es ein werthvoller Vogel war, wurde es viele Wochen lang mit einem Silbermännchen (d. h. sehr blaß blau) eingeschlossen und paarte sich endlich mit ihm. Nichtsdestoweniger scheint im Allgemeinen die Farbe nur wenig Einfluß auf das Paaren der Tauben zu haben. Mr. Tegetmeier färbte auf meine Bitte einige seiner Vögel mit Magenta-Roth, aber sie wurden von den übrigen nicht sehr beachtet.
Weibliche Tauben empfinden gelegentlich eine starke Antipathie gegen gewisse Männchen und zwar ohne irgend eine nachweisbare Ursache. So geben Boitard und Corbié, deren Erfahrungen sich über einen Zeitraum von fünfundvierzig Jahren erstrecken, an: »Quand une femelle éprouve de l'antipathie pour un mâle avec lequel on veut l'accoupler, malgré tous les feux de l'amour, malgré l'alpiste et le chènevis dont on la nourrit pour augmenter son ardeur, malgré un emprisonnement de six mois et même d'un an, elle refuse constamment ses caresses: les avances empressées, les agaceries, les tournoiements, les tendres roucoulements, rien ne peut lui plaire, ni l'émouvoir; gonflée, boudeuse, blottie dans un coin de la prison, elle n'en sort que pour boire et manger, ou pour repousser avec une espèce de rage des caresses devenues trop pressantes«.Boitard et Corbié, Les Pigeons etc. 1824, p. 12. Prosper Lucas (Traité de l'Hérédité naturelle. Tom. II. 1850, p. 296) hat selbst sehr ähnliche Fälle bei Tauben beobachtet. Auf der anderen Seite hat Mr. Harrison Weir selbst beobachtet und von mehreren Züchtern gehört, daß eine weibliche Taube gelegentlich eine starke Liebhaberei für ein besonderes Männchen bekam und ihren eigenen Gatten seinetwegen verließ. Einige Weibchen sind der Angabe eines anderen erfahrenen Beobachters, Riedel, zufolgeDie Taubenzucht. 1824, p. 86. von einer liederlichen Disposition und ziehen fast jedes fremde Männchen ihrem eigenen Gatten vor. Manche verliebte Männchen, welche unsere englischen Züchter »heitere Vögel« nennen, sind in ihren Galanterien so erfolgreich, daß sie, wie mir Mr. Harrison Weir mittheilt, getrennt gehalten werden müssen, wegen des Nachtheils, den sie verursachen.
Audubon zufolge »richten in den Vereinigten Staaten zuweilen wilde Truthähne ihre Bewerbungen an domesticierte Weibchen und werden meist von diesen mit großem Vergnügen angenommen«. Hiernach scheint es, als ob diese Weibchen den wilden Männchen vor ihren eigenen den Vorzug gäben.Ornithological Biography. Vol. I, p. 13. s. Bemerkungen in demselben Sinne von Dr. Bryant in: Allen, Mammals and Birds of Florida, p. 344.
Das Folgende ist ein noch merkwürdigerer Fall. Sir R. Heron hielt viele Jahre hindurch ein Tagebuch über die Gewohnheiten der Pfauen, welche er in größerer Anzahl züchtete. Er führt an, daß »die Hennen häufig eine große Vorliebe für einen besonderen Pfauhahn haben. Sie waren sämmtlich einem alten gefleckten Pfauhahne so gut, daß, als derselbe in dem einen Jahre eingesperrt wurde, aber immer noch von den Weibchen gesehen werden konnte, sich dieselben beständig dicht um das Lattenwerk seines Gefängnisses versammelten und nicht litten, daß ein schwarzschultriger Pfauhahn sie berührte. Als er im Herbste freigelassen wurde, machte ihm die älteste von den Hennen den Hof und war in ihrer Bewerbung erfolgreich. Im nächsten Jahre wurde er in einem Stalle gehalten und nun coquettierten alle die Hennen mit seinem Nebenbuhler«.Proceed. Zoolog. Soc. 1835, p. 54. Der schwarzschulterige Pfau wird von Mr. Sclater für eine besondere Species gehalten, welche Pavo nigripennis benannt ist; die Thatsachen scheinen mir aber dafür zu sprechen, daß es nur eine Varietät ist. Dieser Nebenbuhler war ein schwarzschultriger oder lackirter Pfauhahn, welcher für unsere Augen ein schönerer Vogel ist als die gewöhnliche Art.
Lichtenstein, welcher ein guter Beobachter war und ausgezeichnete Gelegenheit zur Beobachtung am Cap der guten Hoffnung hatte, versicherte Rudolphi, daß der weibliche Wittwenvogel (Chera progne) das Männchen verlasse, wenn dasselbe der langen Schwanzfedern beraubt wird, mit welchen es während der Paarungszeit verziert ist; ich möchte vermuthen, daß diese Beobachtung an Vögeln im Zustande der Gefangenschaft gemacht sein muß.Rudolphi, Beiträge zur Anthropologie. 1812, p. 184. Das Folgende ist ein analoges Beispiel: Dr. Jäger,Die Darwinsche Theorie und ihre Stellung zu Moral und Religion. 1869, p. 59. früher Director des zoologischen Gartens in Wien, führt an, daß einem männlichen Silberfasan, welcher über die anderen Männchen gesiegt hatte und der angenommene Liebhaber der Weibchen war, sein ornamentales Gefieder verletzt wurde. Es wurde darauf sofort von einem Rivalen verdrängt, welcher die Oberhand erhielt und später den Trupp anführte.
Es ist eine merkwürdige Thatsache, da sie zeigt, wie bedeutungsvoll die Farbe bei der Werbung der Vögeln ist, daß Mr. Boardman, ein bekannter Sammler und Beobachter von Vögeln seit vielen Jahren in den nördlichen Vereinigten Staaten, trotz seiner großen Erfahrung niemals gesehen hat, daß sich ein Albino mit einem anderen Vogel gepaart hätte; und doch hat er Gelegenheit gehabt, viele zu verschiedenen Species gehörige Albinos zu beobachten.Diese Angabe macht A. Leith Adams in seinen »Field and Forest Rambles«, 1873, p. 76; sie stimmt mit seinen eigenen Erfahrungen überein. Es kann kaum behauptet werden, daß Albinos im Naturzustande unfähig sind, sich fortzupflanzen, da sie in der Gefangenschaft mit der größten Leichtigkeit gezogen werden können. Es scheint daher, als müsse man die Thatsache, daß sie sich nicht paaren, dem Umstande zuschreiben, daß sie von ihren normal gefärbten Genossen verworfen werden.
Weibliche Vögel üben nicht bloß eine Wahl aus, sondern umwerben in einigen wenigen Fällen das Männchen oder kämpfen sogar um dessen Besitz. Sir R. Heron führt an, daß bei den Pfauen die ersten Annäherungen stets vom Weibchen ausgehen. Etwas derselben Art findet auch Auduron zufolge bei den älteren Weibchen des wilden Truthuhns statt. Beim Auerhuhn coquettieren die Weibchen um das Männchen herum, während es auf einem der Versammlungsplätze herumstolziert, und suchen dessen Aufmerksamkeit zu fesseln.In Bezug auf Pfauen s. Sir R. Heron in: Proceed. Zoolog. Soc. 1835, p. 54, und E. S. Dixon, Ornamental Poultry. 1848, p. 8. Wegen des Truthuhns s. Audubon, Ornitholog. Biography. Vol. I, p. 4. Wegen des Auerhahns: Lloyd, Game Birds of Sweden. 1867, p. 23. Wir haben gesehen, daß eine zahme Wildente nach einer langen Umwerbung einen anfangs unwilligen Spießenterich verführte. Mr. Bartlett glaubt, daß der Lophophorus wie viele andere hühnerartige Vögel von Natur polygam ist; man kann aber nicht zwei Weibchen mit einem Männchen in einen und denselben Käfig thun, weil sie so heftig mit einander kämpfen. Das folgende Beispiel von Rivalität ist noch überraschender, da es sich auf Gimpel bezieht, welche sich gewöhnlich für die Zeit ihres Lebens paaren. Mr. Jenner Weir brachte ein dunkel gefärbtes und häßliches Weibchen in seine Volière und unmittelbar darauf griff dieses ein anderes, gepaartes Weibchen so erbarmungslos an, daß das letztere getrennt werden mußte. Das neu hinzugekommene Weibchen verrichtete alle Dienste der Bewerbung und war zuletzt erfolgreich, denn es paarte sich mit dem Männchen. Aber nach einer gewissen Zeit erhielt es seinen gerechten Lohn; denn nachdem es aufgehört hatte, kampfsüchtig zu sein, wurde das alte Weibchen wieder hinzugebracht, und nun verließ das Männchen seine neue und kehrte zu seiner alten Liebe zurück.
In allen gewöhnlichen Fällen ist das Männchen so gierig, daß es jedes Weibchen annimmt und, so weit wir es beurtheilen können, nicht das eine einem anderen vorzieht. Aber Ausnahmen von dieser Regel kommen, wie wir später sehen werden, allem Anscheine nach in einigen wenigen Gruppen vor. Unter den domesticierten Vögeln habe ich nur von einem einzigen Falle gehört, in welchem die Männchen irgend eine Vorliebe für besondere Weibchen zeigten, nämlich vom Haushahn, welcher der hohen Autorität des Mr. Hewitt zufolge die jüngeren Hennen den älteren vorzieht. Auf der anderen Seite ist Mr. Hewitt in Folge seiner Erfahrung bei der Ausführung hybrider Verbindungen zwischen den männlichen Fasanen und gemeinen Hennen überzeugt, daß der Fasan ohne Ausnahme die älteren Vögel vorzieht. Er scheint nicht im mindesten von ihrer Farbe beeinflußt zu werden, ist aber »in seinen Neigungen äußerst launisch«.Mr. Hewitt, citiert in Tegetmeier's Poultry Book. 1866, p. 165. In Folge irgend einer unerklärbaren Ursache zeigt er die allerentschiedenste Aversion gegen gewisse Hennen, welche keine Sorgfalt von Seiten des Züchters überwinden kann. Manche Hennen sind, wie Mr. Hewitt mir mittheilt, völlig ohne irgendwelche Anziehung selbst für Männchen ihrer eigenen Species, so daß sie mit mehreren Hähnen ein ganzes Jahr hindurch gehalten werden können, und nicht ein Ei unter vierzig oder fünfzig erweist sich als fruchtbar. Auf der anderen Seite ist bei der langschwänzigen Eisente (Harelda glacialis), wie Ekström sagt, »beobachtet worden, daß gewisse Weibchen mehr umworben werden als die übrigen. In der That sieht man häufig ein Individuum von sechs oder acht verliebten Männchen umgeben«. Ob diese Angabe glaubhaft ist, weiß ich nicht. Aber die Jäger des Landes schießen diese Weibchen, um sie als Lockvögel auszustopfen.Citiert in Lloyd's Game Birds of Sweden, p. 345.
In Bezug auf den Umstand, daß weibliche Vögel eine gewisse Vorliebe für gewisse Männchen fühlen, müssen wir im Auge behalten, daß wir darüber, ob eine Wahl ausgeübt wird, nur nach Analogie urtheilen können. Wenn ein Bewohner eines anderen Planeten eine Anzahl junger Landleute auf einem Jahrmarkte erblickte, wie sie mit einem hübschen Mädchen schön thäten und sich um dasselbe zankten wie Vögel auf einem ihrer Versammlungsplätze, so würde er aus dem Eifer der Bewerber, ihm zu gefallen und ihren Staat vor ihm zu entfalten, den Schluß ziehen, daß das Mädchen das Vermögen der Wahl habe. Nun liegt bei den Vögeln der Beweisapparat gerade so: sie haben scharfes Beobachtungsvermögen und scheinen einen gewissen Geschmack für das Schöne sowohl in Bezug auf die Farbe als auf Töne zu besitzen. Es ist sicher, daß Weibchen gelegentlich aus unbekannten Ursachen die stärkste Antipathie und stärkste Vorliebe gegen oder für gewisse Männchen zeigen. Wenn die Geschlechter in der Farbe und gewissen Verzierungen von einander abweichen, so sind mit seltenen Ausnahmen die Männchen die am meisten verzierten, und zwar entweder für immer oder nur zeitweise während der Zeit der Paarung. In der Gegenwart der Weibchen entfalten sie eifrig ihre verschiedenen Zierathen, strengen ihre Stimme an und führen fremdartige Geberden aus. Selbst gut bewaffnete Männchen, von denen man hätte glauben mögen, daß sie in Bezug auf ihren Erfolg nur von dem Gesetze des Kampfes abhingen, sind in den meisten Fällen im hohen Grade verziert, und ihre Zierathen sind auf Kosten eines gewissen Betrages an Kraft erlangt worden. In anderen Fällen sind Zierathen um den Preis einer vergrößerten Gefahr vor Raubthieren oder Raubvögeln erlangt worden. Bei verschiedenen Species versammeln sich viele Individuen beider Geschlechter an demselben Orte und ihre Brautwerbung ist eine sich in die Länge ziehende Angelegenheit. Wir haben selbst Grund zu vermuthen, daß die Weibchen und Männchen innerhalb eines und desselben Districts nicht immer den Erfolg haben, einander zu gefallen und sich zu paaren.
Welche Folgerung haben wir denn nun aus diesen Thatsachen und Betrachtungen zu ziehen? Entwickelt das Männchen seine Reize mit so viel Pracht und Eifersucht zu gar keinem Zwecke? Sind wir nicht berechtigt, anzunehmen, daß das Weibchen eine Wahl ausübt und daß dasselbe die Liebeserklärungen desjenigen Männchens annimmt, welches ihm am meisten gefällt? Es ist nicht wahrscheinlich, daß sich das Weibchen die Sache lange mit Bewußtsein überlegt; es wird aber von dem schönsten oder dem melodischsten oder dem tapfersten Männchen am meisten gereizt oder angezogen. Man darf dabei nicht vermuthen, daß das Weibchen jeden Streifen oder jeden farbigen Fleck studiert, daß z. B. die Pfauhenne jedes Detail in dem prachtvollen Behänge des Pfauhahns bewundert: – es wird wahrscheinlich nur durch die allgemeine Wirkung frappiert. Wenn wir aber gehört haben, wie sorgfältig der männliche Argus-Fasan seine eleganten Schwungfedern erster Ordnung entfaltet und seine mit Augenflecken versehenen Schwungfedern in der richtigen Stellung, um die volle Wirkung hervorzubringen, aufrichtet, oder ferner wie der männliche Stieglitz abwechselnd seine goldig flitternden Flügel entfaltet, so dürfen wir nichtsdestoweniger uns nicht etwa zu sehr bei der Meinung beruhigen, daß das Weibchen nicht einem jeden Detail eines schönen Gefieders seine Aufmerksamkeit zuwendet. Wir können, wie bereits bemerkt wurde, über eine etwa ausgeübte Wahl nur nach Analogie urtheilen; und die geistigen Fähigkeiten der Vögel weichen nicht fundamental von den unseren ab. Nach diesen verschiedenen Betrachtungen können wir schließen, daß das Paaren der Vögel nicht dem Zufalle überlassen ist, sondern daß diejenigen Männchen, welche in Folge ihrer verschiedenen Reize am besten im Stande sind, den Weibchen zu gefallen oder dieselben zu reizen, unter gewöhnlichen Umständen von letzteren angenommen werden. Wenn dies zugegeben wird, so ist es auch nicht schwierig zu verstehen, auf welche Weise männliche Vögel nach und nach ihre ornamentalen Charaktere erlangt haben. Alle Thiere bieten individuelle Verschiedenheiten dar, und da der Mensch seine domesticierten Vögel dadurch modificieren kann, daß er die Individuen auswählt, welche ihm am schönsten erscheinen, so wird auch die gewöhnlich oder selbst nur gelegentlich eintretende Vorliebe des Weibchens für die anziehenderen Männchen beinahe mit Sicherheit zu der Modification der Männchen führen; und derartige Modifikationen können dann im Verlaufe der Zeit beinahe in jeder Ausdehnung vermehrt werden, so lange sie nur mit der Existenz der Species verträglich sind.