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Sternennacht! Ich bin von Lichttieren bestochen'. Gestirne zeugen Qualgelüste, blenden, töten: Die Welt stürzt ein; ihre Geburt ist urverbrochen. Geheiligt, nur im Ich erkernt, sind Abendröten! In jedem Lichte lauert spendendes Verlangen! Die Sterne hoffen einst ermenschlicht zu verlöschen: Die Welt der Lichter wurde Geist und träumt zu schlummern:
Ein Leuchten gibt es, ohne sengende Begierde! Ein Wanderer wird leise Heimkehr von Gestirnen! In Indien öffnet sich der stille Seelentrichter, Der alte Glanz im Norden gleicht vermenschter Milde,
Dort wo der Weltvollendung Sternenähren reifen, Wir sind der Spundbruch aller sanftgedachten Meere, Du bist dir Sonne: mochtest Sternen Nacht gebären! Der Mann ist aber auch ein Inhaber des Fluches!
Beherrscht meine Verbündeltheit ein Ich der Tiefen? Was ist zu einem Weltbruch eigenste Versuchung? Das Wort wird dauern; frei im einzelnen gerettet. Dereinst! Wir Stammelnde haben das Heil vernommen: |
Da deine Sternenaugen nie erblinden, O Liebe, Seele aller Weltnaturen, So flüstre sacht, kann ich die Tote wiederfinden, Verspürst du noch der Vielgeliebten Spuren? Ist alles fort? Sind Menschen ewge Wesen? Du stärkste Liebe, Starrkrampf unsrer Erde, Dich ruf ich an! Dich, Förderin der Schrecken; Wirst du die Keime meiner Toten binden, Durch seine Wüstenschrecken will ich schreiten, Nicht süße Heuchler oder Priesterworte O wüchse doch des Einzelwesens Stärke, Dann müßte die Natur uns wiederzeugen |
Gar friedlich waren alle Menschen, die mich einst umgaben, Und fast zufrieden sind die meisten aus der Welt geschieden: Sie ließen sich von kalten Worten, Staub und Schnee begraben; Und Flocken fallen auf ihr Grab, fast wie ein Wunsch nach Frieden. 21 Am Friedhof läßt die Wandersonne ihre letzten Spuren. Die Schatten werden bald den letzten Tagesschein verdauen, Nun wird es langsam still. Der Schnee dient anderm Schnee als Lager, Natur, dein Wunsch nach Ruhe mag sich immerdar erfüllen, Ich selber, frostger Mond, fühl mich zu dir hinangezogen Erwachte ich, so fühlt ich auf der schweißbedeckten Stirne So werd ich schmerzzerfleischt den Tod einst selber rufen: Wer mag dem Tode länger trotzen als die ganze Erde? Im Winter, wenn die Wolken sanft das Land beschützen, Zur heißen Zeit verhaucht die Blütenfülle ganzer Haine Verwelkt ist dann die holde Frühlingspracht am warmen Morgen. Kein Liebesstrahl erfrischt die Tropennacht, die er durchschreitet. Er raubt uns unsern Schlaf, um unsre Kräfte zu verbrauchen! |
Mein Weib, mein Weib, wie du dich tapfer sträubtest! Du bist so schwer, so bitter schwer, dahingegangen. Du Schmerz, als du das liebste, holde Sein betäubtest, Da konnte es der Tod noch lange nicht erlangen! Als wahre Riesin ist mein Weib, zum Schluß, gefallen! Einmal, des Nachts, umschlangen wir uns plötzlich fester! Doch plötzlich, überraschend plötzlich, wars zu Ende. – – – Vermuteten wir gar, daß wir uns trennen müßten, Du krampftest dich an mich, und du begannst zu weinen. Doch Trauer träufelte so schwer auf unsre Freude, Und endlich doch, als wir das Glück zurückgewannen In Seelenfernen, die in uns kein Ende kennen, Ich seh in mich, ich blick euch nach zum Himmelszelte!
Der Mondschein ist der Leichenschleier bleicher Kindersterne. Und überstrahlt die Totenbleiche ringsumher den Sternenacker, Und wird der Mondschein später täglich wieder schwach und schwächer, Und wie es war, so wird es dort auf Gottes Himmel wieder! Du Ruhenacht, wie herrlich bist du doch im schwülen Süden. Aus Blüten und aus Seelen, ja, der Stille selbst im Haine, Du leuchtest, klare Sternennacht, in ewger Schöpferstille: Nur du machst alles Leid zum Lied und doch bewundrungsstummer! |
Es scheint, daß eine schillerreiche Nachnebelbrunst dem Meer entschwebt: Und alles schweigt in dieser Bleiche, Aus Mondlicht und aus Dunst verwebt! Die fahlen Silbersträhne dehnen Die Sterne starren wie die Blicke Sie glitzern, und sie flimmern nimmer. Nun will das Meer den Sturm gebären, Die Sterne und der Mond verblassen. Sie ringeln sich, und sie entwischen |
O Wißbegier, wann hast du ausgetobt in meinem Innern? Wann mildern der Gefühle zartverwobne Wehmutsweben, Den Sonnenschleiern gleich, die einen stillen Herbst durchschweben, Das schlaflos wilde Wühlen von erregten Sorgenspinnern? Gefühl und Güte sind der Reichtum innrer Seelenflammen, Der Erdenwesen Trachten sonnlebendig fortzudauern Dein bleiches Spiegelbild, o Wüste, die das Opfer fordert, Wohl ahn ich schon die Ruhe meines eignen Wesens, Ich wähle eine Welt mit hellen Flammenkathedralen: Doch Wüstensand, noch locken mich Verstandespyramiden. Geschöpf, der Augenblick ist nah, dir freudig zu verkünden, Es braust der Erde Freudenschwall durch unser Glücksempfinden. Die Armut, das Verzichten hat der Mensch sich selbst geboten, Auch der Verstand ward so zum Mittel, stärker zuzugreifen, Die Lebensschroffheit und die Sitte bergen die Askese, |
Des Lebens große Sonnerklärung Erwacht im menschlichen Verstand, Sie ist die reinste Lustgewährung Der Glut, die sich im Glück erkannt! Die Brandung, die uns tief durchwuchtet, Die Sonne wird uns Kraft gewähren, Wir können froh den Tag genießen, Der Sonne große Erdvermählung, Die hat harmonisch uns durchklungen: Ein Band muß strahlend sich gestalten, |
Was mir erscheint, ist das der große Gotteshimmel, Ists Sternenglanz, der sich im Traumesdome regt? Ist es die Nacht auf wildbewegtem Wolkenschimmel? Ists kühler Wehmutschnee, der sich aufs Herze legt? Du Traumesruhe, die auf reifer, abgemähter, Mir ists, als ob nun eine Ähre hell entsteige, Ein goldner Strahl scheint zitternd auf mich her zu kommen. »Schon kann ein Menschenherz die Wahrheit streifen, Der Mensch ist nicht von Gott verstoßen, Die Menschheit soll ein Liebesband umschlingen, Vernunft allein wird keine Wege finden, Die Freude wirble nun in Menschenseelen, Doch die Gerechtigkeit ist nur Erklimmung Was leib- und lustbegehrlich hier ersprossen, Auch die Vernunft ist ein Geschenk der Gnade, Das Fleisch ist nun erlöst aus der Verachtung, Heut mag die Gnade euch Bestimmtheit schenken, Und als der Bote dies im eignen Glanz verkündigt, Ja, Hohn und Leiden mag das Gnadenkind erfahren, Die Silberwölklein, die ich rings um mich gewahrte, Der helle Flockenschein auf winzgen Wolkenköpfen, Sie sangen klar: »Wir grüßen dich, du große Gnade, Die sich als Sünde fühlt und Sünderschmerzen leidet, |
Dann sah ich rings um mich die Engelscharen. Sie wollten niederknien auf Wolkenkissen, Doch da sie viel zu leicht und luftig waren, So neigten sie im Chore Lichtnarzissen. Sie sangen jubelnd: »Erde, deinen Pollen, So schweift denn, freie Flammengoldkometen, Wir Engel pflücken winzge Heilsgefühle, Ein einziger Gedanke, ein Empfinden Was Gnade wünscht und freie Gnade spendet, Erfülltes Heil in einem Weltenwesen Ein freies Nein ist stärker als Gestirne, Der Mensch verstreut den Samen solchen Kommens, Pocht jetzt der Glaube plötzlich an mein Urgewissen? Den Wald, die Flur mag ich im heilgen Herbst betreten, Der Baum, der üppig seine Lebenskraft verschwendet, Ihr klaren Äste fleht die hehrsten Herbstgebete, Die Buchen wollten sich dem Leben schenken. Versenk ich mich in meine Wurzeltiefen, Daß er dann Leben rauben muß und geben, Von allem Gleichen freundlich angezogen, Hat irgendwer mein ganzes Sein ergriffen, Und doch bekannt ist, was ich hier verfechte, Kein Gott und keine Sonne kann mich stärken, |
Schwindel packt mich! Bilder eilen Ringsumher in wildem Tanz, Hergeschleppt vieltausend Meilen, Sprühn sie auf, in matten Glanz: Keines mag um mich verweilen, Jedes schwankt als Firlefanz. Leiber scheinen sich zu teilen Und verschwinden plötzlich ganz; Doch in einem bleichen Haine, Wo sich Ast mit Ast verflicht, Zeigen plötzlich sich Gebeine – Und auf einmal wieder nicht! Eva huscht in rotem Scheine, Kauernd fast, hervor ans Licht: Eingestemmt sind ihre Beine, Abwärts schaut das Angesicht. Ob sie jäh der Mutterscheide Als ein reifes Weib entsprang Und dem Druck der Eingeweide Schmerzhaft sich, mit Wucht, entrang? Wie gedrückt zu ewgem Leide, Reißt sie sich vom Nabelstrang: Und schon schwanken alle beide, Mann und Weib, den gleichen Gang. Deutlich will der Tod sich zeigen, Und er grinst mich höhnisch an: »Sieh, was einem Sein zu eigen, Sprich, ob man noch hoffen kann! Alles will sich hier verzweigen, Setzt die besten Kräfte dran: Menschen, die zum Lichte steigen, Drehn sich schon in meinem Bann!« Kurze Beine, schöne Büsten, Weiber ohne Ebenmaß, Sah ich, die sich läppisch grüßten, 39 Komisch, ohne rechten Spaß! Ob sie für die Ichsucht büßten, Die ihr Sein aus Grüften las? Tod, du wirst den Spuk verwüsten, – Er zerspringt wie sprödes Glas! Musiker mit Löwenmähnen, Häupter ohne Leiberhalt Hat ein tiefes Lichtersehnen, Plötzlich fast, emporgeballt. Alles scheint sich hier zu dehnen. Ist noch nichts als Ungestalt. Sucht sich aber schon zu wähnen: Wird bewußte Urgewalt! »Solches Ineinanderklingen Gab dem Leben Melodie, Brachte mit gereiften Dingen Auch den Zwerg in Harmonie. Kann nicht so die Sichel schwingen, Wie sie Schönheit einst verlieh, Könnt mich um das Unkraut bringen, Doch verschwinden werd ich nie!« Kaum hat dies der Tod gesprochen, Den ich blaß im Zwielicht sah, Kamen Sphinxe angekrochen – Und schon waren sie mir nah. Wie von Zweigen abgebrochen, Waren auch Harpyien da: Und mein Herz begann zu pochen, Als ich merkte, was geschah. Alle letzten Erdengäste, Die im Todeskrampf entstehn, Abfallszwitter, Lebensreste, Die im Menschtum untergehn, Wollten sich zum letzten Feste Noch in Folterqualen sehn! 40 Was sich grausam würgte, preßte, Lüstern, leidend, zu vergehn, Fand, als Abglanz, auf den Wänden Eines Saales jetzt Gestalt. Manche Sphinx hat beim Verenden Sich dort oben eingekrallt; Nur ein Weib bis zu den Lenden, Blickt sie um sich stumm und kalt, Doch verrät ihr Nackenwenden Einer Löwin Hinterhalt! Ferne scheint mir, goldverschwommen, Daß ein Weib im Takt sich dreh! Wirbelnd wird sie näher kommen, Ob ich sie dann besser seh? Ist denn noch kein Blick erglommen, Hier im Weib, in meiner Näh? Ach, wie bin ich angstbeklommen, Denn der Tod ward Salome! Hei, sie tanzt mit Kastagnetten – Wie das klappert, wie das klirrt, Um den Leib die goldnen Ketten Haben klimpernd sich verwirrt. Will sie vor dem Haupt sich retten, Das sie surrend jetzt umschwirrt? Nein, die Haare mag sie glätten, Und da steht sie – unbeirrt. »Sieh das Ich in vollem Siege, Wie es plastisch triumphiert, Sieh die Glieder, die ich biege, Sieh die Jugend, die sich ziert; Daß sie nimmer unterliege, Lobt den Tod, der sie gebiert: Schaukelnd steht er bei der Wiege, Da ers Leben balanciert.« Als die Worte rasch verklangen, 41 Die Salome zu mir sprach, Kamen Greise angegangen, Junge Leute folgten nach; Und mir wars, als ob sie sangen, Da das Schloß zusammenbrach. Doch von Mauern noch umfangen, Sah ich plötzlich ein Gemach: Vieler frommer Greise Hände Trugen sanft ein zartes Kind, Statt des Mutterleibes Wände, Hieltens Menschen wohlgesinnt! Denn wenn Fleisch und Wärme schwänden, Da wir kaum geboren sind, Müßten wir gar schnell verenden; Ist, was schroff ist und geschwind, Doch an sich der Grund der Leiden, Da er Liebesketten sprengt! Dich der Ichsucht zu entkleiden, Die in Jammer uns gedrängt, Und von Tod und Sünde, beiden, Die noch über mich verhängt, Uns mit Liebeshand zu scheiden, Ward ein Mensch der Welt geschenkt. Sterne flogen hin und wieder, Botschaft kündend nächtelang, Und die Menschen knieten nieder, Nahmen Jesum in Empfang. Königsmienen, still und bieder, Eine Mutter, schwank und krank, Eines Kindleins zarte Glieder, Sah ich jetzt im Traumgerank. Plötzlich ist der Tod erschienen, Als ich kaum das Bild gewahrt: »Alles muß mir ewig dienen!« Höhnte er nach Siegerart. 42 Mütter mit Verzweiflungsmienen Merkt ich nun um mich geschart: »Hab gewütet unter ihnen, Keiner blieb ihr Leid erspart!« Rief der Tod und tanzte schrecklich! »Hei! der Tag vom Kindermord«, Scholl es, »war für mich erklecklich, Nie ergötzt ich mich wie dort! Selbst die Glut blieb unerwecklich, Die mich tötet und verdorrt!« Niemals tanzte er so kecklich, Und dann endlich war er fort! Söldner schau ich spielen, wetten, Christen, die um Gnade flehn, Und zum Golgatha, in Ketten, Jesum durch die Menge gehn. Kann ein Mensch die Götter retten, Die bedingt im All bestehn? Wenn sie Macht zur Hilfe hätten, Würde sie kein Sturm verwehn! Alles will nach oben streben, Höhenrausch umfängt uns schon, Selbst der Tod kämpft um sein Leben, Furcht gebiert den feigen Hohn. Ja, ein Gott ward uns gegeben, Ohne Ende, ohne Lohn: Zu ihm kannst du dich erheben, Läßt du neidlos ihn am Thron. Götter mußten arg ergrimmen, Als ein Mensch in Freiheit starb. Konnte nicht der Tag verglimmen, Als sein Leib am Kreuz verdarb? Nicht die Nacht den Thron erklimmen, Als ein Mensch um Gottheit warb? Nutzlos tönten Donnerstimmen: 43 »Blutger Himmelsriß, vernarb!« Nein, die Wunde blieb gerötet. Glut ergoß sich aus dem Schnitt. Götzen, die das Volk gelötet, Stürzten ohne Halt und Kitt: Menschen, die ihrs Kreuz erhöhtet, Wo ein Mensch fürs Leben stritt, Einen Gott habt ihr getötet, Doch er riß die Götzen mit! Da erfaßten mich Skelette, Statt des Todes Wiederkunft, Merkt ich mich in einer Kette Von Gespenstern selbst verschrumpft. Eine Stimme rief: »Ich wette, Du verknöcherst in der Zunft, Dichter, laß, daß ich dich rette, Folg nun wieder der Vernunft!« Und nun fühlt ich mich im Fallen. Sah Gerippe über mir. Sank allein durch blasse Hallen, Ausgeschmückt mit Ungetier. Hielt an Fühlern mich von Quallen; Und die sahn mich an mit Gier. Dann entfiel ich ihren Krallen Durch ein andres Albspalier! Und der ganze Weg des Tanzes, Den der Tod mit mir getollt, Schien mir wie ein Drachenganzes. Hart gestockt! In sich verknollt! Und im Grün des Panzerglanzes, In der Schuppen Flimmergold, Wußt ich mich von seines Schwanzes Knorpelgliedern eingerollt. Ruckweis ward ich vorgeschoben. Rhythmisch schwankt ich hin und her. 44 Durch das Zucken dieses Kloben Glitt und fiel ich immer mehr. Plötzlich schwamm ich wieder oben. Ob der Schweif der Jordan wär? Denn den Drachen hör ich toben: Sicherlich das Tote Meer! |
»Dies irae, dies illa, Solvet saeclum in favilla, Teste David cum Sibylla!« Klang es plötzlich aus der Stille: »Weltenende ist der Wille Unsers Gottes Zebaoth! Mensch, begreif die Weltennot! Sieh, was allen Wesen droht, Denn der Tod ist Urgebot!« Wahrlich alles kam in Schwanken, Wohl gelingt es den Vergeudern |
Verworren scheint mir, was ich eben hörte, Doch in mein Wesen schwingt der alte Friede, Es war, als ob mein Licht-Ich sich empörte, Daß uns der Zug der Welt an schwere Ketten schmiede! Doch gerne fühl ich jetzt die Macht der Erde, Sag, Erde, wann bekleidest du die Herde Wir werden wiederum dem Festlande entstammen!
Die Erde kreist im weltbestimmten Pilgerschritte, Orkane, die ihr wild das Felsgewirr durchkeuchtet, Doch die Vulkane, die den Wolkenwust durchflittern, Unendlich fühl ich mich zu dir hinabgezogen, Es muß sich alles jetzt zu starken Bündeln einen Die Erde soll sich junge Lebensspürer gießen Schon blinkt die Mondessichel durch die roten Dämpfe, Es ist, als wollten Beine, Rümpfe sich erheben: Ein eignes Weltgeräusch durchzittert noch die Öde, Dem Erdbereiche ist kein einzger Laut entkommen! Jetzt können Töne sich als Stimmen gar zerstreuen. Ich seh kein Pferd und höre das Gestampf von Hufen, Und Ohren müssen sie, zur Rettung, gleich empfangen. |
Schon krallen sich Leiber hervor aus den Schluchten! In Brunst sind die beiden Geschlechter verbunden. Sie halten sich krampfhaft beim Werden umwunden Und müssen sich unbewußt, kletternd, befruchten. Erst dann, wenn die Flammen am Erdball verglimmen, Nun klimmen rings Körper auf Zacken wie Zunder; Jetzt scheinen die Rassen hier Boden zu fassen. Vom felsigen Grund, den sie senkrecht erstürmen! Die Haut scheint durch innere Glut zu verblassen, Der Haarwuchs bedünkt mich ein wuchtiger Schatten Pechschwarz sind die Haare von jeglicher Rasse. Sie stiegen auf härtestem, altem Granite, Wo scheint sich im Trichter ein Stamm zu verbohren! Nun endlich erklimmen die hellsten die Spitzen, Die Gelben hingegen, am Rande der Spalte, Sie klettern gar rüstig. Sie harren am längsten |
Du Lebenskrampf, nun wirst du Klarheit wollen! Das Sonnenmuß erscheint als Lust zu leben. Das letzte Volk entklettert zäh den Stollen, Und Vollbewußtsein kann sein Haupt erheben. 60 Die Massen, die dem Kraterschlund entstiegen, Bedünkten mich verkrampft am Hang zu kleben, Als Tausendhänder sich hervorzuschmiegen, Verkrallt, verrunzelt, wo die Spalten klafften, Noch starr die schroffen Schranken zu besiegen. Nicht länger taugt das Aneinanderhaften. Jetzt muß die Blindheit der Gefühle schwinden! Die Menschheit löst sich aus den fabelhaften, Fast schlangengleichen, starren Urgewinden Nun langsam auf in krumme Einzelwesen; Doch jedes trachtet wieder das zu finden, Was eben noch mit ihm verschränkt gewesen. So stehn die Menschen kaum, und dennoch kriechen Die Leiber, ihrer Wunden erst genesen, Sogleich zurück zum fiebersiechen, Geschlechtsverschiednen andern Leibe Und scheinen da den gleichen stets zu riechen. Dann ists, als ob sie andre Sucht vertreibe: Die Männer trachten sich emporzurecken, Doch, stets verfolgt vom gleichen krummen Weibe, Gelingt es schwer, den Sonninstinkt zu wecken, Denn will der Mann sein Ich aus Brunst erheben, So trachtet sich das Weib ihm nachzustrecken: Und scheint dann eins beim Kletterkrampfe zu erbeben, So liegen gleich auch andre mit in Krämpfen, Um Drillingen im Nu das Sein zu geben. Doch das Gebären kann die Wollust dämpfen! Die Weiber wollen ihre Kinder nähren Und lassen nun die Männer wütend kämpfen; Der Feinde muß sich niemand noch erwehren, Und dennoch würgt man sich nach alter Weise. Ja, das Bewußtsein scheint erst einzukehren, Wälzt sich der Erbtrieb längst im Urgeleise! Der Schreck verfärbt die Haare mancher Streiter, Und schon besitzt die Welt wie einstens Greise, 61 Doch leben diese hundert Jahre weiter. Die Jugend werden Kinder bald ersetzen, Und vollbehockt ist dann die Altersleiter. Gestalten, die das stumpfe Sein entnetzen, Entkrümmen sich dem Schlund als Wagnisfrage: In Menschen sucht die Welt sich festzusetzen Und schicksalt sie in vorgeahnte Tage, In der Gestirne ihnen Dasein spenden, Bis einst ermenscht ein Stern Bewußtheit trage. Zum Weib seh ich den Mann sich aufrecht wenden. Er findet wieder, was er einst verlassen. Er labt das Weib mit seinen eignen Händen, Und was ihm naht, das muß er geifernd hassen. Drum scheint es mir, es wird nach etwas Weile, Wie einst, sich alles ineinanderfassen: Und sprießt, was jetzt entsteht, mit Sturmeseile, Geschiehts, um alte Maße einzurenken. Der Menschheit grundverschiedne Wesensteile Sind da, sich als Bewußtsein zu verschränken. So wird die Einheit stolz ihr Sein erfassen Und ihren Lebensdurchlauf kurz bedenken; Heil dir, Natur, wie kannst du Kraft verprassen! Du reißt die Stütze deines Weltenbaues Auf einmal ein, und du vertilgst die Rassen, Die Fluren deines heitern Erdengaues: Du stückst und türmst sie wiederum zusammen Und kühlst von deines hohen Sonnenbaues Unendlich steilem Throne alle Schrammen! Wir wagens, dich in Gut und Schlecht zu teilen! Doch selber wirst du nimmer dich verdammen. Viel größer ist dein ewges Urverweilen, Als Lebensstürme, die sich selbst verzehren Und zweck- und ziellos durch das Chaos eilen! Du kannst sie ewig jung in dir gebären: Nun grüß ich sie in meiner eignen Gattung, 62 Denn eben läßt du diese sich vermehren! Auf Erden gibt es nirgends mehr Ermattung. Und was sich jäh in seine alte Form gegossen, Das fordert des Geraubten Rückerstattung, Und nichts Erworbnes ist mit ihm ersprossen! Jetzt sind die Stumpfgewalten übermächtig, Noch gibt es keine Kampf- und Ehgenossen: Die Leiber bleiben kaum drei Monde trächtig, Um Vierlingen das Erdensein zu schenken. Selbst Greisinnen und Mädchen, jung und schmächtig, Gewahr ich, wie sie plötzlich Kinder tränken: Die vollen Brüste strömen üppig über, Kein Maß kann diesen Überfluß beschränken. Oft wird das Lichtbewußtsein wieder trüber, Die Schnellgeburten rauben es den Vätern: Doch gibt es gleich ein Licht- und Schattengegenüber, Verkörperlicht in Sonn- und Erdvertretern! Auch Länder fangen wieder an zu beben. Da hörst du plötzlich die Bewohner zetern Und Schreckensrufe schrill und laut erheben. Doch so wird manches Angstempfinden rege, Die alte Sprache uns zurückgegeben. Die Menschen packen, auf den Wüstenwegen, Die Echorufe auf von Felsenrändern, Damit der ganze Stamm sie sorgsam hege, Aus sich die Muttersprache nie zu ändern! Die Völker ziehn dem Lebenslaut entgegen, Ihn aufzugreifen, in verschiednen Ländern Durchsprachung freizulegen! Das Sprechen hilft die Stämme auszuprägen Und selbst den Eigenstolz als Gott zu heben; Wallt Sprache auf, so zwingt sie zu erwägen: Ja, ausspruchlüstern seh ich Völker sprechen, Als schrien sie, schmerzdurchzuckt von Peitschenschlägen! 63 Ja, so nur können sie die Starrheit brechen Und Zwecke fühlen durch das Volksgehaben: Errassung fängt nun an hervorzustechen! Nun sieht ein Wanderstamm in einem Graben Die Reste abgedorrter Fühlerhaken. Sie zucken noch und trachten sich zu laben: Sie blieben wohl vom gleichen Lebenskraken, Der plötzlich aus dem Krater Fühler langte, Die lange tief im Erdenschoße staken. Doch was sich krampfhaft hier zum Wurm verrankte, Das scheint fürwahr kein Knäul von Menschengliedern: Und jedes Volk, dem gleich vor Fremdem bangte, Beginnt nun diese Masse anzuwidern. Die meisten werfen schon darauf mit Steinen, Doch einge trachten, mit gesenkten Lidern, Sich dort mit Weibesteilen zu vereinen. |
Die Menschen kamen fast allein in steinge Lande, Und dann erst wucherte die Lebensfülle nach: Sie hungerten und dursteten im Glutensande, Denn Sturm und Sonne lüfteten nun allgemach Die Wolkendünste, die das Erdenrund bedeckten, Und Feuerströme stürzten nieder auf das Land. Die Wüstenlehnen, die sich hingestuft zerstreckten, Entstanden kahl und brach im großen Sonnenbrand. Der Himmel selbst verlor sich hinter Feuersbrünsten: Nur abends zeigte sich ein Glastungskatarakt. Dann ward es dunkel und der Erdendunst am dünnsten. Und Gold umschwirrte Felsenzacken, gelb und nackt, Die Menschen, die sich oft zu dritt, zu viert, verloren, Vermochten nie allein oder getrennt zu ziehn. Sie trafen plötzlich andre, die gar weit geboren, Und dies hat ihnen breite Lebenskraft verliehn. 64 Sie blieben immer eingegruppt und eng verbunden. Sie schleppten müd und traurig eine Kettenlast. Sie sahn sie nicht. Doch niemals ist sie ganz geschwunden. Sie hielt sie unzersprengbar fest und schwer umfaßt. Dies waren unsrer Ahnen große Fesselqualen! Doch Selbst- und Pflichtgefühl ist nur dadurch erwacht! Sank einer hin, verwundet von den Sonnenstrahlen, So ward vom andern ihm ein Labetrunk gebracht. Die Schlangen, die fast unbemerkbar rasch entstanden, Vergifteten die Menschen oft durch ihren Biß, Die andern saugten gleich, wo sie ein Tröpfchen fanden, Wodurch der Lebensdurst dem Tod ein Sein entriß. Und stürzte irgendeiner jäh in eine Tiefe, So warfen sich die andern alle blindlings nach. Es war, als ob ein Wesensband durch alle liefe, Das Schwindel zeugte, wo ein Glied zusammenbrach! Verwandtes sehn wir heute noch bei unsern Ziegen, Sie folgen rudelweise einem einzgen Bock, Und spüren sie sein In-die-Schlucht-Hinunterfliegen, So folgt dem einen Bock sogleich das ganze Schock! Und kams: ein Mensch mußte im Wüstensande sterben, So haben sich die andern doch nicht mehr von ihm getrennt, Sie sollten angeschmiedet dort im Nu verderben, Dies aber zeugte, was sich Freiheitssehnsucht nennt! Doch eines Tages fanden sich gar viele Stämme Auf einem Kap zusammen, das meereinwärts stach; Nun wars, als ob es Leben überschwemme, Wo machtlos sich das Meer an seinen Klippen brach. Hier konnten sich die Menschenfesseln plötzlich lösen, Denn alles zog sich allseits durcheinander an Und warf den Samen zur Erkenntnis alles Bösen, Das sich, als menschenfeindlich, je ein Mensch ersann! Die Allgemeinheit konnte bloß das Sein befreien. Durchs Pflichtgefühl gibt jedermann an sie zurück, 65 Was das Gemeinwohl schafft, wo Wollende gedeihen, Und um den Heldenglauben wogt das Völkerglück. Der Menschheit Sonnbewußtsein will, daß wir uns ändern: Und jeder opfert gerne seinem Sonnenziel! Der Glaubenszwang, die Strafen in verschiednen Ländern, Sind Völkern, wie den Kindern, heitres Spiel. Es muß sich solch Gebaren lange vorbereiten, Bis später es der Mensch zur Sitte prägen kann, Um Sonnenkinder stark am Sonnenweg zu leiten, Auf dem ein Wahnbild selbst Bedeutung oft gewann! Wir sehn das Vorbedachte sich in Formen wälzen, Da nur das Tiefbedingte in Erscheinung tritt; Und können große Sonnenbrände unsre Götzen schmelzen, Genügt zum neuen Guß bereits ein Wageschritt! Wir nennen weltharmonisch, was schon vorbereitet, Urplötzlich faßbar, vor beschränkten Sinnen steht: Oft sehn wir nicht, was schon bewußte Bahn beschreitet, Weil Sonnenwollen dem Geschehn entgegenweht. Nicht solche Lichtgedanken, aber Sonnentaten, Ersann allein auf einer Klippe dort ein Mann, Auf einem Riff, das andre Menschen nicht betraten, Da jetzt die Flut ringsum die Oberhand gewann. Er sah die jungen Menschen sich durch wilde Tänze Der neuerworbnen Freiheit hier am Kap erfreun; Es war, als ob sich alles ganz beim Fest ergänze, Als suchte Leben volle Pollensaat zu streun. Man wollte lang und frei am steilen Riff verweilen, Und Jünglingsgruppen schleppten goldnes Korn herbei, Und andre sah er froh zu brünstgen Spielen eilen, Und unersättlich, rastlos wogte noch die Reih Der nackten, jungen, lüstern tollenden Gestalten, Und mächtig zogs den Einsamen zurück zum Spiel. Er sah nun einen Mann das Weib im Arme halten, Das ihm vor allen andern wunderbar gefiel! Er wollte rasch durch jene Sturmesfluten schwimmen, 66 Dem Jüngling zu entreißen, was er fest umschlang, Da hörte er auf einmal weiche, innre Stimmen, Und leise horchte er dem eignen Seelensang. Da ist ein ewges Weib in einer Mannesseele, Die Sonnensitte, jäh, mit keuschem Blick, erwacht. Ihr Auge flehte, laß, daß ich mein Lieb erwähle, Und rasch hat sie ihr Schöpfer greifbar ausgedacht. Er sah die Anmutsreiche sich im Tanze schmiegen, Die Weiblichkeit der Menschheit, Weichheit der Natur, Die Kriegerbrunst im Manne einst besiegen, Und er empfand die Anmut keusch auf freier Flur! –
Die Sonne hatte viel aus ihrer eignen Kraft getrunken,
Schon wogte Nacht: schon fühlten sich die schlaffen Glieder, |
Ganz plötzlich ward ein blondes Mädchen irgendwo geboren. Sie reizte durch ihr Haar, und Knaben hatten sich verschworen, Beim Balgen und beim Spiel ihr junges Leben zu gefährden. Drum hätte sie es auch im Kinderkrieg gar bald verloren, 70 Wärs ihr ein einzges Mal mißglückt, der andern Herr zu werden, Doch war sie stark und nahm es selbst mit rohen Knaben auf. Die überlangen Haare schlang sie fest zu einem Knauf, Denn sie belästigten sie oft beim Spiele und im Lauf: Und wuchs und reifte sie auch rascher als die Streitgenossen, Schien dennoch große Üppigkeit in ihren Leib gegossen. Die bleichen Schenkel schwellten durchs Gelaufe und das Hetzen, Wie Milch, die beim Erwärmen aus der Schale ausgeflossen. Die Brüste sind mit seltner Kraft dem schlanken Leib entsprossen Und wogten auf wie Wellen, die sich leicht mit Schaum benetzen: Der Anmut Reiz schien sacht sich an den Hüften festzusetzen. Doch kaum entquoll die erste Milch den vollen Brüsten, So floh sie mit zwei Jünglingen, die sie im Walde küßten, Als sie, erschöpft durch die Verfolgung, in das Moos gesunken: Denn beide hatten von der Jungfrau Atemquell getrunken. Nun flohn sie alle drei nach einem Ort in fernem Lande, Dort jenseits, hinterm Wald, vielleicht an einem Weltenrande. Bloß einer konnte ihrer Wollust nimmermehr genügen: Sie wollte Lust zu Lust in holdem Wechselspiele fügen, Sie trug verschiedne Rassen eingeprägt in ihren Zügen, Und nur dem Krampf verschiedner Lust gelang es, sie zu sondern. An ihren Kindern sah sie oft die Spuren beider Väter, Ihr eignes Antlitz spiegelte sich meistens in den Blondern, Und später schien der Wesensgang der Vaterschaft Verräter. 71 Doch damals waren Zwillinge gar oft so stirnverschieden, Daß man nicht wußte, welchem Vater sie das Weib geboren! Doch lebten alle lange, lange noch im Wald in Frieden, Denn keinen hatte sich das Weib zu größrer Lust erkoren. Sie zog mit ihren Männern, ihren Kindern immer weiter, Durch Wälder, die in kurzer Frist mit stolzer Wucht entstanden; Und immer blieb sie munter, blieben munter die Begleiter. Nur Glück empfanden diese sorgenlosen Walddurchschreiter, Bis alle, wie gebannt, vor einem Wunder sich befanden. Ein Spiegel lag vor ihnen. Silbergrau und dennoch heiter. Er löste sich, mit sanfter Anmut, aus den Uferbanden Und wurde weit das breite Meer und wogte weiter, weiter. Dann senkten sich die Abendgluten auf die müden Fluten, Und über Klippen wars, als ob dort bleiche Flocken ruhten, Ob Rieselwässer, sickernd, sich durch braune Klüfte drängten, Da Honig oder blonde Harze sich mit Glut durchtränkten, Bevor sie bernsteinschwer ihr Gold in grüne Tiefe senkten! Erblaute Quallen waren matte Schatten grüner Wellen Und tauchten auf, wie untre, festgestockte, salzge Quellen. Die Möwen flogen hin und her, da sie die Vögel schreckten, Die sie doch selber, als ihr Schattenspiegelbild, erweckten. Das Weib, das an der Küste stand, umspielten grüne Schatten, Denn dunkler Wald bekränzte noch die Klippen und die Watten: Sie stieg auf einen Fels im allerletzten Sonnenschein Und trat dem Wunder stolz entgegen, tapfer und allein! Sie sah das dunkle Meer ihr rings entgegenbrausen, Doch ihre Flanken konnten einen Rassenkeim behausen, Der, kühn in ihr entsprossen und am Meeresstrand erzogen, 72 Als Volk sich heimisch fühlen würde auf den trotzgen Wogen! Sie stellte ihre Macht, mit Würde, einem Meer entgegen: Vermochte schwere innre Frühlingswolken aufzufegen, Aus Wellenbrüsten Lenzesfolgen ewig oft zu spenden Und dennoch holde Schöpferkräfte nimmer zu verschwenden! So konnte ihrem Busen fette Lebensmilch entquellen, Die Völker säugt, bis sie im Wald die höchsten Stämme fällen, Und dann, in pechdurchtränkten, kornbeladnen, hohlen Bäumen, Den Winden und den Wellenschäumen sich entgegenbäumen. Auch eigne Träume wiegte sie hold-oft am Meeresstrande, Und nimmer schied sie von dem weiten, wunderreichen Lande, Wo all ihr Fühlen sich in bunter Bilderreih ergänzte Und gleicher Rhythmus ihren Atem und die Flut begrenzte! Oft glich ihr Sturmesodem einer überstürzten Welle Im Meergebraus; der Seele stillem, sanglichem Gefälle Entsprachen aber Tage wahrer, klarer Sonnenhelle, Und viele Jahre später sang sie noch an trauter Stelle: »Wie flüchtge Wünsche seh ich Wolken mit den Winden ziehen, Sie gleichen Bräuten, die dem Liebeswunder sich ergeben Und scheinen wohl in keuschester Jungfräulichkeit gediehen, Drum müssen sie auch bleich im goldnen Morgenschmuck erbeben. Doch sind sie alle nur vergängliche und grause Launen Erfüllungsschwangerer, unendlich keuscher Sehnsuchtsmeere. – Und blitzen Fragen auf, durchrollt sie donnernd das Erstaunen. 73 Entringt sich ihnen Wolkenwonne und urbrünstge Schwere, So möchte meine Seelensee unendlich lang ihr Glück genießen: Sie schenkt es nicht! Sie schlürft es ein, aus jedem blonden Strahle, Dem Lande gleich, wenn sich die Glutenströme drauf ergießen, Den Wonnedurst zu stillen aus der goldnen Tagesschale. Die Erde trinkt doch stolz aus überstülptem Sonnenbecher, Den sie des Morgens mit dem Lippenrande kaum benippte, Den ganzen Tag. Und ist er leer, so wird ihr Durst nur langsam schwächer. Doch schlief die Erde stets, sobald die Schale niederkippte! Ich gleiche einer Welle, die sich sonnewonnetrunken, In Abendwollust, zwischen Klippen, brünstig bettet, Und die den Schaum, in sein Geflecht aus Gold, wie fast versunken, Um Felsen spült, mit denen sie ihr Glück beinah verkettet! Ich liebe Wellen, die sich zwischen Felsenklippen balgen, Denn ich vermag es, so wie sie, die Liebe doppelt zu genießen, Es wählen, quälen ja die Schaumeswellen brünstig zwischen Krustenalgen, Wie weiche Arme, die sich sanft um rauhe Männer schließen.« Und ihren Gatten sang das Weib noch schönre Wonnelieder. Eins klang: »So legt euch neben mich im weichen Sande nieder, Denn ungeduldig wogt der Busen, und mir glühn die Glieder, Und keine Flut, kein Meer gibt mir die holde Kühle wieder, 74 Und einzig nur ein Kuß von euch vermag die Brunst zu kühlen: Ihr, meine Männer, laßt mich eure kühlen Küsse fühlen, So küßt und kühlt mich überall, die Glut hinwegzuspülen, So küßt die Flechten mir, und in den euren laßt mich wühlen! Wie traurig lieg ich nachts alleine zwischen weichen Pfühlen; Ein grauses Träumen wallt empor aus scheuen Angstgefühlen, Und nur aus Albgestalten, ach, aus bildertollen, schwülen, Verhaucht der Traum, wenn Morgenlüfte unsre Schläfen kühlen. Bin ich allein, verhängt sich lange Nacht mit schweren Dünsten. Ich wälz mich auf dem Lager, bis die leeren Plätze dünsten, Und lüstern spring ich auf, verzehrt von innern Feuersbrünsten: Doch seid ihr da, sind Traum und Luft zugleich am freisten, dünnsten. Und wacht ihr noch, seht ihr mich an, wenn ich in Schlaf verfalle, So ists, als ob sich klar der Himmel immer höher balle; Ich träume da, daß ich in stillem Sternenhain nach Hause walle, Und alles blickt mich freundlich an in der geträumten Halle.« Einst lag, nach langer Zeit, das blonde Weib im Traumesschlummer, Als sie die Morgenwache längst schon hätte wecken müssen. Doch alle waren zaghaft, selbst das laute Volk schien stummer, Und keine Taten folgten den Verlegenheitsbeschlüssen, 75 Denn über allen lag ein ungewohnter, schwerer Kummer. Doch da entschloß ein Sklave sich, dem sie als Weib gewogen, Die blonde Herrin sanft aus ihrem tiefen Schlaf zu küssen. »Welch starker Tau heut niederfällt, der Herbst kommt angezogen,« Sprach da das Weib, »nun werden uns die Schwalben bald umschwärmen!« Mit diesen Worten ist ihr letzter Traum hinweggeflogen, Denn als sie aufstand, hörte sie um sich erstarktes Lärmen, Ein Knäuel drängte aus dem Zelt der lauten Schar entgegen, Um sie nicht allzusehr durch ihren Anblick abzuhärmen, Denn mancher war des Nachts bei Überfall und Mord zugegen, Und sah der Herrin Liebling mit blaublutigen Gedärmen! Wer dachte nicht, man werde einen Toten niederlegen? Doch statt der Bahre schleppte man den Mörder, der sich bäumte, Vor die Gebieterin, die das Ereignis rasch durchschaute Und sah, wie er aus Wut, geknebelt und gebunden, schäumte, Daß Geifer plötzlich vorquoll, der sich hinter seinen Lippen staute. Dann blickte sie um sich und ahnte, wie dem ganzen Volke graute. Erst stand sie stumm, dann eilte sie in wildem Schmerz von dannen. Ein Sklave folgte ihr mit raschem Schritt, auf einge Spannen. Lang hetzten sie im Wald umher. Dann liefen sie zur Leiche Und fanden sie in blutgen Pfützen, die bereits gerannen. Sie wusch sie ab und stürzte dann auf ihre edle Bleiche. Dies war der Jüngling, den sie einst zu sich herangezogen: 76 Er blieb so lange mädchenhaft in seiner holden Weise, Nun lag er da, verrenkt, gekrümmt, wie ein zerbrochner Bogen, Und schien ein Kind, ein totes Kind, aus einem stillen Teiche Ans Land zurückgeschwemmt von unschuldsvollen, stummen Wogen! Er war ein Kind und konnte nie zum starken Helden reifen, Drum wars so hold, ihm all das schwere Rüstzeug abzustreifen! Nun war es aus. Die Glieder schienen frostig anzugreifen Und blieben in der Hand, um ihre Starrheit abzuwägen. Die Herrin konnte nur zum letztenmal die Flechten pflegen Und ihre warmen Arme um die kalten Schenkel legen, Den aufgeschlitzten Bauch mit einem roten Tuch bedecken, Die Tränen vor sich selbst und ihrem blassen Volk verstecken, Um sich zur Rache und zu neuer Tat emporzurecken! »Ich habe meine Pflicht erfüllt, ich hab mich nie verweigert Und ohne Heuchelei der Männer Leibeskuß empfangen Und nach Verdienst, nicht nach der Jugend, meine Lust gesteigert, Denn meine Brunst war groß, wenn würdge Krieger mich umschlangen: Und blieben Jäger lange ohne Weiber und Gefährten Allein im Wald, bis sie mit schwerer Beute wiederkehrten, So gab ich ihnen, was sie kühn von mir begehrten, Und war beglückt und brunsterfüllt, wenn sie den reichen Samen Mit freiem Lusterguß mir in das leere Becken warfen. Und wenn die Männer munter mich in ihre Zelte nahmen, Geleitete uns frohes Volk mit Fackeln und mit Harfen, 77 Und selbst den ersten Männern, die der Tod mit fortgenommen, Ergab ich mich, erschienen sie mir nachts als Larven: Es durften Sklaven, Kinder, Kindeskinder zu mir kommen, Und meine ewgen Jugendreize konnten Stämmen frommen!« So sprach das Weib, dann ward vor ihr und ihrem Volk gerichtet. Der Mörder hatte stumm auf Wut und Mut verzichtet, Und beim Verhöre ist er still und willensstark geblieben. Hat irgendwer von seiner Lust und Grausamkeit berichtet, So peinigte die Menge ihn sogleich mit Peitschenhieben. Kein mitleidsvoller Blick, kein Trost hat ihn emporgerichtet: Er fügte sich gefesselt in des Feindes Machtbelieben. Doch plötzlich schien der Herrin Wut besänftigt und beschwichtet. Doch nein, sie log, da ihre Blicke noch aus Haß zerstieben, Es hat kein großes Lieben ihren Seelenkern gelichtet, Sie rief: »Er ist ein Krieger, er hat groß im Kampf bestanden Und einst des Feindes Übermacht in einer Schlacht vernichtet!« Die Menge aber brüllte toll: »Kein Mensch in Feindeslanden Hat je dich so gekränkt; zum Kämpfen war er nur verpflichtet, Drum quetscht ihn ein und peinigt ihn mit seinen eignen Banden!« Sie aber rief dazwischen: »So gedenkt doch seiner Sänge, Erinnert euch der Lieder, die er einst für mich gedichtet, Bedenkt, erwägt, er ist ein Sänger, und dann mildert eure Strenge!« Nun aber tobte es noch ärger in der großen Menge. 78 Die Heisern heulten: »Sagt, was kümmern uns die süßen Klänge, Wir möchten sehn, ob uns kein Minnelied für dich gelänge, Wenn uns dein Arm, wie einstens ihn, in holder Brunst umschlänge!« Nun hat im wilden Weibe eine Schlange sich verringelt, Die Wut, die Eitelkeit, und manche Schlacke brünstger Triebe Verschlangen sich zum Knäule, und ihr Haß hat draus gezüngelt. Voll Wonne hörte sie die Rufe und die dichten Hiebe, Und plötzlich kreischte sie, von ihrem ganzen Volk umzingelt: »Vergeßt doch nicht, vielleicht seid ihr die Kinder seiner Liebe, Ja, dort, ihr Peiniger, des trotzgen Mörders Söhne; So laßt doch ab und hört erbarmungsvoll auf sein Gestöhne. Gibts keine Einsicht, die euch mit dem Mann versöhne?« Nun wars, als ob der ganze Wald vor Wutgeheul erdröhne. Man hörte nichts. Doch schiens, daß man das Opfer laut verhöhne, Und alle schlugen drauf, als ob ein Volk der Mordlust fröne! Dazwischen aber wimmerten des Mörders Sterbetöne. Schon war er fast entschlummert, und man hörte nimmer das Gepfauche, Noch jene Stimme, die da rief: »Laßt ab, denn ich verpöne Die grause Lust, da ich das Maß zum Staatenbauen brauche! Laßt ab, daß ich mein Werk in letzter Stunde noch verschöne! Bezähmt die Wut, damit ich tief in eure Seelen tauche, Den Schmuck zu fischen, der euch einst in fernen Tagen kröne: 79 So faßt euch denn, und dann empfangt aus meiner Hand die Löhne! Der hellen Sonne gleich, die nach dem wolkenüppgen Föhne Das Wesen ihrer Macht in klare, goldne Strahlen kleidet Und ruhig Sturm und See – und Dunst und Berge wonnig scheidet, Die Feuerbrücken spannt, wo schon der Glanz das Naß zerschneidet, Und Nebel trennt, wo bald ein Hirt die sanften Schafe weidet, Vermöge es die Königin, im Volk die Wut zu schlichten, Mit ihrem hellen Blick die ganze Massenwut zu sichten! Und zwar mit Öl von Worten, die sich auf die Wogen legen, Wenn Zorneswirbel durch die wilden Horden fegen, Die Tollheit im erregten Volk allmählich zu beschwichten! Auch durch Versprechungen die Friedenswünsche zu verdichten!« Von eigner Brunst begann sie ihrem Volke zu berichten, Um all der Aufgeregten Anwut auf sich selbst zu richten: Und siehe, bald begann man auf das Martern zu verzichten. Kaum hat die Herrin im Gewühl den Zornesprall gebändigt, Mit Wort und Blick die Urnatur in ihrem Volk gemeistert, So war schon kühn, mit einem dreisten Zug, ihr Werk beendigt: Sie aber hat sich noch am Seelenschwung und Rausch begeistert. Sie hat die Wollust ihrem Redeschwalle eingehändigt! Die Fürstin rief: »Ich schlief mit jenem Kind in meinem Zelte, Als eine Glut die Glieder beider zueinander schwellte. 80 Wir sahn das Blut, das Lust und Liebe durch die Leiber wellte, Und als der warme Hauch der nahen Körper sich berührte, Da wars, als ob ein Wesensschaum die holde Lust verspürte: Ein Schauer überfiel uns, als sich Schwindel in uns rührte Und wohl als Jubel sich aus Brust und Kehle sanft entschnürte: Wir fühlten wonneschwere Leiber ineinanderfallen, Die gute Lust von Glied zu Glied, von Aug zu Auge wallen! Wir sahn uns an. Ich bebte. Konnte nichts von Liebe lallen: Und hatte an den Gliedern, die ich wund schlug, mein Gefallen. Er war so jung, ich wollte mich an seine Jugend krallen. Ich küßte seinen Nacken und befühlte seine Lenden. Die steifen Finger wühlten in den weichen Leibeswänden: Was kann die Nacktheit eines Leibes doch an Prunk verschwenden! Mit Purpurspangen schmückte ich sein Fleisch, mit meinen leeren Händen! Und ich erstickte seine Küsse, wollte sie beenden, Um nach Belieben seinen Körper hin und her zu wenden. Doch war er gar so sanft und folgte jeder Sinnesregung. Er sah mich an, so glückerfüllt und fast bereit zu sterben. Ein schwüles Graun erfüllte mich bei jeder Armbewegung. Ich schnürte seinen Hals und sah den Körper sich verfärben. Ein Blick noch schien, wie um Erinnerung, zu werben, Und lächelnd wollte er aus meinen Schlangenarmen scheiden, Von ihrem Druck befreit, von Leid und Leib sich sanft entkleiden! 81 Da packte michs, ich müßte mich an seiner Sehnsucht weiden. Ich ließ ihn los und hauchte nun auf seine blassen Lippen: Wie war das herb, wie fühlte ich ein wonneschwüles Leiden! Ich rieb und rieb und sah die Röte zwischen seinen Rippen, Denn endlich kam das Blut und tilgte seine Schreckensbleiche: Ich tötete ein Kind, zum Manne weckt ich nun die Leiche; Als er erwachte, war Zerklüftung zwischen uns geschaffen, Wohl half ich ihm, doch blieben wir für immerdar geschieden! Wir trachteten uns stumm zu neuem Leben aufzuraffen, Doch unsre scheuen Blicke hatten sich dabei gemieden. Dann schlich ich aus dem Zelt, in dem der erste Mord geschehn, Und er lief bald in einen Wald, mir aus dem Weg zu gehn. Nach Jahren kam er heim, in einem selbstgefügten Boote, Und unser Dorf umschlich er scheu, als ob ihm Strafe drohte. Wohl nie empfand ich ihn als trüben Treter der Gebote, Er konnte wiederkommen, doch sein Leben war gebrochen. Er hatte nie zu einem Weib von süßer Lust gesprochen, Was ihn umgab, das wollte er zerstören und entschleiern. Er schuf den Pfeil, um seine Rache auf der Jagd zu feiern. Es zog sein krummes Wesen zu den leichengiergen Geiern. Aus Lust am Rauben hat er kühn ein schlankes Boot gezimmert, Die letzte Liebe zu der Welt und allen ihren Dingen Gab ihm die Sucht und Lust, in ihr Geheimnis einzudringen. – Er haßte das Vorhandene, das freudetrunken schimmert: Er wollte das Bestehende zu anderm Dasein zwingen. 82 Und hat das Holz geächzt, und seine Beute matt gewimmert, So gab Geräusch ihm Lust, was er begann, ans Ziel zu bringen! Drum ruf ich stolz, was ihr erschafft, ist immerdar geschlechtlich, Was anders käme, wäre freudlos, frevelhaft-verächtlich. Die Weiblichkeit ist rätselträchtig, unerforscht und mächtig, Sie hält ein Stück des Weltgeheimnisses durch Scham verborgen, Und drum empfangt ihr auch unwiderstehlich stark und rechtlich, Aus ihren Armen nur, den jungen Tatendrang am Morgen! Ihr fühlt euch einzeln, und ihr sucht euch allseits zu ergänzen. Euch macht das Rätsel, das ihr brünstig sucht, im Weltall Sorgen, Und das Bewußtsein habt ihr, weil Gefühle euch begrenzen. Als Einzelwesen glaubt ihr kraus zerstückelt an Ergänzung Der Sinnlichkeit, durchs ewge Eins, das still und unverständlich Sich tief in allen birgt, weit jenseits allen Daseins Ichumkränzung: Und Freuden schufen euch einst tätig, lustbelebt und endlich, Drum scheinen euch die Lust und schließlich Welt und Weib verblendlich. Vom Weibe abseits, sucht der Mann sein Etwas zu erfahren, Und vom Genusse manches für die Stille zu bewahren. Wer schwer des Weibes Huld empfängt, wird häufig schwül und bissig 83 Und wittert in der Welt umher und findet sie bald rissig. Und der, dem ichs vergällt habe, hat Kräfte überschüssig, Die eigne Welt sich aufzubaun: die Welt mit einem Henkel! Die Welt, in der er Ordnung fand, weil alles eigenschlüssig: Und zeugt er keine Kinder drin, schafft ihm sein Trachten Enkel! Und statt im Schamteil sucht er dann, knapp unter ihm im Zwickel, Ein Rätsel, das sich hohl erweist! Doch spreiz ich da die Schenkel, Geschiehts, damit sich furchtbar stets mein Wonnespiel entwickel. So bleibt das Weib der Rätselhort! Und könnt ihrs nicht genießen, So laßt ihr euch die Wollustwelt aus Dreiecken ersprießen. Seit jenen Tagen habe ich meist Jünglinge erkoren, Da fühlt ich fast das warme Blut den jungen Leib durchfließen: Hab Kinder ihnen, wie zuvor den Männern, froh geboren. Des Jünglings Lächeln liebe ich, nach erster Nacht der Liebe, Und nimmer hats ein Schreck in Kinderzüge eingefroren. Ich spielte selbst damit und hoffte, daß es lang verbliebe, Denn selbst am Tage geht solch zartes Lächeln nicht verloren: Und alles tat ich, daß der Freudenschimmer nicht zerstiebe! Doch jenes letzte Kind, das ich in holder Lust genossen, Das traurig zu mir kam, als ob ihn grauses Schicksal triebe, Hat jener dort erdrosselt, ach! – Hat mir so teures Blut vergossen! Drum schlagt den Wüterich!! Sagt, weshalb zögern eure Hiebe? 84 Erfüllt die Pflicht und martert ihn und peitscht ihn unverdrossen! Er ist ein Mörder, und ihr peinigt meine feigen Diebe. Ja gerne! Selbst wo man bereut! Und jener bleibt verschlossen!« Doch nun bemerkte bald das Weib ein eignes Volksgetriebe. Die Freien und der Henker selbst, mit seinen Spießgenossen, Vereinten sich zu einem Volk, das seiner Herrin trotzte. Man drohte dreist und hielt die Mächtige umschlossen Und sah, wie sie, erschreckt, auf ihre Sprossen wütend glotzte. Im Augenblicke hatte sich ihr schlichtes Haar geringelt. Ein Schlangenhaupt erschien dem Volk, das fast mit Frechheit protzte. Und rasch zerstob der Mob, der dreist das Weib mit Wut umzingelt. Dann rief sie laut: »Nur ich hab jenem Manne Lust gegeben!« Und Hast der zügellosen Wut hat nun aus kaltem Wort gezüngelt: »Mein Haß vermochte hohe, kühne Taten zu beleben, Drum bleib ich stolz, und ihr müßt feig und scheu erbeben! Nun rasch zur Pflicht, jetzt peitscht ihn weiter, und gehorcht aufs Wort, Entreißt ihm mit Gewalt die letzten Worte vor dem Mord. Doch nein, sein Todesröcheln, horcht, entgurgelt ihm soeben, Nun rasch die Axt zur Hand und murkst ihn ab, – ich blicke fort!« Da senkten Ernst und Trauer sich auf die Gemüter nieder: Aus Menschenseelen, wie aus Felsenklüften, schien das Schweigen 85 Als erste Abendahnung schwer und mählich aufzusteigen. Millionenflügel eines Windes schwirrten hin und wieder. Die schwülen Hauche senkten müd ihr schlaffes Luftgefieder. Sie irrten durch den Hain und schliefen ein, auf üppgen Zweigen, Und alle Äste schienen sich, von Luft beschwert, zu neigen. Des Himmels letzte Wolke schwebte nun herab zum Meere. Sie schien von einer Insel sanft zu sich herabgezogen. Sie senkte sich wohl selbst, durch ihre eigne Wollustschwere, Und kam, als brünstger Schwan, aufs üppge Eiland zugeflogen. Auch senkten, fern verflüchtigt, sich zwei Wolken talwärts nieder, Als wollten sie ihr Liebestun in dunkler Schlucht verbergen. Und zum Genusse streckten sie die zarten Schaumesglieder Durchgoldet aus, als ob sie überall ein Fiebern bärgen. Die eine hielt die andre fest, in lüsterner Umarmung, Und ihr Geheimnis wallte auf, bis zu den stummen Bergen. Und durch die Welt zog nun ein Rausch unendlicher Erbarmung. Da trat die Königin hervor und sprach zum stummen Volke: »Nun drohn uns Tod und Neid und Streit und seelische Verarmung! Der Menschen Frevel liegt auf diesem Strand wie eine Wolke. Verlaßt das Land, es scheint von einem Alb belastet. Verscharrt mich hier im Wald und nehmt mich mit in euren Träumen: Und träumt von mir und fremden Bäumen, wenn ihr ferne rastet: 86 Was ihr von mir erfaßt, als Sage laßt es schäumen! Verlaßt den Strand, auf flotten Booten, hoch und steil bemastet, Zieht, Träumen gleich, auf Schäumen hin, wo Schäume Länder säumen. Kreuzt selten eine Bucht, wählt, wo ihr übernachtet, Und zieht der Sonne nach, wenn euer Sinn nach Zielen trachtet. Ich selber wähl den Tod und will zur Greisin nicht erfrieren: Mein goldnes Haar darf seine edle Farbe nie verlieren! Ich bin ein Fels, den Abendstrahlen matt mit Glut verzieren: Ich bin ein Sagenberg, mit Gold erfüllt und goldumflossen: Lebt wohl, ich hab genug von holder Sonnenlust genossen! So legen eigne Kinder mich, als Greise, bald zu Grabe Und hüllen mich in blonde Flechten ein, die mich umwallen; Dann ruh ich tief gebettet in der schönsten goldnen Habe: Denn Gold, nur Gold, wird allseits auf die Glieder niederfallen. Doch sollt ihr stets in fernen Herbsten die Mysterien feiern Und an die Mutter denken, die nach hohem Erdenwallen Sich selbst zurück zur Erde sehnte, um in goldnen Flechten Ertieft zu ruhn, – wenn Sänger einst ihr Sagenbild entschleiern! Ich selber habe aufgehört zu knechten und zu rechten! Zieht froh umher und singt berauscht, mit laubbekränzten Leiern, Den Hymnus eurer Mutter Erde, der die Saat entsprossen, Und heut zum letztenmal, nachdem ihr meinen Sarg bereits verscharrtet, Besingt die Erde, der ein reicher Erntestrom entflossen, Und die voll Dunst die neue Samenglut erwartet. 87 Belauscht die Sprache, die im Lispelton die Blätter sprechen, Wenn sie geräuschlos fast von ihren dürren Zweigen fallen. Belauscht euch selbst, wenn Schamgefühle aus der Liebe brechen Und ein Geheimniszauber anfängt in euch aufzuwallen. Dies ist die Erde. Fürchtet nichts, die gute Muttererde! Dies ist der Tod, die Stille und die sehnsuchtsreiche Liebe! Sie schlummern, tief verborgen vor begehrlicher Gebärde, Im Alltag unerkannt, verdrängt von lautem Sonngetriebe: Doch bricht die Erdmacht vor, so zieht es euch zurück ins Dunkel! Was ihr nur selten fühlt, wird zum Geheimnis euch, das Lieben! Was euch dem Licht entzieht, ja eures Wesens Lustgefunkel, Das Sterben ist euch feindlich und verhängnisdumpf geblieben: So bleibt denn unbelauscht, wenn euch die Liebe schwer durchglutet! Was ihr in seltnem Liebesglück euch gebt, verschließt es innig, Versenkt euch in den Seelengrotten, die ihr kaum vermutet, Und schlummert treu, seid ihr aus reiner Sehnsucht minnig! Und wer für Liebe und für Liebesschmerz wie ich verblutet, Der tut es für ein Rätsel, das voll Schwermut ist und sinnig! Die Leiblichkeit des Weltgeheimnisses sind Zucht und Sitte: Durch Taten zwingt die Erde uns, es dauernd einzukleiden: Denn ihre Macht hält zwischen den Bestrebungen die Mitte 88 Und bleibt sich gleich und zwingt uns stets zum Unterscheiden. Darum erwägen wir mit Stolz die eignen Lebensschritte, Beschließen wir nach freier Art Verworfnes zu vermeiden, Will sich in uns das herrlichste Geheimnis doch behaupten! Drum auf! Zu den Mysterien! Zieht im Herbst mit glutumlaubten, Verwelkten Zweigen zu den heilgen Grotten der Propheten Und windet euch, im Chore, durch die langen sonnbestaubten, Geweihten Haine, zu den Priesterinnen vor, die beten! Dort weilen Weiber, die noch nie vom Liebeshauch getrunken Und keines Mannes Schöpferrausch im eignen Sein empfunden! Sie bleiben sanft in heilger Erdenandacht tief versunken Und halten sich mit ihrem eignen Rätsel traut verbunden. In Dampf gehüllt wird aller Weiber Sonnen-Ich gebändigt: Und manche kann dabei, betäubt, Empfundnes dumpf bekunden, Wovon die innre Erdbestimmtheit sie im Traum verständigt. Doch wird der Erdenrätsel urgewaltge Vollerfüllung Durch euer keusches Tun und Lieben weit in Zeit beendigt, Und dem, was sich erfordert, gebt ihr stündlich die Umhüllung! Du erderwünschtes Zögern, edle Sprödigkeit des Weibes, Du wahrst und förderst das Geheimnis unsrer Seele, Dem Sinn entrückt, zuckt Mutterfreude in der Frucht des Leibes: Ihr nahzutreten, fühlst du fast als Schmach und Fehle, Denn heilig ist die Scham, und sie ermenschlicht Zuchtbefehle!« 89 Als nun der Abend seine Purpurdecken niedersenkte, Und dann der Tag, mit blutgem Schatten, wie zum Abschied, schwenkte, Da ließ die Herrin einen großen Löwen vor sich führen, Den ihr, vor Tagen erst, ein mächtger Nachbarkönig schenkte. Sie ließ des Tieres Leib mit Stricken knapp umschnüren: Und sieben Männern nur gelangs, den Auftrag auszuführen. Dann sprach das Weib: »Jetzt will ich meine letzte Lust verspüren! Ich mag aus freier Wahl den kühnsten Sühnetod erküren: Nun bindet mich auf dieses Tieres holdgeschmeidgen Rücken, Sein goldner Leib wird meine weiche Nacktheit noch beglücken: Dann sprengt die Löwenfessel, laßt uns Klüfte überbrücken, Und seine Wildheit wird uns euren Blicken rasch entrücken! Stecht ihm zuerst, mit einem Schwert, in seine fleischgen Lenden, Der Katze Wut zu steigern und die Todesqual zu kürzen: Dann werden wir zusammen bald in einer Kluft verenden, Denn schmerzzerfleischt soll dieses Goldtier jäh von einem Felsen stürzen. Ich bin ein Sturm und will die letzte Wucht und Wut verschwenden! Seht dort die Wolken, die um spitze Felsenkegel fegen, Wo Winde ihre Horste baun, sich drin zur Rast zu legen. Soll da ein Sturmbraus keine Lust an seinem Ende haben? Wohl doch! Seht, ich berausch mich an den letzten Flügelschlägen! Wo ihr mich finden werdet, sollt ihr mich sogleich begraben, 90 Damit ich mich in meine Ewigkeit hinüberdehne: Im Goldhaar ich, die Rachekatze aber mit der Mähne. Nun hört auch, welches Wesen ich in diesem Tiere wähne: Erschaut das giftige Gefunkel seiner Stachelblicke, Oft scheint sein Fieberauge eine haßdurchblitzte Träne, Der Seelengroll entquoll, und nun durchzuckt es grüne Tücke! Ein Unheilstern der Menschheit sträubte diese Sonnenmähne: Drum ruh ich bald auf meines Feindes wuchtigem Genicke Und menge wollustvoll die beiden Flammendiademe Und stemm mich auf und krall mich fest, im letzten Schreckensglücke, Und warte, daß der Tod uns grauenvoll entgegengähne! O Menschen, als ihr einst den Wald durchwandelnd einwärts drängtet, Da ließ die Wildnis euch am Wege süße Beeren finden. Als ihr euch haufenweise durchs Gestrüppe vorwärts zwängtet Und hohe Bäume furchtlos fälltet, um euch durchzuwinden, Da fandet ihr die Stacheln neben saftgeschwellten Beeren! Und als ihr boshaft eure Schritte durch den Urwald lenktet, Da mußte der, zum Schutz, die Schlangenbrut gebären; Und als ihr Wälder dann, aus argem Trutz, versengtet, Da sollten giftge Flammen euren Weg im Wald durchqueren: Sie huschten nachts aus Tümpeln, wo ihr euch des Tages tränktet, Wie Feuerfrösche, schnell hervor, den Marsch euch zu erschweren! Ihr fiebertet bereits, als ihr am Wege abseits schwenktet, Dem Tod entgegen taumelnd, hinter falschen Flammenheeren. 91 Und wo ihr eure Glieder nicht aus Schmerzensqual verrenktet (Denn Fieber kamen, eure Dörfer plötzlich zu verheeren), Ertrankt ihr oft, wo ihr das Wollen in den Wald versenktet, Im Schlamme, der sich aufgehäuft vor eurem Sonnbegehren! Und weiter zogt ihr, ob ihr euch auch martertet und kränktet, Bis euch die Wildheit selbst entgegensprang, um sich zu wehren: Der Wildnis Wucht und Wut in einem Katzensatze zu entleeren! Ihr Menschen, das Mysterium müßt ihr aus dem Walde locken! Es rankt sich, Efeuschlangen gleich, empor an stolzen Stämmen. Es krampft sich einwärts in die letzten, splitterspröden Brocken; Es wühlt sich aus der Fäulnis vor, ersproßt in bunten Schwämmen! Es scheint, der Viper gleich, in welkem Laub und Busch zu hocken Und trachtet überall sein giftges Sein hervorzuklemmen. Und muß der Bäume Saft in frischen Stümpfen plötzlich stocken, So seht ihr Pilze bald die Waldeslichtung überschwemmen! Doch zieht es an, das schreckliche Geheimnis wilder Wälder! Erkennt im Wald des Schädlichen und Bösen giftge Keime: Erfaßt und hegt in euch die ersten kindlichen Vermelder Von innren Reuelauten. Jedes Mißtons Echoreime Gibt euch die Seele ganz empfindungsklar von innen wieder: 92 Oft sind es Laute nur, oft unbezwingbar wilde Lieder! Ein Sang, ein Lebenshauch durchrauschte sanft mein Lebenswallen Und ward ein Wind und wehte scharf um manche Lebenswende, Doch endlich schlief er ein in meiner Seele Waldeshallen: Doch diesmal ists ein Sturm, sein Echo werfen alle Wände Gar tief in mich zurück; die Stimmen können nicht zerprallen Und ruf en laut in mir nach einem kühnen Sühnungsende: Drum kommt! Ihr müßt mich rasch auf dieses Löwen Rücken schnallen!« Gar hurtig regten sich der jungen Sklaven blutge Hände, Die nun den Löwen knebelten. Und Blut, vermischt mit Geifer, Entträufelte den Lefzen dieser Katze, die behende Sich ihrer Peingerschar erwehrte, die mit wildem Eifer Nun ihre Herrin auf des Löwen Rücken band und schnürte. Und noch bevor das Weib die Ohnmacht seiner Glieder spürte, Da es, die Katze wild umhalsend, seine Arme rührte, Entsprang das schöne Tier, das seine Königin entführte. |
Wieder kam die Welt ins Schwanken! Berge stürzten wandernd ein: Und das Bersten seiner Schranken Nahm der Mensch in Augenschein! Auf den Inseln, die versanken, Konnten Völker schon gedeihn: Doch als Mensch und Tier ertranken, Wurden sie noch handgemein, Denn, dem Tode sich entraffen, Galt allein und hetzte jetzt! 93 Gar kein Wesen konnt erschlaffen: Angst hat rasch die Kraft ersetzt. Magre Hälse der Giraffen Würgten Schlangen, flutbenetzt, Und den wildbehenden Affen Haben Menschen nachgehetzt. Weg von seinen eignen Jungen Flog nun selbst der Pelikan. Haß- und angst- und krampfverschlungen Fletschten sich die Bestien an. Alle hat der Tod bezwungen, Wo die große Flut begann: Lauernd war sie aufgesprungen, Plätschernd schlich sie sich heran! Ärger war es, wo sie zagend Vorgedrängt, von fern genaht: Als wo Berge, himmelragend, Niedersausten auf die Saat Junger Wesen, die fast fragend Aufgeblickt zum Felsengrat, Der, sie alle rasch erschlagend, Jeden Sonnenkeim zertrat! Schrecklich sahn sich Menschenfratzen Dumpf vergurgeln in der Flut: Engverkrallt mit wilden Katzen Sträubte mancher sich mit Mut. Andre, aufgebläht zum Platzen, Bargen lang noch Lebensglut: Und das Wasser schien zu schmatzen, Ganz durchschwelgt von Aas und Blut! Bild- und haltlos war die Eule Schon als erster Vogel schlapp; Schlangen reckten sich als Säule Hoch empor auf letztem Kap. Andre stürzten dumpf als Knäule 94 Oft mit Tigern jäh herab, Und es schien, daß im Geheule Alles hörbar Atem schnapp! Wie ein grauses Angstgequake Halbverreckter Krötenbrut Scholls aus der Kadaverlake, Und noch immer schwoll die Flut. Gurgelnd trug die Aaskloake Der Ersoffnen Erdtribut, Als ein gelber Wasserkrake, Dumpf in sich hinab, voll Wut! Riesenschlangen, Büffeltruppen, Barsten rings, in sich verkrampft. Gräßlich waren auch die Gruppen, Wo die Lurche, hufzerstampft, Auf den letzten Lebenskuppen Ziegenherden, starr und sanft, Würgten: und dort haben Suppen Schwüler Fäulnis aufgedampft. Und es war beim Knäulverzucken Leiberbrei hineingeklemmt; Zwischen Bären eingestemmt, Sah man Leichen drinnen hucken. Und die Flut hat beim Verschlucken Geil mit Mensch und Vieh geschlemmt: Doch sie hat beim Leichenspucken Bäuche nur zurückgeschwemmt. |
In einem Land, das von der Flut fast unberührt geblieben, Begann der Boden sich auf einmal bebend zu verschieben. Das Meer hat hohe Wasserhosen an den Strand getrieben, Die bald beim Sturm zu Brandungsschaum und Wirbelgischt zerstieben! 95 Da drang der Druck der großen Flut herbei mit blauem Blitzen: Ein Sturmrausch wars, ein Sausebraus, beschwert mit Hagelschauer, Als wollte sich sein Nebelrumpf zerreißen und zerfitzen. So stürzte er am Weltenmeer, auf wilder Dauerlauer, Als Riesenwirbel hin und her und wurde immer dichter Und riß im Saus ein Felsenriff hinab in seinen Trichter. Da wälzte sich in einem Ruck ein Sturmstumpf mit Gebrülle Vom Trubelkessel wuchtend los und trug, in schwarzen Hüllen, Gar furchtbare Gewitterlust und schlug die Mutterfülle, Als junge Stürme, keuchend weg; da stürzten die, wie Füllen, Dem Braus mit Windgewieher nach: und alles tanzte, tollte Mit Wirbellust in sich zurück, als ob es sich verschlingen wollte. Und Dünste schlürfend wuchs der Sturm noch immermehr, am Ozean, Und raste dann mit einemmal dahin als fahndender Orkan. Vielleicht zog ihn das Abendland urplötzlich mächtig an: Er wallte, wogte hin zum Land, bis er den schwanken Strand gewann! Und Schaum und Gischt und Flut und Nacht erklommen Riesenhänge. Der Mittag war in Sturm gehüllt. Die See entsprang den Ufern. Weiß übergischtet war der Fels in steiler Meilenlänge. Das Meer hat stürmisch aufgejauchzt, als wärs von tausend Rufern: Und Schlamm und Dunkel mischten sich zu wirbelndem Gedränge. 96 Die Schlacken zuckten blitzend auf, wie unter Sonnenhufern: Da wars, als ob ein Rhythmentanz die Wildheit fast verschlänge, Als trüge Flut, beim Lebenssturm, als Mähne Gischtbehänge. Und wieder donnerte am Meer ein andres Ungeheuer, Noch manche dunkle Ungeburt, aus dunstbezwungnem Feuer, Zerschlug verblitzend, dort am Strand: und klarere Orkane Entschlangen sich dem Wirbelherd und landeten am Strande. Es war, als ob ein Walten sich auf einmal wieder ahne: Denn peitschten Winde Kämme auf, dort hart am Strandesrande, So waren sie im Trab davon, als ob sich eine Karawane Da stracks, am starren Lavahang, den Weg ins Dasein bahne! Der Strand erklang, da Sturmeshast das Land im Tanz durchfegte, Gedankenstracks dem Trubel sich der Hang entgegenregte. Ein Armeacker, Beingerank, das Gott von Rümpfen sägte, Rang lavastarr nach Daseinsschnitt und schwankte, ob es wägte, Nach welcher Art, am freiesten, den neuen Leib zu fügen! Das Erderbeben schnellte nun, aus tiefen Wirbelzügen, Die erdenbrache Kreiskraft auf, der Lebenshast entgegen, Und langsam schien ein Massenkrampf sich leibhaft zu bewegen.
Und Sturm und Wogen klommen jäh empor auf Lavahängen! |
Durch Schlucht und Schlund brach jäh der Sturm: Er brauste lang am grauen Meer Und schleppte seinen Trubelturm Aus Schlamm und Wasser hin und her. Nun drang er zwischen Bergen ein Und wälzte trocknen Lehm bergauf: Er schien ein Bau aus Staub und Stein Und rauchte aus dem Wirbelknauf. Er stürzte sich durch Fels und Schlucht, Wo alles noch gebebt, gezuckt: Und unten ward die dumpfe Wucht Von manchem runden Schlund verschluckt. Dort zuckte oft ein rotes Roß In schauerlichem Todeskrampf: Das Blut, das aus den Nüstern floß, Ward schwüler, dicker Lakendampf. Die Würmer zehrten schon vom Fett: Und als der Sturm dahergebraust, Erweckte er das Pferdskelett, Das halb verreckt war und verlaust, Dies blieb vielleicht als letzter Rest Vom herrlich freien ersten Ritt! Was klein kam, ward herabgepreßt, Das Starke stürzte strandwärts mit. Jetzt reckte manches Pferd den Hals Und zerrte sich aus Dreck und Staub. 102 So ward der Zweck des Weltenfalls Ein eiliger Bewegungsraub. Die Rotte schlotterte noch lang; Doch schwankte auch das Lavaland: So schleppte sie, mit gradem Gang, Sich langsam fort, durch Staub und Sand. Am Boden lag ein Leiberstumpf: Durch Wüstenwolken fast verdeckt, Vielleicht ein Rest vom Krakenrumpf, Der sich aus Menschen aufgereckt! Die Rosse schnüffelten aus Durst Im Fleisch herum und Menschgebein: Da regte sich die Leiberwurst Und biß sich in die Zitzen ein. Es wieherten die Mähren laut Und schleppten einzeln Menschen mit: Und was sich da zuhauf gestaut, Ward zuckender, bei jedem Schritt. Beschwert durch solche Körperlast, Die keines mehr von sich gewälzt, Sank manches Roß. Doch halsumfaßt, Trugs Reiter, die sich draufgesetzt. Und Weiber, Kinder schleppten sich Mit Pferden fort, am Bauch und drauf. Und als das Bodenbeben wich, Kam alles bald in raschen Lauf. Voll Schmerz und Müh ward fortgestampft. Die Kraft kam nun vom Sturmwuchtbruch. Und Mensch und Pferd, in sich verkrampft, Entgurgelte ihr Ursprungsspruch. – 103 |
Es schreckt mich die Wüste, die rings sich entrollt: Sie zeigt mir kein Ende im flimmernden Gold. Die Sonne blickt traurig, als dunkler Opal, Auf blendende Felsen, wie starrende Qual. Es schweigen die Winde, von Hitze erstickt: Nun zeigen sich Wirbel, zu Wolken verdickt. Sie treiben am Rande spiralisch umher, Verschwinden auf einmal und werden bald mehr, Durchstauben die Ebne, umkreisen den Grat, Da scheint mir der Plan ein bewegter Achat. Sie kommen mir näher. Ich atme den Staub. Ich hör kein Gesause: ich wähne mich taub. Da stampft schon im Sande ein Volksstamm vorbei: Auf bräunlichen Pferden durchsprengt eine Reih Verrunzelter Reiter mein sichtbares Feld! Ich seh, wie sich jeder da sattelfrei hält. Es kommen auch Weiber und grinsen mich an: Sie folgen auf Gäulen, mit Kindern, dem Mann. Es fletscht mit den Zähnen manch zwerghafter Wicht. Sie scheinen mir Schemen: ist das ein Gesicht? Mein Geist ist gespenstig, doch die sind aus Fleisch! Nun hör ich auch deutlich ihr Gurgelgekreisch. Es ist das der Hyksos berittenes Volk! Ich fand ihre Truppspur, damit ich ihr folg. Ich merk mir den Sturmschwarm aus Räubern und Staub, Das Wüstengewitter, das Lichtheer auf Raub: »Ein gelblicher Zwergstamm mit Weib und mit Kind Durchstreift die Sahara, gewandt und geschwind. Auf braunen Arabern erreicht er den Nil Und kommt und verschwindet – und bleibt ohne Ziel!« Nun seh ich auf einmal durch lebende Zinnen Ein Schlackengeschwanke in wirbelnder Pein. Dort mag wohl die Lava zu Formen gerinnen, Und Flammen entwallen dem Brockengestein. 104 Es sträubt sich und wehrt sich der Schlundgrund dort drinnen, Als wollte er stocken und tanzmunter sein: Verzerrt und verzogen erhebt er sich zuckend, Und glutrote Qualme umsprühn ihn ringsum. Und Schluchten, fast trubeldumpf Garben verschluckend, Durchbuchtet ein dunkles und dumpfes Gebrumm: Und Menschen, auf stilleren Felsspitzen huckend, Begaffen das Schauspiel verwundert und stumm. Der Felskessel hebt sich. Er bebt und verschwindet. Der Krampf, den die Lava erstarrend verlor, Wird leibhaft: und plötzlich empfindet Ein Rumpf innre Glut, da sein Umkreis erfror. Jetzt lechzen die letzten Glutzünglein nach Leben! Die Rachen am Brachplan sind glattstarr verkrallt. Verschrumpft sind die Zacken. Zerzuckt ihr Erbeben: Nun reißt jene Bestie empor mit Gewalt. Sie läßt sich vom Felsgrat urplötzlich erheben. Doch macht schon ihr Sockelblock überrascht halt Und schnellt den Ur-Ur empor auf die Beine. Da steht er gewaltig. Gefühllos! Und bockt, Als scheute er immer noch blutige Scheine, Die rings aus dem Brockengemäuer geflockt. Da klettern zum Apis, im Brudervereine, Die Menschen, die rings die Geburtskluft umhockt! .- Ich fühle mich selber hinübergerissen. Ich folge dem Volk, das den Numen erkennt. Auf einmal ist alles erregt und beflissen. Ich seh mich im Schwarm, der die Zinne berennt. Und wieder bewegen sich Felsenkulissen. Doch brüllt nun der Stier für das Wutelement! Ein Kreisen von Bergen, von rasselnden Graten, Ein Felsengewirbel entschleudert uns jetzt. Die Erde scheint trommelnd in Schwung zu geraten: Wir stehn auf der Platte und werden versetzt. 105 Vom Stamm, der bestimmt ist zu herrlichen Taten, Wird niemand beim großen Ereignis verletzt! »Wir rufen dich, Isis, geschwängert im Bauche Der Mutter, vom Bruder, Osiris dem Gott: Entraff uns den Klüften, dem Schwefel, dem Rauche! Sei huldvoll dem Volk, das um Apis sich rott! Wir werden dich ehren nach heiligem Brauche: Dir nahe kein Feind mit verwegenem Spott!« – – – Nun plötzlich verrammt sich die riesige Schraube. Die Hose aus Kegeln und Gipfeln beharrt. Verstummt ist das Dröhnen und Rasselgeschnaube. Hat alles zurück in die Angeln geknarrt? Es schützt uns die Erde. Es hilft uns der Glaube! Kein einziger Mensch ward beim Bergruck verscharrt. O Niltal, Ägypten, du bist uns beschieden! Wir steigen vom Sinai singend herab: Dort schirme die Wüste ihr Zuchtreich in Frieden! Es brüllt schon der Apis, beim zottigen Trab! Bald baun wir ihm Tempel und Felspyramiden, So steil wie der Sinai: rettendes Kap! Wir wollen dich ehren, Gebirge der Erde: Du trugst uns aus Westen im Fluge herbei! Wir folgten dem Apis. Wir sind seine Herde. Wir glauben an Isis, befruchtet im Ei Ihrer Mutter vom Bruder, als Hort ewger Herde: O Isis, du inbrunstgewaltiger Schrei! 106 |